BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Zacharias Werner

1768 - 1823

 

Franz Grillparzer:

Nachruf. An Zacharias Werner

 

1823

 

Text:

Grillparzers sämmtliche Werke, Band 1, S.107

Tübingen: J. G. Cotta, 1874

 

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So bist du nicht mehr unter uns?

Bist hingegangen, Werner, abzulegen

Das unfreiwillig schaurige Profeß

Bei deinen grauen Mönchen vom Karmel,

Dem heil'gen Berg, du armer Sohn des Thals?

Was ist die Hora lang,

Der Guardian streng,

Und schrecklich der Posaunenschall des Fests!

Man sagt, daß, wer sich selbst geschaut im Leben,

Die eigene Gestalt, ansichtig außer sich,

Daß er nicht leben könne fürder mehr

Und müsse sterben in der nächsten Frist.

O unglücksel'ge Frucht der Selbstbeschauung,

Du hast dich auch geschaut und bist gestorben:

Denn das nicht, was er ist, nein, was er thut,

Das soll der Mensch erkennen und erwägen,

Sonst ist er todt, sei's auch, daß er noch athme!

Nicht auf sich selbst, die eigne Form und Unform,

Soll er die Augen heften, wenden seine Gluth,

Die Außenwelt ward ihm als lichte Braut,

Die mag er sich erfassen und umarmen

Und Kinder zeugen, daß die Welt bestehe!

Der Gottheit Blitz auch auf der Geister Sodom! –

 

Du, Armer, hast die Ruhe nie gekannt,

Dein Streben nahm sie dir, und strebtest doch um Ruhe!

Da dir die Milch der Menschheit schmacklos war geworden,

Schien bald kein Reiz dir geistig scharf genug;

Dem Gleichgewicht entrückt durch eignes Schwanken,

Durchliefst du jeden Punkt des großen Hebels

Und suchtest nur den Ort, um fest zu stehn:

Umsonst! die Ruhe stellt sich ein, sobald man ruhig!

Im Sinnenrausch, im Rausch des innern Sinns

Ward er von dir gesucht und nicht gefunden,

Des geist'gen Archimed δός μοι ποῦ στῶ,

Der heut und gestern immer gleiche Punkt,

Der ew'ge Mittelpunkt. Schlaf' wohl du Armer,

Nun hast du ihn! –