Karl Simrock
1802 - 1876
Das Nibelungenlied
Dreißigstes Abenteuer
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Wie Hagen und Volker Schildwacht standen.
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1912 | Der Tag war nun zu Ende, | es nahte sich die Nacht.Den reisemüden Recken | war die Sorg erwacht,Wann sie ruhen sollten | und zu Bette gehn.Zur Sprache bracht es Hagen: | Bescheid ist ihnen geschehn. |
1913 | Zu dem Wirthe sprach da Gunther: | «Gott laß euchs wohlgedeihn: |Wir wollen schlafen gehen, | mag es mit Urlaub sein.Wenn ihr das gebietet, | kommen wir morgen fruh.»Der Wirth entließ die Gaste | wohlgemuth zu ihrer Ruh. |
1914 | Von allen Seiten drängen | man die Gäste sah.Volker der kühne | sprach zu den Heunen da:«Wie dürft ihr uns Recken | so vor die Füße gehn?Und wollt ihr das nicht meiden, | so wird euch übel geschehn. |
1915 | «So schlag ich Dem und Jenem | so schweren Geigenschlag,Hat er einen Treuen, | daß ders beweinen mag.Nun weicht vor uns Recken, | fürwahr, mich dünkt es gut:Es heißen Alle Degen | und haben doch nicht gleichen Muth.» |
1916 | Als in solchem Zorne | sprach der Fiedelmann,Hagen der kühne | sich umzuschaun begann.Er sprach: «Euch räth zum Heile | der kühne Fiedeler.Geht zu den Herbergen, | ihr in Kriemhildens Heer. |
1917 | «Was ihr habt im Sinne, | es fügt sich nicht dazu:Wollt ihr was beginnen, | so kommt uns morgen fruhUnd laßt uns Reisemüden | heut in Frieden ruhn.Ich glaube, niemals werden | es Helden williger thun.» |
1918 | Da brachte man die Gäste | in einen weiten Saal,Zur Nachtruh eingerichtet | den Recken allzumalMit köstlichen Betten, | lang zumal und breit.Gern schuf ihnen Kriemhild | das allergrößeste Leid, |
1919 | Schmucker Decken sah man | von Arras da genugAus lichthellem Zeuge | und manchen UeberzugAus Arabischer Seide, | so gut sie mochten sein,Verbrämt mit goldnen Borten, | die gaben herrlichen Schein. |
1920 | Viel Bettlaken fand man | von Hermelin gemachtUnd von schwarzem Zobel, | worunter sie die NachtSich Ruhe schaffen sollten | bis an den lichten Tag.Ein König mit dem Volke | wohl nimmer herrlicher lag. |
1921 | «O weh des Nachtlagers!» | sprach Geiselher das Kind,«Und weh meiner Freunde, | die mit uns kommen sind.Wie gut es meine Schwester | uns auch hier erbot,Wir gewinnen, fürcht ich, alle | von ihrem Haße den Tod.» |
1922 | «Nun laßt euer Sorgen,» | sprach Hagen der Degen,«Ich will heunte selber | der Schildwache pflegenUnd getrau euch zu behüten | bis morgen an den Tag:Seit des ohne Sorge: | so entrinne, wer da mag.» |
1923 | Da neigten sich ihm Alle | und sagten ihm Dank.Sie giengen zu den Betten. | Da währt' es nicht lang,Bis in Ruhe lagen | die Helden wohlgethan.Hagen der kühne | sich da zu waffnen begann. |
1924 | Da sprach der Fiedelspieler, | Volker der Degen:«Verschmäht ihrs nicht, Hagen, | so will ich mit euch pflegenHeunt der Schildwache | bis morgen an den Tag.»Da dankte Volkeren | der Degen gütlich und sprach: |
1925 | «Nun lohn euch Gott vom Himmel, | viel lieber Volker!Zu allen meinen Sorgen | wünsch ich mir Niemand mehrAls nur euch alleine, | befahr ich irgend Noth.Ich will es wohl vergelten, | es verwehr es denn der Tod.» |
1926 | Da kleideten die Beiden | sich in ihr licht Gewand,Jedweder faßte | den Schild an seine Hand,Sie giengen aus dem Hause | vor die Thüre stehnUnd hüteten der Gäste; | das ist mit Treuen geschehn. |
1927 | Volker der schnelle | lehnte von der HandSeinen Schild den guten | an des Saales Wand.Dann wandt er sich zurücke, | wo seine Geige war,Und diente seinen Freunden: | es ziemt ihm also fürwahr. |
1928 | Unter des Hauses Thüre | setzt' er sich auf den Stein.Kühnrer Fiedelspieler | mochte nimmer sein.Als der Saiten Tönen | ihm so hold erklang,Die stolzen Heimatlosen | die sagten Volkern den Dank. |
1929 | Da tönten seine Saiten, | daß all das Haus erscholl;Seine Kraft und sein Geschicke | die waren beide voll.Süßer und sanfter | zu geigen hub er an:So spielt' er in den Schlummer | gar manchen sorgenden Mann. |
1930 | Da sie entschlafen waren | und Volker das befand,Da nahm der Degen wieder | den Schild an die HandUnd gieng aus dem Hause | vor die Thüre stehn,Seine Freunde zu behüten | vor Denen in Kriemhilds Lehn. |
1931 | Wohl der Nacht inmitten, | wenn es erst da geschah,Volker der kühne | einen Helm erglänzen sahFernher durch das Dunkel: | Die Kriemhild unterthan,Hätten an den Gästen | gerne Schaden gethan. |
1932 | Bevor diese Recken | Kriemhild hatt entsandt,Sie sprach: «Wenn ihr sie findet, | so seid um Gott ermahnt,Daß ihr Niemand tödtet | als den einen Mann,Den ungetreuen Hagen; | die Andern rühret nicht an.» |
1933 | Da sprach der Fiedelspieler: | «Nun seht, Freund Hagen, |Uns ziemt, diese Sorge | gemeinsam zu tragen.Gewaffnet vor dem Hause | seh ich Leute stehn:So viel ich mag erkennen, | kommen sie uns zu bestehn.» |
1934 | «So schweigt,» sprach da Hagen, | «laßt sie erst näher her.Eh sie uns inne werden, | wird ihrer Helme WehrZerschroten mit den Schwertern | von unser Beider Hand:Sie werden Kriemhilden | übel wieder heimgesandt.» |
1935 | Der Heunenrecken Einer | das gar bald ersah,Die Thüre sei behütet: | wie schnell sprach er da:«Was wir im Sinne hatten, | kann nun nicht geschehn:Ich seh den Fiedelspieler | vor dem Hause Schildwacht stehn. |
1936 | «Er trägt auf dem Haupte | einen Helm von lichtem Glanz,Der ist hart und lauter, | stark dazu und ganz.Auch loh'n die Panzerringe | ihm, wie das Feuer thut.Daneben steht auch Hagen: | die Gäste sind in guter Hut.» |
1937 | Da wandten sie sich wieder. | Als Volker das ersah,Zu seinem Heergesellen | in Zorn sprach er da:«Nun laßt mich von dem Hause | zu den Recken gehn:So frag ich um die Märe | Die in Kriemhildens Lehn.» |
1938 | «Nein, wenn ihr mich lieb habt,» | sprach Hagen entgegen,«Kämt ihr aus dem Hause, | diese schnellen DegenBrächten euch mit Schwertern | leicht in solche Noth,Daß ich euch helfen müste, | wärs aller meiner Freunde Tod. |
1939 | «Wenn wir dann Beide | kämen in den Streit,So möchten ihrer zweie | oder vier in kurzer ZeitZu dem Hause springen | und schüfen solche NothDrinnen an den Schlafenden, | daß wir bereuten bis zum Tod.» |
1940 | Da sprach wieder Volker: | «So laßt es nur geschehn,Daß sie inne werden, | wir haben sie gesehn:So können uns nicht läugnen | Die Kriemhild unterthan,Daß sie gerne treulos | an den Gästen hätten gethan.» |
1941 | Da rief der Fiedelspieler | den Heunen entgegen:«Wie geht ihr so bewaffnet, | ihr behenden Degen?Wollt ihr morden reiten, | ihr Kriemhild unterthan?So nehmt mich zur Hülfe | und meinen Heergesellen an,» |
1942 | Niemand gab ihm Antwort; | zornig war sein Muth:«Pfui, feige Bösewichter,» | sprach der Degen gut,«Im Schlaf uns zu ermorden, | schlicht ihr dazu heran?Das ward so guten Helden | bisher noch selten gethan.» |
1943 | Bald ward auch die Märe | der Königin bekanntVom Abzug ihrer Boten: | wie schwer sie das empfand!Da fügte sie es anders; | gar grimmig war ihr Muth.Da musten bald verderben | viel der Helden kühn und gut. |