Karl Simrock
1802 - 1876
Das Nibelungenlied
Achtundzwanzigstes Abenteuer
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Wie Kriemhild Hagen entpfieng.
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1785 | Als die Burgunden | kamen auf das Feld,Auf schlug man drei Königen | gar herrlich Gezelt.Sie stießen ein die Fahnen | von eitel Golde roth.Da wusten nicht die Herren, | wie ihnen nah war der Tod. |
1786 | Da stieg zu den Zinnen | Frau Kriemhild hinanUnd sah auf dem Felde | reiten manchen Mann.Des freute sich heimlich | das wunderschöne Weib:«Nun endlich wird gerochen | des kühnen Siegfriedes Leib, |
1787 | «Der mir so mörderlich | zu Tode ward geschlagen;Ich kann bis an mein Ende | ihn nie genug beklagen.O weh der großen Ehren, | die ich muß verloren schaun:So tapfrer Mann lag nimmer | noch im Arm einer Fraun. |
1788 | «Seine große Tugend | schafft mir Herzeleid:Wenn ich daran gedenke, | wie er zu jener ZeitHin ritt mit so gesundem Leib, | so mehrt sich meine Klage:Mir darf Niemand rügen | das große Leid, das ich trage. |
1789 | «Gott hatt ihn mir zu Manne | aus aller Welt erkoren.Wär Einem Mann die Tugend | Tausender angeboren,Viel größere doch Siegfried | ganz alleine trug.»Sehr klagt' um ihn die Königin, | zu dem Herzen sie sich schlug. |
1790 | Alsbald ward dem Berner | die Märe kund gethan.Da kam er geschwinde | über den Hof heran;Er hatte Hilbranden | der Sitte nach bei sich.«Viel edle Königstochter, | das ließet ihr billiglich, |
1791 | «Daß man euch weinen sähe | bei dieser Lustbarkeit.Ihr habt hieher beschieden | aus fremden Landen weitViel der werthen Recken | und manchen Biedermann:Daß man euch nun weinen sieht, | das steht euch gar übel an.» |
1792 | «Ich mahne dich der Treue,» | sprach sie, «Hildebrand,Hast du je Gab empfangen | aus meiner milden Hand,So räche mich an Hagen: | ich gebe dir mein GoldUnd bin mit guten Treuen | bis an mein Ende dir hold.» |
1793 | Da sprach zu ihr der Berner: | «Ihr seid ein übel Weib, |Daß ihr den Freunden rathet | an Leben und Leib,Und habt so manchen Boten | hin an den Rhein gesandt,Bis sie euch nun kamen | zu Haus mit wehrlicher Hand. |
1794 | «Höret, Meister Hildebrand, | so lieb als ich euch sei: |Empfangt mir vom Rheine | die Könige alle dreiUnd heißt sie hier zu Felde | liegen bis an den Tag,So warn ich sie mit Treue, | so gut ich immer vermag.» |
1795 | Da ritt wohlgezogen | Meister Hildebrand,Bis er die drei Könige | von dem Rheine fand.Er sprang vom Pferde ritterlich | und ließ sich auf die Knie:Die drei Könige vom Rheine | so empfing und grüßt' er sie. |
1796 | «Willkommen seid, Herr Gunther, | König an dem Rhein;So sei auch Herr Gernot, | der liebe Bruder dein,Und Geiselher der junge | und Hagen, ein starker Mann,Und noch manch schneller Recke, | die ich nicht alle nennen kann. |
1797 | «Euch entbeut der Berner, | der liebe Herre mein,Seine Huld und Freundschaft | und will euch hülfreich sein.Er räth euch, hier im Felde | zu liegen bis zum Tag:Dann warnt er euch mit Treuen, | so gut er immer vermag. |
1798 | «Mög euch Gott behüten | hier vor aller Noth:Schon vor vierthalb Jahren | war euch bereit der Tod.Geschworen hat Frau Kriemhild, | eure Schwester, manchen Eid,daß sie an euch will rächen | all ihr großes Herzeleid. |
1799 | «Er entbeut euch, daß ihr meidet, | so lieb euch sei das Leben, |Den Neubau an der Donau, | wo euch Herberg ist gegeben:Das sollt ihr mir glauben, | und käm darein ein Heer,Ihr müstet All ersterben | und Keiner käme zur Wehr. |
1800 | «Wißt, in drei schönen Rohren, | die hohl von innen sind,Schwefel und Kohlen | mischten sie falsch gesinnt:Das wird angezündet, | wenn sie zu Tische gehn.Davor sollt ihr euch hüten | ihr stolzen Degen ausersehn.» |
1801 | Des erschrak der König, | die Rede war ihm leid.«Nun lohne Gott dir, Hildebrand, | daß du uns gabst BescheidUnd daß du hast gewarnet | manch heimatlosen Mann.Ich seh, wir treffen Treue | bei den Heunen wenig an.» |
1802 | Des erlachten die Jungen | und hielten es für Spott.Da sprachen die Weisen: | «Davor behüt uns Gott.Wir sind in großer Treue | geritten in das Land;Sie hat uns manchen Boten | hin nach dem Rheine gesandt.» |
1803 | Da sprach wohlgezogen | der König Gernot:«Meine Schwester Kriemhild hat uns | geladen in den Tod.Zu großer Treue ritten | wir her in diese Statt,Da meine schöne Schwester | uns vom Rhein geladen hat.» |
1804 | Da sprach der Fiedelspieler, | der kühne Volker:«Ich kam der Gabe willen | vom Rhein geritten her.Nun will ich drauf verzichten,» | so sprach der Fiedelmann:«Ich fiedle mit dem Schwerte | das allerbeste, das ich kann. |
1805 | «Erklingen meine Töne, | so weichen sie zurück,Und wollen sie's nicht laßen, | so fügt es leicht das Glück,Ich schlag Einem ritterlich | einen schnellen Geigenschlag,Hat er einen treuen Freund, | daß es der beweinen mag.» |
1806 | Als Hildebrand der alte | von dannen wollte gehn,Geiselher der junge | hieß ihn noch stille stehn.Er gab ihm einen Mantel, | den er ihm zu Ehren trug;Für dreißig Mark Goldes | hatt er Pfands daran genug. |
1807 | An sich nahm den Mantel | Meister HildebrandUnd ritt hin wohlgezogen, | wo er den Berner fand.«Schaut den reichen Mantel, | der hier an mir zu sehn:Den gab mir Geiselher das Kind, | als ich von ihm wollte gehn.» |
1808 | Als die Burgunden | kamen in das Land,Da erfuhr es von Berne | der alte Hildebrand.Er sagt' es seinem Herren. | Dietrichen war es leid;Er hieß ihn wohl empfangen | der kühnen Ritter Geleit. |
1809 | Da ließ der starke Wolfhart | die Pferde führen her;Dann ritt mit dem Berner | mancher Degen hehr,Sie zu begrüßen, | zu ihnen auf das Feld.Sie hatten aufgeschlagen | da manches herrliche Zelt. |
1810 | Als sie von Tronje Hagen | aus der Ferne sah,Wohlgezogen sprach er | zu seinen Herren da:«Nun hebt euch von den Sitzen, | ihr Recken wohlgethan,Und geht entgegen denen, | die euch hier wollen empfahn. |
1811 | «Dort kommt ein Heergesinde, | das ist mir wohl bekannt;Es sind viel schnelle Degen | von Amelungenland.Sie führt Der von Berne, | sie tragen hoch den Muth:Laßt euch nicht verschmähen | die Dienste, die man euch thut.» |
1812 | Da sprang von den Rossen | wohl nach Fug und RechtMit Dietrichen nieder | mancher Herr und Knecht.Sie giengen zu den Gästen, | wo man die Helden fand,Und begrüßten freundlich | Die von der Burgunden Land. |
1813 | Als sie der edle Dietrich | ihm entgegen kommen sah,Liebes und Leides | zumal ihm dran geschah.Er wuste wohl die Märe; | leid war ihm ihre Fahrt:Er wähnte, Rüdger wüst es | und hätt es ihnen offenbart. |
1814 | «Willkommen mir, ihr Herren, | Gunther und Geiselher,Gernot und Hagen, | Herr Volker auch so sehr,Und Dankwart der schnelle: | ist euch das nicht bekannt?Schwer beweint noch Kriemhild | Den von Nibelungenland.» |
1815 | «Sie mag noch lange weinen,» | so sprach da Hagen:«Er liegt seit manchem Jahr | schon zu Tod erschlagen.Den König der Heunen | mag sie nun lieber haben:Siegfried kommt nicht wieder, | er ist nun lange begraben.» |
1816 | «Siegfriedens Wunden | laßen wir nun stehn:So lange lebt Frau Kriemhild, | mag Schade wohl geschehn.»So redete von Berne | der edle Dieterich:«Trost der Nibelungen, | davor behüte du dich!» |
1817 | «Wie soll ich mich behüten?» | sprach der König hehr.«Etzel sandt uns Boten, | was sollt ich fragen mehr?Daß wir zu ihm ritten | her in dieses Land.Auch hat uns manche Botschaft|meine Schwester Kriemhild gesandt.» |
1818 | «So will ich euch rathen,» | sprach wieder Hagen,«Laßt euch diese Märe | doch zu Ende sagenDieterich den Herren | und seine Helden gut,Daß sie euch wißen laßen | der Frau Kriemhilde Muth.» |
1819 | Da giengen die drei Könige | und sprachen unter sich,Herr Gunther und Gernot | und Herr Dieterich:«Nun sag uns, von Berne | du edler Ritter gut,Was du wißen mögest | von der Königin Muth.» |
1820 | Da sprach der Vogt von Berne: | «Was soll ich weiter sagen?Als daß ich alle Morgen | weinen hör und klagenEtzels Weib Frau Kriemhild | in jämmerlicher NothZum reichen Gott vom Himmel | um des starken Siegfried Tod.» |
1821 | «Es ist halt nicht zu wenden,» | sprach der kühne Mann, |Volker der Fiedler, | «was ihr uns kund gethan.Laßt uns zu Hofe reiten | und einmal da besehn,Was uns schnellen Degen | bei den Heunen möge geschehn.» |
1822 | Die kühnen Burgunden | hin zu Hofe ritten:Sie kamen stolz gezogen | nach ihres Landes Sitten.Da wollte bei den Heunen | gar mancher kühne MannVon Tronje Hagen schauen, | wie der wohl wäre gethan. |
1823 | Es war durch die Sage | dem Volk bekannt genug,Daß er von Niederlanden | Siegfrieden schlug,Aller Recken stärksten, | Frau Kriemhildens Mann:Drum ward so großes Fragen | bei Hof nach Hagen gethan. |
1824 | Der Held war wohlgewachsen, | das ist gewisslich wahr.Von Schultern breit und Brüsten; | gemischt war sein HaarMit einer greisen Farbe; | von Beinen war er langUnd schrecklich von Antlitz; | er hatte herrlichen Gang. |
1825 | Da schuf man Herberge | den Burgundendegen;Gunthers Ingesinde | ließ man gesondert legen.Das rieth die Königstochter, | die ihm viel Haßes trug:Daher man bald die Knechte | in der Herberg erschlug. |
1826 | Dankwart, Hagens Bruder, | war da Marschall;Der König sein Gesinde | ihm fleißig anbefahl,Daß er es die Fülle | mit Speise sollte pflegen.Das that auch gar willig | und gern dieser kühne Degen. |
1827 | Kriemhild die schöne | mit dem Gesinde gieng,Wo sie die Nibelungen | mit falschem Muth empfieng:Sie küsste Geiselheren | und nahm ihn bei der Hand.Als das Hagen sah von Tronje, | den Helm er fester sich band. |
1828 | «Nach solchem Empfange,» | so sprach da Hagen,«Mögen wohl Bedenken | die schnellen Degen tragen;Man grüßt die Fürsten ungleich | und den Unterthan:Keine gute Reise haben wir | zu dieser Hochzeit gethan.» |
1829 | Sie sprach: «Seid willkommen | dem, der euch gerne sieht:Eurer Freundschaft willen | kein Gruß euch hier geschieht.Sagt, was ihr mir bringet | von Worms überrhein,Daß ihr mir so höchlich | solltet willkommen sein?» |
1830 | «Was sind das für Sachen,» | sprach Hagen entgegen,«Daß euch Gaben bringen | sollten diese Degen?So reich wär ich gewesen, | hätt ich das gedacht,Daß ich euch meine Gabe | zu den Heunen hätt gebracht.» |
1831 | «Nun frag ich um die Märe | weiter bei euch an,Der Hort der Nibelungen, | wohin ward der gethan?Der war doch mein eigen, | das ist euch wohl bekannt:Den solltet ihr mir haben | gebracht in König Etzels Land.» |
1832 | «In Treuen, Frau Kriemhild, | schon mancher Tag ist hin,Den Hort der Nibelungen, | seit ich des ledig bin,Ihn ließen meine Herren | senken in den Rhein:Da muß er auch in Wahrheit | bis zum jüngsten Tage sein.» |
1833 | Die Königin versetzte: | «Ich dacht es wohl vorher.Ihr habt mir noch wenig | davon gebracht hieher,Wiewohl er war mein eigen | und ich sein weiland pflag;Nach ihm und seinem Herren | hab ich manchen leiden Tag.» |
1834 | «Ich bring euch den Teufel!» | sprach wieder Hagen,«Ich hab an meinem Schilde | so viel zu tragenUnd an meinem Harnisch; | mein Helm der ist licht,Das Schwert an meiner Seite: | drum bring ich ihn euch nicht.» |
1835 | «Es war auch nicht die Meinung, | als verlangte mich nach Gold: |So viel hab ich zu geben, | ich entbehre leicht den Sold.Eines Mords und Doppelraubes, | die man an mir genommen,Dafür möcht ich Arme | zu lieber Entgeltung kommen.» |
1836 | Da sprach die Königstochter | zu den Recken allzumal:«Man soll keine Waffen | tragen hier im Saal;Vertraut sie mir, | ihr Helden, zur Verwahrung an.»«In Treuen,» sprach da Hagen, | «das wird nimmer gethan. |
1837 | «Ich begehre nicht der Ehre, | Fürstentochter mild,Daß ihr zur Herberge | tragt meinen SchildUnd ander Streitgeräthe; | ihr seid hier Königin.So lehrte mich mein Vater, | daß ich selbst ihr Hüter bin.» |
1838 | «O Weh dieses Leides!» | sprach da Kriemhild:«Warum will mein Bruder | und Hagen seinen SchildNicht verwahren laßen? | Gewiss, sie sind gewarnt:Und wüst ich, wer es hat gethan, | der Tod der hielt' ihn umgarnt.» |
1839 | Im Zorn gab ihr Antwort | Dietrich sogleich:«Ich bin es, der gewarnt hat | die edeln Fürsten reichUnd Hagen den kühnen, | der Burgunden Mann:Nur zu, du Braut des Teufels, | du thust kein Leid mir drum an.» |
1840 | Da schämte sich gewaltig | die edle Königin:Sie fürchtete sich bitter | vor Dietrichs Heldensinn.Sie gieng alsdann von dannen, | kein Wort mehr sprach sie da,Nur daß sie nach den Feinden | mit geschwinden Blicken sah. |
1841 | Da nahmen bei den Händen | zwei der Degen sich,Der Eine war Hagen, | der Andere Dietrich.Da sprach wohlgezogen | der Degen allbereit:«Eure Reise zu den Heunen | die ist in Wahrheit mir leid, |
1842 | «Da die Königstochter | so gesprochen hat.»Da sprach von Tronje Hagen: | «Zu Allem wird schon Rath.»So sprachen zu einander | die Recken wohlgethan.Das sah der König Etzel, | der gleich zu fragen begann: |
1843 | «Die Märe wust ich gerne,» | befrug der König sich,«Wer der Recke wäre, | den dort Herr DietrichSo freundlich hat empfangen; | er trägt gar hoch den Muth:Wie auch sein Vater heiße, | er mag wohl sein ein Recke gut.» |
1844 | Antwort gab dem König | ein Kriemhildens-Mann:«Von Tronje ist er geboren, | sein Vater hieß Aldrian;Wie zahm er hier gebare, | er ist ein grimmer Mann:Ich laß euch das noch schauen, | daß ich keine Lüge gethan.» |
1845 | «Wie soll ich das erkennen, | daß er so grimmig ist?»Noch hatt er nicht Kunde | von mancher argen List,Die wider ihre Freunde | die Königin spann,Daß aus dem Heunenlande | ihr auch nicht Einer entrann. |
1846 | «Wohl kannt ich Hagen, | er war mein Unterthan:Lob und große Ehre | er hier bei mir gewann.Ich macht' ihn zum Ritter | und gab ihm mein Gold;Weil er sich getreu erwies, | war ich immer ihm hold. |
1847 | «Daher ist mir von Hagen | Alles wohlbekannt.Zwei edle Kinder bracht ich | als Geisel in dieß Land,Ihn und von Spanien Walther: | die wuchsen hier heran.Hagen sandt ich wieder heim; | Walther mit Hildegund entrann.» |
1848 | So bedacht er alter Zeiten | und was vordem geschehn.Seinen Freund von Tronje | hatt er hier gesehn,Der ihm in seiner Jugend | oft große Dienste bot;Jetzt schlug er ihm im Alter | viel lieber Freunde zu Tod. |