BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Dorothea Schlegel

1763 - 1839

 

Die Geschichte des Zauberers Merlin

 

1804

 

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Acht und zwanzigstes Kapitel.

 

Es waren an dem Tage, da der König mit der schönen Yguerne Hochzeit hielt, gerade zwanzig Tage, seit er unter der Gestalt des Herzogs bey ihr geschlafen, und daß sie schwanger von ihm geworden. Die Hochzeit ward sehr fröhlich, und in großer Pracht gefeyert; funfzehn Tage lang dauerte die Festlichkeit, wo ein jeder, der sich dazu einfand, aufs herrlichste bewirthet ward. Der König war froh und voll Freuden, das erlangt zu haben, wonach er sich so gesehnt, und wollte lange Zeit von nichts hören, als von Festen und Freudenbezeugungen. Als er nun einmal des Nachts bey seiner Gemahlin lag, und sie hoch schwanger war, fragte er sie, von wem sie schwanger [206] sey? da er nicht glaubte, daß sie es schon von ihm seyn könne, auch vom Herzog könne es nicht seyn, da er lange Zeit vor seinem Tode nicht bey ihr gewesen war. Die Königin Yguerne fing an zu weinen, als sie diese Worte des Königs vernahm, und sagte unter vielen Thränen, mein König, ich kann euch auf keine Weise eine Unwahrheit sagen; es ist nur zu wahr, daß ich nicht von euch schwanger seyn kann, aber habt um Gottes Barmherzigkeit willen Erbarmen mit mir! Was ich euch erzählen will, ist sehr wunderbar, aber es ist darum nicht weniger die Wahrheit, ich bitte euch daher, versprecht mir ehe ich spreche, daß ihr mich nicht verstoßen wollt, daß ihr mir auch keinen Vorwurf machen wollt. – Ihr dürft frey mir alles sagen, antwortete der König, denn ich verspreche euch, was es auch seyn möge, werde ich in meinem Betragen gegen euch desfalls nichts ändern. – Hierauf ward Yguerne beruhigt, und erzählte dem Könige getreu alles, was ihr in jener Nacht wiederfahren, als sie dachte, den Herzog ihren Gemahl, [207] nebst seinen beiden vertrauten Rittern bey sich zu sehen, wie sie dann mit ihrem vermeinten Gemahl die Nacht zugebracht, des andern Tages aber, als er schon wieder von ihr geschieden war, die Nachricht erhalten habe, daß er in der vorigen Nacht, anstatt bey ihr zu seyn, auf dem Schlachtfelde umgekommen sey; und so fügte sie hinzu, weiß ich nicht, wem das Kind zugehört. – Süße Freundinn, antwortete der König hierauf, ich bitte euch, übergebt dieß Kind dem, der kommen wird, es zu holen, oder wem ich es geben mag, damit wir nie von ihm reden hören. – Sire, erwiederte Yguerne, mit mir sowohl, als mit allem, was mir gehört, thut nach euerm Wohlgefallen.

Des andern Morgens erzählte der König dem Ulsius, was zwischen ihm und seiner Gemahlin die Nacht war geredet worden. Nun könnt ihr wohl gewiß seyn, sprach Ulsius, daß die Königin eine sehr fromme, weise, und treugesinnte Dame ist, weil sie euch in dieser so sehr wichtigen Sache keine Unwahrheit sagte, [208] sondern es wagte, ganz die Wahrheit zu sprechen.

 

Merlin spricht mit dem König

 

Nach sechs Monaten kam Merlin zu Ulsius, bezeigte ihm seine Zufriedenheit mit allem, was geschehen war; sandte ihn darauf zum Könige, der sogleich kam, und sich sehr freute, Merlin wieder zu sehen. Darauf sprach Merlin zum Könige: Nicht weit von hier wohnt ein edler Biedermann, mit Namen Anthor, dessen Gemahlin ist die verständigste und gottesfürchtigste Frau im ganzen Lande, sie ist von untadelhaften Sitten, und in allem Guten sehr wohl unterrichtet, und von vortrefflicher Gemüthsart. Diese Frau ist ganz kürzlich mit einem Sohn niedergekommen; der biedre Anthor gehört aber nicht zu den reichsten. Ich rathe dir, daß du zu ihm sendest, ihn zu dir rufen läßt, und ihm Geld und Gut hinreichend gebest, damit er anständig leben mag, bittest ihn aber nachher, daß er ein Kind, welches man ihm bringen würde, an seiner Ehefrauen Brust erziehen, und von ihrer Milch ernähren lasse; dann laß ihn dir einen heiligen [209] Eyd ablegen, daß er dieß sicher halten wolle, daß er seinen Sohn einem andern zur Erziehung gebe, und an dessen Statt den Sohn, den man ihm bringen würde, als den seinigen zu erziehen und zu halten. – Ich will, sagte der König, alles pünktlich ausführen, wie du vorgeschrieben.

Merlin ging zurück zum Meister Blasius, und der König ließ den braven Anthor vor sich rufen. Anthor kam sogleich, und war nicht wenig verwundert, als der König ihn mit besondrer Freundlichkeit empfing, und ihm viel Ehre erzeigte, konnte auch nicht begreifen, warum dieß wohl geschehen möchte? – Mein Freund, fing der König an, ich will dir ein Geheimniß entdecken, hüte dich aber bey deinem Leben, daß du es niemand sagest; du bist mein Unterthan und mein Lehnsmann; du bist es also Gott und mir schuldig, mein Geheimniß fest zu bewahren, und mir, was ich dir sagen werde, ausführen zu helfen. – Sire, antwortete Anthor, ihr könnt mir nichts gebieten, was ich nicht mit Freuden zu thun [210] Willens wäre; sollte ich es aber nicht thun können, so ist euer Geheimniß doch auf jeden Fall sicher bey mir verwahrt. – So höret mein Freund, was mir neulich, als ich schlief, für ein Gesicht erschien. Ich sah einen Mann vor mir, der mir sagte, ihr, Anthor, wäret einer der biedersten und ehrenhaftesten Männer in der Welt; ihr, fuhr er fort, habt ein Kind erzeugt, welches eure Frau zu dieser Stunde mit ihrer Milch ernährt. Dieser Mann gebot mir euch zu sagen, daß ihr mir zu Liebe dieses euer Kind einer andern zu ernähren, und zu erziehen gebet, und dafür von eurer Frau ein Kind an ihrer Brust tränken lasset, welches euch ein fremder Mann überbringen wird, und daß ihr dieses fremde Kind als das eurige erzieht und haltet. – Sire, fing Anthor wieder an, es ist ein Großes, was ihr von mir verlangt, daß ich mein eignes Kind einer fremden Frau zu säugen gebe, und nehme mich eines fremden dafür an; doch, was mich betrifft, so will ich euch gehorchen, im Fall es meine Frau zufrieden ist; doch verspreche ich [211] euch, daß ich sie ersuchen werde, darin einzuwilligen. Sagt mir nun, mein König, ob das Kind schon geboren ist, und wann ich es erhalten soll. – Ich weiß dieß nicht, antwortete der König, gab ihm aber eine große Summe Goldes und vielen Reichthum und Güter, worüber der biedere Anthor sehr erfreut war. Dann ging er zu seiner Frau nach Hause, und erzählte ihr, was zwischen ihm und dem Könige vorgefallen; es kam ihr dieß aber sehr befremdend vor. Wie sollt ich wohl, sagte sie, mein eignes Kind weggeben können, um ein fremdes zu nähren? – Es gibt nichts, sprach Anthor, was wir nicht schuldig wären, für unsern Landesherrn zu thun. Du siehst, daß er mir schon viel gegeben, und noch mehr hat er zu thun versprochen, so daß wir niemals keine Armuth werden zu befürchten haben, wir müssen also auch alles thun, was er von uns verlangt. Mein Wille ist, so es dir gefällt, daß du das Kind, welches uns gebracht wird, säugest und erziehest, gleich wie das Unsre. – Ich gehöre euch, sagte die Frau, und auch [212] mein Kind gehört euch zu, thut an uns nach eurem Wohlgefallen. Der wackre Anthor war über diese Antwort seiner Frau sehr vergnügt.

 

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