Dorothea Schlegel
1763 - 1839
Die Geschichte des Zauberers Merlin
1804
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Sieben und zwanzigstes Kapitel.
Der Botschafter des Königs kamen nach Tintayol, wo sie Dame Yguerne und alle ihre Verwandte und Freunde versammelt fanden. Sie begrüßten die Herzogin, als sie vor sie gelassen wurden, und stellten ihr vor, der Herzog sey durch eigne Schuld und durch seine dem König zugefügte Beleidigung erschlagen worden; der König, sagten sie, ist in große Betrübniß durch seinen Tod versetzt, und läßt euch anbieten, mit euch Frieden zu schließen nach eurem eignen Begehren. Er ist ganz bereit, zugleich euch und euern Freunden und den Verwandten des Herzogs jede Genugthuung zu geben, die ihr zusammen, von ihm verlangen wollt. Wir wollen uns, antwortete die Dame und ihre [197] Verwandte den Botschaftern, wir wollen uns darüber berathschlagen. – Nachdem sie sich besonnen, und sich unter einander berathen hatten, sagten sie der Dame Yguerne, ihre Meinung sey, daß man Frieden schließe mit dem Könige. Da der Herzog durch seine eigne Schuld getödtet ward, sagten sie, so kann ja der König nichts dafür, auch thut es ihm ja sehr leid, bedenken wir auch, daß wir nur schwach gegen ihn sind, und uns nicht gut gegen ihn werden vertheidigen können. So meinen wir also, wir hören die Vorschläge an, die er uns thun läßt; es sind vielleicht solche, die wir nicht auszuschlagen Ursache haben, und so muß man von zwey Uebeln das kleinste wählen. Die Dame gab ihren Freunden die Vollmacht alles zu thun, was sie genehm halten würden, sie willige in alles ein, was sie unter sich beschließen möchten. Die Botschafter wurden wieder vor sie gerufen und gefragt, welche Genugthuung der König ihnen zu geben gedächte. – Wir wissen den Willen des Königs nicht weiter, antworteten diese, als daß er beschlossen hat, in [198] dieser Sache ganz nach dem Willen seiner Barone und seiner Räthe zu verfahren. Darauf verabredeten sie, daß die Herzogin sich nach funfzehn Tagen mit allen ihren Verwandten und Freunden nach Kardueil begeben würde, wozu der König ihnen sicheres Geleite entgegen senden müsse; daß auch, wenn seine Anerbietungen, die Genugthuung betreffend, der Herzogin und ihrer Parthey nicht genehm dünkten, der König dieselben auf eine Unkosten nach Tintayol zurück senden müsse. Nach dieser Abrede empfahlen die Botschafter sich der Dame, so wie den übrigen, und ritten zum Könige nach Kardueil zurück, der sehr begierig war, welche Antwort sie ihm von der Dame bringen würden, und der voller Freude war, da er vernahm, wie sie nach Kardueil kommen wollten.
Die Dame Yguerne und ihre Räthe verhandeln mit dem König
Nach vierzehn Tagen sandte er sicheres Geleite der Dame Yguerne entgegen, die so wie ihre Freunde und Verwandte, in tiefer Trauer zu Kardueil anlangte. Sogleich sandte der König seine Räthe in ihre Versammlung, und [199] sie wurden von ihnen im Namen des Königs gefragt, welche Genugthuung sie für den Tod des Herzogs forderten? – Die Räthe der Dame antworteten: die Herzogin ist nicht hierher gekommen zu fordern, sondern um zu vernehmen, was der König für sie zu thun Willens ist. – Der König hielt die Räthe der Dame für sehr verständige Männer, wegen dieser Antwort.Ulsius ging nun in die Versammlung der Barone und Herren, um sich mit ihnen zu berathen, weil der König ihnen alle Vollmacht dazu gegeben, zu thun und zu rathen, was ihnen nach ihrer Weisheit am besten dünkte, und am räthlichsten zum Besten des Reichs und seiner Unterthanen. Ich gehe, sagte Ulsius dem Könige, als er sich von ihm beurlaubte, um zu thun, was ihr mir gebietet; erinnert euch aber mein König, daß ein Fürst seinen Leuten nicht gut genug begegnen, und sich nicht genug vor ihnen demüthigen kann.Ulsius und die übrigen Räthe begaben sich sofort zur Dame Yguerne, stellten sich ihr als diejenigen [200] vor, denen der König Vollmacht gegeben, in dieser Sache Recht zu sprechen, und fragten sie, ob sie damit zufrieden sey, und sich ihrem Spruche unterwerfen wolle? Dame Yguerne antwortete ihnen: Der König könne ihr nichts größeres anerbieten, als daß er seine Barone wolle für sich urtheilen lassen; worauf sich die des Königs wieder entfernten und sich besonders versammelten, um die Sache zu beenden. Nachdem sie sich unter einander berathen, was am besten zu thun sey, riefen sie allesammt den Ulsius, daß er zuerst seine Meinung sage. – Ihr wißt wohl, fing Ulsius an, daß der Herzog durch des Königs Schuld ums Leben kam, und daß er den Tod nicht verdiente; seiner Gemahlin blieben die Kinder zur Last, und der König verheerte ihr Land durch den Krieg. Auch haben die Verwandte und Freunde des Herzogs gar viel durch seinen Tod eingebüßt, es ist also der Billigkeit und dem Rechte gemäß, daß ihnen nach Würden so viel möglich erstattet werde, was sie verloren, damit der König ihrer Anhänglichkeit [201] und Liebe gewiß bleibe. Andrer Seits ist der König unvermählt, und es ist Zeit, daß er eine Gemahlin sich erwähle; da nun Dame Yguerne, wie ihr wißt, eine der tugendsamsten Frauen der Welt ist, so wäre meine Meinung, der König könne keine schicklichere Genugthuung geben, als wenn er sie zur Gemahlin erwählte; mich dünkt, solches würde eine große Wohlthat seyn für das ganze Land sowohl, als für euch, und ein jeder wird diese Art Genugthuung zu geben lobenswerth finden. Auch rathe ich, daß er die älteste Tochter des Herzogs dem Könige von Orcanien, welcher hier zugegen ist, zur Gemahlin gebe; und allen übrigen so thue, daß sie ihn für ihren gnädigen und großmüthigen König lieben und in Ehren halten.Die Geschichte erzählt, daß als Ulsius auf diese Weise seine Meinung gesagt, er die andern Räthe aufforderte, die ihrige gleichfalls zu sagen. – Ulsius, antworteten sie ihm insgesammt, du hast den besten Rath errheilt, und den aller hochschwingendsten, den je ein Mensch zu denken sich erdreistet; wenn ihr denselben [202] so wie ihr jetzt vor uns thatet, vor dem Könige wiederholt, und wir sehen erst, daß er einwilligt, so wollen auch wir gern einwilligen. – Das ist nicht genug, sagte Ullsius, ihr müßt noch vor dem Könige eure Einwilligung dazu geben; hier ist gleich der König Loth von Orcanien zugegen, auf welchen der Frieden nun zum Theil ankommt, er mag zuerst seine Meinung sagen. Und der König von Orcanien antwortete: ich möchte um alles in der Welt nicht, daß der Frieden um meinetwillen unterbliebe. – Da die andern dieß hörten, fielen sie gleichfalls alle der Meinung des Ulsius bey, und gingen darauf allesammt zum Könige, wo auch Dame Yguerne mit den ihrigen sich einfand. Die ganze Versammlung setzte sich nieder, ausgenommen Ulsius; dieser stand vor ihnen, trug den Rathschluß der Barone und Fürsten vor, und fragte den König darauf, ob er dem Rathe dieser Männer beypflichte? – Ich pflichte ihm bey, antwortete der König, wenn anders Dame Yguerne und ihre Parthey darin einwilligen, und wenn König Loth von [203] Orcanien die älteste Tochter des Herzogs ehelichen will. – Sire, sprach König Loth, es gibt nichts, was ich nicht aus Liebe zu euch, und des Friedens wegen, zu thun entschlossen wäre. – Ulsius wandte sich nun zur Parthey der Dame, und fragte sie, wie sie zufrieden seyen, und ob sie unter diesen Bedingungen Frieden schließen wollten? – Als er sich so an sie wandte, und erwartete, daß der, welcher den Auftrag hatte, im Namen der Herzogin zu reden, nun antworten würde, fingen sie vor großer Rührung alle an zu weinen, so daß Thränen so groß wie Erbsen ihnen aus den Augen fielen; so auch weinte der, welcher hatte sprechen sollen, vor Freuden und Rührung, so daß er nicht ein Wort vorbringen konnte. Endlich sagte er, nein, niemals hörte ich solche Reden, noch sah ich solche ehrenvolle Genugthuung, wie die ist, welche der König jetzt einem seiner Lehnsleute wiederfahren läßt! Fragte darauf die Dame und die übrigen Verwandten, ob sie mit diesen Bedingungen zufrieden [204] wären? Dame Yguerne weinte, konnte aber nicht reden; die andern sprachen für sie, und waren einstimmig der Meinung, eine ehrenvollere Genugthuung könnten sie nicht verlangen, noch einen schönern Frieden schließen. –
Die Vermählung des Königs mit Yguerne
Zwey Tage nachher ward die Vermählung des Königs mit der Yguerne gefeiert, zugleich auch die des Königs Loth von Orcanien mit der ältesten Tochter des Herzogs. Dame Yguerne hatte noch eine andre Tochter, Morgante genannt, diese ward in ein Kloster geschickt, um daselbst unterrichtet zu werden. Dieselbe brachte es so weit in allen Wisenschaften, daß es ein Wunder war, sie verstand auch die Astronomie in einem so hohen Grade, daß niemand sich neben ihr in dieser Kunst durfte sehen lassen; nachmals ward die Morgante, die Fee, genannt. Die andre Tochter, welche dem König von Oranien vermählt wurde, gebahr drey Söhne, alle drey sehr tapfre Ritter, welche nachmals an der Tafelrunde saßen. So wurden auch die übrigen Kinder der Herzogin [205] gut vom Könige versorgt, und ihre Freunde und Verwandte liebte er und hielt sie sehr in Ehren.
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