Carl von Savigny
1779 - 1861
Beitrag zur Rechtsgeschichte desAdels im neueren Europa
Vorbemerkung
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1:1 |
XXXVI.
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1:2 | Beitrag zur Rechtsgeschichte des Adels |
1:3 | im neueren Europa.
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1:4 | Vorbemerkung.
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1:5 | Diese Abhandlung wurde gelesen in der Akademie der |
1:6 | Wissenschaften zu Berlin am 21. Januar 1836. |
1:7 | Erste Ausgabe in den Abhandlungen der Akademie |
1:8 | 1836 Berlin 1838, S. 1-40. der historisch=philologischen |
1:9 | Classe. |
1:10 | Der Gegenstand dieser Schrift ist späterhin in mehreren, |
1:11 | theilweise sehr ausgezeichneten, Werken bearbeitet worden, |
1:12 | und dabei hat diese Schrift vielfache Anfechtung erfahren. |
1:13 | Allein auch meine Gegner sind in den Hauptfragen noch |
1:14 | keinesweges zu einer Einigung gelangt, und eine befriedigende |
1:15 | Lösung derselben steht vielleicht noch auf bisher |
1:16 | unbetretenen Wegen zu erwarten. Unter diesen Umständen |
1:17 | schien es nicht angemessen, hier in einem bloßen Nachtrag |
1:18 | einzelne Aeußerungen niederzulegen über einen Gegenstand, |
1:19 | der so tief in die Deutsche Geschichte eingreift. Auf der |
1:20 | anderen Seite aber schien auch der unveränderte neue |
2:1 | Abdruck der vorliegenden Schrift nicht ganz unnütz, indem |
2:2 | darin Eine Ansicht der Sache vertreten wird, deren Berücksichtigung |
2:3 | auch von künftigen Bearbeitern nicht wohl wird |
2:4 | umgangen werden können. |
2:5 | Eine Frage besonders scheint bis jetzt nicht so, wie |
2:6 | sie es verdient, gewürdigt worden zu seyn. Wir finden |
2:7 | seit Jahrhunderten den Grundsatz als unzweifelhaft anerkannt, |
2:8 | daß Personen des hohen Adels vollgültige Ehen |
2:9 | nur mit Personen desselben Standes schließen können. |
2:10 | Einen Anfang dieses Grundsatzes, etwa in Folge eines |
2:11 | irgend einmal gegebenen willkürlichen Gesetzes, kennen wir |
2:12 | nicht. Wie ist derselbe entstanden? Es ist schwer zu |
2:13 | glauben, daß er ganz in der Stille, auf unvermerkte Weise, |
2:14 | aus bloßen Gründen der Nützlichkeit entstanden seyn sollte, |
2:15 | da andere Stände ein eigenes Interesse dagegen geltend |
2:16 | machen konnten. Ich habe zur Erklärung dieser Entstehung |
2:17 | zwei vereinigte Behauptungen aufgestellt: 1) den historischen |
2:18 | Zusammenhang des hohen Adels neuerer Zeit mit dem |
2:19 | Deutschen Uradel, 2) das Daseyn jenes Grundsatzes in |
2:20 | dem Deutschen Uradel, nach einem Zeugniß aus dem |
2:21 | neunten Jahrhundert, welches sich auf den Sächsischen |
2:22 | Volksstamm bezieht. Beide Behauptungen sind bestritten |
2:23 | worden. Ich finde aber nicht, daß meine Gegner die |
3:1 | Frage, die ich durch dieselben lösen wollte, auf irgend |
3:2 | eine andere Weise zu lösen auch nur versucht hätten. |
3:3 | Wenn in den Untersuchungen über die Geschichte |
3:4 | des Adels der Begriff desselben nicht selten unbestimmt |
3:5 | oder schwankend erscheint, so liegt der Grund |
3:6 | davon zwar zum Theil in einer mangelhaften Forschung, |
3:7 | zum Theil aber darin, daß der Adel selbst |
3:8 | bei verschiedenen Völkern und in verschiedenen Zeiten |
3:9 | etwas ganz Verschiedenes gewesen ist, und daß er |
3:10 | zugleich in dieser Verschiedenheit eine bald mehr, |
3:11 | bald weniger bestimmte Gestalt angenommen hat. |
3:12 | Bestimmter aber und gleichförmiger, als die Geschichte |
3:13 | selbst, darf der Geschichtsforscher in den Resultaten |
3:14 | seiner Untersuchung nicht seyn wollen. |
3:15 | Sind wir nun genöthigt, uns im Eingang der |
3:16 | Untersuchung mit dem sehr unfruchtbaren Begriff |
3:17 | des Adels als eines mit Vorzügen begabten Standes |
3:18 | zu begnügen, so wird es doch für den Erfolg vortheilhaft |
3:19 | sein, wenn zwei Charaktere dieses Standes |
3:20 | aufgestellt werden, auf welche die Forschung vorzugsweise |
3:21 | zu richten ist, mag es auch vorläufig noch |
3:22 | ungewiß bleiben, wie viel für den einen oder den |
3:23 | andern zu gewinnen seyn wird. |
4:1 | Der erste Charakter ist der eines bestimmten |
4:2 | Standesvorzugs. Gerade nun hierin wird der Erfolg |
4:3 | der Forschung oft unbefriedigend bleiben; aber |
4:4 | es wird sich auch nicht selten ergeben, daß in einer |
4:5 | früheren Zeit sehr bestimmte Vorrechte vorhanden |
4:6 | waren, die erst später verschwunden sind, und nur |
4:7 | noch den allgemeinen Eindruck eines bevorzugten |
4:8 | Standes zurück gelassen haben. |
4:9 | Der zweite Charakter des Adels ist der eines |
4:10 | dauernden Standes. Der Name eines Standes |
4:11 | also wird auf ihn in einem andern Sinn angewendet, |
4:12 | als da, wo er blos Beschäftigung und Beruf bezeichnet, |
4:13 | wie bei Beamten, Gelehrten, Künstlern, |
4:14 | Handwerkern, mögen auch mit diesem Beruf Ehrenvorzüge |
4:15 | verbunden seyn; denn ein solcher Beruf ist |
4:16 | sogar in dem Leben desselben Menschen dem Wechsel |
4:17 | unterworfen. Der Adel aber wird vielmehr stets |
4:18 | als ein erblicher Stand gedacht werden müssen, so |
4:19 | daß auch der persönliche, d.h. auf die Lebensdauer |
4:20 | eines Einzelnen beschränkte Adel nur neben dem |
4:21 | Erbadel, und als künstliche Nachbildung desselben, |
4:22 | vorkommen wird. Mit dem Grundcharakter des |
5:1 | Erbadels aber sind noch die vielfältigsten Modificationen |
5:2 | vereinbar, besonders darin, daß er bald |
5:3 | mehr, bald weniger geschlossen seyn wird, je nachdem |
5:4 | der Eintritt in denselben für den Fremden leicht |
5:5 | oder schwer oder gar unmöglich ist. |
5:6 | Die Perioden der Adelsgeschichte werden weniger |
5:7 | durch die Veränderungen in diesem Stande selbst |
5:8 | bestimmt, als durch die Nachrichten, die uns zu |
5:9 | Gebote stehen. Darnach lassen sich drei Perioden |
5:10 | annehmen: die Urzeit, die Zeit der Völkergesetze, die |
5:11 | neuere Zeit. |