BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Franz von Pocci

1807 - 1876

 

Der Staatshämorrhoidarius

 

1845/1857

 

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Einleitung.

 

Der geistreiche, scharfsinnige Beobachter socialer Zustände – Professor Riehl – spricht in seinen schönen Büchern von einer «geschlossenen Phalanx der Bureaucratie». Daß derselbe ob solch erschrecklicher Aeußerung noch frei umhergeht – gehört zu den Wundern der neuen Welt. Wir treten daher kühn – ja gewissermnssen unter polizeilichem Schutze – in diese Phalanx, um eine Persönlichkeit hervorzuholen und dem werthen Publikum in der Gestalt des «Staatshämorrhoidarius» vorzustellen. Er ist der Gemüthlichste aus der großen Corporation, welche das ganze deutsche heilige Reich, als eine unermüdliche Spinne, mit ihrem dichten Netze, ihre Fäden immer dicker und dichter webend, übersponnen hat und unter dem ehrenden Namen «Staatsdiener» oder «Beamter» den festhaltenden Knoten in sich concentrirt, dessen gewaltsame Lösung einer Revolution nicht unähnlich werden dürfte. Unser Freund aber repräsentirt nicht das starre, gewissermassen «papierne» Element, wir können ihm unerachtet seiner stets marternden Pedanterie nicht nur nicht gram sein, sondern müssen ihm vielmehr unsere Zuneigung schenken, da wir ihm auf allen Staats- und Vicinalstraßen als einem höchst erheiternden Elemente begegnen. Inwieferne sich der Staatsdiener zum Staatshämorrhoidarius qualificirt, dieß theoretisch zu entwickeln, wäre allerdings mehr Sache der Arzneikunde, da der Dienst zum Begriffe des Staatslebens, die Hämorrhoiden aber dem speciellen Fache der Medizin als Wissenschaft angehören. Der Verlauf der folgenden Darstellungen gibt jedoch möglichst den Versuch eines praktischen Bildes. Sollte aber gar geglaubt werden, unser Staatshämorrhoidarius sei eine aus dem Leben gegriffene specielle Persönlichkeit – ein Portrait – so müssen wir uns feierlichst dagegen verwahren; wir hielten uns lediglich an das «Ideal». Für Subsumptionen oder Abstractionen pro concreto können wir nicht verantwortlich sein. –