August von Platen
1796 - 1835
Die AbbassidenEin Gedicht in neun Gesängen
1930
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Vierter Gesang.
Eingewurzelt stand der Mohr, dem PrinzenBlickt er nach und rief ergrimmt: Der UndankIst der Fürsten allgemeines Laster!Handels einig soll ich werden also | |
5 | Um den Gaul, wo nicht, so bleibt die Wahl mir,Hinzugehn, woher ich bin gekommen!So bezahlt er mir die Schmach des Kerkers?So bezahlt er mir der schönen GriechinRaub, zu dem ihm jenes Pferd verholfen? |
10 | So bezahlt er mir das höchste Kunstwerk?Durch Alasnam ist der Fürst des GlaubensSchlimmer, als er wähnt, bestraft; die WahrheitSoll er wissen, seiner Tochter SchicksalBald erfahren! Doch am Prinzen räche |
15 | Mich ein Wagestück, und sein GelingenSichere mir, was jene stolzen ThorenStreng verweigert meinem billigen Wunsche.
Sprechend also, ging er längs des TigrisNach dem Landhaus, wo den Flügelrappen |
20 | Ließ Amin, wo Heliodora wohnte:Doch zuvor aus seinem Busen zog erEine kleine pergamentene Tafel,Um zu richten einen Brief an HarunAlraschid, den mächtigen Sohn Mohadi's. |
25 | Als er den geschrieben, ruft er einenArmen Fischer, der am TigrisuferSaß, herbei: mit einem blanken GoldstückGiebt er ihm die pergamentene Tafel:Willst du, Freund, mir diesen Dienst besorgen? |
30 | So beginnt er, besser als der GeberWird belohnen dich des Briefs Empfänger,Harun Alraschid, der Abbasside.Aber erst nach zehen Tagen darfst du |
35 | Ueberreichen ihn dem großen Harun:Lebe wohl indeß und sei gehorsam!
Dankend grüßt und Pünktlichkeit verheißendJener Fischer; doch der Mohr begibt sichNach dem Lustschloß, wo mit freudigem Sinn er |
40 | Seines magischen Flügelpferdes wahrnimmt.Drauf zur Fürstin tritt er kühn, und also,Tief sich beugend, fängt er an zu reden:Nicht entgelten laß die schlimme BotschaftDeinen Sklaven! Vom Kalifen komm' ich, |
45 | Der entrüstet seinen Sohn zurück hielt,Ob des nie gehörten AbenteuersZürnend ihm. Es ist der Fürst des GlaubensStellvertreter eines Weltpropheten,Ewiges Ebenbild des Bilds der Wahrheit! |
50 | Gastlich öffnet seine Thore BagdadJedem Gläubigen, keinem Christen aber,Wenn den Irrthum nicht beschämt er abschwört.Dieß verkündet dir, o Heliodora,Mein Gebieter. Selbst die Hand des Prinzen |
55 | Schenkt er dir, wofern dem Alcoran duHuldigen willst; allein im Fall der WeigrungHeißt er mich, auf jenem FlügelrappenBis zur Gränze dich des Reichs zu führen,Wo im Hochgebirg ein Frauenkloster |
60 | Deines Glaubens liegt am öden Waldstrom.
Tief gekränkt erwiedert Heliodora:Wär' es möglich, daß der weise HarunEines großen Kaisers große TochterFähig hielte, seinen schmählichen Vorschlag |
65 | Eines Worts zu würdigen? Schnell zu Pferde!Unter meinen Füßen brennt der BodenDieses Hauses, selbst der FlügelrappeScheint zu langsam meiner glühenden Sehnsucht!Heilige Klostermauern! Schon von ferne |
70 | Grüßt verlangend euch die erlauchte Nonne!Hier zum letztenmale lodere meinerSeele königlicher Stolz, ich will ihnBald als Büßerin im Grab versöhnen!
So die Fürstin. Eilig hebt der Mohr sie |
75 | Auf den Sattel seines Pferds, besteigt esNeben ihr, und peitscht es durch die Lüfte.Aber, als er fern sich sieht von Bagdad,Läßt er ruchlos jede Maske fallen,Sprechend also: Schöne Heliodora! |
80 | Für Gefangene ziemt sich nicht der Hochmut;Drum vergib mir, wenn ich meine SklavinNenne dich! Du bist es. Solche RosenNicht zu pflücken, wäre Schimpf und Thorheit;Doch als Gatte biet' ich dir die Hände: |
85 | Meine Macht ist nicht gering, ich rühmeDieses Pferds Besitzer mich, um welchesAlle Könige mich beneiden. Laß michNicht vergebens bitten, holde Griechin!
Wie ein Mann, der plötzlich aus dem Schlafe |
90 | Durch das Heulen eines Hundes aufwacht,So erschrak bei jenes BösewichtesSchnödem Wort auch plötzlich Heliodora:Schnell gefaßt jedoch und scheinbar lächelndKehrt sie gegen Jenen sich und stößt ihm |
95 | Beide Hände vor die Brust. Er taumeltKlaftertief hinunter, bis ein FelsstückIhn zu Staub zerschmettert. HeliodorenTrägt das Wunderpferd im Fluge weiter;Doch, wohin sie wenden soll die Zügel, |
100 | Weiß sie nicht; nach tiefem Schreck erfüllt ihrInneres plötzlich allgewaltige Wehmut.Mehr als je, nach dieser kühnen Handlung,Fühlt sie sich ein schwaches Weib, verlassen,Preisgegeben jedem Trug des Schicksals.
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105 | Aber wenden wir den Blick zurück nunNach dem Schiff, auf dem befand sich Assad.Jenes zog gen Indien, Elfenbein dortEinzuhandeln. Alle Segel schwollen,Glücklich schien die Fahrt. In weniger Tage |
110 | Frist erhob sich ein geringes Eiland,Grün und flach, vor ihrem Blick. Sie steigenDort an's Land, weil eben MeeresstilleEingetreten war; sie nehmen allesKochgeräth mit sich und schüren Feuer. |
115 | Aber plötzlich schreckt ein heftiger Erdstoß,Also schien's, sie auf, und ihren IrrthumSehn sie voll Entsetzen. Was ein EilandAllen dünkte, war ein ruhig schlafendHingestreckter, ungeheurer Wallfisch. |
120 | Nach und nach durch jenes Feuers HitzeWach geworden, dehnt er seines LeibesRiesenmasse, schleudert ab die Mannschaft,Stürzt ergrimmt sich auf das Schiff, zerschlägt es,Daß die Trümmer nach den Wolken flogen; |
125 | Dann verfolgt er seine stolze Reise.
Zween Matrosen blos, mit ihnen Assad,Retten schwimmend auf dem öden Wrack sich.Ohne Hoffnung, zwischen Tod und Leben,Bringen dort die Nacht sie zu, der tiefste |
130 | Friede lag, wie brütend, auf dem Wasser.Gegen Morgen aber blies der Wind sieHeftig an; zu ihrem Glück erhaltenWar das Steuer, und so gut sie konnten,Lenkten sie's, das mastenlose Fahrzeug |
135 | Fürder treibend. Einige Fäßer WeinesLagen noch im untern Raum und kargeLebensmittel; doch der Wind beharrteGünstig. Assad saß am Steuerruder,Seine zwei Gefährten aber schöpften |
140 | Unablässig aus dem Wrack das Wasser.Als zu grau'n begann der zweite Morgen,Sahn sie Land in duftiger Nebelferne;Doch das Fahrzeug war zu leck, und jederAugenblick schien ihres Lebens letzter.
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145 | Endlich zeigt sich einer Barke weißesSegeltuch. In ihre Hände klatschtenAlle drei vor Freuden unwillkürlich:Jene Barke nähert sich, sie rufen.Bald am Steuer zeigt ein alter Mann sich, |
150 | Silberhaarig; aber vorne standenZwei gebräunte, lockige Knaben, welcheMit Harpunen nach den Fischen warfen.Als den Wrack sie gewahrten, griffen dieseSchnell zum Ruder und in kurzer Frist sieht |
155 | Sammt den Freunden sich gerettet Assad.Gegen Abend langt er an im HavenEiner kleinen, handelsthätigen Seestadt.
Bald verdungen jene zween MatrosenIhren Dienst an einen reichen Fischer, |
160 | Der mit korkbehangenen Netzen ausfuhr.Assad aber, auf den Rat des altenMannes, dem er schuldig war das Leben,Ging am andern Morgen nach der WohnungEines Kaufmanns, welcher wohlbegütert, |
165 | Wie ein Fürst, in jenem Städtchen herrschte.Herr, begann er, Mißgeschick und SchiffbruchWarfen mich an dieß Gestad, den Fremdling;Not bezwingt die Besten, nicht des BettlersLoos verdien' ich; aber euch, dem Reichen, |
170 | Der der Menschenhände viel beschäftigt,Biet' ich meinen jugendlichen Arm an.
Lange strich das bärtige Kinn der Kaufmann,Sinnend hin und wieder; dann versetzt er:Weißt du Pfeil und Bogen wohl zu führen?
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175 | Ihm erwiederte drauf der Sohn des Harun:Als ich einst mich besserer Tage rühmte,War die Jagd mein auserwählt Vergnügen:Unter allen meinen Freunden aberKam als Bogenschütze keiner gleich mir.
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180 | Eine Probe gelt' es, sprach der Kaufmann:Jene Waldungen gegen Westen dienenOft zum Aufenthalt Elefantenschwärmen.Dort begib dich morgen hin, versucheDein Geschick und deine Kunst! Erlegst du |
185 | Wirklich Einen, schneide dann die beidenVorderzähn' ihm aus und bringe dieseMir zurück; und vom Gewinne jederJagd bewahr' ich dir getreu die Hälfte.
Als zu grau'n begann der nächste Morgen, |
190 | Nahm den Bogen auf die Schulter, schnallteSich den Köcher um der Sohn des Harun.Durch die Haide streift er nach der ödenRiesigen Waldung, halb in Gram verloren,Wann er dachte seiner Diwisade, |
195 | Halb im Kraftgewühl der Jugend fröhlich,Freien Schritts auf Gottes Erde wandelnd,Seinen Lebensunterhalt erwerbend.Völlig elend ist der thätige Mensch nie,Und Natur in ihrer wilden Schönheit |
200 | Stärkt die Seele selbst dem leidenvollsten.
Als er dieß im Geist erwägt, da sieht erAus dem Dickicht zween Elefanten annahn,Ihre Rüssel hin und her bewegend,Und den Boden, daß es dröhnte, stampfend. |
205 | Hinter einem Myrtenbusch verbirgt sichUnser Jäger, auf des Bogens RinneLegt den Pfeil er, zielt und trifft das Unthier:Dieses stürzt und brüllt, das andere flüchtet.Als das Leben aus der schwerverletzten |
210 | Körperlast gewichen war, beraubt sieIhres Elfenbeins der freudige Jüngling.Triumphirend kehrt er heim und seinenHerrn beschenkt er mit der stolzen Beute.
Manche Woche strich vorbei, das Glück blieb |
215 | Stets dem Jäger hold, und gleich dem eignenSohn behandelt ihn der greise Kaufmann.Aber als er eines Morgens wiederDurch die Wälder schweifte, kommt entgegenIhm ein Schwarm der riesigen Ungethüme: |
220 | Hurtig stürzt in's tiefste Dickicht Assad;Eins jedoch der klugen Thiere scheint ihnWahrzunehmen und verfolgt behend ihn.Ihm entfliehn durch Schnelligkeit der Füße,War undenkbar; aber es klimmt der Jüngling |
225 | Rasch empor an einer schlanken Palme.Wie ein Vogel auf den VogelstellerBlickt er schelmisch aus dem sichern GipfelAuf das grimmige Thier herab, und diesesBlickt den Jüngling wieder an mit großen, |
230 | Klugen Menschenaugen. Endlich sägt esVoll geschäftiger Rührigkeit und eifrigMit den Zähnen ab den Stamm der Palme;Diese kracht und ihre Krone zittertWie der Wimpel eines Schiffs, und Assad |
235 | Glich dem Seemann, der im höchsten MastkorbNistet, wenn der Sturm im Wachsen, jedeWelle schreckt ihn und er sieht im Geist schonEine kommen, die herunterschleuderndTaucht in's Meer ihn, das bacchantisch aufschwillt.
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240 | Doch zum Glücke für den kecken JägerBrach der Baum allmählich, neigte langsamSeine Wipfel niederwärts, und Assad,Mit verwegnem Sprung, berührt den BodenUnversehrt. Allein das Thier ergreift ihn |
245 | Mit dem Rüssel, ihn erhebend setzt esIhn als Reiter auf den breiten Rücken.Drauf im Trabe jagt es fort und endlichSieht der Prinz in einem wiesigen Thal sich,Welches baumfrei mitten in öder Wildniß |
250 | Wie von Wäldern lag umzäunt. Das UnthierWirft den Reiter ab und eilt von dannen.Staunend blickt der Prinz umher und staunendSieht die Erde rings er mit GebeinenUebersät und weißgebleicht; er sieht sich |
255 | Am Begräbnißort der mächtigen Thiere,Wo sie hinzuschleppen ihre TotenPflegten. Aufgehäuft zu ganzen HügelnLag das Elfenbein; es bürdet AssadEine Last sich auf, so viel die Schulter |
260 | Tragen mochte, Pfeil und Bogen aberWirft er weg, denn keiner Jagd bedurft' esFürder mehr. Er pflanzt die TodeswaffenAls ein Denkmal auf, den klugen ThierenAls ein Zeichen seines Danks. Die Stelle |
265 | Prägt er wohl sich ein, bezeichnet seinenWeg mit Steinen, bis derselbe wiederIhn zurückführt nach bekanntern Plätzen;Dann im Sturmschritt eilt zur Stadt der Jüngling.Hocherfreut empfängt der greise Freund ihn; |
270 | Täglich neue Schätze bringt er diesem,Neuen Reichthum ihm zurück. Der KaufmannTheilt die Hälfte seines Guts mit Assad.Aber Assad suchte nicht Bereichrung;Nur so viel behält er, um ein Fahrzeug |
275 | Auszurüsten. Seine glühenden WünscheTrieben nach der Magierstadt zurück ihn.Eine Ladung Elfenbeins befrachtetSeinen Schiffsraum; denn mit Gold am erstenDiwisaden auszulösen hofft er. |
280 | Frohe Tage seinem Herrn und VaterWünscht er dankbar. Ihm versetzt der Kaufmann:Lebe wohl! Wo keines WiedersehensFerne Hoffnung schimmert, schmerzt der Abschied.Doch getrost! Ich preise Jene glücklich, |
285 | Deren Küste dich empfängt und derenFreunde deine Freunde sind, es wuchertGlück und Segen, wo du weilst, o Jüngling!
So der Greis. Die Anker sind gelichtet,Aus dem Haven schwebt das Schiff, die Segel |
290 | Werden aufgezogen. Sanfte LüfteWehn in Assads jugendliche Locken.Aber als die zweite Nacht herbeikam,Wölkt der Himmel schwer sich an, die SterneLeuchten einsam durch gehäufte Nebel, |
295 | Dann verlöschen alle; finster schwärzt sichJede Purpurwoge, heftige WindsbrautPeitscht die Flut, und aus der fadenlosenTiefe rollen ungeheure Donner.Wetterleuchtend zuckt die Luft, die Wellen |
300 | Wälzen meilenlang beschäumte Kämme,Wie ein Heer zur Schlacht gereiht, dem SchiffskielDumpf entgegen; dieser steigt, gehobenDurch den aufgethürmten Schwall, zu Berge.Trotzend länger nicht der riesigen Obmacht, |
305 | Eilt die Mannschaft todesmatt und triefendNach dem untern Raum des Schiffs, es mögeNun zerschmettern oder nicht zerschmettern.Lange wirft es hin und her sich unstät;Aber als der erste Morgenschimmer |
310 | Dunkelrot im wolkigen Osten aufging,Legte die See sich, heftig blies der Wind noch,Doch geregelt. Auf's Verdeck begibt sichSchnell der Steuermann; allein mit GrausenSchlägt er vor die Stirne sich und jammert: |
315 | Wehe, weh' uns! Alles ist verloren!Unaufhaltsam jagt der tückische Wind unsZum Magnetberg jene Strömung nieder!Nahn wir diesem, löst das ganze FahrzeugOhne Frist sich auf, und jede Klammer, |
320 | Jeder Eisenstift und was MetallnesSonst das Schiff zusammenhält, es trennt sichAus den Fugen durch den mächtigen ZauberJenes Klippensteines angezogen.
Jammernd hört die ganze Schaar die Botschaft: |
325 | Alles strengt sich an, es bietet AssadAlles auf, durch Ruderkraft das FahrzeugAbzulenken, das der sausende NordwindPfeilgeschwind in schräger Lage fortjagt.Rein und heiter war die Luft geworden, |
330 | Jene kahle Klippe stand im klarstenSchroffen Umriß vor den Blicken Assads:Eine schmale Felseninsel war es,Steil und pflanzenlos, ein Herd der Sonne.
Sieh, und plötzlich wich das ganze Fahrzeug |
335 | Aus den Fugen seines Bau's und theilteSeinen mächtigen Busen; nicht mit KrachenBarst es, friedlich öffnete sich's und langsam,Wie die Flügel eines Thors sich öffnen.Bretter fluteten, Ruder, Maste, Segel, |
340 | Weitzerstreut, wo mancher rüstige SchwimmerSicherm Untergang entgegenkämpfte. |