August von Platen
1796 - 1835
Die AbbassidenEin Gedicht in neun Gesängen
1930
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Dritter Gesang.
Prinz Amin auf seinem FlügelpferdeWar indessen weit umhergegaukelt.Zwar im Anbeginne schiens erfreulichHinzuschweben über Städt' und Länder; | |
5 | Willig deßhalb überläßt Amin sichSeines flüchtigen Rosses wilder Laune.Wie ein Pfeil vom Bogen schwirrt, gewaltsamDurch die Luft ein fernes Ziel verfolgend,Also schwirrend flog der mächtige Rappe. |
10 | Doch, zuletzt ermüdet, denkt der HeimkehrPrinz Amin; er zerrt des Rosses Zügel,Will zurück es lenken, will zur ErdeNiedersenken seinen Flug. Vergebens!Unbekümmert um den Wink des Reiters |
15 | Schießt der Rappe seinen Weg, und überWeite Länderstrecken rastlos eilt er.Tief in's Meer gesunken war die Sonne,Hesper stand im Westen, diesem folgte,Sammt dem Siebengestirn das Schwert Orions! |
20 | Wieder dann erschien der MorgenröteSanftes Licht; doch immer schwebte HarunsErstgeborner Sohn im duftigen Aether.
Todesangst ergreift den edlen Jüngling;Matt und schweißgebadet läßt den nutzlos |
25 | Eitlen Zaum er aus den Händen gleiten,Die gefaltet er zum Himmel aufhebt;Denn im Tode, der unfehlbar annaht,Tauscht der Mensch zuletzt den eignen WillenMit dem Willen Gottes aus. Der Arbeit |
30 | Müde, glich Amin dem dürftigen Landmann,Der den Tag hindurch und bis zur DämmrungFleißig harkt; ertönt der AbendsegenAus der Stadt jedoch, so läßt er fallenSeinen Karst, und nimmt vom Haubt die Mütze.
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35 | Weiter steuernd, bis die Nacht noch einmalFeucht emporstieg aus der dunstigen Erde,Ging des Jünglings eilige Fahrt. EntkräftungFaßt zuletzt ihn, seine Glieder zittern,Um den Hals des Pferdes schlingt er fest sich, |
40 | Wartend auf den letzten Schlaf. Und siehe!Durch den Druck der Arme drückt er einwärtsJene kleine Schraube, die den RappenSinken macht. Der Rappe sinkt zu Boden,Leis' und langsam. Neue Lebensregung |
45 | Fühlt Amin, die schon begrabene HoffnungHebt empor sich; wie ein jugendlichesWeib, vom Scheintod auferweckt, dem GattenZeigt ein allzufrüh beweintes Antlitz.
Plötzlich steht der Rappe still, im Mondschein |
50 | Blickt umher der edle Sohn des Harun.Auf dem flachen, weitgeräumigen DacheEines prächtigen Hofpallastes steht er:Schlanke Säulen aus geflecktem MarmorTrugen blühende Myrtenlaubgewölbe, |
60 | Wohlgeruch verbreitend; auf GeländernStanden ringsumher bemalte Krüge,Schön geformt und voll der schönsten Rosen:Einem Landhaus glich das Schloß, und einsamAuf Terrassen, durch Citronenwäldchen |
65 | Sanft beschattet, die das Meer bespülte,Lag's in hügelreicher Küstenlandschaft.
Längst vom Pferd herabgestiegen, wandeltAuf dem Dach umher Mohadi's Enkel.Bald entdeckt er eine schmale Treppe, |
70 | Die hinab in einen großen VorsaalFührte, rings herum belegt mit Polstern.Dort erblickt er zwölf Eunuchen, schlummerndAusgestreckt und schnarchend. Weiter eilt erDurch Gemächer, königlich behangen |
75 | Mit verschwenderischen Goldtapeten,Halb erleuchtet durch den sanften Vollmond –Plötzlich schimmert ihm ein Licht entgegen!Dieß verfolgt er, auf den Zehen schleichend,Bis er tritt in ein Gemach, wo goldne |
80 | Lampen hingen an metallenen KettenVon der Decke nieder; alle WändeWaren Spiegel und des Zimmers BodenElfenbein in schöngetäfelter Arbeit;Doch gelehnt auf einen prächtigen Armstuhl |
85 | Saß, den Rücken wendend ihm, ein Mädchen.Ihre langen, schwarzen Locken warenAufgelöst, und sammt den eingeflochtnenPerlenschnüren hingen tief herab sie.Eine Laute lag auf einem Tischchen |
90 | Neben ihr; mit lauter Stimme lesend,Doch in fremder, niegehörter SpracheFür den Prinzen, saß die schöne Jungfrau.Endlich hebt das Auge weg vom Buch sie,Und erblickt im Spiegel gegenüber |
95 | Erst sich selbst und hinter sich den Fremdling.Staunend springt vom Sitz empor sie, sprachlosBlickt sie hinter sich mit vorgehaltnerHand, wie Einer, der ein Uebel abwehrt.Auf die Kniee läßt Amin sich nieder |
100 | Vor der Schönen, diese Worte sprechend:Wie du heißen magst, erlauchte Jungfrau,Blicke gnädig auf den Unbekannten,Den ein wunderbar Geschick von seinemVaterland geführt, ein schönes aber |
105 | Unter dieses Daches Schirm geführt hat.
So der Prinz, und als er Stand und NamenIhr entdeckt, erzählt des AbenteuersGanzen Lauf er. Lächelnd spricht die Schöne:Sohn des Harun Alraschid in Bagdad! |
110 | Wem ein seltsam eigenes Loos zu Theil ward,Dem bestimmt ein Gott, auch viel zu leiden.Sei getrost! Nicht mädchenhaft gezierte,Falsche Scham verhindere mich, o Jüngling,Dich zu nennen dieses Hauses Gastfreund. |
115 | Doch, ermüdet wie du bist, bedarfst duSchnell Erquickung. Meine Frauen werdenTrank und Speise dir sogleich bereiten;Auf das Lager dir zu streu'n die PolsterSei die Sorge meiner alten Amme. |
120 | Ihr, entsprossen aus dem Land Egypten,Ihr verdank' ich's, daß ich deiner SpracheLaut verstehe, daß ich gleiche WorteDir erwiedern konnte. – Dieses sprach sie,Rief der Alten, und es kam Zulika. |
125 | Unterrichtet durch den Mund der SchönenUeber Schicksal und Geburt des Fürsten,Führt zum Gastsaal ihn sogleich Zulika,Weckt die Frau'n, von denen schnell die TafelReich mit Früchten, Reis und Wein besetzt ward: |
130 | Jene, schön gethürmt in Silberschüsseln,Dieser perlend aus krystallenen Flaschen.Polster legt und Purpurteppiche breitetAuf's erhabene Bett die emsige Greisin,Rückt sodann den ebenholzenen Schemel, |
135 | Um hinaufzusteigen. Doch die NeugierUnterdrückt nicht länger Prinz Amin mehr:Würdige Dienerin der besten Herrin,Ruft er aus, beschwichtige mein Erstaunen!Welch ein Land ist dieses? Welchem König |
140 | Unterthan? O sage mir! Und welchesIst der Name jener hehren Jungfrau,Deren Feenpallast den Pilger aufnahm?
So der Prinz, und ihm versetzt Zulika:Sohn des Harun Alraschid in Bagdad, |
145 | Fern der Heimat, fern den Deinen weilst du:Dieses Luftschloß liegt in blühender MeerbuchtBei Byzanz, und meine schöne HerrinIst des Kaisers Tochter Heliodora.
Sprach's und ließ hierauf allein den Prinzen. |
150 | Dieser wirft auf's Lager sich, ermüdet,Aber ohne Schlummer, HeliodorensBild bemeistert seine wache Seele.Auch der Fürstin schwebt des Fremden BildungStets vor Augen, ihr Gemüt bewältigt |
155 | Eine niegekannte süße Schwermut.Ihre Heiligen ruft sie an, und immerMischt der Gastfreund unter ihr Gebet sich.Nicht ein Fremdling däucht er ihr, er däucht ihrWie ein Jugendfreund bekannt und lieblich. |
160 | Selbst im Traume schien es ihr, vom FensterIhn zu sehn in einem schmalen Nachen,Den er steuerte weit hinaus in's glatte,Ruhige Meer, und als er weit entfernt war,Schien zurück er seinen Blick zu wenden; |
165 | Doch sie winkt' ihm mit der Hand, da rief er:Soll ich wiederkehren, Heliodora?Als sie sprechen wollte, floh der Traum sie.
Beide sahn sich drauf am nächsten Morgen,Als die neuaufgehende Sonne lieblich |
170 | Aus den thauigen Tulipanen blitzte,Die mit buntem Farbenglanz des GartensBeete schmückten. Durch die schönen GängeFührt den Fremdling Heliodora, heißt ihnAuf die Hügel klimmen, um des Meeres |
175 | Flüssigen Spiegel und der HochgebirgeBlaue Fernen anzuschau'n. GesprächeWurden mannichfach gewechselt, tausendWorte fielen, nie ein Wort von Liebe;Denn im Worte lauert schon Entweihung: |
180 | Wie ein wohlgefügter ScheiterhaufenStürzt zusammen, wenn du draus entführst nurEine Trümmer. – Wochen flohn dem jungenPaar vorüber; doch so oft ein keckesWort dem Gastfreund durch die Seele schwebte, |
185 | Ließ den Blick er auf das Kreuz von Demant,Das am Busen trug die Schöne, fallen,Und die ewige Scheidewand des GlaubensSchlug in ehrne Bande seine Zunge.
Endlich fühlte Prinz Amin, die Stunde |
190 | Sei gekommen für den Schmerz des Abschieds:Länger wagt er nicht, mit banger Zögrung,Aufzuschieben notgedrungene Heimkehr.Eines Morgens vor die Holde tritt er,Diese Worte sprechend: Edle Jungfrau! |
195 | Allzulang mißbraucht' ich eine Zuflucht,Die dem Fremdling deine Huld vergönnte!Leicht zurück in meines Vaters PallastWird der Flügelrappe, den zu lenkenNun ich lernte, tragen mich; jedoch nicht |
200 | Leichten Herzens! Am Gestad des TigrisWerd' ich dein und Griechenlands gedenken!
Sanften Blicks versetzte Heliodora:Bald verlass' ich selbst den ruhigen Landsitz,Nach Byzanz in meines Vaters Arme |
205 | Wiederkehrend; aber allenthalbenWerd' ich gern mich deines heitern Umgangs,Durch den Zufall mir gewährt, erinnern.Lebe wohl, und sei das Glück der Deinen!
So die Fürstin. Doch indem sie sprachen, |
210 | Stürzet athemlos herein Zulika:Eine schreckenvolle Kunde, rief sie,Muß ich künden dir, o Heliodora!Doch es drängt der Augenblick, in kurzeWorte namenlosen Schmerz zu fassen: |
215 | Ueberfallen durch BulgarenhordenWard Byzanz, die alte KaiservesteLiegt im Sturm bezwungen, panische Furcht hatUnser Heer und Volk ergriffen, zahllosIst der Schwarm der Feinde; beutelustig, |
220 | Mordbegierig wüten ihre SchaarenDurch die blühende Stadt des Constantinus.Frage nicht nach deines Vaters Schicksal,Nicht der Brüder Heldentod erforsche!Schnell in's nahe Gebirg mit uns entrinne; |
225 | Denn dem Schlosse nahn sich schon von weitemWilde Schwärme, die dem SchreckensbotenAuf den Fersen folgten. Nicht zu SchiffeKannst du fliehn: O blick' hinaus! In AufruhrIst das Meer, und alle Stürme sausen!
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230 | So Zulika. Gegen tausend Schwerter,Rief der Gastfreund, schützt das Schwert Amins dich,Meinem Schwert vertraue, Heliodora!
Doch entsetzt erwiedert ihm Zulika:Willst du tollkühn, Einer gegen Alle, |
235 | Niegehörten Kampf vergeblich fechten?Retten will ich ganz allein die Fürstin:Wirf hinein dich in's Gewühl der Feinde,Wenn zu sterben dich so sehr gelüstet!
Sichere Rettung weiß ich, ganz allein ich, |
240 | Rief Amin zu Heliodorens Füßen.Laß die Frau'n sich im Gebirg verbergen;Doch du selbst, in meinem Schutz, besteigeMein geflügelt Wunderpferd, es soll dichUeber alle deine Feinde tragen! |
245 | Hier erwartet dich nur Schmach und Elend;Doch in Bagdad soll ein ganzes Volk dirDienen. Fürchte nichts! Verwegener Wunsch wirdNie beleidigen deine heilige Jugend!Väterlich empfangen wird und niemals |
250 | Kränken dich in deiner Väter GlaubenHarun Alraschid, das Bild der Weisheit!Folge mir! – Ihm folgte Heliodora,Halb entseelt und durch den Schreck bewußtlos.
Längs der schattigen Gärten floh Zulika |
255 | Sammt den Frau'n; Amin indessen jagteSchleunig auf dem Wunderpferd von dannen;Ihm am Busen lehnte Heliodora.Allzufrühe für den AbbassidenSah'n sie Bagdads hohe Mauern leuchten |
260 | Zwischen Palmen. Aber nicht zur HaubtstadtMochte Prinz Amin die Holde führen,Daß dem Volke nicht zur Schau sie diene;Doch besaß er ein entlegenes LandhausHart am Tigris, wo Cypressenhaine |
265 | Stolz erhoben ihre schlanken Wipfel.Als er dort sich senken ließ den Rappen,Führt in's reichste Gemach das holde Weib er,Sprechend also: Schöne Heliodora!Hier, nur wenige Stunden, wag' ich einsam |
270 | Dich zurückzulassen. Flugs gen BagdadEil' ich, aufzusuchen meinen hohenVater Harun Alraschid: er selbst sollHier begrüßen dich mit allen GroßenSeines Reichs, als eines Kaisers Tochter, |
275 | Der die Krone Griechenlands anheimfällt;Was an Christensklavinnen lebt in Bagdad,Sei sogleich für deinen Dienst geworben.Lebe wohl! ich kehre schleunig wieder.
So der Prinz. Er läßt den Flügelrappen |
280 | Auf dem Schloß zurück, um sonder AufsehnSich der Stadt zu nähern; ein arabischRoß besteigt er, das mit BlitzeseileGegen Bagdad führt den edlen Jüngling.Vor'm Pallaste kommt der Fürst der Schwarzen |
285 | Froh entgegen ihm, der greise Mesrur.Ueber's Kreuz die Hände faltend, heißt erAuf den Knien willkommen ihn in Bagdad;Aber Augenblicks befragt der Prinz ihn:Wo verweilt mein Vater und Gebieter, |
290 | Harun Alraschid, der Sohn Mohadi's?Ihm versetzte drauf der greise Mesrur:Nicht in Bagdad weilt der Fürst des Glaubens,Der dem Eidam feierlich Geleit gibt.Aus Egypten kam ein schöner Jüngling, |
295 | Prinz Alasnam, welcher herrscht in Cairo:Dieser warb um deine Schwester, HarunGab zum Weib sie ihm, von seines KörpersEbenmaß, von seiner Sitten Zauber,Seiner Kunst zu reden, hingerissen. |
300 | Heute führte Dieser aus dem keuschenFrau'ngemach die jugendliche Braut sich,Aller Schätze holden Schatz, Amine.Wenige Meilen vor die Stadt geleitetJenes theure Paar der Fürst des Glaubens, |
305 | Der so lang' um seine Söhne weinte;Denn, um dich zu suchen, flohen AssurAuch und Assad aus der Stadt am Tigris.Heil, o Heil uns, daß du wiederkehrtest!Möchten bald auch folgen deine Brüder! |
310 | Ihm versetzte Prinz Amin dagegen:Weilt am Hofe jener kluge Mohr noch,Der das flüchtige Zauberpferd gebildet,Dessen Rücken ich bestieg und welches,Zwar gefahrvoll, doch zum eignen Glück mich |
315 | Ueber Länderstrecken trug und Meere?
Drauf erwiedert ihm der greise Mesrur:Jener lebt, jedoch er lebt im Kerker,Seit wir dich, erlauchter Fürst, vermissen.Nicht vermochten seine Zauberkünste |
320 | Aus der Haft zu lösen ihn; die SchlüsselFühr' ich selbst, und weiß sie wohl zu wahren.
Schnell befrei' ihn, rief Amin dagegen,Länger nicht verdient er meines LeichtsinnsSchuld zu büßen! – Ihm gehorchte Mesrur, |
325 | Jenen Zauberer vor des Prinzen AntlitzFührend; huldreich nimmt Amin den MohrenAuf, er dankt ihm für das seltne Schicksal,Welches ihm das Flügelpferd bereitet.Ohne Hehl erzählt er ihm und arglos |
330 | Sein Geschick und seines AbenteuersGanzen Lauf! mit diesem Wort beschließend:Harre mein, ich eile meinem VaterJetzt entgegen. Kehrt er wieder, magst duFür das Wunderpferd den Preis bedingen, |
335 | Der dir billig scheint und uns, wo nicht, auchJenes Roß, wohin du willst, entführen!
So der Prinz, und aus den Thoren BagdadsJagt er spornstreichs, mit verhängtem Zügel,Ihm zur Seite ritt der greise Mesrur. |