BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Novalis

1772 - 1801

 

Freiberger

naturwissenschaftliche Studien

 

12. Arythmetika universalis

 

______________________________________________________________________________

 

 

 

Arythmetika universalis

 

 

Neuton. Bezout. Burja. Vieth. Mönch. Stahl. Kästners Analysis finitorum. Hindenburgs Schriften und andre mehr.

Schulzens Mathematik.

 

 

 

Materialien.

Klügel. aus: dem Polynomischen

Lehrsatz v[on] Hindenburg.

 

 

Meine Bemerkungen.

 

Zählen ist eine analytisch synthetische Operation. Es ist die Einung einer Menge. Es ist ein homogenëisiren und Heterogenëisiren zugleich – ein Begreifen und unterscheiden zugleich – und im Wechsel.

Rechnen überhaupt ist ebenfalls eine zusammengesezte Handlung. Eine Handl[ung] ist nur aus Handl[ungen] zusammengesezt. Die Zusammensetzung ist nur durch eine polarisirung der Elementarhand-
l[ungen] möglich – denn dadurch werden sie erst componibel.

Unbest[immtes] Rechnen – bestimmtes Rechnen.

Eine Rechnungsart ist eine besondre Weise zu rechnen – eine individuelle Modification des Rechnens überhaupt.

Vollkomnes Rechnen hat keine Modificationen.

Unvollkommnes Rechnen ist rechnen – wo die Elementarhandlungen des Rechnens getrennt sind – wo die Modification einer elementarhandlung nicht von der Entgegengesezten repraesentirt wird und vice versa – wo unregelmäßig – unvernünftig procedirt wird – wo nicht jede Analysis correspondirende Synthesis zugleich ist und umgekehrt – wo die Elemente unverhältnißmäßig wircken und simultanisiren.

Unvollk[ommnes] Rechnen hebt sich selbst zum Theil auf – und streitet gegen seinen Zweck.

Könnte man das unvollk[ommne] Rechnen vollk[ommen] polarisiren so könnte man einen Fehler durch den Andern aufheben – und beyde Resultate zusammen gäben ein Resultat, worinn sich die Fehler gegenseitig vernichteten, und der Rest der reine, gesuchte, und durch beyde beabsichtigte Zweck wäre. Dieses Rechnen würde man vielleicht indirectes Rechnen nennen können. Ein Beyspiel ist die Differentiation und Integration.

 

Der Beweis ist die Rechnung, deren Resultat der zu beweisende Satz ist. Rechnen und Denken ist eins. So viel Denkhandlungen – und so viel Zusammensetzungen derselben[,] so viel Rechnungsarten. Nur unvollk[ommnes] Rechnen ist vom Denken überhaupt verschieden – so wie das unvollk[ommne] oder besondre Denken vom Denken überhaupt.

(Unvollk[ommen] und individuell – ist eine sehr lange Periode

hindurch – oder bis zur absolution des Unvollk[ommnen] oder

Individuums – eins.)

Die Frage nach der Möglichkeit der Mathematik zerfällt in 2 Theile – 1. Ist sie möglich? 2. Wie ist sie möglich.

Die gutgeordnete Auflösung der Aufgabe der Mathematik involvirt alle übrige mathematische Aufgabenlösungen indirecte.

(Kants Verfahren mit der Metaphysik – die ihm mit Phil[osophie]

synonym ist. Seine berühmte Frage.) (Sie ist die Frage nach der

Möglichkeit und Constructionsmethode d[es] phil[osophischen]

Genies.)

Grundproblem der Mathematik.

(Giebt es ein mathematisches Genie (Leben)? Wie ist es möglich?

Erstere Auflösung liefert den Satz – die Andre den Beweis, die

Constructionsmethode dazu.)

Genie ist d[as] synthesirende Princip, das Genie macht das Unmögliche möglich – das Mögliche unmöglich – das Unbekannte Bekannt – das Bekannte Unbekannt etc. Kurz es ist das Moralisirende – trans-substantiirende Princip. (Leben und genialisches Princip oder Genie ist eins.) (Unvollk[ommnes] Genie)

 

Theilen – Gliedern – zählen – Vertheilen – rechnen – abbrechen und wiederholen – Schreiben sind gewissermaaßen Synonymen.

Synthetische Calcüle z. B. Addiren und Subtrahiren – Addiren

und Multipliciren – addiren und potenziren – Subtrahiren und

Multipliciren – Subtrahiren und dividiren – ad[diren] und

S[ubtrahiren] mit M[ultipliciren] – ad[diren] und S[ubtrahiren]

mit Div[idiren] – ad[diren] und S[ubtrahiren] mit M[ultipliciren]

und D[ividiren] und so fort. Erschöpfung der Arten des Calcül

durch Combinatorische Kunst. Um dies ordentlich zu

bewerckstelligen muß man aber erst die Begr[iffe] d[er] einzelnen

Calcüle kritisch betrachtet haben.

Der gewöhnliche arythmetische Calcül im Ganzen ist ein combinatorisches Addiren etc. – ein vertheilter Calcül – ein Successiver – partialisirender Calcül – eigentlich synthesirender Calcül – von den Gliedern zum Ganzen. (Verschiedne Bedeutung des Ausdrucks Synthesis.)