Novalis
1772 - 1801
Jugendwerke (1788-1793)Verserzählungen
2. Der Teufel
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Der Teufel
Ein loser Schalk, in dessen BeutelEs just nicht allzu richtig stand,Und der den Spruch, daß leider alles eitelAuf unserm Runde ist, nur zu bestätigt fand, | |
5 | Zog einst voll SpekulationenIn eine Stadt en migniatur,Und schlug an jedes Thor und an die RathhausthürEin Avertissement mit vielen Worten schier,Er werde heut in den drey Kronen |
10 | Um fünf Uhr nachmittags den Teufel jedermannVom Rathsherrn bis zum BettelmannFür zwanzig Kreuzer präsentirenUnd ohne ihn bevor erst herzukommandiren.Was Beine hatte, lief zum großen Wundermann, |
15 | Und überall war eine Weihnachtsfreude;Der Bürgermeister schrieb mit KreideDen Tag an seiner Thüre an,Und jeder Rathsherr kam mit einem GalakleideUnd einer knotigen Perücke angethan, |
20 | Und will das Wunder sehn; auch mancher HandwerksmannKam hübsch bedächtlich angeschlichenUnd gab die Kreuzer hin, die er den Tag gewann.Ein Schneider nur ging nicht zum WundersmannUnd sprach: «Ich seh umsonst den Teufel alle Tage |
25 | In meiner jungen Frau zu meiner größten Plage,Und der ist toller fürwahr als der beym Wundersmann.»Als endlich männiglichenDer Held sich mit dem leeren Beutel zeigtUnd erst mit wichtger Miene schweigt |
30 | Und dann geheimnißvoll nur wenig Worte sagetUnd seine Auditoren fraget,Ob auch ein Atheist in der Versammlung sey,Erstieg die Trunkenheit der blöden FantaseyDen Gipfel, und der Schalk beginnt die Gaukeley. |
35 | Nach manchen Hocus pocus ziehetDer Schalk den Beutel auf und jeglicher bemühetSich sehr den Leidigen zu sehn, doch jeder siehetNichts auf der Welt –; ein junger Taugenichts,Der näher stand, ein bel esprit, voll Zweifel |
40 | Wie mancher Kandidat, beginnt: «Ich seh ja nichts.»«Das eben», rief der Schalk, «das eben ist der Teufel.» |