BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Novalis

1772 - 1801

 

Gedichte

 

Freiberg (1798-99)

 

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14. Der Fremdling

15. Blumen

16. [Distichen 1798]

17. [Kenne dich selbst]

18. Letzte Liebe

19. An die Fundgrube Auguste

20. [Der müde Fremdling ist verschwunden]

 

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Der

Fremdling.

Den 22sten Jänner

1797. [1798]

Der Frau Bergräthin von Charpentier

gewidmet.

 

Müde bist du und kalt, Fremdling, du scheinest nicht

Dieses Himmels gewohnt – warmere Lüfte wehn

Deiner Heymath und freyer

Hob sich vormals die junge Brust.

 

5

Streute ewiger Lenz dort nicht auf stiller Flur

Buntes Leben umher? spann nicht der Frieden dort

Feste Weben? und blühte

Dort nicht ewig, was Einmal wuchs?

 

O! du suchest umsonst – untergegangen ist

10

Jenes himmlische Land – keiner der Sterblichen

Weiß den Pfad, den auf immer

Unzugängliches Meer verhüllt.

 

Wenig haben sich nur deines verwandten Volks

Noch entrissen der Flut – hierhin und dorthin sind

15

Sie gesäet und erwarten

Beßre Zeiten des Wiedersehns.

 

Folge willig mir nach – warlich ein gut Geschick

Hat hieher dich geführt – Heymathsgenossen sind

Hier, die eben, im Stillen,

20

Heut ein häußliches Fest begehn.

 

Unverkennbar erscheint dort dir die innige

Herzenseinheit – es strahlt Unschuld und Liebe dir

Klar von allen Gesichtern,

Wie vorzeiten im Vaterland.

 

25

Lichter hebt sich dein Blick – warlich, der Abend wird,

Wie ein freundlicher Traum, schnell dir vorübergehn,

Wenn in süßem Gespräche

Sich dein Herz bey den Guten lößt –

 

Seht – der Fremdling ist hier – der aus demselben Land

30

Sich verbannt fühlt, wie Ihr; traurige Stunden sind

Ihm geworden – es neigte

Früh der fröliche Tag sich ihm.

 

Doch er weilet noch gern, wo er Genossen trift,

Feyert munter das Fest häuslicher Freuden mit;

35

Ihn entzücket der Frühling,

Der so frisch und um die Eltern blüht.

 

Daß das heutige Fest oft noch zurückekehrt,

Eh den Weinenden sich ungern die Mutter raubt

Und auf nächtlichen Pfaden

40

Folgt dem Führer ins Vaterland –

 

Daß der Zauber nicht weicht, welcher das Band beglückt

Eures Bundes – und daß auch die Entfernteren

Des genießen, und wandern

Einen frölichen Weg mit Euch –

 

45

Dieses wünschet der Gast – aber der Dichter sagts

Euch für ihn; denn er schweigt gern, wenn er freudig ist,

Und er sehnet so eben

Seine fernen Geliebten her.

 

Bleibt dem Fremdlinge hold – spärliche Freuden sind

50

Ihm hienieden gezählt – doch bey so freundlichen

Menschen sieht er geduldig

Nach dem großen Geburtstag hin.

v. Hardenberg

 

 

Blumen.

 

An den König

Mehr, als ein Königreich gab der Himmel Dir in Louisen,

Aber Du brachtest Ihr auch mehr, als die Krone, Dein Herz.

 

Die Alpenrose

Selten haftet auf Höhn ein Funken himmlischen Lebens,

Aber, als Königin, blüht, dann auch die Rose des Bergs.

 

Der König

Nur wer mehr, als König schon ist, kann königlich herrschen,

Also soll König seyn, welcher die Herrlichste liebt.

 

Das irrdische Paradies

Wo die Geliebten sind, da schmückt sich bräutlich die Erde,

Aber den Frevler verzehrt schneller die himmlische Luft.

 

Es ist an der Zeit

Glänzend steht nun die Brücke, der mächtige Schatten erinnert

Nur an die Zeit noch, es ruht ewig der Tempel nun hier,

Götzen von Stein und Metall mit furchtbaren Zeichen der Willkühr

Sind gestürzt und wir sehn dort nur ein liebendes Paar –

5

An der Umarmung erkennt ein jeder die alten Dynasten,

Kennt den Steuermann, kennt wieder die glückliche Zeit.

 

Das Ende des Haders

Lange währte der Zwist, es konnte keiner ihn schlichten;

Mancher schöne Krystall brach in dem feindlichen Stoß.

Nur die Liebe besitzt den Talismann ewigen Friedens –

Da nur, wo sie erscheint, fließen die Massen in Eins.

 

Der sterbende Genius

Willkommen, Lieber, nun und nicht wieder ruft

Dich meine Stimme; nah ist der Abschied mir.

Gefunden hab ich was ich suchte

Und der Bezauberung Bande schmelzen.

 

5

Das schöne Wesen – siehst du die Königinn –

Hebt Bann und Zauber; lange vergebens flog

Um jeden Thron ich, aber endlich

Winkte durch Sie mir die alte Heymath.

 

Schon lodert mächtig jene geheime Glut –

10

Mein altes Wesen – tief in dem irrdischen

Gebilde: Du sollst Opferpriester

Seyn, und das Lied der Zurückkehr singen.

 

Nimm diese Zweige, decke mit ihnen mich,

Nach Osten singe dann das erhabne Lied,

15

Bis auf die Sonne geht und zündet

Und mir die Thore der Urwelt öffnet.

 

Der Duft des Schleyers, der mich vor dem umgab,

Sinkt dann vergoldet über die Ebenen,

Und wer ihn athmet, schwört begeistert

20

Ewige Liebe der schönen Fürstinn.

 

Land

Jenes himmlische Paar schwimmt hoch auf der Flut, wie die Taube

Und der Ölzweig; es bringt Hoffnung des Landes, wie dort.

 

Novalis.

 

 

[Distichen 1798]

 

1.

Freunde, der Boden ist arm, wir müßen reichlichen Samen

Ausstreun, daß uns doch nur mäßige Erndten gedeihen.

 

2.

Welten bauen genügt nicht dem tiefer dringenden Sinne:

Aber ein liebendes Herz sättigt den strebenden Geist.

 

3.

Laßt die Libellen ziehn; unschuldige Fremdlinge sind es,

Folgen dem Doppelgestirn froh, mit Geschenken, hieher.

 

4.

Einem gelang es – er hob den Schleyer der Göttin zu Saïs –

Aber was sah er? Er sah – Wunder des Wunders – Sich Selbst.

 

5.

Fürsten sind Nullen – sie gelten an sich nichts, aber mit Zahlen,

Die sie beliebig erhöhn, neben sich gelten sie viel.

 

6.

Hypothesen sind Netze, nur der wird fangen, der sie auswirft.

Ist nicht America selbst durch Hypothese gefunden?

Hoch und vor allem lebe die Hypothese – nur sie bleibt

Ewig neu, so oft sie sich auch selbst nur besiegte.

 

7.

Ist es nicht klug für die Nacht ein geselliges Lager zu suchen?

Darum ist klüglich gesinnt – der auch Entschlummerte liebt.

 

8.

Die seelige Hoffnung des Quintus

Quintus bin ich geblieben, geplackt und arm, wie die Landmaus,

Freudig sterb ich – gewiß, Tertius drüben zu seyn.

 

 

[Kenne dich selbst]

 

Eins nur ist, was der Mensch zu allen Zeiten gesucht hat;

Ueberall, bald auf den Höhn, bald in den Tiefen der Welt –

Unter verschiedenen Namen – umsonst – es versteckte sich immer,

Immer empfand er es noch – dennoch erfaßt er es nie.

5     Längst schon fand sich ein Mann, der den Kindern in freundlichen Mythen

Weg und Schlüssel verrieth zu des Verborgenen Schloß.

Wenige deuteten sich die leichte Chiffre der Lösung

Aber die wenigen auch waren nun Meister des Ziels.

Lange Zeiten verflossen – der Irrthum schärfte den Sinn uns –

10         Daß uns der Mythus selbst nicht mehr die Wahrheit verbarg.

Glücklich, wer weise geworden und nicht die Welt mehr durchgrübelt,

Wer von sich selber den Stein ewiger Weisheit begehrt.

Nur der vernünftige Mensch ist der ächte Adept – er verwandelt

Alles in Leben und Gold – braucht Elixire nicht mehr.

15   In ihm dampfet der heilige Kolben – der König ist in ihm –

Delphos auch und er faßt endlich das: Kenne dich selbst.

Freyberg, 11. Mai 1798.

Friedr. Georg v. Hardenberg.

 

 

 

Letzte Liebe

 

Also noch ein freundlicher Blick am Ende der Wallfahrt,

Ehe die Pforte des Hains leise sich hinter mir schließt.

Dankbar nehm' ich das Zeichen der treuen Begleiterin Liebe

Fröhlichen Muthes an, öffne das Herz ihr mit Lust.

5

Sie hat mich durch das Leben allein rathgebend geleitet,

Ihr ist das ganze Verdienst, wenn ich dem Guten gefolgt,

Wenn manch' zärtliches Herz dem Frühgeschiedenen nachweint

Und dem erfahrenen Mann Hoffnungen welken mit mir.

Noch als das Kind, im süßen Gefühl sich entfaltender Kräfte,

10

Wahrlich als Sonntagskind trat in den siebenten Lenz,

Rührte mit leiser Hand den jungen Busen die Liebe,

Weibliche Anmuth schmückt jene Vergangenheit reich.

Wie aus dem Schlummer die Mutter den Liebling weckt mit dem Kusse,

Wie er zuerst sie sieht und sich verständigt an ihr:

15

Also die Liebe mit mir – durch sie erfuhr ich die Welt erst,

Fand mich selber und ward, was man als Liebender wird.

Was bisher nur ein Spiel der Jugend war, das verkehrte

Nun sich in ernstes Geschäft, dennoch verließ sie mich nicht –

Zweifel und Unruh suchten mich oft von ihr zu entfernen,

20

Endlich erschien der Tag, der die Erziehung vollzog,

Welcher mein Schicksal mir zur Geliebten gab und auf ewig

Frei mich gemacht und gewiß eines unendlichen Glücks.

 

 

[Der müde Fremdling ist verschwunden]

[Januar 1799]

 

Der müde Fremdling ist verschwunden

Und hat dem Freunde Plaz gemacht,

Der aus so vielen trüben Stunden

Ein treues Herz davongebracht.

5

Auf immer nun mit euch verbunden,

Von keinem Kummer mehr bewacht

Hat er sich wieder selbst gefunden,

Und manches, was er nicht gedacht.

 

Ein Jahr mit seinen bunten Wochen

10

Verstrich, wir wußten selbst nicht wie.

Und anders, als wir uns versprochen

Klang oft des Lebens Melodie.

Doch fester ward mit jedem Tage

Das liebe Band um unsern Straus

15

Und immer lauter ward die Sage,

Ein Blinder Knabe wär' im Haus.

 

Es wußte Eine von euch beyden

Gewiß, was an der Sage war.