BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Eduard Mörike

1804 - 1875

 

Die umworbene Musa

(dramatisches Fragment)

 

um 1825

 

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[1]

Erster Auftritt.

 

Ein Fruchthändler.

Scharmant! es ist kein übler Fang!

Und gehen muß es über kurz und lang,

Und will sie nicht – sie muß, die Heirat krönt mein Glück,

Wer noch nicht alles hat, der ist noch stets zurück.

Das Sprüchwort sagt: genau acht Simri will ein Scheffel,

Ich hab' ihn nicht, und fehlt's auch nur am letzten Löffel.

Sie ist ein reiches Weib von seltenem Vermögen,

Schön, – nun daran ist weniger gelegen.

Nur fass' ich's nicht, wie so ein Engel

Gefallen find't an jenem Bengel,

Bei dem sie schon seit Jahren weilt,

Mit dem sie Lieb's und Gutes teilt.

Sie ist von Adel, er ein armer Teufel,

Doch weiß man, es ist außer Zweifel,

Daß sie dem Großpapa die Hand darauf gegeben,

Mit keinem andern je zu leben.

Übrigens ist ein seltsam Dunkel

Auf dem Verhältnis und viel Gemunkel.

Auch weiß kein Mensch, von wem die Kind',

Die ihr so sehr am Herzen sind,

Die vier, fünf Lümmel! was läßt sie sich kosten,

Die dummen Bälge zu erziehn!

Seht ihnen eigne Schulen hin!

Das wird changiert, wenn ich einmal am Posten! –

Da wohnen sie fünf Stunden wohl dadrauß,

So gut als auf dem Land, ein altertümlich Haus,

Ein sonderbares Schloß, das ist der ganze Spaß,

An dem sie sonderlich so einen Affen fraß.

Der Alte besorgt die Ökonomie,

Gibt das Haus her, besorgt die Küh',

Schafft Notdurft für die jungen Raben,

Braut Bier, damit die Kinder nur was haben –

Die schlampfen! es sind wahre Säufer

Und kriegen Backen wie die Pfeifer;

Der zarten Frau ist's leid genug,

Doch wehrt sie kaum, und Er füllt nur den Krug; [2]

Ihr halb Geld liegt in seinen Handen;

Natürlich fällt da vieles ab

Für ihn und seine eignen Anverwandten.

Der Spitzbub! und die Frau, die Kind', die Informanten

Hält Er mit Tisch und Haus doch ziemlich knapp.

 

Ihr Vormund, der Minister, tut gescheute,

Wenn er der Kugelfuhr ein Ende macht;

Zwar sieht er es von einer andern Seite,

Doch mir ist's recht in jeglichem Betracht.

Und weil er sich einmal dazu verband,

Für die Erziehung auch zu sukkurieren,

Darf sie um desto weniger sich zieren,

Wenn er nach eignem Sinne und Verstand

Die Sache will mit mehr Ersparnis führen;

Deswegen soll sie in die Stadt,

Wo er die Kinder auch mehr unter Aufsicht hat;

Und weil sie ohne Dach und Fach nicht leben kann,

Gibt er ihr eben mich zum Mann.

Das andre ist mir alles gleich,

Auf alle Fälle werd' ich dabei reich.

Ich muß nur sehen, wie ich's treib',

Daß ich den Hof ihr zierlich mache;

Sie ist ein feingebildet Weib,

Und das ist grad' auch meine Sache.

Gottlob, die Residenz hat guten Ton,

Was hätte man auch sonst davon!

Man hat Manier, man ist nur selten Flegel,

Man wird beliebt, das ist ganz nach der Regel.

Ja, ja, so kommt das Glück doch immer an uns Kerle,

So findet stets ein Schwein auch eine –

Ja so!

(Geht pfeifend ab.)