BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Johann Peter Lyser

1804 -1870

 

Lieder eines wandernden Malers

 

I. Der Ausflug

 

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[33]

J. W. Goethe, Der Borschen bei Bilin, 1810

 

XV.

Auf dem Borzen. 1)

 

Hoch auf der Kuppe des Felsens stand ich im Abendglühn.

Tief unter mir zogen die Nebel,

Und Dämmrung umhüllte das Thal.

 

Still und feierlich alles umher!

Vom Kirchthurm herauf nur

Tönte leise

Der Abendglocken harmonisch Geläut.

 

Ich schau'te hinauf – ich schau'te hinab,

Und es wallte mein Herz

In Andacht und Liebe.

 

Ja, ich liebe! ich liebe!

Ich liebe Dich, prangende Erde!

 

Ich liebe! ich liebe!

Ich liebe Dich, glühendes Abendroth!

Ich liebe! ich liebe Dich,

Tiefblauer Himmel! [34]

Und euch ihr ewigen Sterne,

Die ihr herabschau't so lächelnd und mild,

Euch lieb' ich wie meine Sele.

 

„Und was sonst noch?“ tönt's neben mir

Mit Nachtigallenlaut.

 

Ich wende mich. und vor mir

Steht Sie! –

Und schaut mich an,

Mit Augen

Wovor die ewigen Sterne erlöschen! –

Mit einem Lächeln,

Wie es weiter die Erde nicht hat: –

 

„Und was sonst noch, unstätter Wanderer! –

Was sonst noch

Liebst Du?“

 

Ich sage kein Wort! – im Anschau'n nur

Bin ich verloren – doch ach!

Wie pocht mein Herz!! –

 

Sie sieht mich!

Sie hört es, das Schlagen des Herzens!

Und mich umschlingend

Fest und innig, [35]

Preßt ihre Lippen sie

Auf die meinen, und flüstert:

„Du liebst mich! Du liebst mich!

 

Und einmal noch aufflammt

Im Westen das Abendroth.

 

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1) Ein hoher Felsen bei Bilin, der in seiner Form lebhaft an den Montserat erinnert. Die Aussicht von seiner Kuppe, besonders bei Sonnenuntergange, ist entzückend.