BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Hermann Kurz

1813 - 1873

 

Zur Geschichte

des Romans Simplicissimus

und seines Verfassers

 

1865

 

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[3193a]

3.

Grimmelshausen.

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Hans Jakob Christoph v. Grimmelshausen ist im ersten Jahrzehnt des dreißigjährigen Kriegs geboren, und nennt wiederholt Gelnhausen, die protestantische damalige Reichsstadt, eine Vaterstadt 1). So ungeschickt es wäre jeden Zug den er von Simplicissimus erzählt buchstäblich für Selbstbiographie zu halten, so sieht man doch da und dort sein eigenes Antlitz kenntlich unter der Maske seines Helden hervorblicken, und man wird wohl nicht fehlgehen wenn man, besonders an denjenigen Stellen wo er denselben zugleich als den angeblichen Verfasser seiner Schriften auftreten läßt, in den nichthumoristischen, nichtmystificiren­den Angaben wenigstens, eine engere Identification annimmt.

Nun sagt Simplicissimus in seinem Ewigwährenden Calender (S.46b): „V. Calendas Marti, 25. Hornung, Anno 1635, wurde ich in Knabenweiß von den Hessen gefangen und nach Kassel geführt,“ um eine Geschichte anzuknüpfen die sich damals in dieser Festung zugetragen. Und ganz übereinstimmend läßt er sich in seiner Vorrede zum Satyrischen Pilgram von Momus vorwerfen: „Was wolten doch vor Nutzbarkeit und Lehren von einem solchen Kerl, wie der Author ist, zu hoffen sein? Man weiß ja wohl daß Er selbst nichts studiert, gelernt noch erfahren, sondern, sobald er kaum das ABC begriffen hat, in Krieg kommen, im zehnjährigen Alter ein rotziger Musquetirer worden, auch allwo in demselben liederlichen Leben ohne gute Disciplin und Unterweisungen wie ein anderer grober Schlingel, unwissender Esel, Ignorant und Idioth bernheuterisch auffgewachsen.“ {3193b} Darf man diese beiden Zeitbestimmungen als gleichbedeutend annehmen, so ist Grimmelshausens Geburtsjahr das Jahr 1625. War er aber schon unter die Muskete getreten, ehe er – doch immer noch als „Knabe“ – von den Hessen gefangen wurde, so kann er doch nur um ein geringes älter seyn. Wiederum in Simplicissimi Ewigwährendem Calender, in dem „warhafftigen“ (d. h. gutentheils mythischen) „Bericht vom Erfinder dieses Calenders,“ ist unter die von ihm erzählten meist Eulenspiegelischen, „Stücke“ folgendes eingestreut: „XXXIV (S. 140c). Nach Eroberung Breysach rüste sich Herzog Bernhart von Weymar auch Offenburg zu belägern, worin der Kays. Obriste von Schauenbergk commandierte, daselbst wurde damahlen im Mühlbach ein Platteißlein 2) gefangen, welches der Orten vor ein ungewöhnliches Wunderwerck gehalten und dannenhero besagtem Obristen von den Fischern verehret worden, der es auch verspeiset. Aber ein noch sehr junger Musqedirer, von Geburt ein Gelnhäuser, macht diese Außlegung drüber: Es würde, sagt er, die Stadt Ofenburg, solang der Obriste lebt und darinn commandierte, nicht eingenommen werden. Weßwegen der Jüngling zwar verlachet wurde: Es hatte sich (aber) im Werck befunden, daß er wahrgesaget, indem der Obrist die Stadt bis in den Friedenschluß erhalten. Sind demnach dergleichen Sachen nicht allemal zu verachten.“ In der ganzen langen Reihe „Stücke“ und „Schwänke“ die jener Kalenderbericht von Simplicissimus erzählt, ist er gerade hier nicht als Held, sondern als Aufzeichner der Anekdote genannt, und eben hiemit scheint uns der Verfasser nur um so deutlicher durchblicken lassen zu wollen daß er dießmal sich selbst, ohne die erdichtete Ausstaffierung seines Helden, in Scene setzt. Wenn dieß richtig ist, so erfahren wir daraus daß er sich zu Ende des Jahrs 1638 als blutjunger Musketier unter der kaiserlichen Besatzung in Offenburg befand, somit in den vier Jahren seit jener Gefangennehmung das Beispiel seines Generals Melander befolgt und die hessisch-protestantischen Fahnen mit den kaiserlich-katholischen vertauscht hatte. Die Erzählung selbst stimmt durchaus zu dem wohlbekannten Charakter unseres Freundes, der, gleich allen hervorragenden Geistern seines Jahrhunderts, Aufklärung und Aberglauben in merkwürdigem Gemisch verband, und die Schlußworte versetzen uns ganz in die Stimmung welche Schiller mit den Worten „dergleichen Dinge gibt's, es ist kein Zweifel“ so glücklich gezeichnet hat. Der Name des Offenburger Commandanten ist für Grimmelshausens Lebensgang nicht ganz gleichgültig, denn jener Oberst Schauenberg, oder richtiger Schauenburg 3), war ohne Zweifel, wie mit den beiden zu Grafen erhobenen Schauenburgern Hannibal und Jost Hermann, die sich damals auf kaiserlicher Seite auszeichneten, so mit dem Frhrn. Philipp Hannibal v. Schauenburg verwandt, welchem der Dichter später „Dietwald und Amelinde“ gewidmet hat 4).

Daß er schon in jungen Soldatenjahren die Stunden der Muße zu seiner Ausbildung, ja zu schriftstellerischen Uebungen verwendete, ist im Simplicissimus (B. III, C. 19) durchsichtig angedeutet. Unerfreulich scheint dagegen die größere Muße gewesen zu seyn die ihm das von der ganzen bürgerlichen Welt als Erlösungsjahr begrüßte Jahr 1648 brachte; denn in der Vorrede zum Satyrischen Pilgram heißt es von dem Verfasser: „Räthlicher und zuträglicher wäre ihm gewesen wenn er nach dem teutschen Friedensschluß seine Musquete behalten.  5).“

Aus all diesen Angaben erhellt daß Grimmelshausens Jugend mit der zweiten Hälfte des deutschen Kriegs, von der Nördlinger Schlacht oder ihrem unmittelbaren Nachspiel angerechnet, zusammenfällt, und daß ihm diese ganze Zeit unter den Waffen verstrichen ist. Nun aber folgen zwei nahezu volle Jahrzehnte, seiner besten Mannesjahre also, von welchen wir nichts wissen als zwei Büchertitel aus bestimmter Zeit und ein paar biographische Notizen ohne Zeitangabe. Während jener Zeit nämlich hat sein Autorleben begonnen, und zwar mit einer Uebersetzung. „Der fliegende Wandersmann nach dem Mond“ {3194a} bekennt sich als „übergesetzet“ aus einem spanisch-französischen Original, das aber selbst nur eine Übersetzung aus dem Englischen war. Er soll uns hier nicht weiter in Anspruch nehmen, da wir uns vorherrschend mit dem Simplicissimus und dem Leben seines Verfassers, mit den übrigen Schriften aber nur so weit sie hieher einschlagen, beschäftigen. Das Buch erschien 1659, „Wolffenbüttel, Gedruckt bei den Sternen“, welche Bezeichnung über die damaligen literarischen und persönlichen Aspecte des Autors nicht eben viel Licht verbreitet. Das Jahr darauf schickte er der Uebersetzung eine eigene Arbeit nach, die gleichfalls im Geschmack jener Wunderreise gehalten, jedoch fleißig mit Satire gewürzt ist, eine „Reise in die neue Oberwelt des Monds,“ 1660 ohne Druckort. Diese zweite Mondreise, wenigstensso wie sie in der Gesamtausgabe von 1684 (III, 773 ff.) mit wenig verändertem Titel steht, enthält (S.801 f.) eine Stelle worin eine persönliche Beziehung des Verfassers ausgesprochen ist. Nach seinem Tod kann dieselbe nicht erst in das Buch gekommen seyn; sie war entweder schon in dem ursprünglichen Druck von 1660 enthalten 6) oder wurde vom Verfasser in eine spätere noch von ihm selbst besorgte Ausgabe eingeschaltet. 7) Wir handeln sie unten ab, da wir auch diese Schrift nur so weit berücksichtigen als sie eine Art von Beitrag zur Lebensgeschichte des Verfassers gibt. 8)

Von seinen Lebensumständen erfahren wir sonst noch durch den Commentator von 1684 daß er „sehr an Fürstenhöfen beliebt, auch in einem Hochfürstl. {3194b} Bischoflichen ansehenlichen Amt am Schwarzwald bei Straßburg, zu Renchen einer uralten (von Attila dem Hunnischen Tyrannen) hie bevor zerstöhrten Stadt, anjetzo aber als ein Marktflecken (woselbst noch die Stadt-Rudera zu sehen) in Schulzen-Dienst gesessen ware“, sowie auch daß er „von dem herrlichen Ritter-Adel oder auch dem Adel der freyen Studien (welche beyderley Adelheiten er durch nimmermüde Mühe und recht wunderbares Glücks-Fügen sehr rühmlich erworben und erlanget)“ gar viel hätte schreiben und rühmen können. (Simpl. Ausg. v. 1684. Bd. I. C. 2. Anm.) Das erste volle Datum endlich bietet jene durch Passow zu den Acten gekommene Mühlen-Ordnung, aus welcher wir ersehen, daß er im Jahr 1667 in seinem Renchner Amt thätig war. Indessen läßt sich der Zeitpunkt seiner Anstellung etwas genauer bestimmen. Die Herrschaft Oberkirch, zu welcher Renchen gehörte, war seit dem Ende des vorhergegangenen Jahrhunderts – und, nach einer unvermeidlichen Unterbrechung im 30jährigen Krieg, seit dem westfälischen Frieden, wieder – württembergische Pfandschaft gewesen. Zum Verdruß Herzog Eberhards, dem dieser Besitz die Communication mit seinen Mömpelgartischen Landen vermittelt hatte, bot Franz Egon von Fürstenberg, sobald er (1663) Bischof von Straßburg geworden, die Auslösung an, die nach zeitgemäßen Schwierigkeiten mancher Art am „3/13“October 1664 vollzogen war, so daß mit diesem Tag die Zurückgabe der Herrschaft an das Bisthum in den üblichen Formalitäten stattfinden konnte. 9) Den „A. C. Verwandten“ wurde Religionsfreiheit zugesichert; daß aber die Aemter mit Katholiken besetzt wurden, dafür brauchen wir nicht erst nach einem Beweis zu suchen. Innerlich zwar fand unser Dichter den Religionseifer durch den Religionskrieg so weit abgekühlt, daß man ihn „ohne einige Gefahr neben gedörrtes Schießpulver legen dörffte,“ aber um so zäher klebte man äußerlich an dem Gegensatz der confessionellen Formen, der als Niederschlag aus dem langen Kampf hervorgegangen war, und die Anstellung eines Protestanten unter katholischer Herrschaft, oder umgekehrt, war wo nicht eine Unmöglichkeit, doch eine Ausnahme, welche die Regel nur bestätigte. Grimmelshausen, dessen protestantische Herkunft nicht bezweifelt werden kann, mußte katholisch geworden seyn wenn ihm im Bisthum Straßburg eine Bestallung, und zumal als Amtschultheiß, werden sollte. Daß er es wirklich war, ergibt sich überdieß aus seinem offenbar defensiven Religionsgespräch zwischen Simplicio und Bonamico, deren ersterer sich vom andern zu einem übrigens sehr leidlichen und läßlichen Katholicismus 10) bekehren läßt. Die freie Gesinnung aber, die „weder Petrisch noch Paulisch“ ist (Simpl. Bd. III, C. 20), wechselte er darum keinen Augenblick, und noch sterbend gab er, wie wir sehen werden, ein unzweideutiges Zeichen daß er (protestantisch zu reden) im Herzen Protestant geblieben war. Wir werden daher für den Religionswechsel des Mannes ungefähr die gleiche Toleranz beanspruchen dürfen, welche Winckelmanns Uebertritt bei billigen Protestanten und Katholiken genießt. Ob der Confessionswechsel zur Standeserhöhung einen Bezug hatte, wann und bei welchem Anlaß Grimmelshausen geadelt wurde, ist aus den flüchtigen Winken des Commentators nicht zu entnehmen. Da jedoch die Adelsertheilung ausschließliches Vorrecht des Kaisers (und einiger wenigen mit diesem Privilegium von ihm in beschränkter Weise begnadigten) war, so muß der Act in der Reichskanzlei vorgemerkt worden seyn, und da die Urkunden und Register derselben dem Vernehmen nach sorgfältig aufbewahrt werden, so dürfte man immer noch einem Aufschluß über das „Glücksfügen“ entgegensehen das aus dem Gelnhäuser Bürgerskind einen Herrn von Grimmelshausen machte. Den Zeitpunkt der Herstellung des Krummstabs im Renchthal finden wir also festgestellt. Es ist der 13 Oct. 1664; denn wenn wir unserem Freund weiter folgen wollen, so müssen wir mit ihm zum katholischen Kalender übergehen. Aus der Mitte Februars 1666 aber ist die älteste der Renchner Regesten Grimmelshausens, die Vorrede zum Satyrischen Pilger, datiert. Zwar lautet dieses Datum: „ Hybspinthal den 15 Februarii Anno 1666“ und bietet in dem Ortsnamen eine Hieroglyphe die bis jetzt bekanntlich ungelöst geblieben ist. Wie aber auch der neckische Name zu entziffern seyn möge, sachlich trifft er mit dem über jeden Zweifel hinaus gesicherten Cernheim-Rheinnec-Hercinen-Renichen vollkommen überein. Ein Blick auf jenes Datum und die folgenden wird genügen. In Renchen, 13 Oct. 1667, ist die noch handschriftlich vorhandene Mühlenordnung geschrieben die Grimmelshausen als dortiger „Prätor“ entwarf. Wieder aus Hybspinthal, 3. März 1669, ist die Zueignung von Dietwald und Amelinde datiert. In Renchen, 14. April 1669, wurde ihm laut dortigem Kirchenbuch eine Tochter geboren. Von Rheinnec endlich, den 22. Aprilis Anno 1669, datiert H. J. C. V. G. P. zu Cernhein, jener „Beschluß“ des Simplicissimus, der mit seinem Samuel Greiffenson von Hirschfeld so viele Verwirrung in der Literaturgeschichte anrichten sollte. {3195a}

Also zwischen dem 18 Oct. 1664 und dem 15 Febr. 1666 hat unser Freund das Stückchen Welt am Ausgang eines der schönsten Schwarzwald-Thäler zu regieren angefangen. Er mag in seinem Amt nicht sehr gehetzt gewesen seyn. Die zahllosen Anagrammenspiele denen er sich hingab, die steganographischen Hexereien die er– schon vor Tritheims vermeintlich erstem Entzifferer 11) – sich zu eigen gemacht, erforderten bei aller Gewandtheit eine sehr behagliche Muße. Die launigen Schilderungen des Sauerbrunnenlebens in Griesbach dem damals berühmtesten der Renchbäder, lassen vermuthen daß der Amtsdiener von Renchen seinem gestrengen Herrn nicht allzu selten dorthin das Roß gesattelt habe. Vor allem jedoch zeigen die Schriften die er, nach ein paar Vorläufern, in wachsendem Gedräng und zum Theil fast wie gleichzeitig erscheinen läßt, einerseits daß er die Errungenschaft des „Adels der freien Studien“ mit „nimmer müder Mühe“ zu behaupten fortfuhr, andererseits aber auch daß es ihm jetzt möglich war seinen literarischen Auftritt bei ruhigem Athem wohl vorzubereiten und als in der Stille herangewachsene Macht seine Streitkräfte mit eins geschlossen ins Feuer zu führen.

So verschiedenartig dieselben im ganzen sind, so sieht man doch daß er sie, durch hin- und wiedergreifende Bezugnahmen der einen Schrift auf die andere, als eine Familie einführen wollte, und demgemäß auch den Wunsch hegen mußte sie in der Hand eines und desselben Verlegers zu vereinigen.

Zu diesem Zweck machte er, wie es meist dem schriftstellerischen Neuling gesetzt ist, einen und den andern fruchtlosen Versuch, 12) bis es ihm endlich gelang in Nürnberg den rechten Mann zu finden.

 

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1) Was auch der Commentator von 1684 zum Ueberfluß bestätigt. 

2) Plattfisch, Steinbutt. 

3) J. Zentner: Das Renchthal etc. Freib. i. Br. 1827. S. 190. 

4) Er nennt sich in dieser Dedication sowohl ihm als „wolermeltem Hause Schauenburg“ zu Dank verpflichtet. Auch kommen darin (wenigstens in der Ausgabe von 1684) die Formen Schauenberg und Schauenburg neben einan der vor. 

5) Zwar ist diese Vorrede (eigentlich sind es ihrer drei) in den Gesammtausgaben nicht abgedruckt, aber über den Sinn der (nach Heinrich Kurz) ausgehobenen Stellen kann kein Zweifel seyn. 

6) Hierüber muß das Exemplar von 1660, das sich nach E. Weller (J. Petzholdts N. Anzeiger f. Bibliogr. u. Bibliothekwiss., 1857, 32) in der Züricher Stadtbibliothek befindet, Aufschluß geben. 

7) Dieß müßte zwischen 1660 und 1676 geschehen seyn. 

8) Ein guter Poet, so leitet er die Stelle ein, wähle ich einen Herrn zum Loben der des Lobes würdig sey, und wäre dieß je nicht ganz der Fall, so gebe er ihm doch dadurch zu verstehen wie derselbe seyn sollte. Die Belohnung aber müsse er in sich selbst suchen. „Ich,“ sagt er, „habe meines Tags dergleichen viel geschrieben, und bin allezeit meines Zwecks theilhaftig worden, daß ich nichts bekommen, weil ich nichts begehrt habe.“ Nach dieser humoristischen Wendung geht er auf den Fürsten den er loben will mit den Worten über: „Holla, daß ich auch nicht undankbar sey, dann mir vor etlichen Jahren ein Gedächtnüß zukommen von einem den ich nicht loben darff, weil ihn seine Thaten loben“ etc., und indem er einen dabei sitzenden Oberrheinischen von Adel fragen läßt, wen er meine, fährt er, unter Versicherung daß ihn kein Geld reden mache, fort: „Ich sagte, was es Nennens dürfte? So viel wollte ich ihm nicht verhalten, daß er auf einer Seiten eines Bildnüsses einen Baum führete, daran das Wetter ein gut Theil der Aesten hinweg geschlagen, der edelste Strom in Teutschland befeuchte seine Auen, und ein anderer Fluß seine Mauren, sein Land sei getränckt mit dem besten Wachsthum der Reben“ etc. Die in biblischem, psalmenartigem Ton gehaltene Stelle schließt: „Ach, daß der Segen müsse uff seinem Hause bleiben, der durchs Wetter beschädigte Baum müsse grünen wie die Wälde im Morgenlande etc., seine Zweige müssen wurtzeln an den Wasserbächen, und tieff wurtzeln an den Ufern ihrer Voreltern. Friede müsse in ihren Mauren seyn, und Furcht bey ihren Feinden. Ihr Heiligthumb müsse heilig bleiben, und ihr Andacht müsse beständig seyn, wie die Sturmfelsen im Meer. Der Rheinische vom Adel merkte aus obiger Beschreibung wen ich damit abmahlen thäte, und sagte: Er wäre derselben Lehenmann, und hätte ich nichts als die Warheit geredt.“ – Der vom Wetter getroffene Baum – ein Emblem welchem wir in allen uns zu Gebot stehenden Geschichten oberrheinischer Fürsten jener Zeit vergebens nachgespürt haben – würde am besten auf Kurfürst Karl Ludwig von der Pfalz passen. Zwar sind auch über die badischen Markgrafen beider Linien abwechselnd die Gewitter der Religionskämpfe ergangen, doch nicht in so starkem Maß, und nicht so mit auswärtigen Stürmen verbunden wie über jenen; und da der „andere“ Fluß, der die „Mauren“ des gepriesenen Fürsten befeuchtende, neben dem deutlich bezeichneten Rhein nicht zu untergeordnet seyn darf, so liegt es nahe auf Heidelberg und den Neckar zu rathen. Die lächelnde Uneigennützigkeit des Dichters würde ebenfalls vortrefflich zu Karl Ludwig stimmen, der „einem Kerl von Nürnberg, welcher Kurpfalz Carmina präsentierte,“ drei Gulden ausbezahlen ließ. (Häusser, Gesch. d. rh. Pfalz, II, 669). Allein die Ausdrücke „Heiligthum“ und „Andacht“ und auch einigermaßen der geistliche Ton, sprechen mehr für ein geistliches Fürstenthum, während andererseits wieder die „Zweige“ die an den Ufern ihrer Voreltern wurzeln sollen, in der Bedeutung von Söhnen einem oberrheinischen geistlichen Fürsten nicht angehören können. Da nun Grimmelshausen im Bisthum Straßburg eine Heimath gefunden hat, so scheint sich das Räthel am natürlichsten zu lösen wenn man unter dem besungenen Fürsten denjenigen versteht der ihn allein angestellt haben kann, Franz Egon v. Fürstenberg, nämlich einerseits als Herrn des Bisthums und andererseits zugleich als Haupt des Fürstenbergischen Hauses, dessen Residenz vom zweiten Flusse Deutschlands bespült zu seyn sich rühmen durfte, als den ältesten der drei Brüder, die im guten wie im schlimmen Sinn ein so festverwachsenes Kleeblatt waren, daß der Uebergang zur Mehrzahl am Schluß der Stelle ungemein erklärlich würde. Nur wäre dann für die Stelle kein Raum in einer Ausgabe von 1660, weil damals Leopold Wilhelm von Oesterreich noch Bischof war. Freilich ist auch nicht recht abzusehen was der wettergeschlagene Baum mit Franz Egon zu thun haben soll, dem, zur Zeit von Grimmelshausens Anstellung wenigstens, die Sonne des Glücks lächelte. Ein Wetterschlag traf ihn allerdings 1674 durch die Verhaftung seines Bruders Wilhelm, aber daß der Dichter dieses Ereigniß mit einer Bezugnahme wie die mitgetheilte berührt haben sollte, stimmt mit seiner politischen Gesinnung nicht überein. – Was sich über Grimmelshausens Verhältniß zu Franz Egon sagen läßt, wird, stets gehörigen Orts, zur Sprache kommen. – Die Regierung dieses Bischofs fällt in die Jahre 1663–1682. 

9) Sattler, Hz. X 52-67. 

10) So liberal daß das Schriftchen in Nürnberg gedruckt werden konnte. 

11) Wolfg. Ern. Heidel. Johannis Trithemii steganographica vindicata, reserata et illustrata etc. Moguntiae 1676. Grimmelshausen zeigt sich schon 1669 (Simpl. B. VI, C. 9,13) mit der harmlosen Geheimschrift vertraut die den Abt von Spanheim so verrufen gemacht hatte. 

12) Wir beschränken uns von den vornürnbergischen Drucken zwei zu nennen, die sich unter den schwankenden bibliographischen Verzeichnungen durch Genauigkeit der Angabe auszeichnen. Sie stehen im Allgemeinen Europäischen Bücher-Lexikon von Theophil Georgi, Leipzig 1742, II, 172, so aufgeführt:

1667 Samuel Greifenson. Der Keusche Joseph. 10 Bogen. 2 Groschen. Leipzig Frommann.

– – Der Saryrische Pilgram, 2 Thle. 14 Bogen. 3 Groschen. Leipzig Frommann.

Die pünktliche Bezeichnung der Bogenzahl und des Preises gestattet keinen Zweifel an der Richtigkeit.