BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Jean Paul

1763 - 1825

 

Grönländische Prozesse,

oder Satirische Skizzen

 

Zweites Bändgen

 

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V.

Epigrammen.

 

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Auf einen Garten ohne Statüen.

 

Die Überschrift dieses Epigrams ist falsch; auf einen Garten mit Statüen, mus es besser heissen: Denn die schönen Töchter des Eigenthümers, die stündlich darin spazieren gehen, ersezen iede Statüe, sowohl die nakten von Göttinnen als die wandelnden des Vulkans auf eine täuschende und angenehme Weise,

 

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Über silberne Esgeschirre und silberne Särge.

 

Der Mensch isset die Thiere, und die Thiere nicht selten ihn von Silber. Und doch sind die Würmer, die ihren Wurm aus einem silbernen Geschir aufspeisen, nicht mehr als die werth, die den ihrigen auf einem hölzernen verzehren.

 

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Über Passionspredigten.

 

Die Katholiken haben Fastenspeisen und die Protestanten dafür Fastenpredigten; durch Lerheit heiligen iene ihren Magen und diese ihren Kopf, und beide machen des iährlichen Andenkens wegen, die Passionszeit Christi zur Passionszeit der Vernunft.

 

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Jeder schäzt nur nach der Ähnlichkeit mit sich den andern.

 

Daher schliest der Tanzmeister bey den Menschen, wie mancher heutige Dichter bei Withof's Versen, von den Füssen auf den Kopf; daher hält der Musikus dicke Ohren für lange Ohren.

 

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Von der dunkeln Schreibart.

 

Wer die Gebrechen seiner Gedanken in eine dunkle Sprache einkleidet und verhült, ahmet klüglich die Wirthe nach, die gerne trübes Bier in einem undurchsichtigen Gefäs auftragen.

 

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Unterschied zwischen einem Räuber und

einem gewissen vornehmen Mann.

 

Der Räuber ist ein Falke, der nur für seinen eignen Magen stöst und der ebendeswegen vogelfrei ist; allein unser vornehme Man ist schon ein zur Jagd abgerichteter Falke, der auf Geheis des Fürsten in die Höhe steigt, um für den gnädigen Hern, der ihn füttert, auf jede Beute nicht unbelohnt herabzuschiessen.

 

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Ein anders ist, wenn der Esel, ein anders, wenn der Herkules eine Löwenhaut um sich wirft, bey ienem ist sie nur Larve, bei diesem aber Kleid; der leztere hatte den überwunden, dessen Haut er sich zugeeignet, aber der erstere kam zu seiner fremden Montur gewiß nicht durch eigne Tapferkeit.

 

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Auf einen seltnen Dichter, der die Zuhörer seiner Lieder

auf den Wein mit Wein entschädigte.

 

Dein Gesang mildert in uns das Feuer seines Gegenstandes, und beschüzt unsre Vernunft gegen den Feind, den er lobet; Deine Hippokrene ist unser Wasser in dem Wein und dein Lorberkranz unser Epheukranz. 1)

 

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Der verliebte Richter.

 

Der Gerechtigkeit und dem Amor sind die Augen verbunden; wenn aber ein Blinder dem andern den Weg weiset, werden sie nicht alle beide in die Grube fallen?

 

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Die so leicht durch Worte geärgert werden, haben meistens schon durch Thaten selbst geärgert, und manche Schönen gleichen dem Zunder in der Empfänglichkeit für iedes Fünkgen nur darum so sehr, weil sie ihm auch in dem Umstand, schon einmahl gebrant zu haben, gleichen.

 

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An die blumichten Philosophen.

 

Warum verbergt ihr, wie die Biene, euren Kopf in poetische Blumen? warum umhült ihr den Gedanken in überflüssige Verschönerung, und sezt den Leser der Nothwendigkeit aus, vom Bier, bevor er's trinken kan, den blinkenden Schaum erst wegzublasen. – Zwar ist Schaum auch Bier, aber nur weniger Bier.

 

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Auf eine Schauspielerin, welche den Schauspieler, gegen den sie

die Rolle einer Liebhaberin spielte, wirklich liebte.

 

Gleich alten Lügnern, hältst du deine eigne Lügen für Wahrheit, und bist das, was du scheinest; dein Gesicht sieht wie deine Maske aus, und du gehorchest der Natur und der Kunst zugleich. So ist das Essen auf dem Theater Dekorazion und Wirklichkeit auf einmal, und lässet nur die ungesättigt, die es bezahlet haben. Der niedergelassene Vorhang endigt dein Spiel nicht, sondern verbirgt es nur; aber deine Rolle wirst du in deinem Hause nicht lange ohne das Zischen derer fortsezen, die den Anfang derselben auf dem Theater beklatschten.

 

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Über den Rath des Marquis de Poncis, den Feind durch

Soldaten die man aus Papier geschnitten, zu täuschen.

 

Völlig unnöthig wär' es, aus Papier mit der Schere scheinbare Helden zuzuschneiden, so lange man noch Schneider hätte, die aus Tuch mit der Schere wirkliche Helden zuzuschneiden im Stande sind. Aber unsichtbar wohl, wie die Engel dem Elias, und in kleinerm Format kan das Papier, mit goldnen Waffen ausgerüstet und wie die Wilden mit Tapferkeit bemahlet, dem Tuche beistehen, und in Briefen können nicht nur Kaufleute die Here ihres Schachbrets, sondern auch Generale ihre stehende Armeen gegen einander anführen.

 

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Kleider sind die Waffen, womit die Schönen streiten, und die sie gleich den Soldaten, dan nur von sich werfen, wenn sie überwunden sind.

 

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Vertheidigung des Max, der Bücher liest, nicht um sie zu verstehen,

sondern um sie gelesen zu haben, behaupten zu können.

 

Ungeachtet Max Bücher nicht verdauet, sondern nur käuet, so hat er doch Recht auf seine Lektüre stolz zu sein: denn das ist schon ein Wunder und eine Ehre, daß so gar Max Bücher liest. So frisset die hölzerne Ente des Vaukansons die vorgeworfnen Körner ohne Ernährung und ohne Verdauung; allein an ihr als einer Maschine ist schon das genug Werth, daß sie die Körner wenigstens verschlukt. Dieses künstliche Verschlukken bringt der Künstler in der Ente durch einen verstekten Blasebalg, und die Natur in dem Max durch Begierde nach Ruhm oder Luft zuwege, und beide ziehen Körner in sich, weil sie Luft in sich ziehen wollen.

 

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Dunsen können einen berühmten Man nicht loben; sie können mit ihren entgegengesetzten Öfnungen durch die zwo Trompeten der Fama nichts als stinkende Lüfte hauchen, die zwar die Nase des Nahen, aber nicht einmahl die Ohren des Entfernten erreichen. Tadeln können sie eben so wenig: denn ein stinkender Athem, der nicht räuchern kan, weht immer über hohle Zähne, die nicht beissen können. Indes könte der Duns berühmte Männer, wenn ihr so wolt, doch tadeln – durch sein Lob nämlich; und auch loben – durch seinen Tadel nämlich.

 

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Über den misanthropischen Swift.

 

Das Talent zur Satire, das den Narren verwundet, verwundet, zu sehr genährt, zulezt seinen eigenen Besizer. So wie der Nagel, der in Feinde Wunden schneidet, den selbst, der ihn trägt, durch überflüssigen Wachsthum verwundet, und von seiner neuen Länge in sein eignes Fleisch zurükgebogen wird; oder so wie der Zahn, womit das Thier andre verlezt, seinen eignen Gaumen verlezt und ihm das Käuen verleidet, wenn überflüssige Länge und Spize ihn zum sogenanten Wolfszahn umgewandelt.

 

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An die Gerechtigkeit.

 

Warum bestrafest du mit Ketten den so lange, den du nur mit dem Strik bestrafen soltest? warum raubst du deinen Opfern das Leben erst nach der Gesundheit; warum lähmest du, gleich gewissen Schlangen, sie mit Unbeweglichkeit, eh' du sie tödest, und giebst den Missethätern in dem Kerkermeister den zweiten Henker? Zwar hierin must du die Spinnen nachahmen, die, von alten Beuten sat, die neue mit den Fäden, die sie fiengen, umfesseln, und an ihrem Gespinst für den künftigen Tod aufhängen. Allein, warum sperrest du die Unschuld ein; – dan nämlich auch ein, wenn du sie nicht töden magst? Oder glaubst du, die, welche du nicht in freier Luft zu töden berechtigt bist, doch im Gefängnis töden, und die, welche du dem Tode nicht durch Verurtheilung überliefern darfst, demselben wenigstens durch Verzögerung der Lossprechung überliefern zu dürfen? Gewis! auf diese Fragen kanst du nur mit dem Beispiel des Faulthiers antworten, welches die Thiere, die in seine unmächtigen Klauen kommen, damit zwar nicht zerreissen kan, aber doch so lange festhält, bis sie von sich selbst verrekken.

 

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Nur die Abwesenheit des Geniessens gestattet unseren Antliz seine Richtung gen Himmel: denn gleich dem Vieh, senken wir das Haupt, sobald wir weiden, und nähern es der Erde, auf der die Freude blüht.

 

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Das Epigram.

 

Das Epigram ist gleich den vergifteten Pfeilen, nur an der Spize vergiftet, oder gleich dem Rettich, nur am Ende des Schwanzes am schärfsten.

 

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Von der Bestrafung der elendesten Schriftsteller.

 

Das Gewehr des Rezensenten ist der Nagel des Daumen; das Gewehr des Satirikers sind die Zähne. Daher steht die Hinrichtung litterarischer Insekten den Rezensenten, aber nicht den Satirikern zu. Denn es umkehren, hiesse den Hottentotinnen gleichen, die gewisse Insekten, die sie mit dem Nagel töden sollen, mit den Zähnen töden. Oder wenn ihr die Geisel für das Gewehr der Satire erkent, so frag' ich, sol man das Ungeziefer geiseln oder töden?

 

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Das Gratuliren am Geburtstage eines Vornehmen.

 

Die ersten Christen nanten den Tag, wo der Märtyrer gelitten hatte, den Geburtstag desselben; so ist umgekehrt der Geburtstag des Vornehmen der Passionstag desselben, und was er sich an demselben zu wünschen hätte, wäre dies, daß andre ihm nichts wünschten.

 

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Warum der Dichter A. schon seit acht Tagen sich nicht über die Gränzen der Menschheit hinausgeschwungen, wenigstens nicht höher gestiegen als die fünf Treppen zu seiner Behausung; komt daher, weil sein Wirth ihm keinen Wein mehr borgen wil. Ohne mit diesem aber seine Sele gesalbt zu haben, kan er eben so wenig fliegen, als es die Hexe, ohne ihren Leib mit Öl gesalbt zu haben, kan. Und vielleicht ist dieses Vermögen des Menschen, durch den Magen den Kopf zu erleuchten, durch Doppelbier seine Ideen zu verdoppeln, und auf den Schwingen des Pulses einen Wetflug mit den geflügelten Engeln einzugehen, kein kleiner Beweis seiner Grösse; es ist kein kleiner, mein' ich, daß er die Mittel seiner Vergrösserung zu seinen Füssen findet, daß die Erde, welche dem Himmel in fetten Dünsten neue Sterne leiht, auch demselben an den Menschen neue Engel leiht, und daß Dinge, die klein sind, uns gros machen. Zwar ist die Leiter köthig, deren Staffeln uns erheben; allein athmet darum, weil unser Fus, gleich dem Fus der Leiter, in Koth stehet, unser Kopf weniger den Äther. Zwar kömt aus dem Magen, der Küche des Geistes, unsern Sinnen Ekel, Verwüstung und Schmuz entgegen; allein ist das höhere Stokwerk, für das die Küche arbeitet, darum minder mit reizenden Gerichten, mit Zierrathen und mit Pracht geschmükt? und sol der schmuzige Koch die glänzenden Gäste beschämen? Unter dem blossen Brod und Wein im Abendmahle empfängt die Sele dennoch die herlichste Nahrung. – 2)

 

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So wie zur Anzeige des schlechten Wetters Blumen und Sekrete ihre unähnlichen Ausdünstungen verdoppeln, so kündigen gute und schlechte Autoren durch höchste Anstrengung ihrer widersprechenden Talente den Sturz vom erstiegnen Gipfel des Geschmaks an, und beide treiben Schönheiten und Fehler auf ihre entgegengesezten äussersten Gränzen, die das nächste Zeitalter sie gegen einen Mittelpunkt vertauschen heist, wo sie einander wechselseitig durch ihre Nähe schwächen. Frankreich hat zu gute und zu schlechte Schriftsteller, um nicht zu sinken; aber England sinkt noch nicht, denn es hat nur die erstern; und auch Deutschland nicht, denn es hat Gotlob! nur die leztern. 3)

 

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Auf einen Arzt, der seine Kranken mit strenger Diätetik quälte.

 

Warum lässest du den Hunger die Wirkung deiner Arzneien beschleunigen? warum bist du nicht einmal so mitleidig, wie die Richter, die dem armen Sünder vor seiner Hinrichtung doch noch die Henkersmahlzeit gönnen;?

 

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Auf Balbus, der zugleich dichtet und rezensirt.

 

Bald sizt er auf dem Pegasus, um zu fliegen, bald auf dein Buzephal, um zu morden; er singt und beisset mit demselben Schnabel, und schlägt mit den Flügeln, womit er flattert. Gleich dem Kantor mischet er die Bestrafung der unmündigen Sänger in seinen Gesang, und seine Hand löset seine Kehle ab. Er stiehlt Fehler, und tadelt Schönheiten; er raubt, wie die Harpyen, was er nicht besudelt, und lasset nur den, den er plündern wil, unverwundet, wie iener Husar in seinem Feind nur seinen Diebstahl schonte.

 

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Das Übel blos ertragen können, ist nicht genug; man mus es auch abwerfen wollen. Gleiche dem Salamander, der das Feuer nicht nur aushält, sondern auch auslöscht; und gleiche nicht dem Türken, der genug Philosoph ist, sein Haus ohne Verzweiflung brennen zu sehen, aber es zu wenig ist, sich um dessen Rettung zu bekümmern.

 

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Den Weg zum Himmel zu gehen haben die am wenigsten Zeit, die ihn repariren, und wer die Laterne trägt, stolpert leichter, als wer ihr folgt.

 

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Ein alter Kritikus kan sich schwerlich von Fehlern an Schönheiten erhohlen, immer mischet er in den Genus der leztern den Nachgeschmak der erstern, und immer schneidet er gleich ienem Anatomiker, mit demselben Messer den Kadaver und die Speise, oder auch gleich einem faulen Bedienten, die Zwiebel und die Äpfel.

 

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Der Philosoph beweist oft, ohne zu verschönern; der Poet thut das leztere oft ohne das erstere, und der Theolog thut oft keines von beiden. Um dem Lehrsaz des Leztern von der Auferstehung der Toden wenigstens eine kleine Verschönerung zu leihen, könte man so sagen: gleich den meisten Raupen, kriecht der Mensch eine Zeitlang auf der Erde umher, wird dan von der Erde in der hölzernen Verpuppung des Sarges aufgenommen, ruhet da einen Winter, durchbricht endlich am Frühling die Puppe, und flattert aus der harten Erde mit neuen und unverletzten Schönheiten hervor.

 

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Vertheidigung der Autoren, die ihre Werke dem

schönen Geschlecht zueignen.

 

Warum solten sie es nicht dürfen? machten ia schon die Römer die Venus zur Aufseherin über die – Leichen.

 

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Über die Anonymität der Rezensenten.

 

Ausser ihnen und den Scharfrichtern in England, exekutirt, meines Wissens, wohl niemand weiter verlarvt.

 

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Man beurtheile doch grosse Theologen nicht blos nach ihren

Schriften, sondern auch nach ihren Handlungen.

 

Denn selbst die Jäger beurtheilen das Wild nicht blos nach seiner Löhsung, sondern auch nach seiner Fährte.

 

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Liebe der Schönen zu den Dichtern.

 

Sonderbar! daß ihr immer in der Nachbarschaft der Dichtkunst Liebe vermuthet, und gleich dem Geheimenrath Kloz, 4) ieden geflügelten Knaben für einen Amor haltet! Aber glaubt mir, dieses geflügelte Ding ist nicht selten der Tod, wenigstens immer der Schlaf.

 

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Roms Schicksal konte man sonst aus dem Gesange der Vögel weit unsichrer weissagen, als man es heutzutage aus dem Gesange der Operistinnen und Kastraten kan.

 

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Die Zoten der kaum zweimahl aufgelegten Raritäten des Küsters von Rummelsburg sind das Ohrenschmalz aus langen Ohren.

 

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Auch der grosse Mann bleibt oft von den Angriffen des Neides verschont; dan nämlich, wenn ihn niemand sonderlich ehret. So nahmen die Christen von den Kunstwerken, die ihre fromme Wuth zerstöhrte, wenigstens die Statüen aus, welche die Heiden nicht angebetet hatten.

 

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Phax lieset den Roman von W., nicht um seine Wisbegierde, sondern um andre Begierden zu sättigen, und in der entblösten Heldin des Buchs wil er nicht den Menschen, sondern das Geschlecht kennen lernen. So besucht eben dieser Phax, der kein Arzt werden mag, ein anatomisches Kollegium, um mit seinen Augen nicht die Zerschneidung, sondern die Entblössung eines schönen weiblichen Kadavers zu nüzen. Und alsdan beklagt er sich, daß man seine keuschen Augen mit nakten Reizen geärgert; stat daß der Schüler der Anatomie über die Zerstöhrung der Schönheit die Almacht derselben vergist.

 

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Hr. A. wil seine Gattin, wie arme Katholiken die h. Jungfrau Maria, lieber anbeten, als aufpuzen.

 

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Die ähnliche und seltne Statüe.

 

Einst zerbrach eine Statüe aus Marmor, die die höflichen Unterthanen ihrem Fürsten hatten sezen lassen, und aus ihrem zertrümmerten Kopfe kroch eine – Kröte hervor. 5) Woraus iederman deutlich sah, daß diese Statüe, (welches einem Kunstwerk sonst nur selten gelingt,) nicht blos den Körper, sondern auch die Sele ihres gekrönten Urbilds kentbar vorstellte.

 

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Kein dummer Leser braucht sich vor einer guten Satire zu fürchten. Vor den Stacheln des Spots, wie der Nesseln, sichert ihre tölpische Betastung ihre Fäuste; denn beide stechen nur die Hände, welche sie leise berühren. Folglich liegt es bei den meisten Lesern gar nicht an ihrem Herzen, wenn Satiren sie nicht bessern, und sie können für ihre so oft getadelte Beharlichkeit in Fehlern wenig oder nichts.

 

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Der Nuzen des gelehrten Schimpfens.

 

Manche Autoren würden über ihre gelehrten Gegner das Feld behalten haben, wenn sie sich auf das Schimpfen etwas mehr verstanden hätten. Daher wüst' ich nichts, wovor ein polemischer Gelehrte sich mehr zu hüten hätte, als vor dem Geiz in Schimpfwörtern, und man kan ihm nicht genug einschärfen, daß er seinen Gegner, gleich den Talglichtern, nicht blos erleuchten, sondern auch anschwärzen müsse. Es ist vielleicht nicht überflüssig, diese Behauptung durch ein Gleichnis, wo nicht zu erweisen, wenigstens zu erläutern. Das Stinkthier ersezt durch Gestank die Kraft und durch Harn die Zähne; es beschüzt den unbewafneten Kopf mit dem bewafneten Hintern, und schlägt seinen Feind, indem es ihn besudelt. Möchte das Stinkthier doch bald unter unsern Gelehrten mehrere Nachahmer erwekken!

 

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Die Gemählde von den alten deutschen Sitten gefallen uns; Reliquien davon, d. h. Männer, die etwas von ienen Sitten noch an sich tragen, gefallen uns nicht, und wir ähnlichen den Katholiken nur darin, daß wir die Bilder, nicht aber, daß wir die Reliquien der Heiligen verehren.

 

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Die Macht der Alchymie.

 

Schon das ist viel, daß sie den dumsten Kopf zum aufgeklärtesten machen kan, 6) so wie sie auch unedle Metalle in edle verwandelt; aber das, denk' ich, ist doch noch mehr, daß sie den besten Kopf in einen schlechten umschaffen kan, so wie Boyle stat der grossen Kunst Gold zu machen, die noch grössere, Gold zu degradiren, versteht.

 

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Nicht iede Unsterblichkeit ist wünschenswerth; auch die Verdamten sind unsterblich. Der Ruf mus den Nahmen, wie die Ägypter toden Körpern, nicht blos Unverweslichkeit, sondern auch Wohlgeruch schenken.

 

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Wer misset nicht willig in den Meinungen ienes Denkers eine Deutlichkeit, die nur den Nichtdenkern die Verkezerung derselben erleichtern würde? Wer verschmerzt nicht gerne die Verdunklung, womit die Laterne das Licht umgiebt, über den Schuz, den sie ihm gegen das Blasen der Winde verleiht?

 

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Über die Zensoren, deren es, wenn ich mich nicht irre,

noch vor achtzig oder neunzig Jahren einige gab.

 

Ehe das damahlige Publikum ein gutes Buch zu lesen bekam, musten es schon vorher unwissende und partheiische Zensoren gelesen gehabt haben. So liessen die Ophiten (Schlangenbrüder) im zweiten Jahrhundert das Brod des h. Abendmahls (das so gut wie die Bücher Selenspeise ist) von den Zungen der Schlangen belekken, eh' es auf die Zungen der Kommunikanten kommen durfte. 7)

 

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Wink für einige deutsche Satiriker und Nachahmer des Sterne.

 

Ich fragte bei meinem neulichen Aufenthalt in Berlin meinen berühmten Freund, den H. Verfasser der Charlatanerien, wie er es angefangen, daß er bei seinen Talenten, welche das Talent zur Satire gänzlich ausschliessen, sich doch einen so grosen Namen unter den Satirikern erworben. Er sah mich schalkhaft an und antwortete: ich schrieb Pasquille. Ich lass' unentschieden, ob mein Freund dieses in Scherz oder in Ernst gemeint; genug, daß diese Antwort einen heilsamen Rath für die deutschen Spötter enthält. Oft bedauerte ich es, daß mancher seine Talente, mit denen er im Pasquil wirklich viel leisten würde, ihrer Bestimmung zuwider in der Satire abnuzt, für die sie doch nicht geschaffen worden, und in der er gleich dem Stachelschwein, mit seinen Pfeilen doch nur rasselt und nicht schiest. Wolte man also mir und dem H. Kranz folgen, so schrieben die, welche zeither Satiren geschrieben, künftig Pasquille. Eine ähnliche Klugheit hat schon Pauw an den Völkern bemerkt, die kein Eisen haben, und folglich Holz zu ihren Waffen nehmen müssen. Um nämlich auch mit schlechtem Werkzeugen nicht weniger Feinde zu morden, vergiften sie die hölzernen Waffen, weil sie nicht wie eiserne sich schärfen lassen.

 

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Wem gleicht ein Dichter, der schmuzige Gedanken

in harmonische Verse kleidet?

 

Einem Sänger, der seinem stinkenden Athem Wohlklang abnöthigt, der die Luft mit Gestank und Harmonie zugleich belädt, und unsere Ohren auf Kosten unsrer Nase unterhält.

 

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Auf einen, der ein freigeschriebnes Buch nicht der Gedanken,

sondern der wizigen Einkleidung wegen las.

 

Du suchest von diesem Buche nicht erleuchtet, sondern blos ergözt zu werden. Aber behandelst du sonach das Licht der Wahrheit anders als die Fledermaus das Talglicht, die ebenfalls den Schein desselben flieht und nur sein Fet abnagt; die ebenfals den Abscheu ihrer Augen zum Vergnügen ihres Gaumen macht?

 

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1) Mit Epheu kränzten sich die Alten, um sich durch seine kühlende Eigenschaft vor der Berauschung zu verwahren. 

2) Auch Epigrammen (und folglich auch dieses) dürfen vom Tadeln im Loben ausruhen, und der Hintere derselben kan stat immer gleich dem Hintern des Stinkthier, die Nase mit Gestank zu beleidigen, schon mannigmahl gleich dem Hintern des Bisamthiers, ihr mit Wohlgeruch räuchern; wodurch sie denn auch freilich so lang, wie manche des Wernikke und wie dieses werden. 

3) Dieses ganze Epigram hab' ich aus dem Munde eines berühmten Kunstrichters, der wie mehrere berühmte Männer die sonderbare Gewohnheit liebt, im Umgange und in seinen anonymen Schriften gerade das Gegentheil dessen zu sagen, was er in Schriften mit seinem Nahmen sagt. 

4) wie ihm Lessing in seiner Untersuchung: „wie die Alten den Tod abgebildet“, vorwirft. Zur Verständlichkeit des Folgenden wird man sich erinnern, daß die Alten den Tod und Schlaf als Jünglinge mit Flügeln gestalteten. 

5) Es ist nichts seltnes, daß man Kröten in Marmorblökken, Bäumen u. s. w. findet. 

6) Wer mir es nicht glaubt, beliebe nur sich bei einem solchen Kopfe zu erkundigen, ob er nicht seit seiner Einweihung in die Alchymie lebhaft empfinde, daß er alle die grossen Männer übertreffe, die sonst ihn übertroffen. Fals er ein ächter Goldmacher ist, wird er die Frage zu beiahen gewis nicht anstehen. 

7) Da ich fürchten mus, daß man das Dasein der Zensoren bezweifeln und mir vorwerfen möchte, ich hätte sie blos zum Behuf des Gleichnisses geschaffen: so berufe ich mich auf den 1. Band der „Beiträge zur Geschichte der Erfindungen“, wo H. Bekman Seit. 100 unwidersprechlich erweist, daß schon 1479 Zensoren gelebt. Denn daraus, daß es iezt keine mehr giebt, läst sich auch nicht folgern, daß es nie welche gegeben. Die Rezensenten selbst scheinen mir nichts als eine Spielart dieser alten Zensoren zu sein. Indes ersezen die Rezensenten ihre Stelle nicht so ganz, und es wäre, besonders zur Unterstüzung der sinkenden Orthodoxie, sehr zu wünschen, daß man diese Art von Leuten, welche sonst, gleich den römischen Zensoren, dem Luxus des Verstandes so gut gewehret, wieder aufbrächte.