BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Jean Paul

1763 - 1825

 

Grönländische Prozesse,

oder Satirische Skizzen

 

Zweites Bändgen

 

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II.

Beweis,

daß man den Körper nicht blos für den Vater der Kinder, sondern auch der Bücher anzusehen habe, und daß vorzüglich die grösten Geistesgaben die rechte Hand zur glandula pinealis gewählet.

 

Ein Beitrag zur Physiologie.

Obwohl der paradoxe Titel dieser Abhandlung sich dem Leser durch ein Versprechen empfiehlt, dessen Grösse mich der Erfüllung desselben überheben könnte, und obgleich der ausgehangene Schild mit zu viel Zierrathen prangt, um nicht das säuerste Bier zu entschuldigen: so wil ich doch das schriftstellerische Recht, zu lügen, erst auf ein andersmal und vielleicht in der nächsten Ankündigung meiner Werke nüzen und iezt das Publikum durch meine Wahrhaftigkeit eben so sehr als durch mein Versprechen in Erstaunen sezen. Um aber doch der Mode nicht ganz ungetreu zu werden, wil ich nur einiges vorausschikken, was nicht zur Sache gehört. Dieser Beitrag zur Physiologie mag sich mit einer Abhandlung über die Büchertitel anfangen!

Die iezigen schriftstellerischen Produkte sind, wie bekant, die Geschöpfe und darum auch die Schöpfer guter Regeln, und ieder neue Roman ist ein andrer „Versuch über den Roman. Leipzig und Liegniz, bei David Siegerts Witwe 1774.“ Was wunder, wenn man daher auch meine Regeln von dem Titelmachen auf den meisten Titelblättern realisirt finden wird! – Ein ächter Skribent mus über den Titel, zu welchem sich nachher allemal ein Buch findet, die ersten und meisten Federn zerkäuen: und das Versprechen mus früher aus dem Kiel fliessen, als die Verlezung desselben. Der Titel ist der Kopf des Buchs; das Kind deiner Feder mus daher mit dem Kopfe zuerst in die Welt sinken, wie das Gipfelgen des künftigen Baums am ersten durch die Erde keimt. Der Titel ist die Krone des Buchs; allein in Nürnberg ist die Krone schon vorhanden, wenn die Reichsfürsten noch in der Wahl des Haupts wanken, auf dem sie schimmern sol. Der Titel ist die Frisur des Buches; allein die Madam reicht dem Kamme ihren Kopf früher dar als ihren Rumpf den Händen des Puzes, und die Verschönerung steigt allmählich von der Nachthaube zum Nachtkleide herunter, wie die morgendlichen Sonnenstrahlen vom kahlen Scheitel des Berges zum schattigten Fusse desselben. Dieses Recht des Titels, am ersten Tage der Schöpfung des Buchs geschaffen zu werden, fliest aus dem andern Rechte desselben, durch Schmuck weit über die übrigen Theile der Schrift erhoben zu werden – darum vergleiche ich ihn mit dem Kopfe eines Kindes: denn am Kinde ist der Kopf verhältnismässig grösser als die übrigen Glieder, als am Jünglinge – und ferner mit einer Krone: denn ihr Werth und ihre Edelgesteine überstrahlen weit alle übrigen Insignien der höchsten Würde und selbst den Szepter – und endlich mit einer Frisur: denn unter der aufgeschwollensten Vergette wohnt das kleinste Gehirn, nämlich das eines Stuzers. Und dieses zweite Recht quilt wiederum aus verschiedenen Ursachen. Für einen wizigen Titel schenkt die Lesewelt das Privilegium, ihn mit einem unwizigen Buche zu begleiten. Wenn der Wiz sein Blendlaterngen nur auf der ersten Seite leuchten läst! dan mag er es immer auslöschen! Wenn ein Buch nur dem Insekt (der Laternenträger) gleicht, an dem zu Nachts blos der Kopf einigen Schimmer wirft! Je weniger Kopf daher ein Autor auf sich fühlt, desto mehr mus er den seines Kindes vergrössern; und einen guten Titel zum Herolde eines schlechten Buchs machen; so läst sich nach einigen alten Naturkündigern, aus der Grösse der obern Glieder des Körpers die Grösse der unehrbarn weissagen. Der Titel ist also der Lorberkranz, unter dessen Schatten sich das kahle Haupt verborgen hält. Ferner, mancher Achilles im Lesen, bleibt meistens bey dem Titelblatte stehen, stat daß ein Rezensent bis zur Vorrede geht – gleich einem gewissen indischen Fuchs (Izquepolt) der blos die Köpfe der Insekten frist. Was wunder, wenn daher ein Autor alle seine Talente zur Ausschmükkung des Blattes vereinigt, in dessen enge Grenzen die Seltenheit kauflustiger sein Vermögen, durch Aufklärung und Erwärmung der Welt seine Menschenliebe zu befriedigen, eingezäunet – und wenn er das Buch nur als ein Anhängsel zum Titel schreibt. An dieser Menschenliebe nimt auch der Verleger Theil: denn er stikt die Thüre seines Buchladens mit schönen Bücherköpfen, so verziert der Landedelman in England seine Stalthüre mit den angenagelten Schnauzen der erlegten Füchse. Und endlich sind auch die Rezensenten an der Menge affektirter Titel Schuld. Denn ehe sie durch scharfe Kritik das Buch genauer anatomiren, übt vorher ihr Wiz seine Stumpfheit an dem Titel, gleich dem Mezger, der mit dem stumpfen Ende seines Beils die Stirne des Ochsen zerschmettert und mit dem scharfen Ende das tode Thier zerhakt. Nun trift Wiz auf Wiz, und ein Wetterstrahl erstikt die Wirkung des andern. Da endlich der Autor das Leben seines welken und wurzellosen Namens durch Einimpfung den Journalen anvertrauen mus, die leider! gleich den Addreskalendern, nichts als Titel aufnehmen oder figürlich, die die toden Bücher blos skalpiren 1) und selten andre Seiten als die erste zu Zeugen ihres Siegs aufführen, wie etwan David die Vorhäute der erlegten Philister: so ists natürlich, daß der Schriftsteller alle seine Einfälle auf einen Haufen, auf das Titelblatt zusammentreibt, um die Nachwelt durch die Vortreflichkeit des ewigen Theils über den Verlust des zeitlichen untröstlich zu machen, daß er den Alexander nachahmet, der auf seinem indischen Feldzuge durch Vergrabung grosser Helme bey der Nachwelt den Ruhm eines Generals von Riesen zu erschleichen dachte. – Einige zieren ihr Buch mit einer päbstlichen Krone d. h. mit einem dreifachen Titelblatte, weil sie zu uneigennüzig sind, demselben ein sechsfaches zu geben. Den ganzen Prunk vollendet noch das Motto, welches, wiewohl als geborgtes Gut, den Kopfputz des Kindes, wie Hare von Pferden und Missethätern den Kopfputz der Damen vergrössert; rothe Buchstaben mögen für Schminke, und eine Vignette für ein Schönpflästergen gelten. Übrigens könnte (nebenher anzumerken und die lange Ausschweifung mit einer neuen zu beschliessen) der Verleger seinen Namen auf dem Titelblatte schon über den des Autors hinwegrükken: denn der Autor ist ohnehin nur ein Konsonans, den man ohne seinen Verleger nicht aussprechen kan, und wir dürfen nicht den Juden gleichen, in deren Büchern die meisten Vokale den Konsonanten wie Staub an den Füssen kleben! – Ich hoffe nun den Leser zu meiner physiologischen Entdekkung durch dieses Präludium vorbereitet zu haben, das ich gleich andern geschickten Organisten und Autoren, durch einen Umweg von etlichen Akkorden leicht von seinem Moltone zum Durtone des Liedes hätte zurückbringen können.

Ein Autor braucht keine Sele; denn sein Körper ist seine Sele – so wie auf einem Kunstwerke des Parrhasius kein Gemählde hinter dem Vorhange verborgen stekte; denn der Vorhang war das Gemählde selbst. Sein Körper schenkt gewissen scheinbar-geistigen Handlungen nicht blos den Namen, 2) sondern auch den Ursprung; und nichts ist thörichter, als einen solchen deum ex machina wie die Sele ist zur Verfertigung einer solchen körperlichen Sache wie ein Buch ist herabzuzaubern. Die Anatomie (dies wird alles aus dem folgenden erhellen) ist der wichtigste Zweig der Experimentalselenlehre und ein junger Rezensent wird wohl thun, das Kollegium über die Ästhetik mit einem Kollegium über die Eingeweide zu verbinden. Die verschiedenen Glieder sind nichts als verschiedene Selenkräfte; und jedes Glied steht unter der Herschaft einer besondern Muse, so wie sonst jedes Glied von einem gewissen Stern beherscht wurde oder wie iedes nach dem Galen, seine eigne Sele besizt. Ich fürchte übrigens nicht durch den Beweis, daß Körper die meisten geistigen Kinder ediren, den Schimpfnamen eines Materialisten zu verschulden: denn behaupten, daß man ohne Kopf Holz spalten könne, heist darum nicht behaupten, daß man mit den Händen denken könne, und wenn ich den Materialisten das Nichtsein ihrer Sele zugestehe, so mus ich darum nicht ihren Gegnern das Dasein der ihrigen absprechen.

Montaigne widmete einen seiner Versuche dem Daumen; auf dieses berühmte Beispiel wage ich es, nicht nur dem Lobe des Daumens, sondern auch der Hand den grösten Plaz in dieser Untersuchung anzuweisen. Jeden Wahrheitsfreund mus es schmerzen, die götlichen Hände der Schriftsteller zu blossen Nachtretern ihrer Köpfe herabgewürdigt zu sehen. Man vergleiche die Verdienste ihrer Hände mit denen ihrer Köpfe, und enthalte sich dan des Unwillens über eine so alte Ungerechtigkeit! Das Buch verdankt der Hand seines Vaters den dikken Inhalt, und dem Kopfe desselben nichts als sein Bildnis von N. gestochen, das Buch verdankt der Hand Worte und Orthographie, deren Neuheit den Leser bezaubert, und dem Kopfe Gedanken, deren Alter ihm Ekel erregt; ohne Hand kan der Dichter so wenig als der Mahler mahlen; ohne Hand kan der Autor das Buch so wenig schreiben als der Sezer sezen, aber ohne Kopf es zu thun, hat der erste dem andern abgelernet 3) und beide brauchen ihn nun zu nichts als zum Genus der Früchte ihrer Hände. Ja noch mehr, seitdem der Kopf den neuern Schriftstellern seine Schäze entzog, that die Hand sich zur Freigebigkeit auf, und sie haben es nur der Güte der leztern zu danken, daß ihnen die Feindschaft des erstern weniger empfindlicher fält; sie können nun zwar weniger denken, aber dafür mehr schreiben, für die Sele ihrer geistigen Kinder ist zwar ein Sedezformat zu weit, aber für den Körper derselben auch ein Oktavband zu eng, und stat des Nervengeistes verschwenden sie Dinte. Sie gleichen zwar dem Bären in der Schwäche des Haupts, die Plinius ihm zuschreibt, allein auch in der Stärke der vordern Tazen – eben so stekt in den Scheren des Krebses das Fleisch, das seinem Kopfe mangelt. Und da der Raubvogel weniger mit dem Schnabel als den Klauen die Beute zerfleischt: so ist klar, warum mancher Satiriker besser mit seiner Hand schreibt als mit seinem Munde spricht und die Lesewelt besser als seine Freunde unterhält. – Nichts ist daher undankbarer, als den Händen den Kopf, und der Lea, für deren Gesicht ihr Bauch Lobredner gebiert, die Rahel vorzuziehen, die ihre Schönheit nicht durch Fruchtbarkeit bestätigt; und nichts ist mir unerträglicher, als wenn Journale stat der langen Finger die langen Ohren loben, 4) und den Händen den Weihrauch stehlen, um ihn dem Kopfe zu schenken. Eben so müssen oft die Hände des klugen Schreibers den Kopf des dummen Amtmans spielen und das machen, was sie blos mundiren solten – und doch lobt man nicht den Schreiber, sondern den Prinzipal für den wohlgerathenen Aufsaz. So dampft um den frisirten Kopf des Generals der Ruhm, den blos die kriegerischen Fäuste seines Heres erkämpft und verdient haben, und tausend Muskeln verliehren den Lohn ihres Sieges durch das einzige Gehirn, ohne welches sie siegten. Ich schränke hiemit die Verdienste der Hand nicht auf den Schriftsteller ein. Ich verehre alle die Vorzüge, die man an der orthodoxen Hand durch einen Ring belohnt, der einen Finger mit dem Denken kopulirt, und durch ein D, mit welchem die andern ihren Namen krönen dürfen; alle die Vorzüge, welche einem Arzte die Definizion, „daß er ein Wesen sei, in dessen Fingern die Fähigkeit lieget, an den Puls zu greifen und ein Uringlas zu halten“ billig zuschreibt; alle die Vorzüge, welche die Hand eines Gasners seinem christlichgläubigen Gehirn verdankte, und durch deren Hülfe seine Finger den Glauben mit Wundern düngten; alle die Vorzüge, die wir auf schönen Händen küssen; alle die Vorzüge, die die Finger eines Königs, dessen Krone auf keinem Kopf ruhet, um seinen Szepter biegen. – Aber an einem Autor schäze ich die Hand am meisten; und an der Hand den Daumen. Mit Recht entziffert Lavater aus der Inskription des Daumens den Werth seines Besizers und ein noch ungedrukter Traktat von mir erhebt ihn zum Mikrokosmus in nuce. Daher belegte man nach einem alten Schriftsteller den Daumen darum mit dem Namen pollex, weil er von pollere abstamt; daher nanten ihn die Griechen ἀντίχειρ d. h. die Vice-Hand. Wenn das Denken einen Gleis auf der Stirne fährt; so hinterläst das Schreiben eben dasselbe Zeichen der Geistesanstrengung auf den Daumen, und Bayle erzählt von Sebastian Maccius, einem Poeten des siebzehnten Jahrhunderts, daß sein Kiel, den er nie ruhen lies, tiefe Furchen in seinen Daumen und seine Schreibefinger gezogen. Eine Rezensent trägt auf dem Daumen sein vornehmstes Gewehr – ich meine den Nagel, mit welchem er die räudigen Schafe des kritisirten Buchs für die Schlachtbank bezeichnet.

 

Converso pollice –

quemlibet occidùnt 5)

 

So bald daher irgend ein Unfal, z. B. ein Duel die Selenkräfte dieses Glieds zerstört, so ists um den Ruhm des Autors gethan – umsonst blieb ihm der Kopf, Lorbern zu tragen, wenn er die Hand verlohr, sie zu brechen; er hat sich nun seine Kiele und seine Bücher vergebens angeschaft und seinem Ehrgeize bleibt zur Beruhigung nichts übrig, als die Leichenrede einer Zeitung, auf deren leztes Blat irgend eine mitleidige Feder einen Tropfen Dinte über den Verlust eines so jungen Genies hinweinet. Eben so gaben die Römer allen Soldaten den Abschied, deren Daumen durch Wunden zu Invaliden geworden. Vor diesem Übel würde uns die Erfindung einer Schreibmaschine am besten schüzen, welche dem Autor die Zusammensezung der Buchstaben eben so sehr erleichterte, wie die Rechenmaschine die Zusammensezung der Zahlen, und welche die Bücher so mechanisch schrieb, als sie die Presse drukt. Auch ists wunderbar, daß die neuen Erzieher, die iede tabula rasa zu einem dictionnaire encyclopédique beschreiben, und die die Wissenschaften in dem weichen Gehirn nicht aussäen, sondern aufschütten, die Vermehrung der Kentnisse ihrer Zöglinge nicht durch Vermehrung der Mittel, sie dem Publikum zu überliefern, gemeinnüziger machen. Man solte mich nachahmen. Ich lehre nämlich meinen kleinen Eleven, von dessen Informazion ich mich durch Ausarbeitung kleiner Erziehungsschriften erhohle, mit beiden Händen schreiben; meinem unbelohnten Fleis wird ers daher einmahl noch danken, wenn er die Welt iede Messe mit Zwillingen erfreuen und mit der linken Hand seine rechte widerlegen kan. Auch solten unsre Autoren die vierhändigen Affen, deren Nachahmungssucht sie sonst so täuschend nachahmen, dadurch zu erreichen suchen, daß sie ihre zwo untern Hände nicht blos zum Gehen, sondern auch wie die obern zu etwas Bessern benüzten, so wie der Organist mit den Füssen spielt. Doch meldet Sturz, daß Wilton in Celsea seit dem Verluste seiner Arme wirklich mit den Füssen zu schreiben angefangen. – Zu allem diesem füg' ich noch hinzu, daß der Hutmacher künftighin nur zur linken Hand des Handschuhmachers gehen dürfe – daß das Chiragra keine Idee im Gehirne auf der andern lasse, und wenigstens die Hände nur früher als den Kopf verwüste, wie der Henker iene nur früher als diesen abhauet – daß der Rezensent wie der Zigeuner, seine Wahrsagungsgabe ausser den Anekdoten auch durch Chiromantie unterstüzen könne – daß die Autoren (doch nicht mein Verleger) mich für diese Erfindungen nicht besser belohnen können, als wenn sie in Zukunft stat ihres Kopfes ihre rechte Hand vor ihre Werke in Kupfer stechen lassen; wozu bei den Autoren noch der Umstand komt, daß ihr Bildniß ihre Kinder meistens überlebt, so wie noch Abzeichnungen, aber keine Nachkommen des Einhorns vorhanden sind, und bei den Rezensenten, daß schon der Anblik dieses Glieds ein Dichterhäufgen in zitternder Ehrfurcht halten kan, so wie (nach dem Berichte des Schäfers) eine im Schafstalle aufgehangene Wolfsklaue die ganze wollichte Herde in Schrekken sezt – endlich füg' ich noch hinzu, daß ich nichts mehr hinzuzufügen habe. –

Ich wende mich zu einem andern Gliede, dessen Lob ich zwar verkürzen, aber nicht vergessen darf. Die Hand, die ausführt, komt schwerlich dem Magen gleich, der erfindet, und der Vater der Bücher theilt seine Unsterblichkeit nur halb mit der Hebamme derselben. Aber ie länger meine Feder sich bei der Betrachtung dieses Glieds verweilet, desto mehr nähert sich ihr prosaischer Schrit dem poetischen Trabe. Ja mein Enthusiasmus wird schon so stark als mein Hunger. Ich lobte die Hand; aber den Magen besing' ich. – Wer tränkt mich mit Begeisterung? welche Muse sez' ich in die erste Zeile meines ohnfüssigen Liedes, um in den andern mit dem Schwunge zu fliegen, wodurch sich die singende Hand zum besungenen Magen erhebt? und bei welchem erdichteten Got betle ich in schlechten Versen um gute?... bei keinem! Der Magen sei zugleich mein Apollo und mein Mäzen! Du also hungriges Glied, o! Allerheiligstes des körperlichen Autors, o! Lexicon des Übersezzers, o! alter Orbis pictus des Romanenschreibers 6) und o! Gradus ad parnassum des Poeten, so wie formula concordiae des Priesters! Wiege der Bücher, die kritische Galle, so wie der Würmer, die Ochsengalle tödet; in wenigen Thieren viermahl, und in denen nur einmahl vorhanden, die ihre Gedanken wiederkäuen, und von dem Krebse, wie die neugebohrne Minerva von dem Jupiter, in dem Kopf getragen; fleischicht bei unsern Sangvögeln und häutig bei den Raubvögeln, die sie rezensiren – – schenke meinem Kiele die Feinheit, die du seinem Lobe der Schönen, die Wahrhaftigkeit, die du seinem Lobe der Gönner, und die Menschenliebe, die du seiner Satire auf die übrigen mittheiltest! Lasse mich meine Feder in die Quintessenz dieser vereinigten Geschenke tauchen, und lobe dich noch mehr als deinen Mäzen und deine Demuth. – Oft halfst du mir so singen: Das Haupt des Parnasses und des Dichters kränzen Lorbern, aber weder in dem Eingeweide des ersten, noch in der Hosentasche des andern schimmert Gold; Apollo zeitigt den gelben Reichthum, aber Pluto ärntet ihn; dem Phöbus vergolden seine Söhne den Kopf, allein er ihnen nicht einmahl den Hut; der Permessus tränkt keine Aussat von goldnen Körnern, und eine Muse ist kein reiches Bürgermädgen; – helf es mir iezt läugnen. Oft halfst du mir in einer Vorrede dich tadeln; helf mir iezt in einer Abhandlung dich loben: so schrieb iener unpartheiische Engländer am Montage wider den Walpole, und am Mitwoch wider den Pultney. Oft überschrie dein hungriges Murren in meinen Ohren die zwote Trompete der Fama; es verstärke sich iezt in der ersten! Doch halt! ich kan nun deine poetische Hülfe entbehren; mir fehlten nur ein par Seiten, die nun meine Bitte ausgefült hat. – Deine Anrufung ist ia auch dein Lob, welches du ohnehin in einer Rezension derselben fortsezen kanst.

Ich habe wenig mehr über dieses Glied zu sagen, vorzüglich da schon der Verfasser das Specimen novi medicinae conspectus 1751 bei Guerin in Paris den Magen für das zweite Gehirn ausgegeben. Doch wag' ich noch einen neuen Schrit und halte ihn für das erste. Die kurze Beantwortung einiger Einwürfe sol diesen halbpoetischen Theil meiner physiologischen Abhandlung beschliessen.

Objectio. Nein! Die Ausdehnung dieser Hypothese überschreitet die Gränzen der Billigkeit. Das Wahre derselben war längst bekant; nur das Falsche derselben ist neu. Jeder kent die unversiegende Quelle, aus der halbiährlich eine Sündfluth von Übersezungen strömt; aber die hochadeliche Dichtkunst zu einer solchen pöbelhaften Abstammung herunter zu würdigen, aber stat der Hippokrene eine Mistlache für die Nahrung auszugeben, aus welcher die poetischen Blumen ihren Duft scheiden und ihren Schmelz saugen, heist die Sache übertreiben. Das Lied eines neuen Barden entspringt aus seiner Luftröre, nicht aus seiner Speiseröre. –

Responsio. Eben so dacht' ich vor zehn Jahren bei der Herausgabe meiner Bardengesänge. Dieser Meinung war ich noch bey meiner Rezension derselben, siehe die ** Zeitung, und die *** und die ** und das ** Journal etc. Allein da Petrum Kamper's Nachrichten über die Hornviehseuche (im d. Museum) mich lehrten, daß dem verstorbenen Vieh das Übel selten im Gehirn, und meistens im Magen gesessen, ja da mir über die Möglichkeit, daß man zum Unsin nur durch den Trieb der Nachahmung, nicht des Hungers überredet werden könte, aus eigner Erfahrung Zweifel aufstiegen: so sank ich almählig von meiner Täuschung zur Wahrheit d. h. zur Behauptung herab, daß nicht nur die glänzenden Schuppen der Fische, das sinesische Goldfischgen nicht ausgenommen, ihre Nahrung aus dem Magen hohlen, sondern daß auch die Gewohnheit der Köchinnen, in die Flügel des aufgetragenen Vogels den Magen zierlich einzuklemmen, auf die verstekte Verwandschaft der Schwingen unsers genievollen Geflügels anspiele. Ein Mehreres davon weiter unten!

Objectio. Wenigstens ist gewis, daß dieses die liebevolle Romanen nicht trift, die wiewohl nicht aus dem Gehirn, doch aus den Thränendrüsen geflossen. Und wer solte ihren Verfassern die Uneigennüzigkeit absprechen, der sie die Beutel ihrer Helden so gerne Preis geben?

Resp. Eben darum. Ein Autor verschenkt auf seiner empfindsamen Reise tausend Thaler, um dafür von seinem Verleger hundert zu bekommen; seiner Feder, aber nicht seiner Hand gehört das Lob der Freygebigkeit; der geizige Schriftsteller zeugt, gleich geizigen Vätern, verschwenderische Kinder, und er bestiehlt einen iungen Buchhändler durch dasselbe Buch, in welchem er dem Publikum Wohlthun prediget. – Übrigens ist das Buch eines sogenanten liebevollen Autors seltener die Kopie, als die Larve seines Herzens; wenigstens gleicht das Original oft dem Gemählde so wenig, als das Herz, welches der Anatomiker studirt, demjenigen, welches der Zukkerbekker aus Süßigkeiten, oder der Friseur aus den Haren des Vorderkopfes formt. Diese Meinung erhält ein neues Gewicht von der Entdekkung des H. Blumenbachs, daß der dunkle Körper im Leibe des Räderthiers nicht das Herz desselben, wie einige glauben, sondern sein Magen ist. 7) Allein bekanter ist, daß dem Gewürm, das der Regen, die Tränen des empfindsamen Himmels, aus der Erde lokt, das Herz so wie das Gehirn von der Natur versagt worden, obwohl nicht ein langer Darmkanal. Hieher passet vortreflich ein Traum des bekanten Schwedenborgs: die Mondgeister, sagt er in seiner geographischen und topographischen Beschreibung der Weltkörper, sind nicht grösser wie Knaben von sieben Jahren; allein ihre Stimme, die, wie ein Rülpsen, aus dem Bauche herausgestossen wird, schallet fürchterlicher als der Donner. Um doch auch dem Schwedenborg (so wie Theologen dem Verfasser der Apokalypsis) eine Weissagung zu leihen, sez' ich hinzu, daß er unter den Bewohnern des Mondes die Anbeter desselben verstehet. –

Von einer solchen Quelle sprech' ich aus Galanterie die Produkte des schönen Geschlechts frei; zu ihrer Entstehung reichet schon das Glied hin, das man so oft küsset, und dessen vor dem gegenwärtigen gedacht worden. Ja ich treibe meine Höflichkeit so weit, daß ich auf die Schönen, die Bücher nähen und strikken, den Anspruch des Titus Flaminimus von dem magern Philopömen anwende, „Du hast schöne Hände, aber keinen Bauch.“

Obj. Den Richter mus man auch richten. Aus Hunger kizelt der Dichter das Trommelfel und der Satiriker das Zwergfel seiner Leser; derselbe Mangel reicht dem einen die Flöte, und dem andern die Geissel, und die Thorheit und der Spot wachsen, wie die Thora und die Antithora, auf einem gemeinschaftlichen Boden. Der Magen tränkt eure satirische Feder, die gleich ihm und durch ihn zu einem Perpetuum mobile geworden, mit seinen müssigen aber darum schärfern Verdauungssäften, und ihr erlacht euch Sättigung auf Kosten derer, denen ihr gleicht.

Resp. Rechnet Opponent mich nicht unter solche Satiriker, so geb' ich es aus Liebe zur Wahrheit von allen zu; zählet er auch mich darunter, so räume ich es blos vom Verfasser der Raritäten ein.

Eine unnatürliche Ideenverbindung führet mich von der Satire auf die Galle, deren eingestandner Nuzen eine lange Lobrede entbehrlich macht. Sie ersezt bey dem Satiriker den Nervensaft d. h. das Genie, bei dem Polemiker die Wahrheit und bey dem Rezensenten die Einsicht. Der leztere kan zwar wie der Areopagus im Finstern richten; allein den Genus dieser Erlaubnis möcht' ich ihm blos bei dem Lossprechen zugestehen; das Herz eines Autors höchstens kan er ohne den Gebrauch des Gesichts verwunden, wie der Amor mit verbundnen Augen seine Pfeile auf das Herz abschiest; aber die Verdammung des Kopfes ist ohne den Beistand der Galle unthulich, die, wie sonst die Galle einiger Fische die Schärfe der Augen auf einige Zeit wieder giebt. Und so hat sie einen doppelten Nuzen; denn sie lehrt die Bücher nicht blos verläumden, sondern auch verstehen – so läst die Schlange ihren Gift in ihren Feind und in ihre Speise 8) fliessen, und tödet und verdauet damit; so ist ein iunger Kälbermagen sowohl zur Versäuerung 9) als Verdauung der Milch geschikt. Ohne Galle kan man ferner seinen gelehrten Feind eben so wenig widerlegen als hassen; ohne sie läst sich kaum der Titel einer Streitschrift machen und in der Vorrede und dem Inhalte spielet sie eine eben so wichtige Rolle wie die personifizirte Zwietracht in Voltaires Henriade. Mein Freund Y würde der Menschenfeindlichkeit der Philanthropinen die schöne Larve des griechischen Namen nicht mit so vielem Glükke abgezogen haben, hätte er die hülfreiche Galle vorher entweder durch ein Vomitiv aus der einen oder durch eine Purganz aus der andern Thüre des ofnen Tempels des Janus gejagt. Rezensenten und Satiriker folgt diesem glüklichen Beispiel, und vomirt und laxirt niemals – oder höchstens am Neuiahrstage, um nichts wünschen zu dürfen! – Zur Vermehrung derselben empfehl' ich euch den Genus von süssen Sachen, die der Magen nach und nach zu Galle kocht, so wie es die Pflicht des Romanenschreibers mit sich bringt, die süsse Menschenfreundlichkeit, die sein Held vom ersten Bande empfieng, durch den vorlezten in Misanthropie versäuern zu lassen. Unter den süssen Sachen versteh' ich die Almanache, stat des Marzipans zu Weihnachten und vor dem Neuiahr – und die übrigen Produkte unsrer Zukkersiedereien. – Übrigens ist die Galle in allen Wissenschaften zu gebrauchen und gleicht dem Arsenik, der sich mit allen Metallen vermischt und alle verdirbt.

„Der Monarch sizt doch nur mit dem Hintern auf dem Throne“ sagt Montaigne, und der Dichter sizt doch nur mit eben diesem Gliede auf dem Pegasus, sag' ich, und seine Gesänge sind doch nur Werke der untern Selenkräfte, sagt endlich ein Philosoph. Ungeachtet meine Materie mir iezt die glüklichste Gelegenheit in die Feder spielt, die Röthe der deutschen Schamhaftigkeit durch schmuzige Zweideutigkeiten zu prüfen; so wil ich doch der Sitlichkeit den Vorzug vor der Mode lassen, und ungeachtet ich (wie alle deutsche Schriftsteller) für schöne Augen schreibe, so will ich doch der keuschen Ohren schonen. Nur erlaube man dem Künstler, das für ein anatomisches Lehrbuch in Kupfer zu stechen, was der Mahler für das Kabinet eines Reichen freilich nicht mahlen solte. – Wenn der Pfau reden könte, sagt Voltaire, 10) so würde er seine Sele in den Schwanz sezen; ich glaube es nicht, denn der Dichter, welcher ebenfalls auch mir mit seinen untern Selenkräften bunte und prächtige Farben schlagen kan, sezt die seinige in den Kopf. So wie man fast das Gehirn des Potfisches Sperma ceti nante; so getraue ich mir zu erweisen, daß die Musen nicht auf dem Gipfel des Parnasses, mit dem ich den Dichter iezt vergleiche, sondern im Thale desselben wohnen und daß man dem Poeten durch dieselbe Grausamkeit den Gesang rauben könne, durch die man ihn den Farinelli's giebt. Wenigstens würde er nachher den Kapaunen gleichen, die Eier ausbrüten, aber nicht befruchten können; d. h. er würde Verse ediren, aber nicht machen, oder von einem Original zu einem Nachahmer herunter sinken. Die Ursache verlarvt sich oft so unkentbar in ihre Wirkung, daß ich iedem den Unwillen über mein schändliches Paradoxon verzeihe. Nicht immer ist man der Lerche, die man hört, so nahe, daß man sie siehet. Allein in wem steigt nicht oft die dunkle Vermuthung auf, daß die Verse und die Sünden des Dichters, wie die Weissen und die Schwarzen aus den Lenden desselben alten Adams herstammen. Überhaupt fragen die Bewohner von dem Berge Parnas wenig nach den Gesezen des Berges Sinai: sie sind alle heterodox und sie schiessen nur so lange keine Epigrammen auf den alten Glauben, als eine Klopfstokkische Harfe ihre Finger unterhält; sie lieben in dem Prediger ihres Orts nichts als seine Töchter; sie machen ihre Verse meist am Sonntage, nicht blos weil sie da keine Kollegien besuchen, sondern auch weil da ieder Unpoet eine Predigt hört oder liest; ihre Epigrammen übertreten das achte, ihre andern Gedichte das sechste Gebot; die Polizei hassen sie beinah so innig als die Kritik; sie kleiden nicht blos ihre geistigen Kinder, sondern auch sich selbst nach englischer Mode und ihr Busen ist so offen wie ihr Herz; sie mischen in ihre Hippokrene so viel Wein, daß ihr pindarischer Unsin zum prosaischen Unsin derer herniedersteigt, die ihnen einschenken; wie sonst Missethäter zu den Statüen, so fliehen sie zu den Namen heidnischer Götter, um sich vor einer christlichen Andung ihrer Fehler zu retten, die Sünden des alten Adams bürden sie dem kleinen Amor auf, und beten den Teufel unter der Gestalt eines Fauns an. – Daß der poetische Sin mit dem sechsten Sin in demselben Stokwerke nämlich parterre logirt, erhelt aus der Stärke, die sie einander mittheilen. Die Venus ist nicht blos am astronomischen, sondern auch am mythologischen Himmel die Gespielin des Phöbus; Ehe dieser Bräutigam seine Kammer verläst, hat sie schon ausgeschlafen, und wenn er in dieselbe wieder eingegangen, ist sie noch munter. Die dritte und lezte Rolle spielt nicht selten der Merkur. 11) – Daher dieienigen, welche die Dichtkunst nicht gern herabsezen möchten, die Liebe desto mehr erhöhen; so schüttet z. B. Hippokrates das Satgetraide der Menschheit unter dem Dache auf d. h. er sezt die Samengefässe in die Ohren. – Daher findet man beide durch ähnliche Symptomen verschwistert; und zu dem Ausspruche

 

Homines homines faciunt in Paralysi

 

kan man hinzufügen, auch die Dichter die Gedichte: denn das Dichten ist, wie der Zorn, eine kurze Wuth. – Daher wächst der Lorber auf dem Boden, dessen Kräfte er nicht mit der Myrthe zu theilen braucht, mit frischem Zweigen der Zeit entgegen. So nährt, nach Bako, der zurückgehaltene Harn der Vögel ihr Gefieder und der Unrath düngt den schimmernden Federschmuck; woraus folgt, daß der Pfau den Stolz auf seinen Schwanz nicht blos durch das Andenken an seine Füsse, sondern auch an die Nahrung und Nachbarschaft des ersten überwinden könne, so wie den Poeten ins künftige nicht blos seine zerlöcherten schwarzen Strümpfe, sondern auch seine plüschenen Hosen das γνωθι σεαυτον buchstabiren lehren werden. – Ich wil übrigens durch meine Behauptung dem Kopfe nicht gänzliche Unthätigkeit beim Dichten zugemuthet haben; dieses Glied entwirft den Plan, dessen Ausführung das Genie übernimt „die Speise komt oft aus einem Lande, und die Brühe aus einem andern“ sagt Addison, aber in einem andern Sinne. Nur hab' ich den Kopf der Erwähnung unwerth geachtet, weil ich das Kolorit der Zeichnung weit vorziehe. Der dürre Plan eines Gedichts komt vielleicht dem gesunden Verstande nahe, aber nur die Belebung desselben durch Worte und Metaphern verräth das Poetische. So ähnlicht dem Pferde nichts mehr als das Gerippe eines Esels, 12) aber überzieht das kluge Skelet mit Fleisch, und vergesset die Kehle und die Ohren nicht, so steht das leibhafte Thier da, auf dem alle Gleichnißmacher, wie sonst die Könige, so statlich reiten. – Noch widerbellet der Überzeugung meines Lesers ein Einwurf, dessen Ausrottung vielleicht zu einer kleinen Ausschweifung gerathen wird. Der Leser nämlich ist vielleicht an die spanische Scheidewand zwischen unserm Kopf und unserm Herzen zu wenig gewöhnt, um einen Sänger der platonischen Liebe, der antiplatonischen fähig zu halten. Er vergist vielleicht ferner den Antheil des Körpers an unsrer Moralität und kleidet die bessern Kinder desselben in so schimmernde Namen, daß sie sich ihres Vaters schämen. Das leztere ist der Inhalt des folgenden Absazes; und das erstere des nächsten. Her A. verdankt nicht seinem Beichtvater, sondern seinem Arzte die Wiederherstellung seiner Frömmigkeit: sein Herz besserte sich mit seinem Unterleibe und ein Tobaksklystier öfnete den leztern dem Nachtstuhl und das erstere den Freunden. Her B. führt die Menschenfeindlichkeit mit Purganzen ab und leitet Mixturen in den Stal des Augias, um besser verdauen und lieben zu lernen. Der volblütige Her C. schreibt das Aufhören seiner Gewissenbisse nicht den Bissen hungriger Blutigel, sondern dem h. Geiste zu; allein selbst die Lanzette des Barbiers öfnet ihm vergebens die Thür des Himmelreichs, wenn er nicht anfängt, den unter der Gestalt von Lagerbier versuchenden Teufel zu fliehen und das Wasser zum Heil seiner Gesundheit und Seligkeit zu trinken, so wie man in der christlichen Kirche (zu verschiednen Zeiten) die Kranken mit Öl gesund und selig salbte, und gleich den koptischen Christen die Taufe zur blutigen Beschneidung hinzuzufügen. Aus dem Bruder des Hern L. exorzisiren Prügel die Raserei und sein wunder Rükken liest dem Gehirn ein Privatissimum über die Logik. Warum sezen doch bei dem wilden Hern D. die Anfälle der Güte so lange aus? – ein Flus ist ihm vors Ohr gefallen; daher predigen fünf Schafdärmer und viele Hare eines Pferdeschwanzes ihm die Menschlichkeit umsonst. Warum schrieb ich gestern mit so weniger Begünstigung der Phantasie, unsrer herlichsten Selenkraft? meine Aufwärterin that mehr Wasser in den Kaffe als gewöhnlich; heute stahl sie mir von einem Lothe nur ein halbes, daher ich denn bei diesem halben Bogen auf den Beifal aller Kunstrichter rechnen kan... Und nun nehmet die Liebe, die den Menschen zum Got und diesen Got, wie der Got Jupiter, zum Thier macht. Deine himlische Venus, lieber Jüngling, die sich, nach deiner gestrigen Schilderung, nicht nur mit Morgenröthe schmükte, auf deren Frisur nicht nur die goldnen Nägel des Himmels stat der Harnadeln glänzten, deren Reize nicht nur ein aus Sonnenstrahlen verfertigtes Neglige umhülte, deren Kehle nicht nur in seraphischen Trillern zitterte, deren Körper nicht nur schöner als eine Göttin; sondern auch deren Sele heiliger als ein Engel war – diese Venus kanst du heute nicht mehr lieben, ihre Tugend, die selbst ihren Reizen die Bewunderung halb entzog, hat heute ihre Almacht über dich verlohren? „Ja! denn nicht zu gedenken des Fontanels am rechten Beine etc.“ ich verstehe dich, ihr ganzer Körper ist tugendhaft, aber das rechte Bein ist lasterhaft. Und die Stoiker sagen ia, daß Eine lasterhafte Fuszähe nicht nur die Tugenden der neun andern, sondern auch der übrigen Glieder unwirklich mache. – Die Eidschwüre einer ewigen Treue zerschneidet vielleicht die Sense des Todes nicht, aber wohl ein scharfes Messer, und derjenige hört gewis auf zu werthern, den man kombabusirt.

Meine Äusserung über das moralische Verhalten der Gelehrten mus man nicht für einen Tadel derselben auslegen; sie ist vielmehr der Schleier einer Lobrede auf sie. Denn ihr Herz, welches Laster begeht, entschuldigt ihr Kopf dadurch, daß er sie verbietet. Bei einem heidnischen Philosophen muste vielleicht das Herz den Kopf akkompagniren; aber einem christlichen kan man unmöglich zumuthen, an die Tugend, die er unter die Hirnschale logirt, auch noch die zwo Kammern des Herzens zu vermiethen; so taufte man sonst den ganzen Körper, aber iezt nur den Kopf des Kindes zum Christen: Was hälf' es dem Gelehrten, die Laster verschreien, wenn er sie nicht lieben darf, und wer kan seine Treue gegen die keuschen Musen besser belohnen als eine Hure? Wenn seine linke Hand dem Nachbar im Schauspielhause das Schnupftuch maust, so bedenkt auch, daß seine rechte eine Tragödie gezeugt, die aus allen hundert Augen eines Argus Thränen lokken würde, und ein Manuskript, in dem man die Nachdrukker Diebe schilt, kan man mit gutem Gewissen an drei Verleger auf einmal verkaufen. Ein Theolog darf die zehn Gebote ungestrafter übertreten, fals er sie nur aus dem Hebräischen ins Deutsche vertiren kan, und wenn er der Freundin des Herkules seinen gelehrten Magen weihet, so wird sie auf die Feindin desselben keinen schelen Blik werfen, die nur das Herz bekommen.

Was von denen gilt, die die Tugend in Prose loben, gilt noch mehr von denen, die es in Versen thun. Diese leztern gehen mit dieser Göttin wie die Katholiken (nach der Versicherung kluger Katholiken) mit den Bildern gewisser Heiligen um; sie behängen sie mit goldnem Schmuk, allein sie beten sie nicht an. Auf dem Kopfe eines Poeten liegt Puder und Pomade; an seinen Füssen klebt Staub und Korb; nur der Flug entfaltet an ihm, so wie an den Vögeln, den beweglichen Schimmer seines Gefieders, und er gleicht dem Vogel Greif durch die Adlersflügel, die ihn für den Bewohner der Lüfte erklären, und durch die vier Füsse, die ihn mit den Thieren der Erde verbrüdern. Das kleinste Nachdenken giebt uns die Entschuldigung desselben an die Hand. Er mus Menschen kennen lernen; allein das Studium derselben versüßt er sich oft durch die Nachahmung derselben: – Ferner rächt sich die Natur an einer übermenschlichen Erhöhung immer durch eine thierische Erniedrigung und die Arbeit und die Erhohlung schweifen immer über entgegengesezte Gränzen aus. Daher bricht die Tugend des Dichters auf seinem Pegasus den Hals, und wenn das Pferd sich in die Höhe bäumt, sinkt der Reiter. Ich kenne selbst einen grossen Dichter, der sich von der Besingung der platonischen Liebe durch die Freuden des sechsten Sins erholte. Nie werd' ich den Flug und das Götliche der Ode vergessen, die sein trunkner Enthusiasmus am Abend seines Hochzeittages sang; kaum steigt die Lerche höher, wenn sie sich begatten wil. – Ja oft unterbricht das Murren der ungeduldigen Natur die Harmonie der Sphären und das wilde Schwein erschüttert unten durch das Reiben seines geilen Rükken den Baum, auf dessen Gipfel ein Vogel nistet und singt; verzeihet daher, liebe Mitchristen, dem armen Musensohn, der wie die Mönche den fastenden Tag auf die prassende Nacht gründet und den alten Adam anzieht, wenn er die Hosen ausgezogen. Kaum hab' ich iezt z. B. meinen Satir auf einige Zeit entlassen, so komt der Teufel in der Gestalt eines Pavians (diese zwei gleichen meinem gehörnten Schosthier ziemlich) und wil mich versuchen. Allein ich veriagte ihn gleich mit Dinte, wie der sel. Doktor Luther, d. h. ich fahre fort, die Sinlichkeit meiner Kollegen zu entschuldigen. An der Ebbe und Fluth ihrer Sünden hat die Ebbe und Fluth ihres Reichthums den meisten Antheil. Die Wilden in Brasilien erzählen von der Schlange Curururyyva, daß sie ihren Leib, so bald sie ihn mit Speisen angefült, den fleischfressenden Vögeln überlasse, die ihn bis zum Skelet abnagen, welches darauf ihr Lebensgeist, der sich sonst in ihrem Kopfe und iezt im Kothe aufhält, zur vorigen Schönheit, Gestalt und Grösse belebe. 13) Kaum traute ich bey der ersten Durchlesung dieses Mährgens meinen Augen; ich sah' in der abergläubigen Lüge eine schöne Allegorie verstekt, und vergas über den Genus des Wizes beinahe, daß die Wilden in Brasilien weder den Dichter A. noch B. ia vielleicht auch nicht den Hern C. kennen, der zum Besten seiner Nase in der Welt umherstreift. – „Aber der lasterhafte Autor reist ia so das Werk seines tugendhaften Kindes wieder nieder.“ Warum folgt man denn dem Beispiel nicht als den Lehren? Der Baum, über dessen Wurzel du stolperst, trägt ia auch die Zweige, woraus du einen Stab zum Schuze deiner Füsse schnizen kanst. – Aber ich entschuldige ia Gelehrte und Dichter gar zu gut; sie opfern der Tugend doch nichts als Verstand oder Einbildungskraft und gleichen den Kamtschadalen, die ihrem Got verdorbne Köpfe und Schwänze von Fischen darbringen.

Es bleibt also dabei, vortrefliche Musensöhne, (um wieder zum Eingange des Labyrinths zurükzukehren) herkulische Lenden sind immer mit einer herkulischen Kehle gepart; wenigstens fliegen die Vögel nicht nur mit den Flügeln, sondern auch mit dem Schwanze.

Beinahe hätte ich meine Abhandlung ohne die Erwähnung des Kopfes beschlossen, dessen Besiz der körperliche Autor allerdings mit dem Zeugnis des Friseurs belegen kan. Ich wil also iezt den Fleischer nachahmen; dieser giebt den ungeniesbaren Kopf als Zulage hin, und macht ihn durch das fette Hinterviertel verkäuflich. Solte mir iemand vorwerfen, meine Abhandlung verfalle durch den zweiten Kopf, der ihren Schwanz macht, in eine zu sichtbare Ähnlichkeit mit iener Schlange mit zwei Köpfen und keinem Schwanze; so vergist er offenbar, daß der Bericht der neuesten Reisebeschreiber den angeblichen zweiten Kopf des Thiers zu einem wahren Schwanz herabsezze. Der Kopf eines Gelehrten verschaft ausser den kleinen Vortheil, daß er für den Doktor- und Magisterhut einen Träger, und für den Physiognomisten einen genievollen Schedel abgeben kan, keinen andern, als diesen, daß er die langen Ohren trägt und nährt. Sobald das Publikum diese leztern Gliedmassen gehörig mit Lob und Wind füttert, so entsprechen sie der freigebigen Hand durch einen erstaunenswürdigen Wachsthum, den überdies das Alter nicht unterbricht. So trägt z. B. mein Gefatter Smerdis ein Par Ohren, die beinahe noch länger sind als der Oktavband, den er wider die langen Bärte der Alten auf Pränumerazion herausgegeben. Doch dieses alles werd' ich in Gesners Traktat de antiqua asinorum honestate nächstens besser entwikkeln, welches ich für mein eignes Werk ausgeben und durch den Zusaz der entgegengesezten Lesart von antiqua für unsre aufgeklärten Zeiten nuzbarer machen werde. Dieses Werk werden unzählbare Zeichnungen langer und meist origineller Ohren schmükken, deren Beschaffenheit ich den Köpfen berühmter Gelehrten bei Überreichung meines Stambuchs, soviel es Lorberkranz und Schlafmüze gestatteten, abgesehen. Ich bitte daher ieden Bürger der gelehrten Republik, dem es um den Wachsthum der Akustik zu thun ist, mir einen Schattenris von seinem Ohr gegen künftiges Ohrenfutter zukommen zu lassen. Die Tolhäuser werden freilich wenige Zeichnungen liefern; aber die Akademien desto mehrere. – Von den schriftstellerischen Augen hab' ich nichts zu sagen; man weis ia, daß die Nachteule, die gut hört, schlecht sieht; – Vom Gehirn noch weniger; denn ich zweifle an seiner Existenz eben so sehr als mancher Anatomiker (und ieder Eheman) an der Existenz des Hymen. Der Mangel desselben verträgt sich so gut am Gelehrten mit der Menge der Kentnissen als an den Insekten mit der Menge der Augen. Aus dem allen folgt, daß man der Redensart „der Mensch hat Kopf“ künftighin die Wendung geben könne „er hat Magen.“

So hab' ich denn die Philosophie vom Himmel gerufen und den Körper in seine alten Rechte eingesezt. Nun verdankt der Autor ihm nicht blos die Gesundheit, sondern auch die Unsterblichkeit; so wie die Schlange sonst von beiden das Sinbild war.

Ich würde dieser Abhandlung ein dreifaches Register beigefügt haben, wenn ihr gedankenvoller Inhalt nicht iedes entbehrlich machte. Denn ein Inventarium darf nur die Bücher vergrössern, die ausser den gestohlnen Schäzen keine enthalten und nur ein gehirnloses Rükgrad sol sich in einen zierlichen Schwanz verlängern. So wie die französischen Schönen unter dem Franziskus II. zwar ihren Hintern mit Kleidern vergrösserten, aber doch auch zugleich ihr Gesicht verlarvten: so kan man den riesenmässigen Hintern eines Buchs, d. h. das Register mit nichts als der Kleinheit seines zusammengeplünderten Vordertheils entschuldigen. – Solte übrigens, in den Augen der Kenner, meinem physiologischen Beitrag dichterischer Flug zu häufig mangeln: so schreibe man das Prosaische auf die Rechnung meiner Täuschung, noch ein Barde zu seyn. Man wird nämlich wissen, daß Zierrathen der Philosophie weit besser als der Dichtkunst passen, und so wie die Deutschen ihre Schilde mit Verschönerung überluden, ihrer Kleidung hingegen alle Verzierung mit der Wuth des Martin im Mährgen von der Tonne versagten, eben so schikt sich für das philosophische Schild der Minerva wohl rednerischer Bombast, aber weder für ihren Kopfpuz noch die andern Dekken ihrer Reize. Aber ich habe beinahe mein obiges Versprechen, die Abhandlung zu schliessen, vergessen.

 

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1) d. h. so wie der Wilde von seinem toden Feinde blos die Haut der Stirne abzieht, also der Rezensent u. s. w. Die Fehler des Buchs werden in der folgenden Zeile mit den Vorhäuten der Philister verglichen etc. Diese Note hätte ich mir durch Weitschweifigkeit, die mich dem schlechtern Leser verständlich und dem bessern ekelhaft gemacht hätte, ersparen können. 

2) Begreifen, einsehen etc. lauter Namen, die der Körper den geistigen Thätigkeiten leiht. Solche bildliche Benennungen gleichen den hebräischen Buchstaben, welche zugleich Gemälde und Name einer Sache sind. 

3) Wem fält hier nicht die Hand ein, die am Rande alter Bücher stehet und dem Leser die Schönheiten derselben, wie ganze Ärme den Furleuten den Weg, zeigen soll. 

4) Lange Finger haben heist – ich weis nicht ob überal – stehlen. Ein räuberischer Autor arbeitet mit den Händen, ein dummer mit dem Kopfe. 

5) Iuv. Sat. III. v. 36 – Auch passet hieher, wiewol ebenfalls nur im figürlichen Sinne, was Statius irgendwo vom Tode dichtet, daß er lange und schwarze Nägel habe. 

6) Eine Anspielung auf den neuen orbis pictus, den H. Lichtenberg im göttingischen Magazin den schönen Geistern vorgeschlagen und schon zu liefern angefangen. 

7) Siehe dessen Handbuch der Naturgeschichte. Zweite Auflage 1782. Seit. 32. 

8) Stat des Speichels, der die Verdauung erleichtert oder eigentlich anfängt. 

9) Man macht an den meisten Orten die Milch durch sogenantes Lab d. h. ein Stükgen Kälbermagen gerinnen. 

10) Les oreilles du Comte de Chesterfield. Mit diesem Einfalle wil Voltaire der Philosophen spotten, die den Siz der Sele dahin verlegen, wo sie ihre schäzbarsten Wirkungen zu äussern scheinet. 

11) Der Kritiker verzeihe mir, daß er hier an den Merkur des Astronomen und Chemisten zugleich denken mus. 

12) Man sehe die Abbildungen von Pferde und Eselgerippen in Büffons Naturgeschichte. Aus dieser Ähnlichkeit entsteht auch die Geneigtheit einiger Naturkündiger, den Esel für ein ausgeartetes Pferd zu halten. 

13) Onomatologia historiae naturalis etc. 3. Band. S. 538.