BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Friedrich Hölderlin

1770 - 1843

 

Gedichte

in chronologischer Folge

 

1799

 

Textgrundlage:

Friedrich Hölderlin, Sämtliche Werke, Bd. 1, Gedichte bis 1800

Hrsg. von Friedrich Beißner, Stuttgart: Cotta, 1953

 

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Achill

 

Herrlicher Göttersohn! da du die Geliebte verloren,

Giengst du ans Meergestaad, weintest hinaus in die Fluth,

Weheklagend hinab verlangt' in den heiligen Abgrund,

In die Stille dein Herz, wo, von der Schiffe Gelärm

Fern, tief unter den Woogen, in friedlicher Grotte die blaue

Thetis wohnte, die dich schüzte, die Göttin des Meers.

Mutter war dem Jünglinge sie, die mächtige Göttin,

Hatte den Knaben einst liebend, am Felsengestaad

Seiner Insel, gesäugt, mit dem kräftigen Liede der Welle

Und im stärkenden Bad' ihn zum Heroën genährt.

Und die Mutter vernahm die Weheklage des Jünglings,

Stieg vom Grunde der See, trauernd, wie Wölkchen, herauf,

Stillte mit zärtlichem Umfangen die Schmerzen des Lieblings,

Und er hörte, wie sie schmeichelnd zu helfen versprach.

 

Göttersohn! o wär ich, wie du, so könnt' ich vertraulich

Einem der Himmlischen klagen mein heimliches Laid.

Sehen soll ich es nicht, soll tragen die Schmach, als gehört ich

Nimmer zu ihr, die doch meiner mit Thränen gedenkt.

Gute Götter! doch hört ihr jegliches Flehen des Menschen,

Ach! und innig und fromm liebt' ich dich heiliges Licht,

Seit ich lebe, dich Erd' und deine Quellen und Wälder,

Vater Aether und dich fühlte zu sehnend und rein

Dieses Herz – o sänftiget mir, ihr Guten, mein Laiden,

Daß die Seele mir nicht allzu frühe verstummt,

Daß ich lebe und euch, ihr hohen himmlischen Mächte,

Noch am fliehenden Tag danke mit frommem Gesang,

Danke für voriges Gut, für Freuden vergangener Jugend,

Und dann nehmet zu euch gütig den Einsamen auf.