BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Friedrich Hölderlin

1770 - 1843

 

Gedichte

in chronologischer Folge

 

1798

 

Textgrundlage:

Friedrich Hölderlin, Sämtliche Werke, Bd. 1, Gedichte bis 1800

Hrsg. von Friedrich Beißner, Stuttgart: Cotta, 1946

 

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Dem Sonnengott

 

Wo bist du? trunken dämmert die Seele mir

Von aller deiner Wonne; denn eben ists,

Daß ich gesehn, wie, müde seiner

Fahrt, der entzükende Götterjüngling

 

Die jungen Loken badet' im Goldgewölk';

Und jezt noch blikt mein Auge von selbst nach ihm;

Doch fern ist er zu frommen Völkern,

Die ihn noch ehren, hinweggegangen.

 

Dich lieb' ich, Erde! trauerst du doch mit mir!

Und unsre Trauer wandelt, wie Kinderschmerz,

In Schlummer sich, und wie die Winde

Flattern und flüstern im Saitenspiele,

 

Bis ihm des Meisters Finger den schönern Ton

Entlokt, so spielen Nebel und Träum' um uns,

Bis der Geliebte wiederkömt und

Leben und Geist sich in uns entzündet.