Friedrich Hölderlin
1770 - 1843
Gedichtein chronologischer Folge
1795
Textgrundlage:1. Friedrich Hölderlin, Sämtliche Werke, Bd. 1, Gedichte bis 1800Hrsg. von Friedrich Beißner, Stuttgart: Cotta, 19462. Friedrich Schiller: Musen-Almanach für das Jahr 1796
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Der Gott der Jugend
Quelle: Stuttgarter Ausgabe der Werke Hölderlins
Gehn dir im Dämmerlichte,Wenn in der SommernachtFür seelige GesichteDein liebend Auge wacht,Noch oft der Freunde ManenUnd, wie der Sterne Chor,Die Geister der TitanenDes Altertums empor;
Wird da, wo sich im SchönenDas Göttliche verhüllt,Noch oft das tiefe SehnenDer Liebe dir gestillt;Belohnt des Herzens MühenDer Ruhe Vorgefühl,Und tönt von MelodienDer Seele Saitenspiel;
So such' im stillsten ThaleDen blüthenreichsten Hain,Und gieß' aus goldner SchaaleDen frohen Opferwein!Noch lächelt unveraltetDes Herzens Früling dir,Der Gott der Jugend waltetNoch über dir und mir.
Wie unter Tiburs Bäumen,Wenn da der Dichter saß,Und unter GötterträumenDer Jahre Flucht vergaß,Wenn ihn die Ulme külte,Und wenn sie stolz und frohUm Silberblüthen spielte,Die Fluth des Anio;
Und wie um Platons Hallen,Wenn durch der Haine Grün,Begrüßt von Nachtigallen,Der Stern der Liebe schien,Wenn alle Lüfte schliefen,Und, sanft bewegt vom Schwan,Cephissus durch OlivenUnd Myrthensträuche rann;
So schön ist's noch hienieden!Auch unser Herz erfuhrDas Leben und den FriedenDer freundlichen Natur;Noch blüht des Himmels Schöne,Noch mischen brüderlichIn unsers Herzens TöneDes Frülings Laute sich.
Drum such' im stillsten ThaleDen düftereichsten Hain,Und gieß' aus goldner SchaaleDen frohen Opferwein,Noch lächelt unveraltetDas Bild der Erde dir,Der Gott der Jugend waltetNoch über dir und mir.
Der Gott der Jugend
Quelle: Musen-Almanach für das Jahr 1796, S. 152 – 155
Gehn dir im Dämmerlichte,Wenn in der SommernachtFür selige GesichteDein liebend Auge wacht,Noch oft der Freunde ManenUnd, wie der Sterne Chor,Die Geister der TitanenDes Alterthums empor;
Wird da, wo sich im SchönenDas Göttliche verhüllt,Noch oft das tiefe SehnenDer Liebe dir gestillt;Belohnt des Herzens MühenDer Ruhe Vorgefühl,Und tönt von MelodieenDer Seele Saitenspiel;
So such' im stillsten ThaleDen blüthenreichsten Hain,Und gieß' aus goldner SchaaleDen frohen Opferwein!Noch lächelt unveraltetDes Herzens Frühling dir,Der Gott der Jugend waltetNoch über dir und mir.
Wie unter Tiburs Bäumen,Wenn da der Dichter saß,Und unter GötterträumenDer Jahre Flucht vergaß,Wenn ihn die Ulme kühlte,Und wenn sie stolz und frohUm Silberblüthen spielte,Die Flut des Anio;
Und wie um Platons Hallen,Wenn durch der Haine Grün,Begrüßt von Nachtigallen,Der Stern der Liebe schien,Wenn alle Lüfte schliefen,Und, sanft bewegt vom Schwan,Cephisus durch OlivenUnd Myrtensträuche rann;
So schön ist's noch hienieden!Auch unser Herz erfuhrDas Leben und den FriedenDer freundlichen Natur;Noch blüht des Himmels Schöne,Noch mischen brüderlichIn unsers Herzens TöneDes Frühlings Laute sich.
Drum such' im stillsten ThaleDen düftereichsten Hain,Und gieß' aus goldner SchaaleDen frohen Opferwein,Noch lächelt unveraltetDas Bild der Erde dir,Der Gott der Jugend waltetNoch über dir und mir.Hölderlin. |