BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Friedrich Hölderlin

1770 - 1843

 

Gedichte

in chronologischer Folge

 

1792

 

Textgrundlage:

Friedrich Hölderlin, Sämtliche Werke, Bd. 1, Gedichte bis 1800

Hrsg. von Friedrich Beißner, Stuttgart: Cotta, 1946

 

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Hymne an die Freundschaft

 

An Neuffer und Magenau

 

Rings in schwesterlicher Stille

Lauscht die blühende Natur;

Aus des künen Herzens Fülle

Tönt des Bundes Stimme nur;

Leise rauscht's im Eichenhaine

Nie gefühlte Lüfte weh'n,

Wo in höhrem Sternenscheine

Wir das ernste Fest begeh'n.

 

Ha! in süßem Wohlgefallen

Säuselt hier der Väter Schaar,

Abgeschiedne Freunde wallen

Lächelnd um den Moosaltar;

Und der hellen Tyndariden

Brüderliches Auge lacht

Froh wie wir in deinem Frieden,

Schöne feierliche Nacht!

 

Heiliger und reiner tönte

Dieser Herzen Jubel nie,

Unter Schwur und Kuß verschönte,

Freundschaft! deine Milde sie;

Zürne nicht der Wonne Zähren!

Laß, o laß uns huldigen,

Schönste von Olympos Heeren,

Krone der Unsterblichen!

 

Als der Geister Wunsch gelungen,

Und gereift die Stunde war,

Da von Ares Arm' umschlungen,

Cytherea dich gebar;

Als die Heldin ohne Tadel

Nun der Erde Sohn so nah',

Staunend in des Vaters Adel,

In der Mutter Gürtel sah';

 

Da begann zu Sonnenhöhen

Nie versuchten Adlerflug,

Was von Göttern ausersehen

Kraft und Lieb' im Busen trug;

Stolzer hub des Sieges Flügel,

Rosiger der Friede sich;

Jauchzend um die Blumenhügel

Grüßte Gram und Sorge dich.

 

Blutend trug die Siegesfahne,

In der Stürme Donner schwamm

Durch die wilden Ozeane,

Wer aus deinem Schoose kam;

Deiner Riesen Wehre klangen

Bis hinab zur alten Nacht –

Ha! des Orkus Thore sprangen,

Zitternd deiner Zaubermacht!

 

Trunken, wie von Hebe's Schaale,

Kos'ten sie in süßer Rast

Am ersehnten Opfermahle

Nach der schwülen Tage Last;

Göttern glich der Freunde Rächer,

Wenn die stolze Zähre sank

In den vollen Labebecher,

Den er seinem Siege trank.

 

Liebend stieg die Muse nieder,

Als sie in Arkadia

Dich im göttlichen Gefieder

Schwebend um die Schäfer sah';

Mutter! Herz und Lippe brannten,

Feierten im Liede dich,

Und am süßen Laute kannten

Jubelnd deine Söhne sich. –

 

Ha! in deinem Schoose schwindet

Jede Sorg' und fremde Lust;

Nur in deinem Himmel findet

Sättigung die wilde Brust;

Frommen Kindersinnes wiegen

Sich im Schoose der Natur –

Über Stolz und Lüge siegen

Deine Auserwählten nur. –

 

Dank, o milde Seegensrechte!

Für die Wonn' und Heiligkeit,

Für der hohen Bundesnächte

Süße küne Trunkenheit;

Für des Trostes Melodien,

Für der Hofnung Labetrank,

Für die tausend Liebesmühen

Weinenden entflammten Dank!

 

Siehe, Frücht' und Äste fallen,

Felsen stürzt der Zeitenfluß;

Freundlich winkt zu Minos Hallen

Bald der stille Genius;

Doch es lebe, was hienieden

Schönes, göttliches verblüht,

Hier, o Brüder! Tyndariden!

Wo die reine Flamme glüh't. –

 

Ha! die frohen Geister ringen

Zur Unendlichkeit hinan,

Tiefer ahndungsvoller dringen

Wir in diesen Ozean!

Hin zu deiner Wonne schweben

Wir aus Sturm und Dämmerung,

Du, der Myriaden Leben

Heilig Ziel! Vereinigung!

 

Wo in seiner Siegesfeier

Götterlust der Geist genießt,

Süßer, heiliger und freier

Seel' in Seele sich ergießt,

Wo in's Meer die Ströme rinnen,

Singen bei der Pole Klang

Schönster einst Triumphgesang.