Friedrich Hölderlin
1770 - 1843
Gedichtein chronologischer Folge
1792
Textgrundlage:Friedrich Hölderlin, Sämtliche Werke, Bd. 1, Gedichte bis 1800Hrsg. von Friedrich Beißner, Stuttgart: Cotta, 1946
|
|
______________________________________________________________________________
|
|
Hymne an den Genius der Jugend
Heil! das schlummernde GefiederIst zu neuem Flug' erwacht,Triumphirend fühl' ich wiederLieb' und stolze Geistesmacht;Siehe! deiner Himmelsflamme,Deiner Freud' und Stärke voll,Herrscher in der Götter Stamme!Sei der künen Liebe Zoll.
Ha! der brüderlichen Milde,So von deiner Stirne spricht!Solch' harmonisches GebildeWaidete kein Auge nicht;Wie um ihn die Aare schweben,Wie die Lok' im Fluge weht! –Wo im ungemeßnen LebenLebt so süße Majestät?
Lächelnd sah' der Holde niederAuf die winterliche Flur,Und sie lebt und liebet wiederDie entschlummerte Natur;Um die Hügel und die ThaleJauchz' ich nun im Vollgenuß,Über deinem Freudenmahle,Königlicher Genius!
Ha! wie diese GötteraueWieder lächelt und gedeiht!Alles, was ich fühl' und schaue,Eine Lieb' und Seeligkeit!Felsen hat der Falk' erschwungen,Sich, wie dieses Herz, zu freu'n,Und, von gleicher Kraft durchdrungen,Strebt und rauscht der Eichenhain.
Unter liebendem GekoseSchmieget Well' an Welle sich;Liebend fühlt die süße Rose,Fühlt die heil'ge Myrthe dich;Tausend frohe Leben windenSchüchtern sich um Tellus Brust,Und dem blauen Aether kündenTausend Jubel deine Lust.
Doch des Herzens schöne Flamme,Die mir deine Huld verlieh,Herrscher in der Götter Stamme!Süßer, stolzer fühl' ich sie;Deine Frülinge verblühten,Manch' Geliebtes welkte dir; –Wie vor Jahren sie erglühten,Glühen Herz und Stirne mir.
O! du lohnst die stille BitteNoch mit innigem Genuß,Leitest noch des Pilgers TritteZu der Freude Götterkuß;Mit der Balsamtropfe kühlenHofnungen die Wunde doch,Süße Täuschungen umspielenDoch die dürren Pfade noch.
Jedem Adel hingegeben,Jeder lesbischen Gestalt,Huldiget das trunkne LebenNoch der Schönheit Allgewalt;Thörig hab' ich oft gerungen,Dennoch herrscht zu höchster Lust,Herrscht zu süßen PeinigungenLiebe noch, in dieser Brust.
An der alten Thaten HeereWaidet noch das Auge sich.Ha! der großen Väter EhreSpornet noch zum Ziele mich;Rastlos, bis in Plutons HallenMeiner Sorgen schönste ruht,Die erkorne Bahn zu wallen,Fühl' ich Stärke noch und Muth.
Wo die Nektarkelche glühen,Seiner Siege Zeus genießt,Und sein Aar, von MelodienSüß berauscht, das Auge schließt,Wo, mit heil'gem Laub' umwunden,Der Heroen Schaar sich freut,Fühlt noch oft, von dir entbunden,Meine Seele Göttlichkeit.
Preis, o Schönster der Dämonen!Preis dir, Herrscher der Natur!Auch der Götter RegionenBlüh'n durch deine Milde nur;Trübte sich in heil'gem ZorneJe dein stralend Angesicht –Ha! sie tränken aus dem BorneEw'ger Lust und Schöne nicht!
Eos, glühend vom Genusse,Durch die Liebe schön und groß,Wände sich von Tithons KusseAlternd und verkümmert los;Der in königlicher EileLächelnd durch den Aether wallt,Phoebus trauert' um die Pfeile,Um die Künheit und Gestalt.
Träg zu lieben, und zu hassen,Ganz, von ihrer Siegeslust,Ihrer wilden Kraft verlassen,Schlummert' Ares stolze Brust;Ha! den Todesbecher tränkeSelbst des Donnergottes Macht! –Erd' und Firmament versänkeWimmernd in des Chaos Nacht.
Doch in nahmenlosen WonnenFeiern ewig Welten dich,In der Jugend Stralen sonnenEwig alle Geister sich; –Mag des Herzens Gluth erkalten,Mag im langen Kampfe mirJede süße Kraft veralten,Neuverschönt erwacht sie dir! |