BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Friedrich Hölderlin

1770 - 1843

 

Gedichte

in chronologischer Folge

 

1803

 

Textgrundlage:

Taschenbuch für das Jahr 1805.

Der Liebe und Freundschaft gewidmet,

Frankfurt a. M.: Wilmans, S. 77-79

Faksimile: Institut für Textkritik

 

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I.

Chiron.

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Wo bist du, Nachdenkliches! das immer muß

Zur Seite gehn, zu Zeiten, wo bist du, Licht?

Wohl ist das Herz wach, doch mir zürnt, mich

Hemmt die erstaunende Nacht nun immer.

 

Sonst nämlich folgt' ich Kräutern des Wald's und lauscht'

Ein weiches Wild am Hügel; und nie umsonst.

Nie täuschten, auch nicht einmal deine

Vögel; denn allzubereit fast kamst du,

 

So Füllen oder Garten dir labend ward

Rathschlagend, Herzens wegen; wo bist du, Licht?

Das Herz ist wieder wach, doch herzlos

Zieht die gewaltige Nacht mich immer.

 

Ich war's wohl. Und von Krokus und Thymian

Und Korn gab mir die Erde den ersten Straus.

Und bei der Sterne Kühle lernt' ich,

Aber das Nennbare nur. Und bei mir

 

Das wilde Feld entzaubernd, das traur'ge, zog

Der Halbgott, Zevs Knecht, ein, der gerade Mann;

Nun sitz' ich still allein, von einer

Stunde zur anderen, und Gestalten

 

Aus frischer Erd' und Wolken der Liebe schafft,

Weil Gift ist zwischen uns, mein Gedanke nun;

Und ferne lausch' ich hin, ob nicht ein

Freundlicher Retter vielleicht mir komme.

 

Dann hör' ich oft den Wagen des Donnerers

Am Mittag, wenn er naht, der bekannteste,

Wenn ihm das Haus bebt und der Boden

Reiniget sich, und die Quaal Echo wird.

 

Den Retter hör' ich dann in der Nacht, ich hör'

Ihn tödtend, den Befreier, und d'runten voll

Von üpp'gem Kraut, als in Gesichten,

Schau ich die Erd', ein gewaltig Feuer;

 

Die Tage aber wechseln, wenn einer dann

Zusiehet denen, lieblich und bös', ein Schmerz,

Wenn einer zweigestalt ist, und es

Kennet kein einziger nicht das Beste;

 

Das aber ist der Stachel des Gottes; nie

Kann einer lieben göttliches Unrecht sonst.

Einheimisch aber ist der Gott dann

Angesichts da, und die Erd' ist anders.

 

Tag! Tag! Nun wieder athmet ihr recht; nun trinkt,

Ihr meiner Bäche Weiden! ein Augenlicht,

Und rechte Stapfen gehn, und als ein

Herrscher, mit Sporen, und bei dir selber

 

Oertlich, Irrstern des Tages, erscheinest du,

Du auch, o Erde, friedliche Wieg', und du,

Haus meiner Väter, die unstädtisch

Sind, in den Wolken des Wilds, gegangen.

 

Nimm nun ein Roß, und harnische dich und nimm

Den leichten Speer, o Knabe! Die Wahrsagung

Zerreißt nicht, und umsonst nicht wartet,

Bis sie erscheinet, Herakles Rückkehr.