Friedrich Hölderlin
1770 - 1843
Gedichtein chronologischer Folge
1801
Textgrundlage:Friedrich Hölderlin, Unter den Alpen gesungen;in: Musen-Almanach für das Jahr 1802. Herausgegeben vonBernhard Vermehren. Leipzig, in der Sommerschen Buchhandlung.
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Unter den Alpen gesungen.
Heilige Unschuld, du der Menschen und derGötter liebste Vertrauteste! Du magst imHause oder draussen ihnen zu FüssenSitzen, den Alten,
Immerzufriedner Weisheit voll; denn manchesGute kennet der Mann, doch staunet er demWild gleich, oft zum Himmel, aber wie rein ist,Reine, dir alles!
Siehe! das rauhe Thier des Feldes, gerneDient und trauet es dir, der stumme Wald sprichtWie vor Alters, seine Sprüche zu dir, esLehren die Berge
Heil'ge Gesetze dich, und was noch jetzt unsVielerfahrenen, offenbar der grosseVater werden heisst, du darfst es allein unsHelle verkünden.
So mit den Himmlischen allein zu seyn, undGeht vorüber das Licht, und Strom und Wind, undZeit eilt sie zum Ort, vor ihnen ein stetesAuge zu haben,
Seeliger weiss und wünsch' ich nichts, so langeNicht auch mich, wie die Winde, fort die Flut nimmt,Dass wohl aufgehoben, schlafend dahin ichMuss in den Wogen;
Aber es bleibt daheim gern, wer in treuemBusen Göttliches hält, und frei will ich, soLang ich darf, euch all', ihr Sprachen des Himmels!Deuten und singen.
Hölderlin. |