Friedrich Hölderlin
1770 - 1843
Gedichtein chronologischer Folge
1800
Textgrundlage:Friedrich Hölderlin, Der Wandererin: Flora Teutschlands Töchtern geweiht.Eine Quartalschrift von Freunden und Freundinnendes schönen Geschlechts. Neunter Jahrgang. Drittes Vierteljahr.Tübingen, 1801. In der J. G. Cotta'schen Buchhandlung.
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Der Wanderer.
Einsam stand ich und sah in die Afrikanischen dürrenEbnen hinaus; vom Olymp regnete Feuer herab;Reissendes! milder kaum, wie damals, da das Gebirg hierSpaltend mit Stralen der Gott Höhen und Tiefen gebaut.Aber auf denen springt kein frischaufgrünender Wald nichtIn die tönende Luft üppig und herrlich empor.Unbekränzt ist die Stirne des Bergs und beredtsame BächeKennet er kaum, es erreicht selten die Quelle das Thal.Keiner Heerde vergeht am plätschernden Brunnen der Mittag,Freundlich aus Bäumen hervor blikte kein gastliches Dach.Unter dem Strauche saß ein ernster Vogel gesanglos,Aber die Wanderer floh'n eilend die Störche vorbei.Da bat ich um Wasser dich nicht, Natur! in der WüsteWasser bewahrte mir treulich das fromme Kameel.Um der Haine Gesang, ach! um die Gärten des VatersBat ich vom wandernden Vogel der Heimath gemahnt.Aber du sprachst zu mir: auch hier sind Götter und walten,Groß ist ihr Maas, doch es mißt gern mit der Spanne der Mensch.
Und es trieb die Rede mich an, noch Andres zu suchen,Fern zum nördlichen Pol kam ich in Schiffen herauf.Still in der Hülse von Schnee schlief da das gefesselte Leben,Und der eiserne Schlaf harrte seit Jahren des Tags.Denn zu lang nicht schlang um die Erde den Arm der Olymp hier,Wie Pygmalions Arm um die Geliebte sich schlang.Hier bewegt' er ihr nicht mit dem Sonnenblicke den Busen,Und in Regen und Thau sprach er nicht freundlich zu ihr;Und mich wunderte deß und thörigt sprach ich: o MutterErde, verlierst du denn immer, als Witwe, die Zeit?Nichts zu erzeugen ist ja und nichts zu pflegen in Liebe,Alternd im Kinde sich nicht wieder zu sehn, wie der Tod.Aber vielleicht erwarmst du dereinst am Strale des Himmels,Aus dem dürftigen Schlaf schmeichelt sein Othem dich auf;Daß, wie ein Saamkorn, du die eherne Schale zersprengest,Los sich reißt und das Licht grüßt die entbundene Welt,All' die gesammelte Kraft aufflammt in üppigem Frühling,Rosen glühen und Wein sprudelt im kärglichen Nord.
Also sagt' ich und jetzt kehr' ich an den Rhein, in die Heimath,Zärtlich, wie vormals, weh'n Lüfte der Jugend mich an;Und das strebende Herz besänftigen mir die vertrautenOffnen Bäume, die einst mich in den Armen gewiegt,Und das heilige Grün, der Zeuge des seeligen, tiefenLebens der Welt, es erfrischt, wandelt zum Jüngling mich um.Alt bin ich geworden indes, mich bleichte der Eispol,Und im Feuer des Süds fielen die Locken mir aus.Aber wenn einer auch am lezten der sterblichen Tage,Fernher kommend und müd bis in die Seele noch jeztWiedersähe diß Land, noch Einmal müßte die Wang' ihmBlüh'n, und erloschen fast glänzte sein Auge noch auf.Seeliges Thal des Rheins! kein Hügel ist ohne den Weinstok,Und mit der Traube Laub Mauer und Garten bekränzt,Und des heiligen Tranks sind voll im Strome die Schiffe,Städt' und Inseln, sie sind trunken von Weinen und Obst.Aber lächelnd und ernst ruht droben der Alte, der Taunus,Und mit Eichen bekränzt neiget der Freie das Haupt.
Und jezt kommt vom Walde der Hirsch, aus Wolken das Tagslicht,Hoch in heiterer Luft siehet der Falke sich um.Aber unten im Thal, wo die Blume sich nähret von Quellen,Strekt das Dörfchen bequem über die Wiese sich aus.Still ists hier. Fern rauscht die immer geschäftige Mühle,Aber das Neigen des Tags künden die Gloken mir an.Lieblich tönt die gehämmerte Sens' und die Stimme des Landmanns,Der heimkehrend dem Stier gerne die Schritte gebeut,Lieblich der Mutter Gesang, die im Grase sizt mit dem Söhnlein;Satt vom Sehen entschliefs; aber die Wolken sind roth,Und am glänzenden See, wo der Hain das offene HofthorUebergrünt und das Licht golden die Fenster umspielt,Dort empfängt mich das Haus und des Gartens heimliches Dunkel,Wo mit den Pflanzen mich einst liebend der Vater erzog;Wo ich frei, wie Geflügelte, spielt' auf luftigen Aesten,Oder ins treue Blau blikte vom Gipfel des Hains.Treu auch bist du von je, treu auch dem Flüchtlinge blieben,Freundlich nimmst du, wie einst, Himmel der Heimath, mich auf.
Noch gedeihn die Pfirsiche mir, mich wundern die Blüthen,Fast, wie die Bäume, steht herrlich mit Rosen der Strauch.Schwer ist worden indeß von Früchten dunkel mein Kirschbaum,Und der pflückenden Hand reichen die Zweige sich selbst.Auch zum Walde zieht mich, wie sonst, in die freiere LaubeAus dem Garten der Pfad oder hinab an den Bach,Wo ich lag, und den Muth erfreut am Ruhme der Männer,Ahnender Schiffer; und das konnten die Sagen von euch,Daß in die Meer' ich fort, in die Wüsten mußt', ihr Gewalt'gen!Ach! indeß mich umsonst Vater und Mutter gesucht.Aber wo sind sie? du schweigst? du zögerst? Hüter des Hauses!Hab' ich gezögert doch auch! habe die Schritte gezählt,Da ich nahet, und bin, gleich Pilgern, stille gestanden.Aber gehe hinein, melde den Fremden, den Sohn,Daß sich öffnen die Arm' und mir ihr Seegen begegne,Daß ich geweiht und gegönnt wieder die Schwelle mir sey!Aber ich ahn' es schon, in heilige Fremde dahin sindNun auch sie mir, und nie kehret ihr Lieben zurük.
Vater und Mutter? und wenn noch Freunde leben, sie habenAndres gewonnen, sie sind nimmer die Meinigen mehr.Kommen werd' ich, wie sonst, und die alten, die Nahmen der LiebeNennen, beschwören das Herz, ob es noch schlage, wie sonst,Aber stille werden sie seyn. So bindet und scheidetManches die Zeit. Ich dünk' ihnen gestorben, sie mir.Und so bin ich allein. Du aber, über den Wolken,Vater des Vaterlands! mächtiger Aether! und duErd' und Licht! ihr einigen drei, die walten und lieben,Ewige Götter! mit euch brechen die Bande mir nie.Ausgegangen von euch, mit euch auch bin ich gewandert,Euch, ihr Freudigen, euch bring' ich erfahrner zurük.Darum reiche mir nun, bis oben an von des RheinesWarmen Bergen mit Wein reiche den Becher gefüllt!Daß ich den Göttern zuerst und das Angedenken der HeldenTrinke, der Schiffer, und dann eures, ihr Trautesten! auchEltern und Freund'! und der Mühn und aller Leiden vergesseHeut' und morgen und schnell unter den Heimischen sei.
Hölderlin. |