BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Johann Gottlieb Fichte

1762 - 1814

 

Der geschlossene Handelsstaat

 

3. Buch

 

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Fünftes Capitel.

 

Fortsetzung

der vorhergegangenen

Betrachtung.

 

Die Behauptung, dass ein Staat, der es wagt, sich ausser allen Verkehr mit dem Auslande zu setzen, keines Silbers und Goldes bedürfe, und dass ein solcher Staat zum allgemeinen Zeichen alles Werthes machen könne, was er nur irgend wolle, scheint mir so klar, und so nahe vor jedermans Füssen zu liegen, dass ich mir nicht getraue zu glauben, dass ich daran etwas paradoxes und befremdendes gesagt habe. Da ich jedoch weiss, dass die Menschen gewöhnlich gerade dasjenige, was am nächsten vor den Füssen liegt, zuletzt entdecken; da ich ferner weiss, dass einige Köpfe so organisirt sind, dass in ihnen Folgesätze, die doch eigentlich nur auf der Wurzel ihrer Vordersätze ruhen sollten, durch die blosse Kraft der Gewohnheit ihre eigenen Wurzeln treiben und fortdauern, nachdem die Vordersätze längst ausgerottet sind: so muss ich doch befürchten, einigen Lesern Anstoss verursacht zu haben. Ich finde für gerathen, für diese noch einige Worte hinzuzuthun; indem ich andere, die in dem vorigen Capitel nichts befremdendes gefunden haben, ersuche, das gegenwärtige zu überschlagen.

Dass in Absicht des Geldes es einem jeden lediglich darauf ankomme, dass dieses Stück Geld von jederman, mit dem er in Handel kommen könnte, zu eben dem Werthe wieder angenommen werde, zu welchem er es erhält, wird hoffentlich keiner meiner Leser in Abrede stellen Nun ist es bei der gegenwärtigen Lage der Dinge möglich, dass wir mit jedem Bewohner der bekannten europäischen Handels-Republik mittelbar oder unmittelbar in Handel, gerathen; darum ist es freilich in dieser Lage der Dinge nöthig, dass wir dasjenige Zeichen des Werthes haben; welches jeder annimmt. Werden wir aber der ersteren Möglichkeit überhoben, so sind wir ohne Zweifel zugleich des daraus folgenden Bedürfnisses überhoben. Wer uns dafür bürgt, dass wir es von nun an in Geldsachen nur mit unserer Regierung und Mit unseren Mitbürgern zu thun haben werden, überhebt uns ohne Zweifel der Sorge, anderes Geld zu haben, als diese annehmen: was der Ausländer annehme, davon ist nicht mehr die Frage, denn mit diesem werde ich nie zu handeln haben. – Habe ich eine Reise nach den Gesellschafts-Inseln zu machen, und weiss vorher, dass man mir dort nur gegen rothe Federn Lebensmittel ablassen wird, so thue ich freilich wohl, mich um rothe Federn zu bewerben. Will ich dahin nicht reisen, was sollen mir die rothen Federn? Ebenso, habe ich Handlung zu treiben, wo nur Gold und Silber gilt, so muss ich freilich das letztere mir verschaffen; habe ich hingegen dort nicht Handlung zu treiben, sondern nur da, wo es nicht gilt, was soll mir Silber und Gold? – Dennoch haben die Regierungen, ohnerachtet mehrere für den auswärtigen Handel sich verschlossen, so gut sie es vermochten, und ihnen nur das leid war, dass sie es nicht noch besser vermochten, sogar ihren eigenen Unterthanen gegenüber sich fortdauernd als freie Mitglieder des grossen Handelsstaates betrachtet, so weit, dass sie sogar dasselbe, was sie noch im laufenden Jahre als Abgabe von ihnen wieder einzunehmen hatten, im Weltgelde zahlten, unter Sorge und Kummer, dass sie dessen nicht mehr hätten; – haben ehemals Fürsten Gold zu machen gesucht, ohne sich zu besinnen, dass sie, ohne wirkliches Gold zu machen, alles, was ihnen unter die Hände käme, statt des Goldes ausgeben könnten.

Diese Art der Befremdung wäre sonach lediglich durch die Angewöhnung an die aufzuhebende Lage der Dinge begründet.

Ein anderer Grund der Furcht könnte aus der Verwechselung des von uns aufgestellten Zeichens des Werthes mit anderen ähnlichen, aber keinesweges gleichen, entstehen: aus der Verwechselung unseres Zeichens mit dem von Zeit zu Zeit beinahe in allen Staaten versuchten Papier- oder Ledergelde, Banknoten, Assignaten, u. dgl. Man wisse ja, dürfte jemand sagen, aus den häufigsten Erfahrungen, wie, ausgenommen unter besonderen, beim schliessenden Staate nicht stattfindenden Bedingungen, diese Art des Geldes gegen Gold und Silber immer zu verlieren und tiefer zu sinken pflege; wie es in manchen Fällen zuletzt allen Werth verloren habe, und die Besitzer desselben um ihr Eigenthum gekommen seyen. – Ich antworte, dass alle diese bisherigen Repräsentationen des Geldes von dem durch mich vorgeschlagenen Gelde durchaus verschieden sind, und dass dasjenige, was von den ersteren gilt, auf das letztere in keiner Weise passt. Jene Geldzeichen circuliren neben dem baaren Gelde, und mit ihm zugleich. Die ersteren sind, den seltenen Fall ausgenommen, dass die Nation ein grosses Uebergewicht im Welthandel, und fast an das ganze Ausland Schuldforderungen habe, doch nur in einem gewissen Umkreise, meist nur im Lande selbst, gültig; das letztere gilt da, und zugleich in der ganzen Welt. Es ist begreiflich, dass man dasjenige, was für zweierlei Zwecke zu brauchen ist, und wodurch man sich für jedes mögliche Bedürfniss deckt, demjenigen vorziehen werde, das nur auf einerlei Weise brauchbar ist. So nicht in unserem Systeme. Das Landesgeld allein ist im Umlaufe, und neben ihm kein anderes. Es kann nicht verlieren gegen etwas, das gar nicht vorbanden ist, und nirgends mit ihm in Vergleichung und Collision kommt. Dann, was aus dem ersteren folgt, jene Geldarten beziehen sich doch immer auf baares Geld! und sollen irgend einmal und auf irgend eine Weise in baarem Gelde realisirt werden (so drückt man sich aus). Zwischen ihnen und der Waare liegt immer das baare Geld in der Mitte, und sie sind sonach in der That gar nicht Geld, unmittelbare, Zeichen der Waare, sondern nur Zeichen des Geldes; nicht Geld in der ersten, sondern nur in der zweiten Potenz, das nun selbst wieder repräsentirt werden kann, dass ein Geld in der dritten Potenz entstehe: und so ins Unendliche fort. So bleibt in allen diesen Systemen die erste falsche Voraussetzung, dass nur Gold und Silber das eigentliche wahre Geld sey, stehen. Von dem allgemeinen Glauben an die Möglichkeit und Leichtigkeit jener Realisation des Zeichengeldes in baarem Gelde hängt nun eben der Credit des ersteren ab. So nicht in unserem Systeme. Hier bezieht das Landesgeld sich auf gar kein anderes, und soll – ausser einem einzigen selten vorkommenden, und tiefer unten zu berührenden Falle – in kein anderes umgesetzt werden. Es bezieht sich unmittelbar auf Waare, und wird nur in dieser realisirt; es ist sonach wahres, unmittelbares, einziges Geld. In dem blossen Ausdrucke: «etwas in Gelde realisiren» liegt schon das ganze falsche System. In Gelde lässt sich nichts realisiren, denn das Geld selbst ist nichts reelles. Die Waare ist die wahre Realität, und in ihr wird das Geld realisirt.

Nur ein einziger wichtig scheinender Vorwurf könnte unserem Vorschlage gemacht werden; der folgende: Bisher sey das Geld-Eigenthum, die Quelle sowohl als das letzte Resultat alles anderen Eigenthums, von den Regierungen, welche hierüber so gut wie der geringste ihrer Unterthanen unter der allgemeinen Nothwendigkeit gestanden, unabhängig und durch die Uebereinstimmung beinahe des ganzen Menschengeschlechts verbürgt gewesen. Es habe in keiner Regierung Gewalt gestanden, zu machen, dass der Thaler, den einer besitzt, weniger gelte, als er nun eben gilt. Durch unser System, nach welchem es in der Gewalt jeder Regierung stehe, soviel Geld zu machen, als sie nur immer wolle, und die Regierenden des Zaums der Nothwendigkeit erledigt würden, werde sogar das Geldeigenthum der Bürger von der unbegrenzten Willkür ihrer Herrscher abhängig. Diese vermögen von nun an dem Geldbesitzer sein Eigenthum sogar aus dem verschlossenen Kasten zu rauben, indem sie durch unbegrenzte Vermehrung der circulirenden Geldmasse den Werth des Geldes gegen Waare ins unbegrenzte verringern. Es sey weder ein menschenfreundliches noch rechtliches Beginnen, die Regierungen auf dieses ihr Vermögen aufmerksam zu machen: und das erspriesslichste, was man wünschen könne, sey, dass alle diese Ideen als unausführbare und sachleere Träume verachten und verlachen, und nie irgend einer sich überzeugen möge, dass allerdings etwas an der Sache sey. – Zwar habe ich hinzugefügt, dass sie willkürliche Vermehrungen des Geldes zu ihrem Vortheil nicht vornehmen sollten, dass sie sich feierlich verbinden sollten, sie nicht vorzunehmen. Aber wer denn denjenigen, der alle Gewalt in den Händen hat, nöthigen könne, auch nur jene Verbindlichkeit zu übernehmen, oder sie zu halten, auch wenn er sie übernommen hätte; wer ihn bewachen könne, ob er sie halte, da er in aller Stille, ohne dass es jemand merkt, die circulirende Masse vermehren könne; wer ihn, wenn er es unmässig thut, und zuletzt der Ueberfluss allgemein merklich wird, zur Verantwortung ziehen und überweisen werde?

Ich antworte auf dieses alles: Die sicherste Bürgschaft gegen Gesetzwidrigkeiten und Uebertretungen aller Art ist die, dass kein Bedürfniss der Uebertretung eintrete, dass dieselbe dem Uebertreter keinen Vortheil bringe, dass sie ihm sogar sicheren Schaden und Nachtheil veranlasse. Ob eine willkürliche Vermehrung der circulirenden Geldmasse durch eine Regierung, die das aufgestellte System angenommen hätte, zu befürchten sey, hängt von der Beantwortung der Frage ab, ob in einer Verfassung, wie sie nach Einführung eines Landesgeldes und der völligen Schliessung des Handelsstaates nothwendig eintritt, irgend ein Fall vorkommen könne, in welchem die Regierung einer solchen Vermehrung bedürfe, in welchem sie Vortheile von ihr ziehe, in welcher sie etwas anderes, als Schaden und Nachtheil von ihr zu erwarten habe. Und diese Frage wird im Fortgange unserer Untersuchung sich von selbst beantworten.