Joseph von Eichendorff
1788 - 1857
Gedichte in zeitlicher Folge
1854
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Gruß.
Ueber Wipfel und SaatenIn den Glanz hinein –Wer mag sie errathen,Wer holte sie ein? –Gedanken sich wiegen,Die Nacht ist verschwiegen,Gedanken sind frei.“Es räth' es nur Eine,Wer an sie gedachtBeim Rauschen der Haine,Wenn niemand mehr wacht,Als die Wolken, die fliegen,Mein Lieb ist verschwiegenUnd schön wie die Nacht.“ –
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Reinschriftzusammenstellung von 1854 __________
Der verspätete Wandrer.
Wo aber werd' ich sein im künft'gen Lenze?So frug ich sonst wohl, wenn beim HüteschwingenIn's Thal wir ließen unser Lied erklingen,Denn jeder Wipfel bot mir frische Kränze.
Ich wußte nur, daß rings der Frühling gläntze,Daß nach dem Meer die Ströme leuchtend gingen,Vom fernen Wunderland die Vögel singen,Da hatt' das Morgenroth noch keine Gränze.
Jetzt aber wird's schon Abend, alle LiebenSind wandermüde längst zurückgeblieben,Die Nachtluft rauscht durch meine welken Kränze,
Und heimwärts rufen mich die Abendglocken,Und in der Einsamkeit frag' ich erschrocken:Wo werde ich wohl sein im künftgen Lenze?
Reinschriftzusammenstellung von 1854 __________
Nachts.
Wie rauscht so sachtDurch alle WipfelDie stille Nacht,Hat Thal u[nd] GipfelZur Ruh gebracht.Nur der Mensch in TräumenSinnt fort, was er bei Tag gedacht,Weiß nichts von dem Lied in den BäumenUnd von des Himmels Pracht,Der in den stillen RäumenUeber Allen wacht.* * *
Reinschriftzusammenstellung von 1854 |