Joseph von Eichendorff
1788 - 1857
Gedichte
1841
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v. Totenopfer.__________
Sonette.
iii.
Wenn Zwei geschieden sind von Herz und Munde,Da zieh'n Gedanken über Berg' und SchlüfteWie Tauben säuselnd durch die blauen Lüfte,Und tragen hin und wieder süsse Kunde.Ich schweif' umsonst, so weit der Erde Runde,Und stieg' ich hoch auch über alle Klüfte:Dein Haus ist höher noch als diese Lüfte,Da reicht kein Laut hin, noch zurück zum Grunde.Ja, seit Du todt – mit seinen blüh'nden BordenWich ringsumher das Leben mir zurücke,Ein weites Meer, wo keine Bahn zu finden.Doch ist Dein Bild zum Sterne mir geworden,Der nach der Heimath weist mit stillem Blicke,Daß fromm der Schiffer streite mit den Winden.
Sonett III: Entstanden um 1810, Erstdruck 1826 unter dem Titel «Angedenken», hier Fassung von 1826 __________
Nachruf an meinen Bruder.
Ach, daß auch wir schliefen!Die blühenden Tiefen,Die Ströme, die AuenSo heimlich aufschauen,Als ob sie all' riefen:Dein Liebchen ist todt!“Unter Rosen roth,Ach, daß wir auch schliefen!“Hast doch keine Schwingen,Durch Wolken zu dringen!Mußt immerfort schauenDie Ströme, die Auen –Die werden Dir singenVon ihr Tag und Nacht,Mit Wahnsinnes=MachtDie Seele umschlingen.“So singt, wie Syrenen,Von hellblauen, schönenVergangenen ZeitenDer Abend vom weiten,Versinkt dann im Tönen,Erst Busen dann Mund,Im blühenden Grund –O schweige, Syrene!
O wecke nicht wieder!Denn zaub'rische LiederGebunden hier träumenAuf Feldern und Bäumen,Und ziehen mich nieder,So müde vor Weh,Zu tiefstillem See –O weckt nicht die Lieder!Du kanntest die WellenDes Sees, sie schwellenIn magischen Ringen.Ein wehmüthig Singen,Tief unter den Quellen,Im Schlummer dort hältVerzaubert die Welt.Wohl kennst Du die Wellen! –Kühl wird's auf den Gängen,Vor alten GesängenMöcht's Herz mir zerspringen.So will ich denn singen!Schmerz fliegt ja auf KlängenZu himmlischer Lust,Und still wird die BrustAuf kühlgrünen Gängen.Laß fahren die Träume!Der Mond scheint durch Bäume,Die Wälder nur rauschen,Die Thäler still lauschen,Wie einsam die Räume!Ach, Niemand ist mein!Herz, wie so allein!Laß fahren die Träume!Der Herr wird Dich führen.Tief kann ich ja spürenDer Sterne still Walten.Der Erde GestaltenKaum hörbar sich rühren.Durch Nacht und durch GrausGen Morgen, nach Haus –Ja, Gott wird mich führen.
Entstanden 1814, Erstdruck 1818 unter dem Titel «Lied», 1826 unter dem Titel «Abendlandschaft», hier Fassung von 1826 __________
In der Fremde.
Aus der Heimath hinter den Blitzen rothDa kommen die Wolken her,Aber Vater und Mutter sind lange todt,Es kennt mich dort Keiner mehr.Wie bald, wie bald kommt die stille Zeit,Da ruhe ich auch, und über mirRauschet die schöne WaldeinsamkeitUnd Keiner mehr kennt mich auch hier.
Entstanden 1810/12, Erstdruck 1832 __________
Vesper.
Die Abendglocken klangenSchon durch das stille Thal,Da saßen wir zusammenDa droben wohl hundertmal.Und unten war's so stilleIm Lande weit und breit,Nur über uns die LindeRauscht' durch die Einsamkeit.Was gehn die Glocken heuteAls ob ich weinen müßt'?Die Glocken, die bedeuten,Daß meine Lieb' gestorben ist!Ich wollt, ich läg' begraben,Und über mir rauschte weitDie Linde jeden AbendVon der alten, schönen Zeit!
Erstdruck 1828 __________
Die Nachtigallen.
Möcht' wissen, was sie schlagenSo schön bei der Nacht,'S ist in der Welt ja doch Niemand,Der mit ihnen wacht.Und die Wolken, die reisen,Und das Land ist so blaß,Und die Nacht wandert leiseDurch den Wald über's Gras.Nacht, Wolken, wohin sie gehen,Ich weiß es recht gut,Liegt ein Grund hinter den Höhen,Wo meine Liebste jetzt ruht.Zieht der Einsiedel sein Glöcklein,Sie höret es nicht,Es fallen ihr die LöckleinUeber's ganze Gesicht.Und daß sie Niemand erschrecket,Der liebe Gott hat sie hierGanz mit Mondschein bedecket,Da träumt sie von mir.
Erstdruck 1839 |