Adolf von Düring
1880
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Die Canterbury-Erzählungen
Fragment VII
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Reimgedicht von Sire Thopas.Vers 711 - 916
Ihr Herren, hört mich gütigst an,Denn melden will ich verament,Euch einen lust'gen Spaß.Von einem braven Rittersmann,Der manchen Streit und Strauß gewann,Mit Namen Sire Thopas.Zur Welt kam er am fernen StrandJenseits des Meers im Flanderland, | |
720 | Die Stadt hieß Popering.Es war ein Mann von freiem StandSein Vater, der aus Gottes HandDie Herrschaft dort empfing.Sire Thopas war ein tapfrer Wicht,Wie Franzbrod weiß war sein Gesicht,Und scharlachroth sein Blut;Und rosig war – ich lüge nicht –Sein Mund, und war die Nase schlicht,So stand sie ihm doch gut. |
730 | Von Corduan sein Schuhwerk warUnd saffrangelb hing Bart und HaarBis auf den Gurt ihm kraus.Aus Brügge kam sein Hosenpaar,Für seinen Goldrock gab er baarViel Genueser aus.Das wilde Reh zu jagen, strichUnd auf der Falkenbeize schlichEr überall umher.Als Bogenschütz ihm keiner glich, |
740 | Bei jedem Ringkampf, sicherlich,Gewann den Hammel er.Nach ihm hat manche schöne Maid,Anstatt zu schlafen, voller LeidAus par amour gegirrt.Doch glich an süßer ZüchtigkeitDem Blümchen er, das mit der ZeitZur Hagebutte wird.Erzählen will ich Euch nunmehr,Wie eines Tags von ungefähr |
750 | Sire Thopas stieg zu Pferd.Auf seinem grauen Hengst ritt er,Und trug in seiner Hand den SpeerUnd in dem Gurt das Schwert.So ritt durch einen Wald er fort– Viel wilde Thiere gab es dort,Ja, Hasen gab's und Reh' –.Er ritt nach Ost, er ritt nach NordUnd ihm passirte – auf mein Wort! –Beinah' ein großes Weh. |
760 | Dort wuchsen Kräuter groß und kleinBei Baldrian und NägeleinUnd Süßholz und Muskat,Von dem die Nuß ins Bier hinein– Mag's frisch, mag's abgestanden sein –Ich Euch zu werfen rath'.Dort tönte lust'ger Vögel Sang;Es pfiff den ganzen Tag entlangDer Specht, sowie der Fink,Die Melodie der Drossel klang, |
770 | Von Ast zu Ast sich gurrend schwangDie Turteltaube flink.Und als der Drossel Lied erschollWard windelweich und liebevollEs Sire Thopas zu Muth.Er stachelte sein Roß wie toll,Und von den Flanken rieselnd quollDem Gaule Schweiß und Blut.Doch müde ward Sire Thopas bald,Zu reiten durch den grünen Wald |
780 | Mit solchem Ungestüm.An einem Platze macht' er Halt,Und als sein Roß er angeschnallt,Gab er auch Futter ihm.Heil'ge Maria, ach, erbarm'Dich meiner in dem Liebesharm,Der mich bedrängt so schwer.Ich träumte Nachts, ich hielte warmDie Elfenkönigin im Arm,Und daß mein Schatz sie wär'.“ |
790 | Es ist die Elfenkönigin,Der ich in Lieb' ergeben bin.Auf keine andre lenk' ich hin – die Wahl,Kein Weib im Land begehrt mein Sinn,Nur nach der ElfenköniginDurchreit' ich Berg und Thal.“Dann stieg zu Roß und jagte keckEr wieder durch Morast und Dreck,Und suchte zu erspähnDer Elfenkönigin Versteck, |
800 | Und kam nach langem Ritt zum ZweckUnd fand das Land der Fee'n.Dort war er nun nach Nord und SüdMit seinem Mund zu spähn bemühtIn manchen wilden Wald.Doch Keinen fand er; denn es miedSo Weib wie Kind in dem GebietAus Furcht den Aufenthalt.Bis er vor einem Riesen stand;Es nannte sich Sire Olephant, |
810 | Der Wütherich und sprach:Räumst Du mein Reich nicht, junger Fant,Ist's um Dein Roß – bei Termagant! –Durch einen Keulenschlag – geschehn;Bei Harfenspiel und SymphonieUnd Pfeifenklängen wohnt allhieDie Königin der Feen.“Sire Thopas sprach: Mit Schild und WehrKomm' morgen früh ich wieder herZum Kampfe, meiner Treu'! |
820 | Und, par ma foi, ich hoffe sehrDu fühlst durch meinen lust'gen SpeerNoch bitterliche Reu. – Den BauchDurchstech' ich Dir, wenn mir's gelingt,Und mache Dich, eh' Abend sinkt,Zu meinem Sclaven auch.“Sire Thopas eilte rasch zurück.Ihm schleuderte manch FelsenstückDer Riese hinterdrein.Sire Thopas aber mied mit Glück, |
830 | Durch Gottes Huld und sein Geschick,Vorsichtig jeden Stein.Doch hört, Ihr Herr'n, denn mehr ergötztAls Nachtigallensang Euch jetztGanz sicherlich mein Reim.Sire Thopas spornt den Gaul und hetztDurch Berg und Thal, bis er zuletztGelangte wieder heim.Die Sänger rief er dann herbei,Damit er aufgeheitert sei, |
840 | Bekämpf' er im TurnierDen Riesen mit den Köpfen dreiAus par amour und nebenbeiDer Dame zum Pläsir.Ihr Sänger,“ – sprach er – seid bereitUnd singt, zu kürzen mir die Zeit,Umgürt' ich mich mit Stahl,Romanzen voller LiebesleidUnd Lieder voller HerrlichkeitVon Papst und Cardinal.“ |
850 | Die Becher trugen sie hinein,Sie holten Meth, sie brachten WeinUnd Backwerk allerhand,Wie Honigbrod voll Spezerei'n,Süßholz und Kümmel und sehr feinGestoßnen Zuckerkand.Er kleidete mit eigner HandDen Leib in feinste Leinewand,Und Arm und Beine steckt'In Wamms und Hosen er und band |
860 | Den Harnisch über sein Gewand,Damit die Brust gedeckt.Ein Panzerhemd er drüber that,Das aus dem stärksten EisendrahtVon Judenhand gemacht.Zum Schmucke zog er fernerweitEin lilienweißes WappenkleidDarüber für die Schlacht.Im Schilde, das wie Gold so roth,Mit Augen von Karfunkeln droht |
870 | Ein Eberkopf voll Groll.Er schwur bei Bier, er schwur bei Brod,Den Riesen schlüg' er sicher todt,Es komme, was da woll'!Es war gemacht sein StiefelpaarAus cuirbouly, aus Messing warSein Helm; aus ElfenbeinDes Schwertes Scheide, und fürwahrSein Fischbein-Sattel glänzte klar,Wie Mond und Sonnenschein. |
880 | Sein Speer, ganz haarscharf zugespitztUnd aus Cypressenholz geschnitzt,Statt Frieden Krieg versprach.Sein Roß war apfelgrau und gingAuf seinem Wege sanft und flinkIm Trabe wohlgemach – einher.Und hiermit schließt mein erster Sang,Doch dünkt's Euch Herren nicht zu lang,Erzähl' ich Euch noch mehr.Par charité! nicht länger plauscht, |
890 | Ihr Herr'n und Damen, hört und lauschtJetzt sämmtlich auf mein Wort.Von Schlachten und von Rittersinn,Von Galant'rie und Weiberminn'Bericht' ich Euch sofort.Sprecht von Romanzen Ihr, gewißErwähnt Ihr Hornchild, Ipotis,Sire Libeux, Pleindamour,Sire Guy, Sire Bevis; doch die Blum',Der Stolz, die Zier vom Ritterthum, |
900 | Das ist Sire Thopas nur.Er schwang sich auf sein gutes RoßUnd eilends er von hinnen schoßWie Funken aus dem Schlot.Sein Helmschmuck war und WappenknaufEin Thurm mit einer Lilie drauf.– Beschütz' ihn Gott in Noth! –Da er auf Abenteuer ausGezogen war, schlief statt im HausEr stets im Mantel nur. |
910 | Sein Kopfpfühl war sein Helm. Sein RoßStand ihm zur Seite und genoßDie Kräuter auf der Flur.Er selbst trank Wasser aus dem Quell,Wie einst der Ritter Percivell,Der Ehrenmann, gethan;Bis eines Tags – – – |