Adolf von Düring
1880
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Die Canterbury-Erzählungen
Fragment I
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Die Erzählung des Ritters.Vers 861 - 3110
Iamque domos patrias, Scithice postaspera gentis prelia, laurigero, etc.Und schon [kehrte Theseus] zu den väterlichen Häusern [zurück], nach heftigen Schlachten gegen das skythische Volk auf lorbeerbekränztem [Wagen], usw. (Statius, Thebais, vv. 519/520) Wie aus Historienbüchern zu ersehn,War einst ein Herr und Herzog in Athen,Der Theseus hieß. Ihm glich zu seiner ZeitKein Sieger und Eroberer, so weitDie Sonne scheint, an Größe und an Ruhm.Er unterwarf manch reiches Fürstenthum.Durch Tapferkeit und Klugheit überwandEr Scythia, das AmazonenlandUnd er erkor zur Gattin sich zugleich | |
870 | Hippolyta, die Königin vom ReichUnd zog mit ihr und ihrem SchwesterleinEmilia in seine Heimath ein.In feierlichem Zug voll Glanz und Pracht,Umgeben von der ganzen Heeresmacht,Mit Siegesliedern, JubelmelodienMag nach Athen der würd'ge Herzog ziehn.Doch, wahrlich, wär' es kürzer einzurichten,Möcht' ich den ganzen Hergang Euch berichten,Wie Herzog Theseus' ritterliche Hand |
880 | Das Reich der Weiber siegreich überwand,Wie die Athener in den Kämpfen siegten,Als sie die Amazonenschaar bekriegten,Und wie die Königin von Scythia,Die schöne, kräftige HippolytaBelagert ward, wie ihrer Hochzeit Weise,Ihr Tempelgang und ihre Heimwärtsreise.Doch muß ich leider wohl darauf verzichten.Groß ist – weiß Gott – mein Feld, doch stark mit NichtenSind meine Stiere, die ich vor dem Pflug; |
890 | Und der Geschichte Rest ist lang genug.Ich möchte Keinem gern im Wege stehn;Laßt Jedermann erzählen und uns sehn,Wer sich den Abendschmaus gewinnen kann?Drum, wo ich abbrach, heb' ich wieder an.Als der erwähnte Herzog nun nicht weitMehr von der Stadt, zu der in HerrlichkeitUnd großer Pracht er auf der Reise rückte,Sah er die Straße, als er um sich blickte,Mit einer Schaar von Weibern angefüllt, |
900 | Die niederknieten, ganz in Schwarz gehüllt,In einer langen Reihe, zwei bei zwei;Und so erbärmlich klang ihr Wehgeschrei,Daß wohl im Leben auf der Erde FlurSolch Jammern hörte keine Creatur;Nicht früher ließen sie ihr Schreien enden,Bis seines Rosses Zügel sie in Händen.Was Volk seid Ihr, hier vor mir zu erscheinen,Daß meiner Heimkehr Fest mit Eurem WeinenIhr stört?“ – sprach Theseus – seid Ihr so voll Neid |
910 | Ob meiner Ehre, daß ihr klagt und schreit?Doch seid gekränkt Ihr, hat man Euch mißhandelt,Daß Ihr in schwarzer Trauerkleidung wandelt,So sagt mir an, wie ich Euch helfen kann?“Die älteste der Frauen sprach sodann,Der Ohnmacht nah', mit blassem Angesicht– Ein trüber Schauspiel gab es wahrlich nicht –Und sagte: Herr! begünstigt durch das Glück,Kehrt siegreich als Erobrer Ihr zurück!Statt Eures Ruhmes Glorie zu beneiden, |
920 | Flehn hülfesuchend wir in unsern Leiden.Laßt gnadenvoll aus Eurem edlen HerzenNur einen Tropfen Mitleid auf die SchmerzenDer jammervollen Weiber niederfallen;Denn sicher, Herr, ist keine von uns allen,Die nicht von Königen und Fürsten stammt,Doch, wie Ihr seht, sind elend allesammt.Denn hoher Stand oft kurze Dauer hat,So lenkt's Fortuna und ihr falsches Rad!Wir haben, Herr, auf Eure Gegenwart |
930 | In der Clementia Tempel schon geharrtSeit vierzehn Tagen, unser Flehn zu sendenEmpor zu Euch. – Ihr habt die Macht in Händen!Ich selbst, ein elend, klagend Weib, war sonstDes Kapaneus, des Königs, Eh'gesponst,Der seinen Tod vor Theben fand. – Dem TageSei ewig Fluch! – Und alle, deren KlageAus Trauerhüllen dringt zu Euren Ohren,Haben die Gatten vor der Stadt verloren,Als unser Heer vor ihren Wällen lag. |
940 | Der alte Kreon aber – Weh' und Ach! –Der dort regiert, beschloß aus Haß und WuthDen schändlichen TyrannenübermuthAn den entseelten Körpern selbst zu kühlenVon unsern Männern, die im Kampfe fielen.Auf einen Haufen schleppt' er ihre LeichenUnd ist auf keine Weise zu erweichen,Sie zu verbrennen oder zu bestatten,Und die Gebeine der erschlag'nen GattenDienen zum Futter jetzt für seine Hunde!“ |
950 | Bei diesem Worte scholl aus Aller MundeEin kläglich Schrei'n: O, öffnet in ErbarmenDas Herz der Noth und Sorge von uns Armen!“So schrieen sie und warfen sich zur Erde.Der edle Herzog sprang sogleich vom Pferde,Denn durch die Worte, die zu ihm gesprochen,War schier sein mitleidsvolles Herz gebrochen.Im Innersten bewegt durch die BeschwerdenVon denen, die einst hochgestellt auf Erden,Hob er mit eigner Hand sie auf sofort, |
960 | Und freundlich sprach er manches Trosteswort.Als treuer Ritter band durch einen SchwurEr sich, zu thun, was irgend möglich nur,Um des Tyrannen Kreons Macht zu brechen.Das ganze Volk der Griechen solle sprechenDavon noch lange, wie durch Theseus HandKreon den Tod, den er verdiente, fand.Und ohne länger sich dann aufzuhalten,Ließ fördersamst die Banner er entfaltenZum Vorwärtsmarsche für das ganze Heer. |
970 | – Nicht nach Athen zog es ihn länger mehr. –Kaum einen halben Tag genoß er Ruh',Dann ritt zur Nachtzeit er auf Theben zu.Sein Weib, die Königin der Amazonen,Hippolyta ließ er inzwischen wohnenMit ihrer jungen Schwester in Athen,Um – wie gesagt – gleich in den Kampf zu gehn.Im weißen Banner schien mit Speer und SchildVom Kriegsgott Mars das blutigrothe BildUnd leuchtete mit hellem Glanz ins Weite. |
980 | Aus reinem Gold gefertigt, ihm zur SeiteRagte die Fahne, die das Bildniß trug,Wie Theseus Kretas Minotaur erschlug.So ritt der Herzog, so der kühne Sieger,Umgeben von der Blüthe seiner Krieger,Auf Theben zu, bis endlich Halt er machteAuf einem Feld, wo er zu kämpfen dachte.Um nun ganz kurz den Thatbericht zu geben:Mit Kreon, welcher König war in Theben,Focht er, und ritterlich in offner Schlacht |
990 | Erschlug er ihn und trieb die HeeresmachtZu Paaren, nahm die Stadt darauf mit Sturm,Und gleich der Erde macht' er Wall und Thurm,Und an die Frau'n ließ er zurückerstattenDie todten Körper der erschlagnen Gatten,Sie beizusetzen nach des Landes Brauch.Doch allzulange währt' es, spräch' ich auchVon allem Jammer und von allem FlennenDer armen Weiber während dem Verbrennen,Und wie, mit Ehren und mit vielen Gnaden |
1000 | Vom edlen Herzog Theseus überladen,Sie endlich schieden und von dannen gingen;– Denn kurz zu sein, ziemt mir vor allen Dingen. –Der edle Herzog, der mit starker HandKreon erschlug und Theben überwandUnd alles Land zu eigen sich gemacht,Nahm auf dem Schlachtfeld Ruhe für die Nacht.Nun machten sich die Plündrer viel zu schaffen,Um reiche Beute, Rüstungen und WaffenErschlagner Feindesleichen heimzutragen |
1010 | Vom Kampfplatz, wo sie haufenweise lagen.Und so geschah's, daß hierbei aufgefundenZwei junge Ritter wurden, die, durch WundenArg zugerichtet, scheinbar als erschlagen,Im reichen Waffenschmuck beisammen lagen,Von denen Palamon der eine hieß,Arcit der andre; wie sich bald erwies,Obwohl sie todt mehr als lebendig schienen,Aus ihren Rüstungen; sowie von ihnenUnd ihrer Herkunft Herolden nicht minder |
1020 | Bekannt war, daß sie als GeschwisterkinderEntsprungen Thebens königlichem Haus.Als aus dem Leichenhaufen sie herausDie Plünderer gezogen, brachte manSie in das Zelt des Theseus, der sodannSie nach Athen zu ew'ger Haft verwiesUnd für kein Lösegeld daraus entließ.Und heimwärts zog, nachdem er dies vollbracht,Der würd'ge Herzog mit der Heeresmacht,Bekränzt als Sieger mit dem Lorbeerzweige. |
1030 | Geehrt und fröhlich bis zur LebensneigeVerblieb er dort. – Was braucht's der Worte mehr?In einem Thurme lagen sorgenschwerStets noch Arcit und Palamon gefangen,Da für kein Gold die Freiheit zu erlangen.Tag rollt auf Tag und Jahr auf Jahr vorbei,Bis es geschah, daß einst im Monat MaiIn früher Morgenstunde schon Emilie,Weit schöner als am grünen Schaft die LilieUnd frischer als des Maies Blüthenprangen |
1040 | – Denn ob die Rose oder ihre WangenVon zarterm Roth, war schwerlich zu entscheiden –Vom Lager aufstand, um sich anzukleiden,Wie früh am Morgen sie gewohnt zu thun.Die Schläfer läßt der Mai nicht lange ruhn,Der so die Herzen prickelt und belebt,Daß rasch vom Lager jeder sich erhebt.Steh' auf“ – ruft Mai – und huld'ge meiner Macht!“Drum war Emilie zeitig aufgewacht,Damit auch sie den Mai in Ehren halte. |
1050 | Frisch war ihr Kleid; in reichen Flechten wallteIhr um die Schultern das goldgelbe Haar,Das ellenlang – nach meiner Schätzung – war.Als ihren Lauf die Sonne dann begann,Trat sie im Garten ihre Wandrung an,Wo sie sich weiß' und bunte Blumen pflückte,Zum Kranz sie wand, mit ihm die Stirne schmückte,Und dabei himmlisch wie ein Engel sang.Der dicke, große Thurm, in dem schon langGefangen die besagten Ritter lagen |
1060 | – Von denen auch noch ferner viel zu sagen –Die stärkste von des Schlosses Kerkerwarten,Lag an dem Wall von eben jenem Garten,In dem ihr Spiel Emilie fröhlich trieb.Bei Sonnenschein und Morgenfrische bliebAuch der gefangne Palamon nicht langIm Bett, und den gewohnten Morgengang,Zu dem sein Wärter ihm Erlaubniß gab,Nahm er im höchsten Stock, von dem herabZur Stadt er und zum Grün des Gartens sah, |
1070 | In dem das schöne Kind Emilia,Lustwandeln ging, sich tummelnd hin und her.Und Palamon, gefangen, sorgenschwer,Ging seufzend auf und ab in seiner Kammer,Sich oft beklagend, daß zu solchem JammerGeboren ihn das neidische Geschick.Und so geschah's – sei's Zufall oder Glück –Daß seine Augen durch die dicken SparrenVon seines Fensters mächt'gen EisenbarrenGrad' auf Emilie fielen. – Zitternd, bleich, |
1080 | Zusammenzuckend, schreit empor er gleich,Als ob er durch das Herz gestochen sei. –Auf sprang Arcit sofort bei diesem SchreiUnd sprach: Was, theurer Vetter, ist geschehn,Daß todtenblaß Du plötzlich anzusehn,Was hat man Dir gethan, was soll die Klage?Um Gottes Willen mit Geduld ertrage,Was abzuändern unsrer Macht entgeht.Fortuna hat den Rücken uns gedreht!Wenn unheilvoll durch die Constellation |
1090 | Saturns uns die Aspecten einmal drohn,So bleibt vergebens das Geschick beschworen;Denn, wie der Himmel stand, als wir geboren,So müssen wir's ertragen – das ist klar!“Des Palamons Erwiedrung aber war:Bei Deiner Ansicht, die Du mitgetheilt,Hat Deine Phantasie sich übereilt.Nicht schrie ich, Vetter, weil wir hier gefangen;Ich ward verwundet, und die Schmerzen drangenDurchs Auge mir ins Herz. Auf immerfort |
1100 | Bannt mich die Schönheit einer Frau, die dortLustwandelnd sich ergeht im Gartengrün.Das war der Grund, weßhalb ich aufgeschrien.War Weib sie, war vom Himmel sie geschickt?Mich dünkt, die Venus selbst hab' ich erblickt!“Und dabei sank er auf die Kniee hinUnd sprach: Venus, wenn ich gewürdigt bin,Daß Du mir Armen, welchen Kummer beugt,Dich hier in irdischer Gestalt gezeigt,So hilf uns zu entrinnen unsrer Haft! |
1110 | Doch ist's bestimmt, daß in GefangenschaftWir durchaus sterben sollen, dann gewähreDein Mitleid unserm Stamme, dessen EhreDurch Tyrannei zu tiefem Fall gebracht!“Nach dieser Rede war Arcit bedacht,Auch seinerseits die Dame zu erspähen;Doch augenblicklich, als er sie gesehen,War – wenn schon Palamon verwundet schwer –Arcit es ebenmäßig oder mehr.Und jämmerlich fing er zu seufzen an: |
1120 | Die holde Schönheit hat mir's angethan,Die ich erblickt auf jenem Gartenpfade.Erring' ich mir nicht ihre Gunst und GnadeBleibt mir versagt, sie mindestens zu sehn,Ist es um mich – das fühl' ich – auch geschehn.“Als kaum die Worte Palamon gehört,Frug er verächtlich blickend und verstört:Ob's Ernst, ob's Scherz ihm mit der Rede wäre?Nein“ – sprach Arcit – vollkommen Ernst – auf Ehre!Zu Scherzen bin – weiß Gott – ich nicht gestimmt.“ |
1130 | Und Palamon versetzte drauf, ergrimmtDie Brauen faltend: Nicht von Ehre sprich,Wenn falsch Du und Verräther gegen mich,Den Vetter und den Bruder Deiner Wahl!Wir schwuren uns bei der Verdammung Qual,Es solle gegenseitig von uns beidenEiner dem andern bis zum TodesscheidenIn keiner Art und – lieber Bruder mein –Auch in der Liebe nicht im Wege sein.Daß Du zu meiner Hülfe stets bereit, |
1140 | Wie ich zu Deiner – dieses war Dein Eid,So sicherlich wie es der meine war.Du kannst nicht widersprechen. OffenbarMußt Du, wie ich, in dieser Sache denken;Drum Falschheit ist's, Dein Lieben hinzulenkenZur Dame, die ich liebe, die ich auchStets lieben werde bis zum letzten Hauch!Doch nie, Arcit, soll es Dein falsches Herz!Ich liebte sie zuerst, und meinen SchmerzHab' ich als Bruder Dir und Freund geklagt, |
1150 | Mir hülfreich beizustehn; denn – wie gesagt –Dich bindet Eid, Dich bindet Ritterpflicht,Daß Du mir Hülfe leihst; und thust Du's nicht,Bist Du – frei sag' ich's – deines Eids vergessen.“Ihm stolz erwiedernd, sprach Arcit indessen:Wenn Du mich falsch nennst, ist es leider schade,Daß falsch Du selbst bist in weit höherm Grade,Denn – par amour! – wer liebte sie zuerst,Ich oder Du, daß Du Dich so beschwerst?Du wußtest nicht, ob Weib, ob Göttin sie; |
1160 | Dein Herz bewegte heil'ge Sympathie,Doch irdischer ist meiner Liebe Feuer;Und so geschah's, daß ich mein AbenteuerAls Vetter und als Bruder Dir enthüllte.Gesetzt, daß Liebe Dich zuerst erfüllte,So weißt Du's doch, daß Weise längst verkündet,Daß in der Liebe kein Gebot uns bindet;Und ob der klügste Mann Gesetze schriebe,Bei meinem Kopf! das höchste bleibt die Liebe,Und giebt uns positives Recht, Versprechen |
1170 | Um ihretwillen jederzeit zu brechen!Verstand verstummt, sobald die Liebe spricht!Ob uns der Tod droht, wir entfliehn ihr nicht– Mag sie nun Weib sein, Wittwe oder Maid. –Für mich wie Dich gibt's keine Möglichkeit,Uns ihre Gunst im Leben zu erringen,Denn unsres – weißt Du – müssen wir verbringenIn Kerkerhaft, aus der in EwigkeitNicht mich noch Dich ein Lösegeld befreit.Wir streiten, gleich zwei Hunden, um das Bein. |
1180 | Sie fochten, jeder wollte Sieger sein;Da kam ein Habicht, der sie ausgewittert,Und stahl den Knochen, der sie so erbittert.Und, Bruder, sieh' den Hof des Königs an!Da steht auch Jeder seinen eignen Mann.Lieb', wen Du willst; ich will das Gleiche thun,Und damit, Bruder, laß die Sache ruhn.So lang in Kerkermauern wir begraben,Mag jeder auch sein Abenteuer haben.“Wie lang und scharf gewährt der Beiden Streit, |
1190 | Würd' ich berichten, hätt' ich nur die Zeit.Jedoch zur Sache! – Kurz, wie ich's vermag,Sei es erzählt. Es kam an einem TagEin würd'ger Fürst, Pirithous genannt,Zu Theseus nach Athen, wo er das BandDer alten Freundschaft mit dem Spielgenossen,Das sie in frühster Kinderzeit geschlossen,Erneuerte, und froh mit ihm verkehrte,Den auf der Welt er über Alles ehrte,Von dem geehrt er über Alles war. |
1200 | Der Beiden Liebe macht die Sage klar,Daß nach dem Tod des Einen in der HölleDen Freund besucht der lebende Geselle.– Was ich Euch hier nicht lang berichten mag. –Pirithous, der schon seit Jahr und TagIn Theben Neigung für Arcit empfand,Hatte bei Theseus sich für ihn verwandtUnd durch sein Bitten ihm Pardon verschafft,Daß ohne Lösegeld aus seiner HaftEr unbeschränkt, wohin er wolle, ginge, |
1210 | Jedoch nur unter folgendem Bedinge:Mit dem Arcit kam Theseus überein,Es solle künftig so gehalten sein,Daß, wenn in seinem Leben je ArcitBetroffen würde wieder im GebietDes Herzog Theseus und zur Haft gebracht,Sei es am Tage, sei es in der Nacht,Sein Kopf sofort verfallen sei dem Schwerte.Dagegen half kein Rath. – Entlassen, kehrteDarum Arcit zurück zum Heimathlande. |
1220 | – Er wahre sich! es steht sein Kopf zum Pfande! –Wie wird Arcit nunmehr gequält von SchmerzenUnd welche Todesqual trägt er im Herzen?!Er weint und klagt und sinnt, mit eignen HändenDie Leiden seines Lebens zu beenden.Unsel'ger Tag“ – sprach er – der mich gebar!Wenn Fegefeuer schon mein Kerker war,Ist gegenwärtig mein Geschick noch schlimmer,Denn in die Hölle bannt es mich für immer!Hätt' ich Pirithous doch nie gekannt; |
1230 | Dann hielte mich noch Herzog Theseus' HandIn ewiger Gefangenschaft zurück!Hier bin ich elend, dort war ich im Glück!Wenn ich nur sie, die hoch mein Herz verehrt– Wird ihre Gunst auch niemals mir bescheert –Erblicken könnte, wär' ich hoch zufrieden!Ach!“ – rief er aus – Dir ist der Sieg beschieden,Mein Vetter Palamon, in diesem Streit!Du bliebst im Kerker voller Seligkeit;Im Kerker? Nein! Fürwahr, ein Paradies |
1240 | Fortunas Würfel Dich gewinnen ließ!Du bist ihr nah', ich bin auf ewig weit,Dir bleibt ihr Anblick und die Möglichkeit,Daß – weil Du so gewandt wie tapfer bist,Und wandelbar Fortunas Wesen ist –Du mit der Zeit noch deinen Wunsch erlangst.Ich bin verbannt! In hoffnungsloser AngstBleibt mir beständige Verzweiflung nur.Hienieden gibt es keine CreaturIm Feuer, Wasser, in der Luft, auf Erden, |
1250 | Ein Tröster und ein Helfer mir zu werden!O, wär' ich todt! Mir bleibt kein Hoffnungsschimmer,Lust, Leben, Freude lebet wohl für immer!Warum beklagt der Mensch sich des Geschicks,Das Gottes Allmacht, oder Spiel des GlücksIn weiserm Walten über ihn verhängte,Als wenn er selbst des Lebens Steuer lenkte?Der Eine strebt nach Reichthum, und verdorrtIn langem Siechthum, oder stirbt durch Mord;Ein Anderer durchbricht des Kerkers Wände, |
1260 | Den Tod zu finden durch der Seinen Hände.Wir wissen nicht, wie oft in diesen DingenEndlosen Harm die eignen Wünsche bringen.Wir taumeln, wie ein schwer betrunkner Mann,Der zwar sein Haus kennt, doch nicht finden kannDen Weg, der ihn zu seiner Wohnung leitet,Und auf dem Pfade sinnlos schwankt und gleitet.So fahren wir umher in unserm Leben!Die Seligkeit, nach der wir eifrig streben,Sich oftmals als das Gegentheil erweist; |
1270 | Das wissen Alle – und ich selbst zumeist,Der ich in hoffnungsvollem Wahn gestanden,Es werde, frei von meinen Kerkerbanden,Nur Lust und Wohlsein fürder mir zu Theil.Und jetzt bin ich verbannt von meinem Heil,Da, wenn ich Dich, Emilie, nicht mehr sehe,Allein der Tod nur enden kann mein Wehe!“Ganz anders war des Palamons Gebahren,Als des Arcit Befreiung er erfahren.Sein Wehgeschrei und seine Klagen schallten, |
1280 | Daß laut des Thurmes Mauern widerhallten;Und auf die Fesseln, welche seine GliederUmschlossen, fielen bittre Thränen nieder.Arcit, mein Vetter!“ – hub er an zu sprechen –Nun kannst – weiß Gott – des Kampfes Frucht Du brechen!Du wanderst jetzt in Theben frei umher,Und kaum gedenkst Du meiner Leiden mehr;Du bist voll Weisheit und voll Männlichkeit,Und kannst des Hauses Mannen leicht zum StreitJetzt um Dich schaaren, in dies Land zu dringen; |
1290 | Es kann durch Glück Dir, durch Vertrag gelingen,Zum Weibe die Geliebte zu erwerben;Ich aber muß vor Jammer um sie sterben.Da Du aus der Gefangenschaft entlassen,Vermagst Du jeden Vortheil zu erfassen.Du bist Dein eigner Herr und darum stärkerAls ich, der hier verschmachten muß im Kerker,Um lebenslänglich unter JammerklagenDie Leiden der Gefangenschaft zu tragen;Und doppelt macht die Liebespein mein Herz |
1300 | Empfinden alle Qualen, jeden Schmerz.“Empor flammt Eifersucht, wie Feuersgluth,In seiner Brust. Wie rasend schoß das BlutIhm nach dem Herzen und ließ die GestaltWie Buchsbaum blaß, wie Asche todt und kalt.Grausame Göttin, deren Wort die Welt“– So rief er aus – in ew'gen Banden hält,Die Du auf Demanttafeln Dein BeliebenAls ew'ge Richtschnur für die Welt geschrieben,In Deinen Augen gelten Menschen kaum |
1310 | Soviel wie Schafe in der Hürde Raum;Und wie ein Vieh auch wird der Mensch erschlagen,Muß Kerkerhaft und Sclavenfesseln tragen,Krankheit und Wiederwärtigkeit erdulden,Und oft – bei Gott! – ganz ohne sein Verschulden!Heißt das Regierung, wenn, vorauserwählt,Die fleckenlose Unschuld wird gequält?!Und nicht genug damit! zu größrer QualSind wir verpflichtet gar aus freier WahlDen Sinn zu beugen unter Gottes Willen, |
1320 | Wenn frei die Lust ein jedes Thier mag stillen.Ein Vieh, das stirbt, ist ledig seiner Plagen,Ein todter Mensch muß heulen noch und klagen,Als ob nicht jammervoll genug die Welt!Doch ohne Zweifel, so ist es bestellt!Wer kann uns Antwort auf die Frage geben?Eins ist gewiß: das größte Leid ist Leben!Ach! Räuber und Reptile sehen wir,Die guten Menschen stets geschadet, hierGanz frei und ungestört ihr Wesen treiben; |
1330 | Mich aber ließ in Kerkerbanden bleibenSaturnus, und mit eifersücht'ger WuthZerstörte Juno Thebens bestes BlutUnd stürzte seine weiten Wälle nieder,Indeß mich Venus vor Arcit hinwiederMit eifersüchtiger Befürchtung schlug!“Nun sprachen wir von Palamon genug,Und wollen ihn in seinem Kerker lassen,Um mit Arcit uns wieder zu befassen.Der Sommerfloh. – In langer Winternacht |
1340 | Ward doppelmächtig beider Schmerz entfacht.Ich weiß es nicht, wer litt vom Unglück stärker,Der Mann der Liebe oder der im Kerker?Denn – kurz – war's ewig Palamons Verhängniß,Daß, festgekettet, er in dem GefängnißVerbleiben müßte bis zum Lebensziel,So war Arcit für immer im Exil,Beraubt, da Tod ihm jede Rückkehr war,Auch ihres Anblicks nun und immerdar.Ihr Liebenden, Euch stell' ich nun die Frage, |
1350 | Ob Palamon das schlimmere Loos ertrage,Der, zwar gefangen, dennoch Tag für TagDie Dame seines Herzens sehen mag,Ob es Arcit, der, zwar ein freier Mann,Doch die Geliebte nie erblicken kann.Wie's Euch am besten zusagt, mögt Ihr wählen,Mich aber drängt es, weiter zu erzählen.[Hier endet der erste Teilund der zweite folgt.]
In Theben angelangt, wird krank und schwach
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1360 | Nie mehr erfreun. Zu solchem MißgeschickWar – um es kurz zu enden – nie ein WesenUnd wird auf Weltendauer nie erlesen.Es war ihm Hunger, Durst und Schlaf vergangen;Mit hohlen Augen und mit fahlen Wangen,Dürr wie ein Stock, von Ansehn aschenbleich,Erregte Schreck und Mitleid er zugleich.Und einsam war er, immerfort allein;Und nächtelang schrie er in seiner Pein,Aus seinen Augen Thränenströme drangen |
1370 | Wenn Lieder tönten, Instrumente klangen.Aus seiner Brust war aller Muth entflohn,Und so verändert klang der Stimme Ton,Daß sie kaum wieder zu erkennen war.Sein ganzes Wesen wies es offenbar,Daß er den Zustand nicht allein verdankeDen Pfeilen Eros' – nein – an Wahnsinn kranke,Und daß die Säfte der MelancholieIm Hirn getrübt den Sitz der Phantasie.Kurz – ganz verdreht war er durch Liebesleid |
1380 | An Wesen und Gemüthsbeschaffenheit.Doch soll ich von den Schmerzen, die ihn quälen,Den lieben, langen Tag hindurch erzählen?Als er ein bis zwei Jahre so geplagtVon Leid und Kummer – wie ich schon gesagt –In seiner Heimath Theben zugebracht,Sah vor sich stehn im Schlaf er in der Nacht– Wie es ihm schien – den Flügelgott Merkur,Der ihm Geheiß gab, Muth zu fassen nur!In seiner Hand die goldne Schlummerruthe, |
1390 | Sein strahlend Haar bedeckt mit einem Hute,Erschien in selber Bildung er und Tracht,Als er dem Argus Schlaf und Tod gebracht;Und sprach zu ihm: Hin nach Athen Dich wende,Dort geht für Dich Dein Liebesschmerz zu Ende!“Bei diesen Worten fuhr Arcit empor.Fürwahr, steht auch das Schlimmste mir bevor,So geh' ich“ – rief er – dennoch nach Athen,Dem Tode trotz' ich, gilt es die zu sehn,Der ich in treuem Liebesdienst ergeben. |
1400 | Bin ich ihr nah', was gilt mir dann mein Leben!“Zum großen Spiegel griff er bei dem Wort,Und da die Blüthe seiner Wangen fortUnd er sein Antlitz ganz verändert sah,Lag auch sofort ihm der Gedanke nah',Daß, da entstellt bis zur UnkenntlichkeitIhn seine Krankheit und sein Herzeleid,Er in Athen in unscheinbarem Stand,Für immer könne wohnen unerkanntUnd die Geliebte sehn zu jeder Zeit. |
1410 | Und so vertauscht' er ungesäumt sein KleidUnd ging vermummt als armer BauersmannAuch graden Weges nach Athen sodann.Ein einz'ger Junker nur war sein Begleiter,Den als Vertrauten seiner Heimlichkeit erIn ärmlicher Verkleidung mit sich nahm.Als er zur Hofburg eines Tages kam,Bot er am Thorweg als ein ArbeitsmannZu jedem Dienst, den man verlangt, sich an.Und – kurz zu melden Euch den Sachverlauf – |
1420 | Es nahm in Dienst ein Kammerherr ihn auf,Der an dem Hof Emiliens sich befand:Ein kluger Mann, der es gar wohl verstand,Die Dienerschaft in guter Zucht zu halten.Zum Wassertragen und das Holz zu spalten,Schien ihm Arcit geschickt, denn jung und stark,Von kräft'gem Bau und gutem Knochenmark,War er geeignet, jeden Dienst zu thun.Ein bis zwei Jahre blieb als Page nunEr in dem Dienste dieser schönen Dame, |
1430 | Und Philostrat sei – gab er an – sein Name.Doch Keiner seines Rangs ward halb so sehrVom ganzen Hofe rings geliebt, wie er.Von seinem vornehm-adeligen WesenWar vieles Rühmen stets am Hof gewesen,Und Jeder wünschte, daß ihn Theseus' GnadeBaldigst zu einem angemessnen GradeUnd einem ehrenvollern Dienst erhebe,Der seiner Tugend weitern Spielraum gäbe.So war durch sein Betragen und sein Reden |
1440 | Sein Name bald im Mund von einem Jeden,Bis ihn zum Junker Theseus dann ernannteUnd ihn bei sich als Kämmerling verwandte.Auch gab er ihm, um ranggemäß zu leben,Das nöth'ge Gold. Doch heimlich ward danebenIhm seine Rente jedes Jahr gesandt,Indeß von ihm mit Maß und mit VerstandVerthan, daß er kein Aufsehn dadurch machte.Und in drei Jahren, die er so verbrachte,Gewann er sich im Frieden wie im Streit |
1450 | Des Theseus innigste Gewogenheit.Und so verlassen wir Arcit im Glück,Und wenden uns zu Palamon zurück.In seines festen Kerkers SchreckensnachtHat sieben Jahre Palamon verbracht,Von Lieb' und von Verzweiflung fast zerrissen.Wer hat je sorgenvoller dulden müssenAls Palamon? Ihn hatte Leid und LiebenZur Schwermuth, ja, zum Wahnsinn fast getrieben,Und dazu sitzt er nicht auf Jahr und Zeit |
1460 | In dem Gefängniß, nein, auf Ewigkeit!Wer könnte reimen nach Gebühr und PflichtSein Marterleiden? Ich vermag es nicht!– Rasch übergangen drum die Sache sei. –Im siebten Jahr, zur dritten Nacht im Mai,Geschah es, wie uns Bücher und GeschichtenAus alten Zeiten umständlich berichten– Sei es nun Zufall oder Schicksalsschluß,Durch den ein Ding, das sein soll, kommen muß –Daß Palamon zu mitternächt'ger Zeit |
1470 | Durch Freundes Hülfe, die ihm dienstbereitZu Theil geworden, seiner Haft entkamUnd aus der Stadt die Flucht in Eile nahm.– Ein Schlaftrunk aus Narkotikum von ThebenUnd Opium, die in süßem Wein gegeben,Betäubte so den Wärter, daß kein SchüttelnIm Stande war, ihn aus dem Schlaf zu rütteln;Und so entkam er und entrann er schnell. –Die Nacht war kurz. Bald schien der Tag schon hell.Sich zu verbergen, war es hohe Zeit; |
1480 | Weßhalb zu einem Haine sich abseitAuch Palamon mit bangen Schritten schlug.Denn es war seine Absicht, daß er klugDen Tag hindurch, im Busch versteckt, verbringeUnd erst zur Nachtzeit wieder weiter gingeAuf Theben zu, um dort zum Kriege gegenDen Theseus seine Freunde zu bewegen.Denn – kurz gesagt – es galt entweder SterbenOder zum Weib Emilie zu erwerben.Das war sein Zweck, nur das lag ihm im Sinn! |
1490 | Wir wenden zu Arcit uns wieder hin,Der wenig ahnte, welche Sorgen nahten,Bis in Fortunas Fallstrick er gerathen.Die fleiß'ge Lerche, Tages Botenfrau,Begrüßt mit ihrem Sang das Morgengrau,Und Phöbus naht mit Feuerflammenpracht,Bei dessen Blick der ganze Osten lacht,Und trocknet rasch durch seiner Strahlen ScheinDer Blätter Silbertropfen in dem Hain.Arcit, zum ersten Junker jetzt gemacht, |
1500 | Am Hof des Theseus, war schon früh erwacht,Und da der Tag so heiter schien und klar,Beschloß er, wie schon längst sein Vorsatz war,Dem Mai sein Opfer heute darzubringen.Bald trug sein Renner ihn auf Feuerschwingen,Damit im Freien fröhlich er verweile,Vom Hof aufs Feld bis über eine MeileZum Haine hin, von welchem ich erzählte,Und den durch Zufall er zum Ziel erwählte,Um sich aus Weißdornblüthen, Geißblattwinden |
1510 | Und grünen Blättern einen Kranz zu binden;Und laut sang er dem Sonnenschein entgegen:O grüner Mai, so reich an Blüthensegen,Du frischer, schöner Mai willkommen mir!Zu finden hoff' ich etwas Grünes hier!“Und hoch vergnügt er rasch vom Pferde sprangUnd lenkte zu dem Haine seinen GangUnd wandelt' dort umher auf einem Pfade,Wo hinter einem Busch durch Zufall gradeSich Palamon, den stete Todessorgen |
1520 | In Angst versetzten, ungesehn verborgen;Indessen – Gott mag's wissen – daß ArcitZugegen sei, er nimmermehr errieth.Der alte Spruch sein stetes Recht behält:Der Wald hat Ohren, Augen hat das Feld;Woran der Mensch sich wohl erinnern mag,Denn widerfahren kann's ihm jeden Tag.Es wußte drum, im Selbstgespräch verloren,Arcit auch nicht, wie nah' des Lauschers Ohren,Der still und lautlos saß im Busch versteckt. |
1530 | Nachdem Arcit, vergnügt und aufgeweckt,Manch lustig Lied gesungen, gab sein SinnSich plötzlich grillenhaften Träumen hin,Wie solche bei verliebten Leuten ebenGleich Brunneneimern auf und nieder schweben,Und bald im Grün, bald unter Dornen sind.Recht wie ein Freitagswetter, das geschwindVerkehrt den hellen Sonnenschein in Regen,Weiß launenhaft auch Venus zu bewegenDes Volkes Herzen, die wie ihren Tag, |
1540 | Sie gern verändern und verkehren mag.– Selten gleicht Freitag andern Wochentagen. –Sein Lied war aus, Arcit begann zu klagen,Und seufzend warf er rasch zu Boden sich,Weh!“ – sprach er – sei dem Tage, welcher michGebar! Wie lange, Juno, soll mit StreitTheben verfolgen Deine Grausamkeit?Ach wie erniedrigt ist durch Deine WuthDes Kadmus und Amphion Königsblut!Des Kadmus, welcher als der erste Mann |
1550 | Von Thebens Stadt den stolzen Bau begannUnd dessen Königskrone sich errang.Aus seinem fürstlichen Geblüt entsprangAuch ich in grader Linie, ob geächtetIch leider jetzt, im Elend und geknechtetMuß in dem Dienste meines Todfeinds leben,Dem ich als armer Junker untergeben.Noch größre Schande that mir Juno an,Daß ich Arcit mich nicht mehr nennen kannUnd, statt den wahren Namen zu entdecken, |
1560 | Mich elend muß als Philostrat verstecken.Ach, grimmer Mars! ach, Juno! Eure WuthHat bis auf mich des ganzen Stammes BlutUnd bis auf Palamon dahin gerafft,Den Theseus quält in ew'ger Kerkerhaft!Und überdies zu mehren meinen Schmerz,Hat Liebe durch dies treuergebne HerzSo brennend ihren Feuerpfeil getrieben,Als sei mein Todesurtheil schon geschrieben,Bevor man noch an meinen Windeln spann. |
1570 | Emilie! Deine Augen sind daranAllein nur schuld; denn was mich sonst beschwert,Acht' ich, fürwahr, nicht einen Strohhalm werth,Wenn Dir zu dienen ich im Stande bin!“Nach diesen Worten lag er ohne SinnFür lange Zeit, – und später regte sichAuch Palamon, den ein Gefühl beschlich,Als ob ein kaltes Schwert sein Herz durchdrungen.Dem Dickicht war er wuthentbrannt entsprungenMit stierem, todtenbleichem Angesichte, |
1580 | Als er vernommen des Arcit Geschichte.In dem Verstecke ließ es ihm nicht Ruh.Falscher Arcit!“ – rief er – Verräther, Du!Jetzt hab' ich Dich! – Du hast Dir ausgewähltDasselbe Weib, um das mein Herz sich quält!Du bist mein Blut! Du bist verpflichtet mirDurch Deinen Schwur! wie oft schon sagt' ich's Dir?!Und nun hast Herzog Theseus Du betrogen,Ihm einen falschen Namen vorgelogen!So darf's nicht sein! Ich oder Du mußt sterben! |
1590 | Du sollst nicht um Emiliens Liebe werben,Nur mir und keinem Andern steht das zu,Denn ich bin Palamon – mein Todfeind Du!Und fehlen mir auch Waffen hier zum Streit,Da ich mich eben aus der Haft befreit,Ich fürchte Nichts. Ich werde Dich erschlagen,Willst Du fortan Emilien nicht entsagen.Du kommst nicht fort! – Was Dir gefällt, erwähle!“Jedoch Arcit mit haßerfüllter SeeleZog, als er ihn erkannt und angehört, |
1600 | So wüthend wie ein Löwe gleich sein SchwertUnd sprach: Beim hohen Gott im Himmel droben,Machte der Liebe Wahnsinn Dich nicht toben,Und wär' nur irgend eine Waffe Dein,Du kämest nicht lebendig aus dem Hain,Und fändest Deinen Tod durch meine Hand;Denn ich zerreiße hiermit Bund und Band,Wodurch ich – sagst Du – Dir verpflichtet sei.Was, Narre! – ist die Liebe denn nicht frei?Trotz aller Deiner Macht will ich sie lieben! |
1610 | Bist Du der Ritter, der Du warst, geblieben,Wirst Du mit mir den Kampf um sie bestehn,Und, auf mein Wort! Du sollst mich morgen sehnGanz ohne Zeugen auf demselben Flecke,Und wissen, daß ein Ritter in mir stecke.Genug an Wehr und Waffen bring ich Dir,Die besten wähle, laß die schlechtsten mir!Mit Speis' und Trank will ich zur Nacht Dich labenUnd Decken sollst Du für Dein Lager haben;Und wenn Du die Geliebte Dir erringst, |
1620 | Und hier im Wald mich um das Leben bringst,So bleibe Deine Dame Dir als Preis!“Und Palamon erwiderte: So sei's!“Dann schieden sie. Verpfändet war ihr WortZum Kampf für morgen an demselben Ort.Ach, umbarmherz'ger Amor, ausgeschlossenHast Du als Herrscher jeden Mitgenossen.Der Spruch bleibt wahr: daß Herrschaft, wie die LiebeAm besten ohne Mitregenten bliebe.Das finden auch Arcit und Palamon. |
1630 | Rasch ritt Arcit dann nach der Stadt davonUnd schafft, sobald der Tag zu graun begann,Zwei Rüstungen sich ganz im Stillen an,Die wohl geeignet waren, um die BeidenIn ihrem Zweikampf passend zu bekleiden.Dann stieg zu Roß er ganz allein und trugDie Rüstungen auf seinem Sattelbug,Und hin zu Palamon ritt nach dem HainZur rechten Zeit er zu dem Stelldichein.Wohl färbten sich der Beiden Wangen bleich. |
1640 | – Dem Jägersmann auf Thraciens Gauen gleich,Der, auf der Lauer steh'nd mit seinem Speer,Wenn ein gehetzter Löwe oder Bär,So Busch wie Blätter knickend, mit GewaltRaschelnd hervorbricht aus dem Unterwald,Beständig denkt: Da nah't mein Todfeind sich!Entweder er muß fallen oder ich;Entweder ihm geb' ich den Todesfang,Sonst muß ich sterben, falls der Stoß mißlang;“Erging es ihnen. – Ihre Farbe schwand, |
1650 | Weil beiderseits sie sich zu wohl bekannt.Nicht Guten Tag“ und nicht ein GrußeswortWard ausgetauscht. Doch halfen sie sofortEinander, sich die Rüstung anzulegen,So freundlich, wie es eigne Brüder pflegen.Dann fuhren sie mit manchem SpeeresstoßGar wunderlang scharf aufeinander los;Man dächte wohl von Palamon mit Recht,Ein wüth'ger Löwe führe das Gefecht,Indeß ein grimmer Tiger sei Arcit. |
1660 | Ganz wie zwei Eber man sich zausen sieht,Mit weißem Schaum bedeckt und toll vor Wuth,So fochten sie bis enkeltief im Blut.Doch in dem Kampf will ich jetzt Beide lassen,Um mich nunmehr mit Theseus zu befassen.Das Schicksal, dieser Oberfeldmarschall,Deß starke Hand das ganze WeltenallNach Gottes Vorbeschluß in Ordnung hält,Ist übermächtig. Und, wenn alle WeltDas Gegentheil beschwört bei Ja und Nein, |
1670 | Ein Ding, das kommen soll, trifft dennoch ein,Und käm' es selbst nur alle tausend Jahr'!Denn alles Menschenwollen wird fürwahr– Sei's Haß, sei's Liebe, sei es Krieg, sei's Frieden –Nur durch den Lenker in der Höh' entschieden.Dies darf ich in Bezug auf Theseus sagen. –Nach einem großen Maienhirsch zu jagenWar stets vor Allem seine Lust und Wonne;Und jeden Tag war, früher als die Sonne,Er schon gekleidet und zur Jagd bereit |
1680 | Mit Hund und Horn und Jägern im Geleit.Als Zeitvertreib und lustiges ErgötzenGalt es ihm stets, den starken Hirsch zu hetzen.Und seine größte Lust und Freude war'sDianen jetzt zu dienen, anstatt Mars.Klar war der Tag, wie ich erwähnt vorhin,Und Theseus mit der schönen KöniginUnd mit Emilia, die sich Grün erwähltFür ihren Anzug, eilte froh beseeltZur Jagd hinaus in königlichem Staat, |
1690 | Und als er jenem Haine sich genaht,In dem ein Hirsch – wie man ihm sagte – stand,Ritt Theseus spornstreichs über Bach und Land,Bis graden Wegs er zu der Stelle kam,Wo jener Hirsch stets seinen Wechsel nahm.Mit allen Hunden hinterdrein zu setzen,Um ein- bis zweimal nach dem Hirsch zu hetzen,Wie's ihm gefiele, Theseus nun befahl.Im freien Felde sah er durch den StrahlDer hellen Sonne und nahm plötzlich wahr |
1700 | Arcit und Palamon, die wie ein PaarErboßte Bullen miteinander rangen,Und deren helle Schwerter gräßlich klangen,Als wollten sie mit dem geringsten StreicheZu Boden fällen eine mächt'ge Eiche.Der Herzog, der die Beiden nicht erkannte,Fest in sein Roß die scharfen Sporen rannteUnd sprengte schleunigst zwischen sie hineinUnd zog sein Schwert und rief: Gleich haltet ein!Nicht weiter treibt's, ist Euer Kopf Euch werth! |
1710 | Beim mächt'gen Mars, wer noch einmal sein SchwertZum Streich erhebt, der ist dem Tod geweiht!Doch nun erzählt mir, wer Ihr beide seid,Daß ohne Zeugen, so geheimnißvollIhr Euch bekämpft mit so gewalt'gem Groll,Als ob Ihr wirklich in den Schranken ständet?“Und Palamon, zu Theseus hingewendet,Antwortete: Was braucht's der Worte viel?Um unser beider Leben gilt das Spiel!Verbrecher sind wir, jammervolle Wichte, |
1720 | Des Lebens überdrüssig; darum richteAls ein gerechter Herrscher unsre Schuld,Und schenk' uns keine Gnade, keine Huld!Gieb aus Erbarmen mir den Todesstreich,Doch meinem Kameraden auch zugleich,Wenn nicht zuvor. Denn unerkannt steht hierArcit, Dein größter Todfeind jetzt vor Dir;Er, den Du einst bei Kopfverlust verbannt,Empfängt mit Recht den Tod aus Deiner Hand!Er ist es, der sich Deinem Thor genaht |
1730 | Mit falschem Namen, der als PhilostratDich liebe, lange Jahre schon betrogen,Und den als Junker Du emporgezogen,Und er auch ist es, der Emilia liebt!Es nah't der Tag, der meinen Tod mir giebt.Und beichten will ich Alles schlicht und klar:Ich bin der arme Palamon, fürwahr,Der jüngst entsprang aus seiner Kerkerhaft,Ich bin Dein Todfeind, welchen LeidenschaftZur herrlichen Emilie so durchdringt, |
1740 | Daß er sein Leben gern zum Opfer bringt!Dein Urtheil sprich! Gieb mir den Todesstreich,Doch tödte den Genossen auch zugleich,Da alle Beide wir den Tod verdienen.“Der edle Herzog gab zur Antwort ihnen:Kurz ist mein Urtheil. – Euer eigner MundHat Euch verdammt! Ihr machtet selber kundMir Eure Schuld durch Euer Eingeständniß.Die Folter spart Ihr Euch durch dies Bekenntniß,Doch sühnt nur Tod – beim mächt'gen Mars! – die Schuld!“ |
1750 | Die Königin, voll frauenhafter Huld,Fing mit Emilie bitter an zu weinen,Und allen Ehrendamen wollte scheinen,Es sei zu jammervoll und mitleidslos,Daß ihrer harren solle solches Loos.Sie seien Herr'n von adeligem Stand,Und nur aus Liebe sei ihr Streit entbrannt.Und als die blut'gen Wunden sie gesehn,So weit und tief, begannen sie zu flehn:Herr! mit uns Weibern allen habt Erbarmen!“ |
1760 | Und niederknieend, suchten zu umarmenSie seine Füße, bis zu guterletztIn mildre Stimmung Theseus sie versetzt.– Das Mitleid rasch ein edles Herz bewegt! –Zuvor durch Zorn noch äußerst aufgeregt,War seine Fassung bald zurückgewonnen,Als er der Schuld von Beiden nachgesonnen,Und ihrem Grunde. Denn, ob grimmentbrannt,Entschuldigte sie dennoch sein Verstand.Er dachte so: Wohl mag ein jeder Mann |
1770 | Sich in der Liebe helfen, wie er kann.Und Jeder mag sich auch der Haft entziehn.Und da die Weiber immerwährend schrien,Begann im Busen Mitleid sich zu regenUnd zu sich selbst nach stillem UeberlegenSprach bald sein Herz: Pfui! wahrlich, wär' es schade,Wenn sich ein Herr, verschlossen jeder Gnade,In Wort und That stets wie ein grimmer LeuDem Manne zeigt, der voller Furcht und Reu',Wie dem, der in verachtungsvollem Wahn |
1780 | Stets aufrecht hält, was er zuerst gethan.Von wenig Urtheilskraft giebt den BeweisEin Herr, der nicht zu unterscheiden weiß,Demuth und Stolz auf gleicher Wage messend.Und als er, seines Zornes rasch vergessend,Mit klaren Blicken rings umher geschaut,Sprach er das still Gedachte darauf laut:Du Liebesgott! Ei, benedicite!Du großer, mächt'ger Herr, wo leistet jeDas größte Hinderniß Dir Widerstand? |
1790 | Mit vollem Rechte wirst Du Gott genanntOb Deiner Wunder; denn in unsrer BrustLenkst Du das Herz nach Willkür und nach Lust!Das sieht man an Arcit und Palamon,Die jetzt in Theben, ihrer Haft entflohn,Ein ehrenvolles, sichres Dasein fänden;Und beide wissen, daß in meinen HändenSie in der Macht von ihrem Todfeind sind;Und dennoch macht die Liebe sie so blind,Daß offnen Auges in den Tod sie rennen! |
1800 | Ist das, führwahr, nicht Wahnsinn zu benennen?Was kommt an Thorheit je der Liebe gleich?Nun, seht sie an! – Beim Gott im Himmelreich!Wie sind sie zugerichtet, wie voll Wunden!Das ist der Lohn, mit dem sie abgefundenFür ihren Dienst Ihr Herr, der Gott der Liebe!– Indeß, was ihnen vorbehalten bliebe,Stets dünken sich der Liebe Diener klug. –Doch spaßhaft ist's in diesem Fall genug,Daß sie, um deren Liebe sie gezankt, |
1810 | Wie ich, gar wenig für die Mühe dankt.Bei Gott! ein Kuckuk oder Hase weißWohl mehr als sie, warum ihr Kampf so heiß?Der Liebe Wechselfieber, warm und kalt,Macht stets zu Thoren, sowohl jung, als alt.Das hab' ich an mir selbst in jungen Jahren,Als ich in ihrem Dienst noch stand, erfahren;Und, da der Liebe Leid ich selbst gefühlt,Und weiß, wie sie in Männerherzen wühlt,Und selbst in ihren Netzen oft gefangen, |
1820 | So sei auch Euch die That, die Ihr begangen,Da meine Königin mich auf den Knie'n,Sowie Emilie darum bat, verziehn.Gebt Ihr sofort mir Euren Schwur zum Pfande,Daß Ihr dem Aufenthalt in meinem LandeUnd jedem Kriege wider mich entsagt,Und Euch als meine Freunde stets betragt,So sprech' ich von der Schuld Euch los und ledig!“Nun priesen sie den Herrn als gut und gnädig,Und schwuren, zu gehorchen seinem Wort; |
1830 | Und als er sie begnadigt, fuhr er fort:Was Reichthum anbelangt und Fürstenblut,So seid Ihr beide zweifelsohne gutUnd werth genug, zu lenken Euren SinnAuf eine Fürstin, eine Königin.Doch was Emilie hierbei anbelangt,Um die im Kampf Ihr eifersüchtig rangt,So kann sie zwei nicht nehmen, – das ist klar!Ja, wolltet streiten Ihr auf immerdar,So muß doch einer – das ist zu begreifen – |
1840 | Gern oder ungern auf dem Grashalm pfeifen!Mit einem Wort, sie kann nicht Beide frein,Mögt Ihr auch noch so eifersüchtig sein.Und aus dem Grunde setzt' ich Euch in Stand,Daß Euer Loos Ihr aus des Schicksals HandEmpfangen könnt. – Nun horcht, damit Ihr wißt,Was über Euch bei mir beschlossen ist!Dies ist mein Wille, der, bestimmt und fest,Durch keinen Einwand sich mehr ändern läßt.Nehmt ihn zum Besten auf, wenn's Euch gefällt: |
1850 | Wohin Ihr wollt, geht ohne LösegeldUnd frei von Furcht vor jeglicher GefahrMit dem Beding, daß heut' in einem JahrEin jeder heim mit hundert Rittern kehrt,Nach allen Regeln des Turniers bewehrt,Und frei gewillt, für sie den Speer zu brechen;Und ohne Rückhalt will ich Euch versprechen,So wahr ich ehrlich und ein Ritter bin,Wem von Euch beiden zufällt der Gewinn– Und das will sagen, wer von Euch, vereint |
1860 | Mit jenen hundert Rittern, seinen FeindErschlagen kann und treiben aus den Schranken –Der mag dem Glück die holde Gabe danken,Dem sei als Weib Emilia verliehn.Auf diesem Platz will ich die Schranken ziehn.Und wie mir Gott die Sünden mag verzeihn,So will ich Euch ein treuer Richter sein.Kein andrer Weg bleibt für Euch einzuschlagen;Einer muß sterben, oder muß entsagen.Hab' ich hierin mit Billigkeit entschieden, |
1870 | So stimmt mir bei und gebet Euch zufrieden.Was Euch bestimmt, bleibt unabänderlich!“Wer freute mehr als Palamon nun sich,Wer blickte nun vergnügter als Arcit?Wie kann erzählen, wie besingt mein Lied,Den freud'gen Beifall, der im Kreis erscholl,Als Theseus schloß so schön und gnadenvoll?Hin auf die Knie' sank Jeder in der RundeUnd gab ihm Dank aus tiefstem Herzensgrunde,Und die Thebaner dankten ihm zumeist. |
1880 | Mit hoffnungsvollem Herzen, frischem GeistDann Abschied nehmend, sah man ohne WeilenZu Thebens alten Wällen Beide eilen.[Hier endet der zweite Teilund der dritte folgt.]
Man möchte leicht auf mich als lässig schmälen,Wollt' ich vom Bau der Schranken Nichts erzählen,Den Theseus mit Geschäftigkeit vollbracht.Nie ward mit solcher königlichen PrachtAuf dieser Welt – das darf mit Recht ich sagen –Ein zweiter Schauplatz jemals aufgeschlagen.Auf eine Meile rings umher umgaben |
1890 | Den Platz ein Steinwall und ein breiter Graben.Bis sechzig Fuß hoch stiegen rings im KreiseSitzreihen auf, gebaut in solcher Weise,Daß unbehindert durch den VordermannVon jedem Platz ein Jeder sehen kann.Aus weißem Marmor ragte je ein ThorNach Osten und nach Westen hin empor.Um kurz zu schließen, rascher hergestelltWard solch ein Bau nicht in der ganzen Welt,Es war kein Handwerksmann im ganzen Land, |
1900 | Der etwas Meß- und Rechenkunst verstand,Kein Mann, der Bilder schnitzte, oder malte,Den Theseus nicht verpflegte, nicht bezahlte,Den Schauplatz zu entwerfen und gestalten.Um um den heil'gen Opferdienst zu halten,Ward auf dem Thor, das gegen Morgen war,Der Liebesgöttin Venus ein AltarNebst einem Tempelschrein erbaut; wogegenEin gleicher Schrein, jedoch nach West gelegen,Dem Kriegsgott zum Gedächtniß ward verehrt, |
1910 | Der wohl an Gold ein volles Fuder werth.Und nordwärts stand in einem Thurm am WalleEin Altar, reich vom Schmuckwerk der CoralleAuf weißem Alabastergrund umsäumt,Von Theseus für Diana eingeräumt,Und ihrer Keuschheit würdig angemessen.Doch aufzuzählen darf ich nicht vergessenDie edlen Bilderwerke, die Sculpturen,Form, Haltung und Gestalt von den Figuren,Mit denen ausgeschmückt war jede Halle. |
1920 | Zuvörderst sah man dargestellt am WalleDes Venustempels, schrecklich anzuschauen,Wehklagen, bittre Seufzer und das GrauenSchlafloser Nächte, heil'ge Jammerthränen;Die Feuersgluth der Brunstbegier von denen,Die in der Liebe Diensten einst gestanden,Die Schwüre und Versprechen, die sie banden;Hoffnung und Lust, Vernarrtheit und Begier,Ausschweifung, Reichthum, Schönheit, Jugendzier,Gewalt und List, Verführung, Zaubertränke, |
1930 | Gold, Schmeichelei und lügenvolle Ränke,Und Eifersucht, geschmückt mit gelbem Band,Und einen Kuckuk haltend in der Hand;Musik und Tänze, Feste, wie GesängeMit aller Art von Lust und von Gepränge.Was nur als Zubehör der Liebe gilt,Fand, wie befohlen, an der Wand sein Bild,Und Manches mehr, als ich erzählen kann.Geschildert an der Tempelwand sah manSogar den ganzen Berg Cythäron ragen |
1940 | Mit allen Gärten, allen Lustanlagen,Den Venus sich zum Lieblingssitz erkor.Als Pförtner saß der Müßiggang am Thor.Man sah Narciß, den Geck der alten Zeit,Und Salamonis Gottvergessenheit.Nicht fehlte dort vom Herkules die Stärke,Noch Circes und Medeas Zauberwerke;Der Feuermuth, der Turnus einst beseelte,Die Knechtschaft nicht des reichen Krösus fehlte.So könnt ihr sehen: Muth noch Reichthum ist, |
1950 | Noch Stärke, Schönheit, Weisheit oder ListVermögend vor der Venus zu bestehn.Wie ihr's gefällt, so muß die Welt sich drehn!Die Leute, seht! lockt sie ins Netz hinein,Und hinterher kommt Seufzen, Noth und Pein.Ein Beispiel, mag Euch, oder zwei, genügen,Doch tausende wüßt' ich hinzuzufügen.Das Marmorbild der göttlichen CythereErhob sich nackend aus dem weiten Meere;Krystallenhell sah man die grünen Wellen |
1960 | Vom Nabel abwärts ihren Leib umschwellen,Und ihre Leyer hielt sie in der Hand;Ein frischer, duft'ger Rosenkranz umwandIhr Haupt, um welches ihre Tauben flogen,Die, in den Lüften flatternd, sie umzogen.Ihr Sohn, Cupido, mit dem FlügelpaarAn seinen Schultern vor ihr stand, und warAuch hier, wie sonst, als Blinder dargestellt,Der Pfeil und Bogen in den Händen hält.Warum soll ich nicht ebenmäßig schildern, |
1970 | Wie ausgeschmückt war mit verschiednen BildernDer Länge und der Breite nach die Wand,Wo der Altar des blut'gen Kriegsgotts stand.Gleich grauenvoll wie die Estraden war'sIn Thraciens großem Tempelhaus des Mars,In jener kalten, frostigen Region,Wo Mars errichtet seinen Götterthron.Gemalt am Walle stand zunächst ein WaldMit dürren Bäumen, knotig, knorrig, alt,Und morschen Stümpfen, gräulich anzusehen. |
1980 | Nicht Mensch noch Thier war ringsum zu erspähen;Ein Rascheln und ein Rauschen nur war rege,Als ob ein Sturm die Aeste niederfege.Und unter einem Hügel stand im Thal,Durchaus erbaut aus hartgebranntem Stahl,Vom allgewalt'gen Mars das Tempelhaus;Eng war der Eingang und sah grausig aus.Ein heft'ger Zugwind drang daraus hervorUnd öffnete gewaltsam jedes Thor.Es fiel das Nordlicht durch die Thür allein, |
1990 | Sonst schien kein Tag in diesen Raum hinein,Denn ohne Fenster war ringsum die Wand.Aus ewig dauerbarem AdamantBestand die starke Thüre, welche schwerBeschlagen war mit Eisen kreuz und quer;Und tonnengroße Stahlpilaster stütztenDen Tempelbau und schimmerten und blitzten.Dort sah zunächst ich düstre SchauerbilderVon todeswürdigen Verbrechen wilderGewalt, des Zornes glüh'nde Feueresse, |
2000 | Den Beutelschneider, des Entsetzens Blässe,Den Lächler mit dem Messer im Gewand,Und Stall und Scheuer, rauchgeschwärzt durch Brand;Den Meuchelmord am Schläfer in der Nacht,Blutrünst'ge Wunden offner Kriegesschlacht,Und scharfes Drohen, blut'gen Messerstreit.Ein schaurig Knarren tönte weit und breit;Selbstmörder sah ich, deren Haar am KopfIhr Herzblut färbte, während in den SchopfDie Hand sich krampfhaft mit den Nägeln krallte; |
2010 | Kalt grinste Tod mit offner Mundesspalte;Das Unglück in des Tempels Mitte stand,Betrübniß und Verzweiflung ihm zur Hand.Ich sah das Lachen wilder RasereiGeläster, Lärm von Waffen und Geschrei,Im Busche Leichen, deren Hals durchschnitten,Und tausende, die jähen Tod erlitten,Zerstörte Städte, die verkehrt zu Staub;Sah den Tyrannen mit der Beute Raub,Sah Schiffe flammend auf dem Meere schwanken, |
2020 | Erwürgt den Jäger durch des Bären Pranken,Das Wiegenkind von Säuen aufgefressen,Den Koch verbrüht im selbstgekochten Essen;Und zu des Gottes Opfern zählte fernerDer von dem Karren überfahrne Kärrner,Der unterm Rade sich am Boden wand.Es zählten gleichfalls zu dem HeerverbandDes grimmen Mars auch noch die Bogenschnitzer,Die Panzerschmiede, Schwert- und Degenspitzer.Hoch über Allen thronte voller Prunk |
2030 | Auf Thurmeszinnen die Eroberung;Ein scharfes Schwert ob ihrem Haupte schwebteAm dünnsten Faden, den die Spinne webte.Geschildert war der Mord des Julius,Des großen Nero, des Antonius.– Obwohl zu dieser Zeit noch ungeboren,War schon der Tod, zu dem sie auserkoren,Auf Mars' Geheiß im Bilde dargestellt;Wie aufgezeichnet auch am HimmelszeltBereits das Schicksal jedes Menschen steht, |
2040 | Der einst zu Grund' durch Mord und Liebe geht. –Genügend sei's ein Beispiel auszuwählen;So viele gab's, ich konnte sie nicht zählen.Vom wilden Mars sah man auf einem WagenIm Waffenschmuck das grimme Standbild ragen,Und über seinem Haupte nahm man wahrZwei Sterngebilde, glänzend, hell und klar,Rubeus und Puella – oft genanntIn alten Schriften. – Ihm zu Füßen standEin rothgeäugter Wolf; in Stücke riß |
2050 | Den Leichnam eines Menschen sein Gebiß.In solcher Weise schmückten Meisterhände,Dem Mars zu Ehren, seines Tempels Wände.Laßt von der züchtigen Diana jetztDen Tempel mich betreten, um zuletztDie Bilder Euch beschreibend darzustellen,In denen abgeschildert an den WällenDie Jagdlust war, sowie der Keuschheit Scham.Hier sah Kallisto ich in ihrem Gram,Und wie sodann in einer Bärin Leib |
2060 | Dianas Zorn verwandelt dieses Weib,Das jetzt als Leitstern hoch am Himmel strahlt.Mehr sag' ich nicht; denn so war es gemalt.– Ihr Sohn glänzt auch als Stern im Himmelsraum. –Die Dane sah verwandelt ich zum Baum.– Ich meine nicht die züchtige Diane,Vielmehr des Peneus Tochter, Namens Dane. –Zum Hirsche sah Aktäon ich gemacht,Weil er des Leibes unverhüllte PrachtDianas sah, und welcher von den Bissen |
2070 | Der eignen Hunde, unerkannt, zerrissen.Und weiterhin ich noch im Bild erkannte,Den wilden Eber jagend, Atalante,Den Meleager und, wer sonst empfandQualvolle Leiden durch Dianas Hand.Was es dort sonst noch gab an WunderdingenWill ich nicht weiter in Erinnrung bringen.Auf einem Hirsch sah ich die Göttin schweben,Von ihren Hunden ringsumher umgeben.Zu ihren Füßen sich ein Mond befand, |
2080 | Der wachsend zunahm und abnehmend schwand.Ein grünliches Gewand den Leib umschloß,Sie führte Bogen, Köcher und Geschoß;Ihr keuscher Blick fiel nieder zur Region,Wo aufgerichtet Plutos düstrer Thron;Und vor ihr lag in Mutterweh'n ein Weib,Das zur Lucina flehte, ihren LeibVon seiner schweren Bürde zu befrein.O, hilf mir!“ – schrie sie – Du vermagst's allein!“Treu wie das Leben dies der Künstler malte, |
2090 | Der manchen Gulden für die Farben zahlte.Die Schranken stehn. – Es ist der Bau vollendet,Auf welchen Theseus so viel angewendet;Und hocherfreut, sah er die TempelhallenSowie den Schauplatz herrlich ausgefallen.Doch nun verlass' ich Theseus eine Weile,Daß zu Arcit und Palamon ich eile.Sehr nah' gerückt war nunmehr schon die Zeit,Zu der ein jeder – wie gesagt – zum StreitMit hundert Rittern wiederkehren sollte. |
2100 | Und nach Athen – wie der Vertrag es wollte –Ein jeder auch mit hundert Rittern kehrt,Ganz regelrecht bewaffnet und bewehrt.Es dachte Mancher sicherlich im Sinn,Daß es wohl nie seit dieser Welt Beginn,So weit von Gott das Land und Meer erschaffen,Was Ritterthum betrifft und Glanz der Waffen,Solch ausgesuchte Compagnie gegeben.Denn jeder Ritter, dessen kühnes StrebenDem Ruhme galt, verfolgte nur das Ziel, |
2110 | Antheil zu nehmen an dem Waffenspiel,Und glücklich pries sich jeder Kampfgefährte.Wenn solch ein Anlaß morgen wiederkehrte,Man fände, traun, noch manches RitterherzIn England sicherlich, wie anderwärts,Wohl kühn genug und par amour gewillt,Wenn es den Kampf um eine Dame gilt,Sich einzustellen. – BenediciteSolch lust'ges Schauspiel ich gern selber säh'!So war es auch mit Palamon bestellt, |
2120 | Dem sich manch tapfrer Ritter zugesellt.In einem Harnisch sah man diesen reiten,Im Bruststück und im Waffenrock den zweiten;Der hat sich in ein Panzerhemd gehüllt,Der führt die Tartsche, der ein preußisch Schild;Beinschienen hat sich jener angelegt,Die Keule dieser, der die Streitaxt trägt,Bewaffnet, wie es grade ihm beliebtUnd ich erzählt, da es nichts Neues giebt,Was nicht bekannt im Alterthume schon. |
2130 | Zuvörderst könnt Ihr neben PalamonLykurgus, Thraciens König, dort gewahrenMit kühnem Antlitz, schwarz von Bart und Haaren.Aus seinem großen, runden Augenpaar,Das glühend gelb und roth von Farbe war,Schien unter langbehaarten AugenbrauenGleich einem Greifen er hervorzuschauen.Die Knochen hart, die Glieder reckenhaft,Die Schultern breit, die Arme voller Kraft,Stand er, wie es Gebrauch in seinem Land, |
2140 | Auf einem goldnen Wagen, der bespanntAm Zugseil mit vier weißen Stieren war.Ein Bärenfell mit kohlenschwarzem HaarAuf dem, wie Gold, Metallbeschlag erblitzte,Den Harnisch statt des Wappenrockes schützte.So glänzend schwarz, wie dunkle Rabenschwingen,Tief in den Nacken ihm die Haare hingen.Ein schwerer, goldner Kranz, in dem RubinenUnd Diamanten funkelten und schienen,War armesdick ihm um das Haupt gewunden, |
2150 | Und eine Schaar von zwanzig weißen Hunden,Bestimmt den Löwen und den Hirsch zu jagen,Und groß wie Stiere, folgten seinem Wagen.Maulkörbe, sowie Ringe für die Leite,Verziert mit reinem Golde, trug die Meute.Einhundert Ritter folgten als Begleiter,Kühnherz'ge, starke wohlbewährte Streiter.Und mit Arcit kam, wie Berichte künd'genEmetrius, der König von ganz Indien,Stolz wie der Kriegsgott Mars auf braunem Roß, |
2160 | Um welches sich ein Eisenpanzer schloß,Von goldgeblümten Decken rings umgeben.Den Wappenrock aus tharsischen GewebenUmgab ein dicker, weißer Perlensaum,Und golden war der Sattel und der Zaum.Den Mantel, der von seinen Schultern wehte,Rubinenglanz mit Feuer übersä'te.Der gelben Haare krauser LockenkranzErschimmerte wie goldner Sonnenglanz.Rund war sein Lippenpaar, die Nase kühn, |
2170 | Wie Goldcitronen seiner Augen Glüh'n,Mit Purpur war sein Antlitz übergossenUnd leicht betupft mit braunen Sommersprossen.An Alter fünfundzwanzig Jahre kaum,Ersproßte mächtig schon des Bartes Flaum.Dem wilden Löwen glich sein Blick an Grimme,Und wie der Donner schallte seine Stimme.Ein grüner Lorbeerkranz sein Haupt umwand,Gefällig anzuschaun. Auf seiner HandSaß ein gezähmter, lilienweißer Aar, |
2180 | Der seine Lust, sowie sein Liebling war.Einhundert Ritter führt' er im Geleite,Von Kopf zu Fuß geharnischt, und zum StreiteVersehn mit Wehr und Waffen jeder Art.Im Kreise, den hier Rittersinn geschaartUnd Kampfeslust, fand man, fürwahr, nicht wen'ge,Die Grafen waren, Fürsten oder Kön'ge;Und um den Herrscher sah auf allen SeitenMan zahme Leu'n und Leoparden schreiten.Hin nach Athen lenkten in solcher Weise |
2190 | Die edlen Herren sämmtlich ihre ReiseUnd langten früh an einem Sonntag an.Als sie der edle Herzog Theseus dannEmpfangen und zur Stadt hineingeführtUnd nach dem Range Jeden einquartirt,Gab er sich alle Mühe, um durch FesteZu ehren und erheitern seine Gäste.Und keines Mannes Witz – was auch sein Stand –Daran – so denk' ich – zu verbessern fand.Von Minnesängern, Pagen, Edelknaben, |
2200 | Den Allen zugetheilten Ehrengaben,Mit welcher Pracht man Theseus' Palast schmückte,Wen erst', wen letzt' der Ehrensitz beglückte,Wer von den Damen dort am besten tanzte,Wer im Gesang und Spiele die gewandt'ste,Wer am beredt'sten in der Liebessprache,Wie groß der Schwarm der Falken unterm Dache,Wie zahlreich auf der Flur die Schaar der Hunde,Davon geb' ich Euch weiter keine Kunde;Am besten bleib' ich bei dem Sachverlauf. |
2210 | Jetzt kommt der Punkt! Wenn's euch gefällt, paßt auf!Sonntags zur Nacht, eh' noch der neue TagHereingebrochen, weckte LerchenschlagDen Palamon; denn, ob zwei Stunden langDie Nacht noch währte, schon die Lerche sang.Und Palamon stand auf, mit heil'gen SinnenUnd frischem Muth, die Wallfahrt zu beginnen,Daß er die segenspendende Cythere– Die würd'ge Venus mein' ich – fromm verehre,Und lenkte zu der Göttin heil'ger Stunde |
2220 | Den Schritt zum Tempel in der Schranken Runde.Dort niederknie'nd in Demuth zum Gebete,Er wunden Herzens mit den Worten flehte:Der Schönen Schönste, Venus, hör' mich an!Du Tochter Jovis, Gattin des Vulkan,Cythärons Lilie, Du, die liebentbranntEinst Deine Huld Adonis zugewandt,Erbarme Dich auch meiner bittern Schmerzen,Und nimm mein demuthsvolles Fleh'n zu Herzen!Ach! keine Sprache find' ich, auszumalen |
2230 | Den Umfang und die Hölle meiner Qualen!Mein armes Hirn kann nicht in Worte kleidenDes Herzens Harm, der Seele stummes Leiden.Erbarmen, hohe Frau! denn unverborgenIst Dir mein Denken, mein geheimstes Sorgen.Betrachte dies, und mildere mein Leid!Und ich verspreche, mich zu jeder ZeitAls Dein getreuer Diener zu bewährenUnd ew'gen Krieg der Keuschheit zu erklären.Das ist mein heil'ger Schwur. Nun helfe mir! |
2240 | Ich fordre Waffenhülfe nicht von Dir,Nicht eitlem Ruhm gilt meines Herzens Sorgen,Nicht um den Sieg fleh' ich im Kampf für morgen,Um Schutz, um Glück nicht in des Streites Hitze;Nein, daß Emilia völlig ich besitze,Um ihrem Dienst mich bis zum Tod zu weihn,Ersinne Wege, dieses zu verleihn!Ich sorge nicht, mir gilt es einerlei,Ob ich der Sieger, der Besiegte sei,Wenn ich ans Herz nur die Geliebte drücke. |
2250 | Denn lenkt auch Mars im Kampfe die Geschicke,Kannst Du mir doch, da Deine Macht so großIm Himmel ist, verleihn der Liebe Loos.Wo ich auch geh' und stehe, immerdarWill ich in Deinem Tempel am AltarDie Flammen schüren und Dir Opfer weihn.Doch soll dem also, theure Frau, nicht sein,So laß Arcit mir morgen mit dem SpeereDas Herz durchstechen! Diese Gunst gewähre!Dann mag sie – mir kann's gleich sein – durch mein Sterben |
2260 | Arcit gewinnen und zum Weib erwerben.Doch immerhin bleibt mein Gebet zu Dir:Du Segensreiche, gieb die Theure mir!“Nachdem des Palamon Gebet zu Ende,Vollzog er demuthsvoll die Opferspende.Doch nicht erzählen kann ich Euch vom ganzenCeremoniel und allen Observanzen.Zuletzt bewegte sich der Venus Bild,Ein Zeichen gebend; und ihm war enthüllt,Daß seine Bitte von ihr angenommen. |
2270 | War auch das Zeichen zögernd nur gekommen,Daß sie sein Fleh'n erhört, war ihm bewußt,Drum ging er heim mit froh bewegter Brust.Als drei Planetenstunden dann entflohn,Seitdem zur Venus wallte Palamon,Erhob die Sonne sich. Bei ihrem ScheinErhob sich auch Emilia, um zum SchreinDianas sich zu wenden, in BegleitungDer Mägde, die, was nur zur VorbereitungDes Gottesdiensts gehörte, mit sich brachten, |
2280 | Wie Feuer, Weihrauch und wie Opfertrachten.Und Hörner, nach Gebrauch gefüllt mit Meth.Vergessen war kein einziges Geräth.Im reichbehangnen Tempelhaus begannSie muthbeseelt die Räucherung sodann,Und wusch im Quell des Brunnens ihre Glieder.Doch, wie sie's that, bericht' ich hier nicht wieder;Ganz allgemein nur kann ich es berühren,So reizend wäre, Alles anzuführen.– Dem Reinen, freilich, bleibt ja alles rein; |
2290 | Doch hört ein Mann nie auf ein Mann zu sein. –Des wohlgekämmten Haares reicher GlanzVon ihrem Haupte wallte, das ein KranzVon immergrünem Eichenlaub umwand.Zwei Feuer häufend für den Altarbrand,Schritt sie ans Werk, wie uns Bericht gegebenIn alten Büchern Statius von Theben.Und zur Diana sprach sie dann verschämt,Das Feuer schürend, was Ihr jetzt vernehmt:O, keusche Göttin in dem grünen Hain! |
2300 | Erd', Meer und Himmel sieht das Auge Dein,Beherrscherin von Plutos düstrem Land,Der Mädchen Göttin, die mein Herz erkanntUnd all sein Wünschen schon seit langen Jahren,Nicht Deiner Rache Zorn laß mich erfahren,Wie schmerzensvoll Aktäon ihn erfuhr!Du keusche Göttin, all mein Sehnen nurWar, wie Du weist, daß ich stets Jungfrau bliebe,Verschont von jeder Ehe, jeder Liebe;Da ich als Mädchen und als Jägerin |
2310 | Von Deinem Kreise die Gefährtin bin.Der Wald, die Jagd ist einzig mein Begehren,Nicht Weib zu sein und Kinder zu gebären,Nicht einem Mann Genossenschaft zu halten!Du, die mir beistehn kann in drei Gestalten,Sei auch zur Hülfe gnädig mir gewillt.Erhöre Du mein Flehen, denn es giltSowohl für Palamon, der mich verehrt,Als für Arcit, der gleiche Liebe schwört;Gieb Beiden Frieden, Beiden Eintracht sende, |
2320 | Und von mir ab der Beiden Herzen wende,Daß ihre Qual und heiße LiebesbrunstErlöschen möge, oder ihre GunstUnd ihr Verlangen sie auf Andre lenken.Doch willst Gehör Du meinem Fleh'n nicht schenken,Soll unabänderlich mein Schicksal sein,Vermählt zu werden einem von den Zwei'n,So gieb mir den, der mich am meisten liebt!Sieh, reine, keusche Göttin, wie betrübtAuf meine Wangen bittre Zähren fallen! |
2330 | Jungfräuliche Regentin von uns Allen,Mein Mädchenthum erhalte! dann ergebenBleib' Deinem Dienst ich für mein ganzes Leben!“Auf dem Altar das Doppelfeuer brannte,Als ihr Gebet Emilia aufwärts sandte.Doch seltsam war, was plötzlich sie erblickte.Das eine von den Feuern rasch erstickte,Doch gleich darauf von Neuem roth und hellFlammt's wieder auf, indem das andre, schnellErlöschend, starb mit wundersamem Zischen, |
2340 | Wie ein Stück Holz, geschnitten aus zu frischenUnd grünen Aesten, solches oftmals thut;Und aus den Enden quoll statt Wasser Blut.Emilia sah's, und so entsetzt war sie,Daß sie vor Schrecken, wie im Wahnsinn, schrie.Sie wußte nicht, was die Erscheinung meinte,Es war aus Furcht allein, daß sie so weinteUnd jammernd schrie, wie nie ein Ohr vernahm.Und währenddem Diana selber kam,Als Jägerin, den Bogen in den Händen, |
2350 | Und sprach: O, Tochter, laß Dein Trauern enden!Mit ew'gen Worten steht längst aufgeschriebenDer hohen Götter Rathschluß, die belieben,Dich einem von den Beiden zu vermählen,Die sich in Leid und Sorgen um Dich quälen.Doch wem? ist mir verboten, mitzutheilen.Nun, lebe wohl! Nicht länger darf ich weilen;Wie auf dem Altar loderten die Feuer,So werden sich vom LiebesabenteuerDir die Geschicke dermaleinst entwirren!“ |
2360 | Die Göttin sprach's, und unter hellem KlirrenDer Pfeile, die sie in dem Köcher trug,Ging und entschwand sie. – Doch, erstaunt genug,Verblieb Emilia, welche klagend sprach:Was hat dies Alles zu bedeuten? Ach!Ich hatte Deinem Schutze mich vertraut,Auf Deine Güte, Göttin, fest gebaut!“Dann brach sie gradeswegs zur Heimkehr auf.Mehr sag' ich nicht – doch so war der Verlauf.Zur Stunde, die zunächst dem Mars geweiht, |
2370 | Stand auch Arcit im Tempel schon bereit,Dem grimmen Gott sein Opfer darzubringen,Wie heidnische Gebräuche dies bedingen.Mit andachtsvollem, frommem Herzen flehteEr zu dem Mars in folgendem Gebete:O, starker Gott, den Thraciens kaltes ReichAls Herrscher fürchtet und verehrt zugleich,Der Du in jeder Gegend, jedem LandDer Waffen Zügel hältst in Deiner Hand,Der Du nach Willkür austheilst Gunst und Glück, |
2380 | Lenk' auf mein Opfer gnädig Deinen Blick,Wenn Du vermeinst, daß mir trotz meiner JugendZu Deinem Dienst die Kraft nicht fehlt und Tugend!Willst Du mich rechnen zu der Deinen Zahl,So bitt' ich Dich, erbarm' Dich meiner QualBei jenen Schmerzen, jenem Gluthverlangen,Bei den Begierden, die Dein Herz durchdrangen,Als Du den frischen, weißen Leib genossenDer schönen, jungen Venus, die umschlossenDein Arm in glühender Umfangung hielt! |
2390 | – Wenn Dir auch einmal übel mitgespielt,Als Dich die Schlinge des Vulkans umwand,Und er – o weh! – Dich bei der Gattin fand.–Gedenke drum, da Du im eignen HerzenDie Qual gefühlt, mitleidig meiner Schmerzen!Jung bin ich, unerfahren, wie Du weißt.Von allen Erdenwesen wohl zumeistHab' ich der Liebe Kränkungen erduldet;Und ihr, die alle meine Qual verschuldet,Gilt es dasselbe, ob ich untergehe, |
2400 | Ob oben schwimme; und wenn ich besteheIm Kampfe nicht, ist meine Hoffnung hin!Ich weiß, wie ohne jede Kraft ich bin,Stehst Du mir morgen gnädig nicht zur Seite.Sei darum Helfer mir, o Herr, im Streite!Bei Deiner Liebe, die Dein Herz gefühlt,Bei meiner Liebe, die mein Herz durchwühlt,Bitt' ich, mir Sieg im Kampfe zu verleihn;Mein sei die Arbeit und der Ruhm sei Dein!Von allen Göttertempeln hier auf Erden |
2410 | Soll höchst verehrt von mir der Deine werden,Dich zu erfreuen, will ich Alles thun!In Deinem Tempel soll mein Banner ruhnUnd alle Waffen meiner Kampfgenossen.Ich will, bis daß mein Lebenslauf geschlossen,Ein ew'ges Altarfeuer Dir errichten,Und mich dabei durch einen Schwur verpflichten,Des Hauptes langes Haar und meinen BartDir hinzugeben, ob bislang bewahrtVor Messer und vor Scheere sie geblieben. |
2420 | Ich will Dich stets als treuer Diener lieben!Nun, Herr, erbarm' Dich meiner Sorgen Schwere,Gieb mir den Sieg! Nichts andres ich begehre!“So endend hatte sein Gebet gesprochenDer männliche Arcit, als lautes PochenAm Thor ihn schreckte, sowie helles KlingenUnd mächt'ges Klirr'n von seinen Eisenringen;Und hell beleuchteten die FlammenbrändeAuf dem Altare rings die Tempelwände,Und Wohlgeruch dem Boden sich entwand. |
2430 | Als frischen Weihrauch dann mit voller HandArcit dem Altarfeuer zugesetztUnd jeden Brauch vollführt, vernahm entsetztEr laut am Bild des Mars den Panzer klirren,Und, wie ein dumpfes Murmeln, leises Schwirren,Drang in sein Ohr das Wort: Victoria!“Wohl sang dem Mars nun Ehr' und GloriaArcit, der freudevoll und herzensfrohNach Hause kehrte, hoffnungsreich und soVergnügt, wie Vögel in dem Sonnenschein. |
2440 | Doch um die Gunst, die jedem von den Zwei'nVerheißen war, im Himmel sich entzweiteDie Venus mit dem Mars, und in dem StreiteDer Liebesgöttin und des Gott's der WaffenVersuchte Frieden Jupiter zu schaffen.Jedoch nur dem Saturn, dem kalten, bleichen,Geschichtenkund'gen und erfahrungsreichen,Und schlau gewandten fiel das Mittel ein,Den Streit zu schlichten zwischen den Partei'n.– An Weisheit, wie an Rath steht oben an |
2450 | Das Alter, und der Spruch hat Recht: man kannEs überthaten, doch nicht überrathen. –Und um den Zank und Streit, in den gerathenDie eignen Kinder, wieder beizulegen,War auch Saturn nicht um den Weg verlegen.Venus, mein Kind!“ – so sprach Saturn zu ihr –Mein langer, weiter Weltenlauf giebt mirWeit größre Macht, als viele Menschen denken.Mir steht es zu, im Meer sie zu ertränken,Mir steht es zu, in Kerker sie zu zwängen, |
2460 | Sie zu erdrosseln und sie aufzuhängen.Mein ist des Pöbels Murren, die Verschwörung,Geheimes Gift und offne Volksempörung;Und strafende Vergeltung ich ertheile,Wenn in des Löwen Zeichen ich verweile.Auf meinen Wink geschieht's, daß stolze HallenUnd Thürme stürzen, Mauern niederfallen,Des Zimmermanns und Gräbers Tod vermittelnd.Ich schlug den Simson, an dem Pfeiler rüttelnd.Als Frucht der Kälte ist die Krankheit mein. |
2470 | Mein sind Complotte, mein Verrätherei'n!Der Pestilenz Erzeuger ist mein Blick!Doch weine nicht! Es fällt durch mein Geschick,Wie Du versprochen, sicherlich zum LohnDer Dame Liebe Deinem Palamon,Und seinem Ritter stehe Mars zur Seite!Nun macht für jetzt ein Ende mit dem Streite,Ihr, die an Wesen und Natur verschieden,Fast jeden Tag im Himmel stört den Frieden.Ich bin Dein Ahn, und Dir zu helfen willig; |
2480 | Drum laß das Weinen; Deinen Wunsch erfüll' ich!“Und hiermit schließ' ich jetzt den GötterstreitDurch den sich Venus mit dem Mars entzweit,Und melde nun, so einfach wie ich kann,Den Haupteffect; denn darauf kommt es an.[Hier endet der dritte Teilund der vierte folgt.]
Ein großes Fest gab in Athen es heute;Und auch die lust'ge Maienzeit erfreuteDie Herzen Aller so, daß sie den ganzenMontag verbrachten unter Spiel und Tanzen,Und sich dem Dienst der holden Venus weihten. |
2490 | Doch, da es galt, sich morgen schon bei ZeitenVom Lager zu erheben für die Schlacht,Ging früh zur Ruhe Jeder in der Nacht.Am andern Tag, als kaum der Morgen graute,Erscholl aus den Quartieren schon das lauteGeklirr der Panzer und Gestampf der Rosse.Auf Hengsten und auf Zeltern zog zum SchlosseDie edle Ritterschaft in großer Zahl.Da könnt ihr sehen, wie von Gold und StahlDie Rüstungen erglänzen, wie geschickt |
2500 | Sie Kunst geformt, verziert hat und bestickt!Den Schimmer seht von Schilden, Satteln, Decken,Von goldnen Helmen, Panzern, Wappenröcken,Die Kleiderpracht der Fürsten auf den Rossen,Die Junker und die Ritterschaftsgenossen,Die ihre Helme schnallen, Gurte schnüren,Die Speere nageln und das Schild poliren,Und emsig sich mit ihrem Werk beeilen!Seht, Waffenschmiede bohren, hämmern, feilen,Seht, wie die Hengste unter goldnen Zäumen |
2510 | Vor Ungeduld in die Gebisse schäumen!Bürger und Bauern, seht, in hellen HaufenMit ihren Stöcken durcheinander laufen.Seht, Pauken, Trommeln, Bügelhörner, Flöten,Der grausen Schlachten Blutsignaltrompeten!Das Volksgedränge, den Palast umschwellend,– Hier drei – dort zehn – begierig Fragen stellend:Wie wohl der Ausgang zwischen jenen Zwei'n?Ob dies, ob das, ob jenes würde sein?Hier soll der Schwarzbart sich den Sieg erkaufen, |
2520 | Dort Ohnebart, und dort der größte Haufen,Dann wieder der mit grimmigem Gesicht;Sein Speer – sagt man – hat zwanzig Pfund Gewicht. –So in der Halle wurde Rath gepflogen,Bis hoch die Sonne stand am Himmelsbogen,Und dieser Lärm nebst seinem SängerchorRief Herzog Theseus aus dem Schlaf empor;Und im Palaste blieb er dann so lange,Bis daß man ihm zu ehrendem EmpfangeDie beiden Ritter vorgeführt aus Theben; |
2530 | Und, wie ein Gott, von Glanz und Pracht umgeben,Bestieg den Thron am Fenster er sodann.Nun drängte sich das Volk an ihn heran,Um ihn zu sehen und ihn zu verehrenUnd seinen Willen und Befehl zu hören.Ein Herold die Tribüne dann bestiegUnd rief sein Ho!“, bis daß die Menge schwieg,Und gab, als ringsum Alles ruhig war,Des Herzogs Botschaft kund und offenbar:Des Herren hoher Wille wie Entschließung, |
2540 | – In Anbetracht, daß nutzlose VergießungVon edlem Blut es wäre, wenn zur SchlachtAuf Leib und Leben dies Turnier gemacht –Bestimmt, Gefahr des Todes abzulenken,Was einst beschlossen, derart zu beschränken:Bei Todesstrafe bleiben ausgeschlossenVom Kampfplatz alle Arten von Geschossen;Verboten ist, Streitäxte, Dolche, Klingen,Die nur zum Stechen dienen, mitzubringen,Bei sich zu führen und damit zu streiten. |
2550 | Erlaubt ist, auf den Gegner einzureiten,Wie auch im Fußkampf sich damit zu wehren,– Versteht sich – der Gebrauch von scharfen Speeren.Dem, der zuwider handelt dem Gebot,Zwar nicht der Tod, jedoch der Pranger droht,Und mit Gewalt wird daran ausgestellt,Wer diesen Pact von den Partei'n nicht hält.Geschieht es, daß der Führer einer SeiteGefangen wird, ober besiegt im Streite,Geht auf der Stelle das Turnier zu Ende! |
2560 | Nun helf euch Gott! und frisch ans Werk die Hände!Langschwert und Keule braucht nach Herzensfülle!Und nun zieht ab! Dies ist des Herren Wille!“Des Volkes Beifall bis zum Himmel scholl,Mit lauter Stimme rief es freudevoll:Heil unserm Herrscher, der so mild und gutVerboten hat Gemetzel bis aufs Blut!“Als bei den Schmetterklängen der FanfarenIn wohlgereihtem Festzug dann die SchaarenDen Schranken zu durch alle Straßen rückten, |
2570 | Die – Sarsche nicht, nein – Goldgewebe schmückten,Sah man voran den edlen Herzog reiten,Den die Thebaner rechts und links begleiten,Die Königin kam mit Emilia dann,Und ihnen schlossen in dem Zug sich anDie Uebrigen, gereiht nach Stand und Rang.So zogen sie die ganze Stadt entlangUnd kamen, als des Tages Prime kaumBegonnen hatte, zu der Schranken Raum.Und als man Theseus auf dem Throne sah |
2580 | Mit seiner Königin HippolytaUnd mit Emilia nebst den Ehrendamen,Auch ihre Plätze rasch die Andern nahmen.Von Westen sprengte durch des Ares ThorMit rothem Banner jetzt Arcit hervorUnd führte seine Hunderte zum Streite.Durchs Thor der Venus auf der MorgenseiteSah Palamon zu gleicher Zeit man kühnMit weißem Banner in die Schranken ziehn.– Wenn man die Welt von Anfang bis zu Ende |
2590 | Rastlos durchstreifen wollte, schwerlich fändeMan solche Schaar zum zweitenmal gesellt.Es könnte selbst der klügste Mann der WeltNicht sagen, wer die UeberlegenheitBesaß an Alter, Stand und Würdigkeit!So ebenbürtig konnten Alle gelten. –Dann in zwei Gliedern zum Appelle stelltenDie Schaaren sich. Man rief die KampfgenossenBei Namen auf, und von den Thoren schlossenSich unter lautem Zuruf dann die Gitter: |
2600 | Thut Eure Pflicht, Ihr jungen, stolzen Ritter!“Nun sah die Herolde man seitwärts treten,Es klangen Hörner, schmetterten Trompeten;Was sag' ich mehr? Im Osten wie im WestLegt schon den Speer zum Anlauf Jeder festUnd drückt dem Hengst die Sporen in die Seiten.Da sieht man, wer turnieren kann und reiten!Hier an den Schilden Speere splitternd brechen,Dort einer Rüstung Bruststück sie durchstechen,Der Speere Trümmer zwanzig Fuß hoch springen, |
2610 | Man zieht die Schwerter, deren SilberklingenZermalmend auf die Helme niederblitzen,Das Blut beginnt zu strömen und zu spritzen,Und unter Keulenschlägen splittern Knochen.Hier hat die Reihen einer schon durchbrochen,Dort stürzen starke Pferde, und im FallRollt sich im Staub der Reiter wie ein Ball.Ein Andrer will im Kampf das Messer ziehn,Doch aus dem Sattel hebt der Gegner ihn,Am Pranger büßt verletzt er und gefangen, |
2620 | Was dem Gebot zuwider er begangen.Auch einer von der andern Seite duldetDas gleiche Loos, weil Gleiches er verschuldet.Und Theseus hieß im Kampfgewühl inzwischenBald diesen ruhn, bald jenen sich erfrischen.Auch die Thebaner fochten oft und langUnd hatten schon im blut'gen WaffengangVom Sattel gegenseitig sich gestreift.Kein Tiger, der Galaphas Thal durchstreift,So wüthend das geraubte Junge sucht, |
2630 | Als wie Arcit in seiner EifersuchtNach Palamon. – Es war in BelmarieSo grimmig ein gehetzter Löwe nie,Noch sprang mit hungertollerer BegierEr jemals nach der Beute, als wie hierJetzt Palamon auf den Arcit eindrang.Die Helme dröhnen bei der Streiche Klang,Und Ströme Bluts aus ihren Schläfen dringen.Doch da's ein Ende giebt bei allen Dingen,Geschah es, daß im Kampfe mit Arcit |
2640 | Dem Palamon, bevor die Sonne schied,König Emetrius mit mächt'gem HiebTief in das Fleisch des Schwertes Schneide trieb.Umringt von zwanzigfacher Ueberzahl,Ward er gefangen hingeschleppt zum Pfahl.Lykurg, der Köng, der ihm helfen wollte,Trotz seiner Stärke sich am Boden rollte.War aus dem Sattel auch der starke HeldEmetrius von Palamon geschnellt,Auf Schwertes Länge mit gewalt'gem Stoß, |
2650 | Was half es ihm? Entschieden war sein Loos!Gefangen schleifte man zum Pfahl ihn hin,Und, überwunden, muß sein stolzer Sinn,Was verbedungen, mit Geduld ertragen.Wohl mochte Palamon nun jammernd klagen,Er darf zurück ins Kampfgewühl nicht gehn!Doch Theseus, der den Ausgang angesehnVon dem Turniere, rief den Kämpfern zu:Ho! Ho! nicht mehr! Jetzt haltet Waffenruh'!Den Schiedsspruch kann ich unparteiisch geben: |
2660 | Emilia gehört Arcit von Theben,Der durch sein Glück der Schönheit Preis gewann!“Nun hob im Volk ein buntes Lärmen an.Man hörte laute Jubelrufe schallen,Als ob die Schranken sollten niederfallen.Doch, was soll jetzt die holde Venus thun,Der Liebe Königin, was sagt sie nun?Sie weint, daß Alles ihrem Wunsch entgegenUnd näßt die Schranken mit der Thränen Regen.Ach! welche Schmach“ – sprach sie – ist mir beschieden?“ |
2670 | Saturnus sagte: Tochter, halte Frieden!Was Mars gewollt, fiel seinem Ritter zu;Doch schwör' ich Dir, befriedigt wirst auch Du!“Trompeten blasen, Minnesänger singen,Von Herolden die lauten Stimmen klingen,Um ihren Beifall dem Arcit zu spenden.Doch hört auf mich, und laßt das Lärmen enden,Und horcht und lauscht, welch Wunder jetzt geschieht!Von seinem Haupte nahm den Helm Arcit,Schwang sich mit offnem Antlitz auf sein Roß, |
2680 | Auf dem er eilends durch die Schranken schoßZum Platze, wo Emilia er erblickte,Die freundlich grüßend ihm entgegen nickte.– So geht es mit den Weibern allerwärts,Wo der Erfolg ist, da ist auch ihr Herz. –Und als er freudestrahlend vor ihr stand,Zerbarst die Erde, und empor sich wand,Von Pluto auf Geheiß Saturns geschickt,Ein höllisch Ungeheuer. – Es erschricktDas Pferd, springt plötzlich seitwärts, strauchelt, fällt, |
2690 | Und aus dem Sattel wird Arcit geschnelltUnd stürzt vom Pferde nieder auf den Kopf.Die Brust zerbrochen durch den Sattelknopf,Streckt er wie todt am Boden seine Glieder.Schwarz wie die Kohle, wie der Kräh'n GefiederDas dunkle Blut sein Antlitz überfloß.Betrübt trug man vom Platz ihn in das SchloßDes Theseus hin, und dort ward er in HastBefreit von seiner Rüstung schwerer LastUnd auf ein weiches Ruhebett gelegt. |
2700 | Noch bei Verstand, von Leben noch bewegt,Rief unaufhörlich er Emiliens Namen.Und nach Athen zurückgeritten kamenDer Herzog Theseus und der Ritter MengeIn großem Pomp und reichen Festgepränge.Obschon dies Abenteuer vorgefallen,Gewährte Trost er und Zerstreuung Allen.Nicht sei Arcit – so sprach man – in Gefahr,Noch böte Hoffnung sich auf Rettung dar;Und freudig ward die Nachricht aufgenommen, |
2710 | Daß sonst im Kampfe Niemand umgekommen.Denn schwer verletzt war einer nur, nicht mehr,Dem seine Brust durchbrochen war vom Speer.Für andre Wunden, Arm- und Knochenbrüche,Dem Salben dienten, jenem ZaubersprücheUnd diesem Kräutertränke, dem Salbei,Damit erhalten Leib und Leben sei.Der edle Herzog sucht, soviel er kann,Zu trösten und erheitern Jedermann,Und nach Gebühr die edlen Herr'n zu ehren |
2720 | Mit Gasterei'n, die bis zum Morgen währen.Kein Uebelwollen ihr Vergnügen störte,Allein vom Kampf und vom Turniere hörteMan reden, und der Meinung Aller nachWar es ein Zufall, aber keine Schmach,Daß er von zwanzigfacher UeberzahlGefangen ward und fortgeschleppt zum Pfahl.– Stand er allein und ohne Hülfe dort,Und zerrten ihn an Arm und Füßen fort,Und prügelten mit Stöcken seinen Rappen |
2730 | Die Reisigen, die Knechte sammt den Knappen,So konnte keine Schande dieses sein,Man durfte nimmer ihn der Feigheit zeihn. –Jedoch, um zu vermeiden Streit und Zank,Ließ Herzog Theseus seinen Preis und DankDer einen wie der andern Seite sagen,Die sich gleich brav, gleich brüderlich betragen,Und theilte reiche Ehrengaben aus.Drei Tage schwanden unter Fest und Schmaus,Dann gab zur Stadt hinaus auf Tagesweite |
2740 | Er allen edlen Fürsten das Geleite.Leb' wohl“ und Guten Tag“ hieß es sodannUnd graden Wegs zog heimwärts Jedermann.Doch von dem Kampfe wendet sich mein LiedZu Palamon zurück und zu Arcit.Es schwoll die Brust, und weiter stets und weiterUmfraß das Herz Arcits der Wunde Eiter.Das Blut gerann. Die Heilkunst war vergebens,Vergiftet war und blieb der Saft des Lebens.Ihm half kein Aderlaß, kein Blutentzieh'n, |
2750 | Nicht Kräutertränke, keine Medicin.Nicht mehr natürlich wurde fortgeschafftVon animalischer EntleerungskraftDie Giftsubstanz der faulen Eiterungen.Geschwollen sind die Röhren seiner Lungen;Die Muskelfasern in der Brust, im BaucheSind schon zerfressen von der gift'gen Jauche,Und ohne jede Wirkung sich erprobenLaxiren unten und Erbrechen oben.Sein ganzer Leib ist eine Wunde nur. |
2760 | Zu Ende geht die Herrschaft der Natur.– Und wo Natur nicht länger helfen kann,Leb' wohl Arznei! Zur Kirche tragt den Mann! –Die Wahrheit ist, er lag im Sterben schon.Und zu Emilia und zu PalamonEntsandte Botschaft er, um von den Beiden,Wie Ihr von mir jetzt hören sollt, zu scheiden:Nicht fassen kann mein schwermuthsvolles HerzIn klare Worte meiner Sorgen Schmerz,Und kurze Frist bleibt mir zu leben nur. |
2770 | O, Theure, die von jeder CreaturAuf dieser Welt ich stets geliebt zumeist,Deinem Gebet empfehl' ich meinen Geist!Emilia! – ach, o weh mir! – welche PlagenHab' ich um Dich so lange schon ertragen!Weh mir! ich sterbe! ach, Emilia mein!Muß ich von Dir so bald geschieden sein?Ach, theures Weib, ach, Herzenskönigin,Mein Schatz und meines Lebens Enderin!Was ist die Welt? Was ist des Menschen Loos? |
2780 | Vom Schoß der Liebe sinkt er in den SchoßDes kalten Grabes einsam und allein.Leb' wohl, mein Lieb! leb' wohl, Emilia mein!Mit Deinen weichen Armen mich umwinde,Und liebst Du Gott, so hör', was ich verkünde:Mit meinem theuren Vetter PalamonLag ich in Zank und Streit seit lange schonAus Liebe, wie aus Eifersucht um Dich,Doch stehe Jupiter mir bei, daß ichDir eines Dieners Werth in voller Klarheit |
2790 | Jetzt schildern möge nach Verdienst und Wahrheit.Denn Ehre, Klugheit, Treue, Rittermuth,Demuth und Freisinn, Rang und edles Blut,Jedwede Tugend ist an ihm zu preisen;Nie möge Jupiter mir Heil erweisen,Wenn einen Mann ich weiß, der hier auf ErdenVerdiente mehr, von Dir geliebt zu werden,Als Palamon, der Dir geweiht sein Leben;Und willst Du je Dich einem Mann ergeben,Erinnre Dich des edlen Palamon!“ |
2800 | Bei diesen Worten brach der Stimme Ton,Und von den Füßen nach der Brust entlangDes Todes Kälte durch die Glieder drang.Die Lebenskraft entwich. Ihm wurden HändeUnd Arme steif. Das Leben ging zu Ende.Es schlummerte Bewußtsein und VerstandAllmählich ein und aus dem Herzen schwandIhm die Empfindung bei des Todes Nah'n;Sein Athem stockte! doch zur Theuren sahn,Im Brechen noch die Augen fort und fort, |
2810 | Und Dank Emilia!“ war sein letztes Wort.So seine Wohnung wechselnd floh der GeistUnd ging, wohin noch niemals ich gereist;Drum nicht errathen kann ich's noch erzählen;Ich führe kein Register über Seelen,Noch mitzutheilen fühl' ich mich getriebenDie Meinung derer, die den Ort beschrieben.Arcit ist kalt; sei Mars der Seele gnädig!Und fernerhin nun von Emilia red' ich.Es heulte Palamon, Emilia schrie, |
2820 | Und Theseus trug auf seinen Armen dieBesinnungslose aus der Leichenkammer.Was hilft es mir vom tagelangen JammerDer Beiden gleichfalls tagelang zu klagen?– Schwer hat ein Weib in solchem Fall zu tragen;Wird ihr der Gatte durch den Tod genommen,So fühlt ihr Herz sich sorgenvoll beklommenUnd Krankheit folgt nicht selten auf das Leid,Von dem zuletzt sie nur der Tod befreit. –Endlos die Schmerzen und die Thränen waren |
2830 | Von altem Volk und Volk in jungen JahrenUm des Thebaners Tod im weiten KreiseDer ganzen Stadt. – Die Kinder wie die GreiseBeweinten ihn. Gewiß, seit man erschlagenVor Troja Hektor, wurden solche KlagenNicht mehr gehört. – Die Wangen sich zerfleischend,Das Haar zerraufend, schrieen Weiber kreischend:Warum traf Dich der Tod? Du hattest GoldIm Ueberfluß; Dir war Emilia hold!“Theseus zu trösten war allein im Stand |
2840 | Sein alter Vater Aegeus. Er verstand,Daß in des Lebens buntem WechselspielNoch immerdar die Wage stieg und fiel.Daß Lust dem Leid und Leid der Freude weiche,Bewies er durch Belege, durch Vergleiche.Wie Niemand“ – sprach er – je gestorben ist,Der nicht zuvor gelebt hat eine Frist,So lebt auch“ – sprach er – Niemand hier auf Erden,Der nicht dem Tode muß zur Beute werden.Die Welt ist eine Wallfahrt voller Leiden! |
2850 | Wir sind die Pilger, kommen, wandern, scheiden;Die Sorgen endet nur der Tod allein.“Er schärfte dies dem Volk verständig einNebst manchem Andern, um es zu belehren,Im Unglück Trost dem Herrscher zu gewähren.Aufs Eifrigste war Theseus nun bemüht,Den Platz zu wählen, welcher für ArcitZur Ruhestatt von seinen ErdenrestenDem Range des Verstorbnen nach am bestenUnd passendsten und würdigsten erscheine. |
2860 | Und er beschloß, in jenem grünen Haine,Wo einst Arcit und Palamon entzweitGerungen hatten in der Liebe Streit,Zu dem Arcit in Liebesgluth oft wallte,Wo seines Herzens Klage widerhallte,Den Scheiterhaufen für Arcit zu schichten,Und dort die Leichenfeier zu verrichten.Die alten Eichen ließ er niederhauenUnd niederhacken und befahl zu bauenAus ihren Stämmen einen Flammenstoß. |
2870 | Nun war die Eile seiner Diener groß,Um Alles herzurichten, wie befohlen.Dann ließ die Leichenbahre Theseus holenUnd mit den reichsten, schwersten Goldgeweben,So herrlich er sie nur besaß, umgeben.Es lag in Gold gekleidet auf das Gleiche,Mit weißen Handschuh'n angethan, die Leiche,Um deren Haupt ein Lorbeerkranz sich wand,Mit blankem, scharfem Schwerte in der Hand.Ihr Angesicht enthüllte Theseus dann |
2880 | Und fing vor Rührung laut zu weinen an.Und als der Morgen anbrach, ward für AlleZur Schau gestellt sein Leichnam in der Halle,Und rings ertönte Jammer und Geschrei.Und schmerzbewegt kam Palamon herbei,Im schwarzen Kleid, von Thränen ganz benetzt,Das Haar voll Asche, seinen Bart zerfetzt,Denn nach der weinenden Emilia warKein Jammervoll'rer in der ganzen Schaar.Damit der Trauerzug dem Rang der Leiche |
2890 | An Pomp und Pracht zur höchsten Ehr' gereiche,Ließ Theseus auf drei großen, weißen Rossen,Von blanken Eisenpanzern rings umschlossenUnd mit dem Wappen von Arcit geziert,Die Waffen, die im Leben er geführt,Von Reitern tragen; und der erste ReiterHielt seinen Speer und seinen Schild ein zweiter;Ein dritter führte seinen türk'schen BogenUnd seinen Köcher, reich mit Gold bezogen.So ritten still mit trübem Angesichte |
2900 | Sie zu dem Haine, wie ich nun berichte:Getragen ward die Bahre mit der LeicheVom höchsten Adel aus dem Griechenreiche;Dem Hauptweg folgend, lenkten sie mit nassen,Verweinten Augen langsam durch die GassenDer gänzlich schwarz behängten Stadt entlang,Die überall zu trauern schien, den Gang.Aegeus, der alte, ging zur rechten Hand,Zu seiner linken Theseus sich befand,Und Goldgefäße hielten sie in Händen, |
2910 | Um Honig, Wein und Milch und Blut zu spenden.Dann folgte Palamon im Freundeskreise;Und in den Händen, wie es Brauch und Weise,Zum Leichendienst die Feuerbrände tragend,Zuletzt Emilia, schmerzerfüllt und klagend.Lang war die Arbeit und die Mühe groß,Bis aufgerichtet war der Flammenstoß,Der grüne Wipfel bis zum Himmel reckteUnd zwanzig Faden breit die Arme streckte,Das heißt: die Aeste hatten solche Länge. |
2920 | Den Grund zu legen, wurde Stroh in MengeHerbeigeschafft. Doch, wie die Gluth geschürtUnd welchen Namen jeder Baum geführt,Den man gefällt, wie Fichte, Rüster, Eiche,Platane, Linde, Dorn- und Haselsträuche,Kastanie, Pappel, Esche, Lorbeer, Eibe,Euch näher zu erzählen, unterbleibe.Auch wo, von ihren Wohnungen vertrieben,Die obdachlosen Waldesgötter blieben,Und wie am Ort, wo sie gelebt in Frieden, |
2930 | Hamadryaden, Faune, Nymphen schieden;Wie Vögel und Gethier, von Furcht gepackt,Geflohen, als die Bäume man gehackt;Wie Waldesgrund, einst dicht belaubt, jetzt kahl,Mit Schrecken sah den ersten Sonnenstrahl;Wie Unterlagen man von Stroh errichtet,Und trockne Reiser dreifach aufgeschichtetUnd grünes Holz, und wie von Specerei'nUnd goldnen Tüchern, kostbarem GesteinUnd blumenreichen Kränzen Alles voll; |
2940 | Wie Duft aus Weihrauch und aus Myrrhen quoll,Wie von Arcit darin die ErdenhülleGelegt in ihres Schmuckes reicher Fülle,Wie nach dem Brauch der Zeit Emiliens HandZuerst entzündete des Feuers Brand,Wie sie in Ohnmacht fiel, als dies gethan,Was sie gesprochen und geschrien im Wahn;Wie sich die Flammen rasend rasch vermehrt,Und was an Edelsteinen und an Werth,Was sie an Kleidern, Schilden und an scharfen |
2950 | Und langen Speeren in das Feuer warfen,Wie becherweise Wein und Milch und BlutGegossen in des Feuers wilde Gluth;Wie dreimal dann in weitgedehntem BogenDie Griechen reitend um das Feuer zogen,Es links umkreisend, und wie dreimal tönteIhr Wehgeschrei, ihr Speergerassel dröhnte;Wie dreimal scholl der Weiber Jammerklagen;Wie heimwärts man Emilia getragen,Und wie Arcit zu Aschenstaub zerfiel; |
2960 | Wie in der Nacht darauf mit manchem SpielDie Griechen kürzten ihre Leichenwache –Das zu erzählen, ist nicht meine Sache;Noch wer von ihnen in des Ringkampfs GangSich, nackt und ölgetränkt, den Preis errang;Auch meld' ich nicht, wie nach Athen zu HausEin Jeder zog, sobald die Feier aus;Denn rasch zum Schlusse denk' ich hinzuwenden,Das lang Erzählte nunmehr kurz zu enden.Im Lauf der Jahre trocknete die Zeit |
2970 | Der Griechen Thränen, und der Trauer KleidBeschloß man männiglich nicht mehr zu tragen;Und in Athen – scheint mir – begann zu tagenEin Parlament, das mancherlei erwogUnd auch ein Bündniß in Betrachtung zogMit andern Staaten, falls dem anzuschließenSich die Thebaner willig finden ließen.Vor Theseus zu erscheinen unverweilt,Ward daher Palamon Befehl ertheilt,Der, ahnungslos, weßhalb nach ihm gesandt, |
2980 | Mit trauervollem Herzen und GewandSich nach Athen begab, wie ihm befohlen.– Doch für Emilia ließ ihn Theseus holen. –Als Alle Platz genommen, Jeder stumm,Und Herzog Theseus seinen Blick ringsumZunächst geworfen eine Weile lang,Eh' sich ein Laut der weisen Brust entrang,Begann betrübt zu seufzen er im Stillen,Und kündete dann also seinen Willen:Als einst der allerhöchste Lenker droben |
2990 | Der Liebe schöne Kette hat gewoben,War groß sein Ziel und seine Absicht klug;Er wußte wohl, was er im Sinne trug.Denn mit der schönen Liebeskette bandEr dauernd Feuer, Wasser, Luft und LandIn fester Gränzen wandellosem Ort.Derselbe Fürst und Lenker“ – fuhr er fort –Hat zugetheilt in dieser Welt voll TrauerBesondern Tagen auch bestimmte DauerFür alle, die geboren sind auf Erden; |
3000 | Und diese können nicht verlängert werden,Wenn ihre Frist man auch beschränken kann.Ich führe nicht Autoritäten an;Denn längst hat die Erfahrung es gelehrt;Indeß auch meine Meinung sei erklärt.Wie man aus dieser Ordnung leicht erkennt,Steht fest und ewig Gottes Regiment,Und Jeder weiß, sofern er nicht ein Thor,Daß aus dem Ganzen geht der Theil hervor.Denn nicht ein Theil, ein Bruchstück ist's gewesen, |
3010 | Woraus Natur entstand, vielmehr ein WesenVon steter Dauer und Vollkommenheit;Nur nach und nach sank sie zur Endlichkeit.Mit weiser Vorsicht hat der Herr der WeltSo gut durch seine Satzung festgestellt,Daß jedes Ding nach Classe wie nach ArtDurch Folge nur die Dauer sich bewahrt,Und nicht auf ewig in sich fortbesteht,Wie Ihr mit eignen Augen es erseht.Zur Eiche blickt: wie war ihr Wachsthum lang |
3020 | Seit aus dem Keime sie zuerst entsprang.Lang ist ihr Leben, wie wir alle sehn,Und doch – zuletzt muß dieser Baum vergehn!Denkt: auch der harte Stein, den Tag für TagDer Fuß betritt, verschwindet nach und nachUnd liegt zuletzt uns nicht im Wege mehr.Der breite Strom wird oftmals wasserleer,Die großen Städte fallen und verschwinden;Ihr seht es – Alles muß ein Ende finden.Kein Mann, kein Weib kann diesem Loos entfliehn |
3030 | Es kennt der Tod nicht zweierlei Termin;Das heißt: ob alt ob jung, bedeutet wenig,Denn sterben muß der Page wie der König!Der stirbt im Bett, der wird des Meeres Beute,Der bleibt im Feld – das wissen alle Leute.Den gleichen Weg geht Alles in der Welt;Wohl mag ich sagen, jedes Ding zerfällt.Ist es nicht so von Jupiter beschlossen?Er ist der Herr, dem jedes Ding entsprossen,Der über Alles, was durch ihn gestaltet, |
3040 | Bekanntlich auch nach eignem Willen schaltet.Und kein Geschöpf kann diesem widerstreben,Was auch sein Rang auf Erden und im Leben.Mir scheint, es ist so weise, wie gescheidt,Macht man zur Tugend die Nothwendigkeit.Fügt Euch darin, daß noch kein Mensch hieniedenDem Loos entrann, das ihm vorher beschieden.Wer dies bemurrt, der lehnt sich als ein ThorUnd ein Rebelle gegen Gott empor.Die größte Ehre sich ein Mann erwirbt, |
3050 | Der in der Blüthe seiner Würde stirbt.Dann bleibt sein guter Ruf ihm stets gewahrt,Und Schmach den Freunden und ihm selbst erspart.Weit freudiger sei dessen Tod begrüßt,Der ehrenvoll ein junges Dasein schließt,Als der des Greises, wenn erblaßt sein RuhmUnd längst vergessen ist sein Ritterthum.Den rühmlichsten und besten Tod erleidet,Wer in dem Vollglanz seines Ruhmes scheidet.Nur Eigensinn kann diesem widerstreben! |
3060 | Was murren wir, anstatt uns zu ergeben,Daß uns Arcit, des Ritterthumes Blume,Entrissen ward in seinen höchsten Ruhme,Als er des Leibes fauler Haft entflohn?Weßwegen will sein Vetter Palamon,Sein liebend Weib ihm dieses Glück nicht gönnen?Weiß Gott, wie soll er ihnen danken können,Daß sie sich selbst und seinen Geist so kränken?– Doch kaum vermögen Andres sie zu denken! –Was ist der langen Rede letzter Schluß? |
3070 | Ich denke: Freude folge dem Verdruß!Dankbar empor laßt uns die Hände hebenZu Jupiter, eh' wir uns fortbegeben.Wir machen – rath' ich – aus zwei dunklen SorgenFür immerdar den hellsten Freudenmorgen!Und seht, wo diese Sorge ist am größten,Da will zuerst auch helfen ich und trösten!Schwester!“ – so sprach er – es ist fest beschlossenDurch Beistimmung der Parlaments-Genossen,Daß Deinem edlen Ritter Palamon, |
3080 | Der Dir gedient so lange Jahre schon,Seit Du ihn kennst, mit Willen, Herz und Hand,Nun Deine Gnade werde zugewandt,Um ihn als Gatten und als Herrn zu ehren!Reich' mir die Hand, denn so ist mein Begehren!Zeig' weiblich Mitleid! Als der BruderssohnVon einem Könige verdient er's schon.Wenn er ein armer Junggesell einst schien,Und widerwärtig das Geschick für ihn,So dient' er Dir doch manches liebe Jahr, |
3090 | Das mußt Du in Erwägung ziehn, fürwahr!Drum sei auch Gnade jetzt für Recht erkannt!“Zum edlen Ritter Palamon gewandt,Sprach er: Mich dünkt's, nicht lange muß ich pred'gen,Um zwischen uns die Sache zu erled'gen!Komm her, und nimm die Dame bei der Hand!“Und somit ward geschlossen jenes Band,Das manchmal Ehe heißt und manchmal Heirath!Und die Barone gaben ihren Beirath.So mit Musik und aller Seligkeit |
3100 | Hat Palamon Emilia gefreit.Und Gott, der alle Welt gemacht und lenkt,Hat nach Verdienst mit Segen sie beschenkt;Denn Palamon auf immerdar zu TheilWard Freude, Reichthum und jedwedes Heil;Stets zärtlich blieb Emilia ihm ergeben,Und ihrem Dienste war geweiht sein Leben.Nie Eifersucht und nie ein böses Wort,Nie trübte Leid ihr Lebensglück hinfort.So sei von Beiden mein Bericht geschlossen. |
3110 | Behüt' Euch Gott, Ihr Pilgerfahrtsgenossen! |