Annette von Droste-Hülshoff
1797 - 1848
Gedichte
1844
Fels, Wald und See
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Am Weiherentstanden 1835
Ein milder WintertagAn jenes Waldes Enden,Wo still der Weiher liegtUnd längs den FichtenwändenSich lind Gemurmel wiegt:
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5 | Wo in der Sonnenhelle,So matt und kalt sie ist,Doch immerfort die WelleDas Ufer flimmernd küßt:
Da weiß ich, schön zum Malen, |
10 | Noch eine schmale Schlucht,Wo all' die kleinen StrahlenSich fangen in der Bucht;
Ein trocken, windstill Eckchen,Und so an Grüne reich, |
15 | Daß auf dem ganzen FleckchenMich kränkt kein dürrer Zweig.
Will ich den Mantel dichteNun legen über's Moos,Mich lehnen an die Fichte, |
20 | Und dann auf meinen Schooß
Gezweig' und Kräuter breiten,So gut ich's finden mag:Wer will mir's übel deuten,Spiel' ich den Sommertag?
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25 | Will nicht die Grille hallen,So säuselt doch das Ried;Sind stumm die Nachtigallen,So sing' ich selbst ein Lied.
Und hat Natur zum Feste |
30 | Nur wenig dargebracht:Die Lust ist stets die beste,Die man sich selber macht.
Ein harter WintertagDaß ich dich so verkümmert seh',Mein lieb' lebend'ges Wasserreich, |
35 | Daß ganz versteckt in Eis und SchneeDu siehst der plumpen Erde gleich;
Auch daß voll Reif und Schollen hängtDein überglas'ter Fichtengang:Das ist es nicht, was mich beengt, |
40 | Geh ich an deinem Bord entlang.
Zwar in der immer grünen ZierErschienst, o freundlich Element,Du ähnlich den Oasen mir,Die des Arabers Sehnsucht kennt;
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45 | Wenn neben der verdorrten FlurErblühten deine Moose noch,Wenn durch die schweigende NaturErklangen deine Wellen doch.
Allein auch heute wollt' ich gern |
50 | Mich des krystallnen Flimmers freun,Belauschen jeden FarbensternUnd keinen Sommertag bereun:
Wär' nicht dem Ufer längs, so breit,Die glatte Schlittenbahn gefegt, |
55 | Worauf sich wohl zur MittagszeitGar manche rüst'ge Ferse regt.
Bedenk' ich nun, wie manches JahrIch nimmer eine Eisbahn sah:Wohl wird mir's trüb' und wunderbar, |
60 | Und tausend Bilder treten nah.
Was blieb an Wünschen unerfüllt,Das nähm' ich noch gelassen mit:Doch ach, der Frost so manchen hüllt,Der einst so fröhlich drüber glitt! |