Annette von Droste-Hülshoff
1797 - 1848
Gedichte
1844
Fels, Wald und See
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Das alte Schloßentstanden 1841/42
Auf der Burg haus' ich am Berge,Unter mir der blaue See,Höre nächtlich Koboldzwerge,Täglich Adler aus der Höh', | |
5 | Und die grauen AhnenbilderSind mir Stubenkameraden,Wappentruh' und EisenschilderSofa mir und Kleiderladen.
Schreit' ich über die Terrasse |
10 | Wie ein Geist am Runenstein,Sehe unter mir die blasseAlte Stadt im Mondenschein,Und am Walle pfeift es weidlich,– Sind es Käuze oder Knaben? – |
15 | Ist mir selber oft nicht deutlich,Ob ich lebend, ob begraben!
Mir genüber gähnt die Halle,Grauen Thores, hohl und lang,Drin mit wunderlichem Schalle |
20 | Langsam dröhnt ein schwerer Gang;Mir zur Seite Riegelzüge,Ha, ich öffne, laß die LampeScheinen auf der WendelstiegeLose modergrüne Rampe,
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25 | Die mich lockt wie ein Verhängniß,Zu dem unbekannten Grund;Ob ein Brunnen? ob Gefängniß?Keinem Lebenden ist's kund;Denn zerfallen sind die Stufen, |
30 | Und der Steinwurf hat nicht Bahn,Doch als ich hinab gerufen,Donnert's fort wie ein Orkan.
Ja, wird mir nicht baldigst fadeDieses Schlosses Romantik, |
35 | In den Trümmern, ohne Gnade,Brech' ich Glieder und Genick;Denn, wie trotzig sich die DüneMag am flachen Strande heben,Fühl' ich stark mich wie ein Hüne, |
40 | Von Zerfallendem umgeben. |