BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Magdalena von Dobeneck

1808 - 1891

 

Briefe und Tagebuchblätter

aus Frankreich, Irland und Italien

 

1843

 

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Die leibliche Ruhe tritt ein, wenn wir aufhören uns selbst bewußt zu seyn, die geistliche, wenn wir unsere irdischen, fleischlichen Begierden aufgeben, um Gott zu gewinnen.

 

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Der Diamant gilt für den härtesten und schönsten Stein, und doch, wenn er z. B. durch ein Brennglas verbrannt wird, läßt er nicht einmal Staub zurück, sondern steigt in Rauch auf. Und doch liebt unsere unsterbliche Seele den Schatten mehr als das Wesen! O daß wir, durch den Stachel der vergänglichen Dinge, uns zu dem hintreiben ließen, der die Fülle der Gottheit ist und das ewige Leben!

 

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Der Mensch kann auf mich aus zweierlei Weise einwirken; sein Menschliches affizirt mich, mehr oder weniger, bis zur Höllenqual, während das Göttliche in ihm den ewigen Frieden in mir entzündet.

 

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Gemüth ist das geistige Prinzip des Gefühls; die Franzosen haben in ihrer Sprache kein Wort für Gemüth – was ließe sich daraus argumentiren?

 

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Die Natur ist das Buch, das die Gleichnisse enthält, wodurch wir das Göttliche darstellen; sie kann aufgefaßt werden  als gefallen, versöhnt, aber  nicht erlöst. Das Herz,

 

mit seinen schmutzigen und zerrissenen Blättern, zeugt von Entfremdung gegen Gott, obgleich erlöst und berufen, wieder zu ihm zu kehren. Die Bibel aber ist das Buch aller Bücher und der Schlüssel zum Buch der Natur und des Herzens.

 

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Die Wahrheit drängt sich keinem Menschen auf, sie will gesucht, erkannt und geliebt sein.

 

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Schau mich an, sprach die Lilie, ob ich nicht ein Bild des Wesens Gottes bin? Der Stengel ist die Kraft; die zarten Blättchen, welche sich gleichsam schützend hinan schmiegen, die Güte; der Blätter weiße Farbe die Schönheit; die himmelanstrebende Form die Majestät; der Kelch und Blumenstaub die Liebe; und als Heilmittel betrachtet, bin ich das Bild der Barmherzigkeit Gottes.

 

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Jeder Mensch hat seine Schooßsünde, die er so fest hält, daß er sich lieber größerer Verbrechen schuldig giebt, als diese eine mit Namen zu bekennen. Gott rüttelt daher oft lange vergebens an dem Knoten des mit Gold zehnfach umsponnenen Strickes, der uns ach! an eine ewige, qualvolle Finsterniß bindet. Nur lebendiger Glaube und beharrliches Gebet sind die Schlüssel zu diesem Kerker. Nur unbegreifliche Langmuth Gottes vermag es, ein um die Sünde sich stets windendes Schlangenherz aufrichtig zu machen, so daß es mit Liebe sich dem verborgenen Gerichte.