BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Magdalena von Dobeneck

1808 - 1891

 

Briefe und Tagebuchblätter

aus Frankreich, Irland und Italien

 

1843

 

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aus altadeligem Geschlecht, nie ihres Landes übliche Kleidung verläugnet, eine Eigenschaft, die dem Deutschen, seiner allzugroßen Toleranz wegen, sonst gänzlich ab­geht. –

 

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Ich besuchte Miß M... Vor 4 Jahren hatte ich sie in Paris gesehen. Ihre Züge sind noch dieselben kindlichen, geistigen, obwohl nicht ganz so blühend wie damals, denn seit mehreren Jahren leidet sie an Schmerzen in der Seite, die ihr das Gehen versagen. Man führte mich in den Garten, wo sie, in einem Wagen liegend, mich begrüßte. Aber welche seltene Heiterkeit ist über jedes ihrer Worte ausgegossen! – Eine wahrheitsliebende Seele hat nicht die vergängliche Freude, sondern die gewisse Hoffnung des ewigen Lebens zum Erbtheil und deshalb vermag sie es, lächelnd die Last des kurzen Lebens zu tragen.

 

 

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So eben sind wir von einer Spazierfahrt zurückgekehrt. Wir waren in dem Dörfchen Hindelbank. In der dortigen Kirche befindet sich nämlich das berühmte Grabmal der Maria Magdalena Langhanns, die in ihrem 28ten Jahre, an den Folgen ihrer Entbindung, am Ostertage 1751 gestorben. Ein preußischer Künstler, Namens Stahl, Verewigte ihr Andenken, zum Trost ihres Mannes, auf originelle Weise. -- Man öffnete die zwei hölzernen Thüren des etwas in den Boden versenkten Grabmals. Wie schildere ich den Eindruck als ich, die gar nicht eigentlich wußte,  warum  man  mich  in  diese  Kirche  geführt,  mei­ne  Blicke  auf  das  Grab  richtete,  und es mir nicht anders

 

war, als sei eben jetzt der gewaltige Riß geschehen, als müße sich der Stein mehr und mehr heben, und die Gestalt zum Leben hervortreten. Die Spalte theilt dreimal das Grab und läßt eine junge Frau sehen. Schon ist das Haupt der finstern Wohnung enthoben, aber noch ist die Stirne träumerisch; um die Augen, um den Mund regt sich ein mildes, sinniges Lächeln, die Züge sind schön, doch abgezehrt, und das dumpfe Grab hat die Jugendblüthe hinweggenommen. Das Auge allein ist Jugend und Sehnsucht. Mit der linken Hand stößt sie den Stein zurück, der über sie zu stürzen droht, und mit der Rechten drückt sie das Kindchen an ihre Brust, das mit seinem kahlen Köpfchen so frischgeboren herauf blickt und auch seine winzigen Fingerchen krampfhaft gegen den Stein stemmt. Es schien mir, als regten sich die Glieder der jungen Mutter, als Verrückten sich die Falten am Gewande. Auf dem geborstnen Deckel des Grabmals (das Grab und die Figuren sind aus einem einzigen Block grauen Sandsteins gearbeitet), liest man folgende Inschrift, die der Spalt in zwei Theile trennt:

 

 

Herr! hier bin ich, und das Kind so du mir gegeben hast!

 

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Horch, die Trompete schallt, ihr Klang dringt durch das Grab.

Wach auf, mein Schmerzenssohn, wirf deine Hülsen ab.

Dein Heiland ruft dir zu; Vor ihm flieht Tod und Zeit,

Und in ein ewig Heil verschwindet alles Heil!

 

 


Johann August Nahl der Ältere: Grabmal (1751/1752) der Maria Magdalena Langhans in der Kirche von Hindelbank. Sie starb bei der Geburt ihres ersten Kindes. Am Jüngsten Tag drängt sich die Verstorbene mit ihrem Kind auf den Armen durch die geborstene Grabplatte. Am 20. Oktober 1779 kam Goethe nach Hindelbank, um das berühmte Grabmal zu besichtigen. (Quelle: Fritz Egli, Das Grabmal von Hindelbank)