BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Magdalena von Dobeneck

1808 - 1891

 

Briefe und Tagebuchblätter

aus Frankreich, Irland und Italien

 

1843

 

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Genf.   

 

In Genf ist es mir immer wohl und heimlich. Der blaue See, der sprudelnde klare Rhonefluß, die smaragdgrünen Ufer und drüber hin der prächtige Mont-blanc, die Stadt selbst, zum Theil von alter Bauart, zum Theil längs den Quais geziert mit hohen, blanken Gebäuden, die Regsamkeit in den Straßen und das Kauderwelsch der italienischen, deutschen und französischen Sprache, kurz so viel Abwechslung auf einem nicht zu großen Punkte zusammen gedrängt, macht, daß der Geist sich immer auf angenehme Weise angeregt fühlt. Auch ist mir Genf noch in einer andern Beziehung theuer. Als ich vergangenen Herbst hier durchreiste, entledigte ich mich eines Empfehlungsbriefes an den Prediger L... Ich klingelte an der Hausthüre – man öffnete, ein liebliches Gesicht sieht mir entgegen, und als ich nach dem Herrn Pfarrer fragte, ward  mir  zur  Antwort:  mein  Bruder  ist  abgereist,  aber

 

kommen Sie deshalb doch herein! Wir plauderten beide und waren traulich geworden. Auch fiel mir auf, wie sehr mein Gemüth zum Reisen paßt. Mit dem Freundlichen bin ich schnell freundlich, mit dem Offenen zutraulich, so wie umgekehrt ich mit dem Stolzen stolz und mit dem Oberflächlichen, will's Noth, auch dumm schwätzen kann, – – ein Gummi elasticum, das nach Gefallen sich ziehen und einschrumpfen läßt. Verhaßte Vielseitigkeit! Dir zu entfliehen ringe ich. Der Baum schlägt in die ihm angewiesene Erde seine Wurzeln. Die concentrirten Kräfte erziehen den Geist. –

Aber zurück zu meiner lieben Genferin. Meine Zeit war kurz und ich nahm Abschied mit schwerem Herzen. Doch sie bat mich herzlich, so oft ich durch Genf käme, sie ja aufzusuchen und das tröstete mich. Einige Monate später in Nizza, kömmt Luischen, ausser sich, zu mir gesprungen. «Schnell in den Salon, liebe Madame!» Was giebt's? Ich öffne die Thüre, was sieht mir entgegen? mein liebliches Gesichtchen aus Genf. Sie war unterdessen als Erzieherin einer englischen Familie nach Nizza gefolgt. Welche Ueberraschung! Ich wurde roth vor Freude, unsere Blicke sagten sich noch mehr. Bald galt es sich wieder zu trennen. Ach! das Reisen ist doch recht das Bild des Lebens! Ihr Weg geht nun nach Neapel, und ich bin dafür in Genf, in ihrer lieben Vaterstadt. Nun sende ich tausend Segens­wünsche ihr in die Ferne nach.

 

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In Genf ist es mir immer wohl.