BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Magdalena von Dobeneck

1808 - 1891

 

Briefe und Tagebuchblätter

aus Frankreich, Irland und Italien

 

1843

 

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das Kind» denken sie, und es wird aus Morgen ein anderer Morgen und Wochen, Monate vergehen und die Zucht wird versäumt. Manchmal, wenn das Gewissen erwacht, nimmt man das Kind wohl vor, erzählt ihm von göttlichen Dingen oder moralisirt, aber weil die übrige Erziehung mit diesem in Widerspruch ist, sind schnell auch die besten Eindrücke verloren, ja nach solchem Evangelisiren erhält es nur desto größere Freiheit. Kein Wunder, wenn das Unkraut im Herzen ungestört fortwuchert; lernt es doch nie die Sünde als Sünde erkennen und verabscheuen – da wird kein Eigenwille gebrochen, kein Wunsch versagt und die Ruthe, die doch Gott als heilsam befiehlt, für über­flüßig erklärt. Bei den vorkommenden Ausbrüchen drückt man immer ein Auge zu und meint: es wird schon gehen, ein kleines Versehen schadet so viel nicht, und so wächst das Kind eben auf gut Glück heran. Ist die Frau oft zu un­verständig, die Erziehung zu leiten, so ist der Mann schwach genug, um des lieben Hausfriedens  willen  allen strafenden  Ernst  zu  unterlassen;  oder  umgekehrt,  die Haus­mutter,  willig  und  gewissenhaft,  befähigt   von Gott  dieser  Pflicht  zu  obliegen,  findet  Widersprüche von  Seiten  des  Vaters,  so  daß  schon  vor  Allem  die Einheit  fehlt,  die  zur  gesunden  Richtung  der  Kinder  so nöthig  ist.  Gewöhn­lich  überschätzen  auch  Aeltern  die  guten Anlagen  ihrer  Kinder  und  entschuldigen  bestän­dig  die  Fehler,  theils  durch  die  Umstände,  theils werden  sie  der  schwächlichen  Gesundheit,  dem Tempe­rament  fälschlich zugeschrieben. Welche Verblendung der Eigenliebe!   sie   betrügen   solche   küssend  und  tän­delnd   um   die  Krone  des  ewigen  Lebens,  uneingedenk

 

der Rechenschaft, die Gott einst fordern wird. Aber der Herr läßt sich nicht spotten, und die versäumte Zuchtruthe schwingen endlich die mit falscher Liebe gesäugten Kinder, als furchtbare Geisel über ihre eigenen Eltern.

 

 

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Neulich während des Abendgebets fand ich große Schwierigkeit, meinen Geist zu sammeln, obgleich von allen äußern Eindrücken abgeschlossen, ich ungestört mein Auge nach Innen und zu Gott hätte wenden sollen. Der Grund mag der seyn: wir überlassen beständig unsern Geist sich selbst; losgetrennt von der Kraft des Willens schlüpft er immer über Gegenstände hin, die unsere Einbildungskraft wohlthuend beschäftigen, und so ist es natürlich, daß es uns schwer wird, ihn einmal zu bannen, um ihm Gott, als seine einzige und wahre Heimath, anzuweisen. Nöthig ist es, oft im Tage mich zu überraschen und den Geist in seiner Selbstgefälligkeit zu unterbrechen. Oft werde ich so über Gedanken erröthen müssen, die ich sonst unbemerkt würde empfangen haben. Aber zum Segen wird es mir gereichen, denn ich lerne dadurch meine geistliche Armuth immer mehr kennen, und durch diese Erkenntniß werde ich der Gnade Gottes bedürftiger und ohne Zwang, ja mit Reue den Vater suchen.

 

 

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