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das Kind» denken sie, und es wird aus Morgen ein anderer Morgen und Wochen, Monate vergehen und die Zucht wird versäumt. Manchmal, wenn das Gewissen erwacht, nimmt man das Kind wohl vor, erzählt ihm von göttlichen Dingen oder moralisirt, aber weil die übrige Erziehung mit diesem in Widerspruch ist, sind schnell auch die besten Eindrücke verloren, ja nach solchem Evangelisiren erhält es nur desto größere Freiheit. Kein Wunder, wenn das Unkraut im Herzen ungestört fortwuchert; lernt es doch nie die Sünde als Sünde erkennen und verabscheuen – da wird kein Eigenwille gebrochen, kein Wunsch versagt und die Ruthe, die doch Gott als heilsam befiehlt, für überflüßig erklärt. Bei den vorkommenden Ausbrüchen drückt man immer ein Auge zu und meint: es wird schon gehen, ein kleines Versehen schadet so viel nicht, und so wächst das Kind eben auf gut Glück heran. Ist die Frau oft zu unverständig, die Erziehung zu leiten, so ist der Mann schwach genug, um des lieben Hausfriedens willen allen strafenden Ernst zu unterlassen; oder umgekehrt, die Hausmutter, willig und gewissenhaft, befähigt von Gott dieser Pflicht zu obliegen, findet Widersprüche von Seiten des Vaters, so daß schon vor Allem die Einheit fehlt, die zur gesunden Richtung der Kinder so nöthig ist. Gewöhnlich überschätzen auch Aeltern die guten Anlagen ihrer Kinder und entschuldigen beständig die Fehler, theils durch die Umstände, theils werden sie der schwächlichen Gesundheit, dem Temperament fälschlich zugeschrieben. Welche Verblendung der Eigenliebe! sie betrügen solche küssend und tändelnd um die Krone des ewigen Lebens, uneingedenk
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der Rechenschaft, die Gott einst fordern wird. Aber der Herr läßt sich nicht spotten, und die versäumte Zuchtruthe schwingen endlich die mit falscher Liebe gesäugten Kinder, als furchtbare Geisel über ihre eigenen Eltern.
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Neulich während des Abendgebets fand ich große Schwierigkeit, meinen Geist zu sammeln, obgleich von allen äußern Eindrücken abgeschlossen, ich ungestört mein Auge nach Innen und zu Gott hätte wenden sollen. Der Grund mag der seyn: wir überlassen beständig unsern Geist sich selbst; losgetrennt von der Kraft des Willens schlüpft er immer über Gegenstände hin, die unsere Einbildungskraft wohlthuend beschäftigen, und so ist es natürlich, daß es uns schwer wird, ihn einmal zu bannen, um ihm Gott, als seine einzige und wahre Heimath, anzuweisen. Nöthig ist es, oft im Tage mich zu überraschen und den Geist in seiner Selbstgefälligkeit zu unterbrechen. Oft werde ich so über Gedanken erröthen müssen, die ich sonst unbemerkt würde empfangen haben. Aber zum Segen wird es mir gereichen, denn ich lerne dadurch meine geistliche Armuth immer mehr kennen, und durch diese Erkenntniß werde ich der Gnade Gottes bedürftiger und ohne Zwang, ja mit Reue den Vater suchen.
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