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sie mir Blüthen und Früchte genug in den Schooß schüttelt? Wie kommt es doch, daß ich dann an Ideen am reichsten bin, wenn die Gegenwart um mich her am prosaischsten ist? Oft durchschauert mich die Ahnung eines tiefen Gedankens, der jedoch im Entstehen erstirbt, weil die Kraft ihn zu entwickeln mir mangelt. Dann beklage, beweine ich meine Ohnmacht. Ich lasse die Gedankenwelt, und dichte während ich träume. Meine Sinne verfeinern sich, meine Augen werden magische Gläser, durch die sich Alles viel schöner ansieht. Vielleicht durch meine Magister-Leiden gerührt, hat sich Oben ein Chor verklärter Schulmeister verschworen, von Zeit zu Zeit mich mit ihren in Zauberstäbchen verwandelten Linealen wohlthätig zu berühren. Dank! tausend Dank, ihr Holden!
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Hier sitze ich und halte mich unter Riegel und Schloß gefangen. In meinem Belvedere bin ich, von den Prosaikern School room genannt, mir Olymp, wenn das Tagewerk zu Ende ist, und ich Abends die goldne Schrift des Himmels entziffere. Wie herrlich offenbart sich mir jetzt die Nacht! Dort die Alpen, die Olivenberge und der dichtere Kranz von Hügeln, hier das weite Thal, die Landschaft Nizza's, begraben unter dem schwarzen Mantel der Nacht, nur gegen das Meer hin zieht ein Streif grauer Nebel, und wie ein feuchtes Auge der Sehnsucht blickt aus dunkel klarem Himmel der Mond, und das Meer erglänzt und erzittert von seinem Lichte. Wende ich mich gegen die Stadt hin, so kommen mir da die
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hellen Pünktchen wie Irrlichter vor, allenfalls so mag sich das Licht unseres Geistes zu dem Geiste Gottess verhalten.
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Hier oben, die Nachbarin des Himmels, bin ich auch nicht weniger die der Kamine. Ein gewürziger Duft verkündet: ein Diner und dann Donizetti und die verliebten Kater-Duette von Rossini – o Qual!
«Wären tödtlich diese Schmerzen
Meinem Herzen,
Ach! schon lange wär' ich todt!» –
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Die Landschaft Nizza's kommt mir vor wie eine Dame von ächter Schönheit in reizendem Negligé.
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Am 8. Dezember.
Heute ging unsere Wallfahrt nach Notre Dame de Laghetto, einem Franziskanerkloster, das dritthalb Stunden von Nizza entfernt und seitwärts von der Straße Genua's liegt. Von himmelhohen, theils nackten, theils ewig grünen Alpen eng umschlossen, fühlt man sich inniger hier der Natur vertraut und an ihrem gewaltigen Puls erwarmt der Mensch, wenn er anders in dieser großen Werkstatt den allmächtigen Meister zu erkennen sich sehnt. Tief, tief im Thale krümmt sich das weite Bett des verheerenden Paglione; dort steigen übereinander gethürmte Alpen gi-
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