BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Magdalena von Dobeneck

1808 - 1891

 

Briefe und Tagebuchblätter

aus Frankreich, Irland und Italien

 

1843

 

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sie mir Blüthen und Früchte genug in den Schooß schüttelt? Wie kommt es doch, daß ich dann an Ideen am reichsten bin, wenn die Gegenwart um mich her am prosaischsten ist? Oft durchschauert mich die Ahnung eines tiefen Gedankens, der jedoch im Entstehen erstirbt, weil die Kraft ihn zu entwickeln mir mangelt. Dann beklage, beweine ich meine Ohnmacht. Ich lasse die Gedankenwelt, und dichte während ich träume. Meine Sinne verfeinern sich, meine Augen werden magische Gläser, durch die sich Alles viel schöner ansieht. Vielleicht durch meine Magister-Leiden gerührt, hat sich Oben ein Chor verklärter Schulmeister verschworen, von Zeit zu Zeit mich mit ihren in Zauberstäbchen verwandelten Linealen wohlthätig zu berühren. Dank! tausend Dank, ihr Holden!

 

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Hier sitze ich und halte mich unter Riegel und Schloß gefangen. In meinem Belvedere bin ich, von den Prosaikern School room genannt, mir Olymp, wenn das Tagewerk zu Ende ist, und ich Abends die goldne Schrift des Himmels entziffere. Wie herrlich offenbart sich mir jetzt die Nacht! Dort die Alpen, die Olivenberge und der dichtere Kranz von Hügeln, hier das weite Thal, die Landschaft Nizza's, begraben unter dem schwarzen Mantel der Nacht, nur gegen das Meer hin zieht ein Streif grauer Nebel,  und  wie  ein  feuchtes  Auge  der  Sehnsucht  blickt aus  dunkel  klarem  Himmel  der  Mond,  und  das  Meer erglänzt    und    erzittert   von   seinem   Lichte.   Wende ich   mich   gegen   die  Stadt  hin,  so  kommen  mir  da  die

 

hellen Pünktchen wie Irrlichter vor, allenfalls so mag sich das Licht unseres Geistes zu dem Geiste Gottess verhalten.

 

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Hier oben, die Nachbarin des Himmels, bin ich auch nicht weniger die der Kamine. Ein gewürziger Duft verkündet: ein Diner und dann Donizetti und die verliebten Kater-Duette von Rossini – o Qual!

 

«Wären tödtlich diese Schmerzen

Meinem Herzen,

Ach! schon lange wär' ich todt!» –

 

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Die Landschaft Nizza's kommt mir vor wie eine Dame von ächter Schönheit in reizendem Negligé.

 

 

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Am 8. Dezember.   

 

Heute  ging  unsere  Wallfahrt  nach  Notre  Dame  de  Laghetto,  einem  Franziskanerkloster,  das  dritthalb  Stunden  von  Nizza  entfernt  und  seitwärts  von  der  Straße  Genua's  liegt.  Von  himmelhohen,  theils  nackten,  theils  ewig  grünen  Alpen  eng  umschlossen,  fühlt  man  sich inniger  hier  der  Natur  vertraut  und  an  ihrem  gewaltigen  Puls  erwarmt  der  Mensch,  wenn  er  anders  in  dieser  großen   Werkstatt   den   allmächtigen   Mei­ster  zu   erkennen   sich   sehnt.   Tief,   tief   im   Thale  krümmt   sich   das   weite   Bett   des   verheerenden  Paglione;  dort  steigen  übereinander gethürmte Alpen gi-

 

 


 

Notre Dame de Laghetto