BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Magdalena von Dobeneck

1808 - 1891

 

Briefe und Tagebuchblätter

aus Frankreich, Irland und Italien

 

1843

 

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Kürzlich sah ich im Fenster unsres Hauses ein Bild, wie mir schien, prächtig gemalt. Ist es eine Copie jenes Papstes zur Seite der Raphaelischen Madonna? oder St. Markus von Carlo Dolce? Ich rieth und sann. Nach einer Stunde seh ich, zu meinem Erstaunen, das Bild lebendig geworden, im Garten des Grafen F... auf und nieder wandeln. Es ist der griechische Erzbischof J... von der Insel Cypern exilirt und seit vierzehn Jahren in Paris. Nicht zum zweitenmal ließ ich mich auffordern, den Fremden in der Nähe zu betrachten. Sein langes, silbernes Haar floß in Wellen die Schultern hinab. Die Stirne senkt sich zurück –die Nase ist fein gebogen –der Mund streng und lieblich und Kinn und Brust bedeckt ein langer Bart. Die Augen sind dunkel und klar, bald ihren Ausdruck verändernd, gleichen sie glühend gewordenen Diamanten. Das Bild ist schön, das Wesen selbst aber nur Eitelkeit und Schwärmerei. Er trägt, voll Aberglauben, immer seinen Talisman bei sich, ein silbernes Gehäuse mit Sonne, Mond und Sternen.

Gestern begegnete er mir im Garten und that sehr geheimnißvoll, er habe, so erzählt er, eben ein Stück aus seinem priesterlichen Gewand geschnitten, und in dasselbe einen Splitter des h. Kreutzes eingenäht. Mich vor Krankheit und Unglück bewahrt zu wissen, sey sein innigster Wunsch, und deshalb möge ich doch diesen Talisman und sicheres Schutzmittel an mir tragen. Er ließ nicht ab, bis ich das Ding wenigstens zu mir nahm.

 

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Vor mehreren Jahren sollen einst einige Landleute beim Anblick des Erzbischofs auf die Knie gesunken seyn, um diesen, wie sie wähnten, von himmlischer Glorie umstrahlten Heiligen anzubeten. Was thut nicht alles die Macht der Persönlichkeit? Er selbst versteht es gut, das Imposante seines Wesens in's Licht zu stellen.

 

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Der Grieche wird mir immer unheimlicher. Zu meinem Erstaunen erhalte ich ein Gedicht, worin er auf orientalische Weise Bilder auf Bilder häuft. Aus meiner Stirne giebt er vor Wunderdinge zu lesen. O Schwärmer! Ich soll seiner ersten Jugendliebe, einem Mädchen, die seine Braut gewesen, ähnlich sehen –O! poetischer Lügner!

 

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Geh' ich in den Garten, so rauscht er plötzlich hinter einem Busch hervor, mache ich Ausflüge, in die fernste Vorstadt, so muß ich auch da dem Zauberer begegnen. Bald sind es die Blitze seines Geistes, bald die seiner überirdischen Augen, die mich überraschen, bethören, aber eben so schnell ruft warnend eine Stimme in mir, und fliehen muß ich ihn wie eine Schlange. Er merkt meine Vorsicht, und schlägt daher andere Wege ein; alle möglichen Qualen weissagt er mir, weil ich mit Kälte seine Freundschaft erwiedere. So bemerkte er, daß die Pförtnerin unsers Hauses, die ihm etwas zu leid gethan, acht Tage darauf  gestorben  sey.  Einst  habe  er  einem Griechen, der

 

 


 

Der Grieche wird mir immer unheimlicher.