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anheim gegeben, während die Seele nur desto gieriger die Welt verschlingt. –
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Der botanische Garten nahm heute meine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch. Welcher Reichthum von Gewächsen! Die Morgenländer haben ihre Blumensprache, und wahrlich jede Blume ist gewissermassen ein Buchstabe in dem großen Alphabet der Natur, ihre Predigt ist: erkenne den Schöpfer –Man machte mich auch mit einem Brüsseler Schriftsteller, dem Uebersetzer mehrerer englischer Werke, bekannt. Des Mannes Züge versprachen viel – kräftige Stirne, kühne Nase, Adlersaugen. Da dachte ich mir gleich diesen Körper als Wohnung einer großen Seele. Ich lauschte seinen Worten. Er beschloß eine lange Lob- oder Leichenrede, sich selbst gehalten, mit den Worten: «Ich bin so bekannt in Brüssel, wie die Kirche St. Gudule; jedes Kind kennt meinen Namen.» O ihr stillen, anspruchlosen Blumen! Der Mensch hat eure Vergänglichkeit, nicht aber die Demuth, deren Bild ihr seid!
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Schon zweimal war ich in der Kirche St. Gudule. Wie sinnreich ist die Kanzel! Der untere Theil bildet eine Weltkugel, am Stamm eines Baumes Adam und Eva, gejagt vom Tod und dem Engel, in den Nebenzweigen ein Affe mit einem Apfel, ein Pfau und mehrere Vögel. Engel tragen den Baldachin und hoch oben schwebt Maria mit dem Jesuskinde, das der Schlange den Kopf
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zertritt. Das Ganze ist meisterlich aus Holz geschnitzt, die Figuren sind ausdrucksvoll, ja großartig. Heinrich Verbruggen verfertigte dieß Werk im Jahre 1699. Wie reich waren die Alten an tiefen Gedanken. Sie versplitterten aber auch ihre Kräfte nicht wie wir in tausend Dingen, sondern gaben sie dem wieder, von dem alles Gute kommt. Daher wohl die große Einheit, die uns aus ältern Meisterwerken anleuchtet. – Ich sah mehrere Raphaele im Pallast Oranien. Die Klöster sollen hier reich an Reliquien sehn, eines besitze, wie man meint, sogar den halben Arm Simeons, darauf er Christus getragen. Ich bewunderte heute das Rathhaus, aber noch mehr seitwärts in einem Hause, zwischen Blumen, eine aus einem Fenster sehende weibliche Figur. Ich trat näher – ein großes Schild, daß hier ein Bilderhändler wohne, entzauberte mir meine Schöne, denn es war ein Gemälde. St. Michael, der Patron Brüssels, schwebt glänzend über dem Giebel des Rathhauses. Guter Patron! So Jahr aus, Jahr ein Nachtwächterdienste zu thun, vom Regen durchnäßt, vom Blitz bedroht – geh! du dauerst mich!
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In Aachen besuchte ich das Grab Karls des Großen, und bald wünschte ich dem Rhein guten Tag. So wechseln die Dinge. Wir fuhren an dem Ufer hin. Links und rechts stolze Burgen, das Dampfschiff dampft in die blaue Luft. Ich vermuthete darauf irgend einen Engländer, der, schlafend die Karte in Händen, den Rhein befährt und bewundert. Soll ich in Extase und Schilderun-
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