BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Magdalena von Dobeneck

1808 - 1891

 

Briefe und Tagebuchblätter

aus Frankreich, Irland und Italien

 

1843

 

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da und dort Spreu aufsammelnd und mit sich führend. O kostbar edle Zeit, wie so schnell und unbenützt fliehst du vorüber! Welch' ein Schutthaufen ist das arme Herz! – Wenn nur in jeder Stunde ein einziger Gedanke aus der Finsterniß an's Licht geboren würde, trüge ich bald einen Quell des Segens in mir.

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Gestern ging ich hin und wieder am Meeresufer, gedankenvoll, allein, und jagte nach Bildern, nach innern und äußern Gestalten. Am Hafen weile ich gerne, zumal wenn aus England die Dampfschiffe herüber brausen, oder andere unsere Küste verlassen. Dort seh' ich eine Mutter, die dem Capitain auf die Reise ihr Söhnchen übergiebt – noch einen warmen Blick, einen mütterlichen Kuß drückt sie auf die jugendlichen Lippen; wieder hier kalte Gesichter, die nur flüchtig sich grüßen. Dieser starrt in die Ferne, jener spielt mit dem bunten Allerlei der Gegenwart, der eine segelt einem Gewinn, der andere einem Verlust entgegen, sie suchen alle, sie wünschen alle. Das Gehirn vieler Tausenden scheint rastlos sich nur um zwei Dinge zu drehen, sie heißen: Genießen, Besitzen.

 

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Es ist ein alter Satz, daß man aus dem Gang eines Menschen und aus seinen Schriftzügen ihn selbst erkenne. Am besten erschließt sich mir sein Sinn, je nachdem er sein Nestchen  zu  Hause  bestellt  hat.  Wie  das  innere  Ca­binet  des  Herzens,  so  auch  das  äußere,  materielle  nach

 

ihm sich gestaltet. Ich ging an einigen Zimmern unsers Hotels vorüber, und warf einen Blick in das eine rechts. Es war elegant, doch unordentlich; auf dem Tische lagen Zeitschriften, eine zerbrochene Laute, Gläser und Flaschen standen halb gefüllt, bestäubt umher. Wie das Stübchen, so der Mann, vermuthete ich. Auch wurde mir auf die Frage: wer da wohne? bald die Antwort: Nur ein verliebter Offizier und garstiger Trinker. Aber sehen Sie dort links in das Zimmer. Da trat ich auf den Balkon. Wie freundlich! Welche Ordnung! Unter den systematisch aufgestellten Büchern erkannte ich eines mit der Ueberschrift: „Testament“ Nun? wer ist der Bewohner? Ein stiller und frommer Deutscher. Dachte ich's doch. Hogarths Bilder: Der Faule und Fleißige, standen vor mir, und das Ende beider. Viele Wege laufen die Menschen und doch führt nur einer zum Ziel.

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Es scheint, der Rattenkönig und sein Reich haben mir den Tod geschworen. Diese Nacht werde ich aus dem Schlafe geweckt Die Falte des Bett-Vorhangs hatte sich über die rechte Seite meines Gesichts gelegt, und ich spürte einen zärtlichen Druck. Die Lampe im Hofe sendete eben einen Strahl herüber, ich sehe – o weh! eine große Ratte huschte von  meiner  Wange,  ihrem  Ruhekissen,  hinab, links  erkletterte  eine  andere  die  Bettstelle,  und  in  der Ecke war wenigstens eine  Assemblee  Mäuse  versam­melt, denn der Lärm  wurde  toller  und  toller.  Ich  sprang  auf und klingelte. Die dienstbare Erscheinung tröstete  nur  da-

 

 


 

Am Hafen weile ich gerne, zumal wenn aus England die Dampfschiffe herüber brausen, oder andere unsere Küste verlassen.

 

 

William Hogarth, Der Faule (Sprüche Salomons 23, 21) und der Fleißige (Sprüche Salomons 10, 4).