BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Magdalena von Dobeneck

1808 - 1891

 

Briefe und Tagebuchblätter

aus Frankreich, Irland und Italien

 

1843

 

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nicht  unsere  Angelegenheiten  und  auch  ihr  Glanz  dauert  nicht  ewig;  die  sie  nun  anbeten,  werden  billig  der  Strafe  anheimfallen.  Wir  aber  glauben  und  beten  an  die  ewige,  wahre  Sonne,  Christus  den  Herrn.“  In  der  Nähe  von  Wexford  ist  eine  Stelle,  Grenor  genannt,  oder  Ort  des  Sonnenfeuers,  wo  St.  Patrick  einen  heidnischen  Altar  gestürzt  und  eine  Kirche  erbaut  haben  soll.  In  der  Mitte  des  V.  Jahrhunderts  nennt  Patrick  nur  die  höheren  Classen  „Schotten“,  ein  Beweis,  daß  Irland  von  diesem  Volke  (das  von  den  Scythen  abstammt)  noch  nicht  ganz  besetzt  war.  Hier  unterbrach  ich  den  unermüdlichen  Gelehrten,  um  Luft  zu  schöpfen,  durch  folgende  Betrachtung:  Wenn  ich  den  Irländer  neben  dem  Engländer  sprechen  höre,  so  kommt  es  mir  vor,  als  verhielte sich seine Aussprache zu der des Irländers, wie das Schwäbische zum Nord­deutschen. Ist das richtig? In einiger Beziehung wohl, sagte er lächelnd, doch mit etwas mattem Tone. Er mochte nach Erfrischung lechzen, denn er ließ den soeben erschienenen Diener, mit rauchendem Thee, nicht lange harren.

In der Gallerie schlägt es neun Uhr. Da öffnet sich plötzlich hier und dort eine Thüre, und um uns her verstummt das laute Gelächter. Durch den Saal schreitet langsam Mylord, und ihm folgt der maître d'Hôtel bepackt mit einem Pult und großen Buche. „It is the time of prayer.“ (Es ist die Zeit des Gebets.) Jeden Sonntag Abends, um diese Stunde, pflegt nämlich in Irland der Lord des Hauses eine kurze Predigt oder einen  Psalm  vorzulesen.  Ich  folge  den  Damen  in  den Speisesaal, den

 

ich nun in eine Kapelle umgewandelt sehe. In der Mitte, vor einem Tische, steht Mylord – rechts sind reihenweise Stühle, und vor diesen knieen Ladys und Gentlemans. Zur Linken ist das Personal der Dienerschaft, Hundert an der Zahl, symmetrisch ausgestellt. Das Ganze hatte etwas Feierliches, nur störte mich das Flüstern meiner Nachbarin mit einem Dandy, der, auf die linke Seite deutend, sie fragt: Don't you smell the stable? (Riechen Sie nicht den Stall?) Wie dem auch sey, die Sonntagsfeier der Engländer, wenn auch bei Vielen nur äußere Form, hat wenigstens den Ausdruck von Gottesfurcht, und deshalb ist sie mir ehrwürdig; ich möchte sie eine Brücke nennen, hinüber zur wahren, kindlichen Furcht vor Gott. – Nie vergessen werde ich jenen Sonntag, als ein irländisches Mädchen von acht Jahren, ihr Brüderchen bei der Hand nahm, es aus der lärmenden Kinderstube entführte, mit den Worten: Komm! heut' ist's Sonntag, und da spielen wir nicht. Ich war ihr in den Garten gefolgt wo ich lange mit dem lieben Kinde plauderte; endlich fragte ich sie. Sag' mir doch, wer ist der Heiland? wo ist Er? Nach einer Weile, sich besinnend, erwiederte sie freundlich: „Der ist so groß, daß ihn der Himmel nicht fassen kann, und so klein, daß Er Platz in meinem Herzen hat.“

Vergangenen Sonntag fuhren Lady und ich in die Kirche von Dungannon. Auf dem Chor war eine Art von Tribüne, in die wir eintraten. Die Stühle waren stattlich mit rothem Sammt belegt. Schon vorher hatte ich in mein Common   Prayerbook   alle   möglichen   Zeichen   ge­legt,   um  der  Andacht  folgen  zu  können.  Jeder Sonntag

 

 


 

St. Patrick's Church, Dungannon