BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Magdalena von Dobeneck

1808 - 1891

 

Briefe und Tagebuchblätter

aus Frankreich, Irland und Italien

 

1843

 

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dampft Rauch – selten ein Fensterchen – statt der Thüre eine kleine Öffnung, und Menschen und Thiere wohnen hier beisammen. Es sind dieß die Hütten roher Wilden. Etliche Männer, in braunem Frack, halfen mühselig den Pflug ziehen, platte Gesichtsbildung, unförmlichen Mund und Lippen, rothe, struppige Haare und fletschende Zähne – aber dort jener Jüngling, und dieser Kreis von Frauen, welche edle, wilde Gestalten! – Auch die Natur ist voller Contrafte. Hier ein reiches Herrenhaus mit stolzen Alleen, dort ein steiniges Ackerland, das mit Mühe nur Kartoffeln trägt. – Das Schloß von Dungannon liegt mitten in einem Park, der voll der schönsten Anlagen ist. Wo sah ich jemals schönere Bäume? Gerne ruht das Auge auf den sanft gewölbten Bergen und erquickt sich wieder an den glänzend grünen Wiesen, an dem Haine von Epheubäumen. Den großem See umstehen feierlich breite Eichen und Silberpappeln; schlanke Birken und Trauerweiden wiegen ihre Zweige und neigen sich auf den feuchten Grund. Ich gehe weiter durch das dichte dunkle Wäldchen, und pflücke hin und wieder eine mir noch unbekannte Pflanze. Schon schimmert durch die Zweige das Licht des scheidenden Tages – ich bin allein – die Zaubermährchen der Vorzeit und Irin's Barden ziehen an mir vorüber, und wie die Töne sanft verklingender Harfen streift der Abendwind durch die Gipfel der Bäume; riesenhafter erscheinen sie mir und dichter umschließen sie mich – fort! fort in's Freie! Längs dem Hügel, auf schmalem Fußpfade  seh' ich  einen  Hirtenknaben,  der  seine  Heerde  nach  Hause  treibt;  er  kommt  näher, grüßt  mich

 

 

und ich ihn wieder; da geh' ich mit ihm weiter, und frage ihn mancherlei: was treibst Du denn zu Hause? kannst Du lesen, und was lieft Du? "Die Bibel!" sagte ernst und lächelnd der Knabe, dabei klopfte er dem nachtrabenden Hammel derber auf den Rücken, grüßte noch einmal, und verschwand seitwärts im Gebüsche, während ich durch das Tunnel (es ist ein Gang durch einen Hügel geführt) über die große Wiese nach dem Schlosse zurück eilte. Die Erscheinung des Hirtenknaben, seine bedeutungsvolle Antwort ist dem Strudel, wie er mich jetzt umgiebt, völlig entgegen; doch nur um so tiefer ist der Eindruck, den ich dadurch empfangen; ich beneide sein Loos, ach! und fühle, wie eine nie zu stillende Sehnsucht am Mark des Lebens zehrt! –

Gestern überreichte man mir einen Brief aus Paris, und sogleich erkannte ich die stolpernden Schriftzüge des Maestro Gomis der mir meldet, daß seine neuste Oper, für die große Oper in Paris componirt, den ersten Januar soll aufgeführt werden. Da er mich in seine Ideen hierüber eingeweiht, so sehe ich der Entstehung dieses genialen Werkes mit Liebe und Theilnahme entgegen, wie es mir, als seiner Schülerin, zukommt. – Der Componist steht, in meinen Augen, bei weitem höher als der blos executirende Künstler. Dieser ist nur allzuoft das Instrument seines Instruments, nichts weiter. Seine Seele sitzt entweder in den Fingern oder in der Kehle; ein andres Wesen, als er selbst, produzirt und so bleibt er – ein materielles Klümpchen   Erde.   Der   Seele   des   Componisten   aber ist   die   Melodie   beigegeben,    und   ewige   Harmonieen

 

 

 


 

 

Das Schloß, vor und nach dem Abriß