|
hoch im Norden, nur zwölf Meilen vom Meere entfernt liegen. Es wird mir wohl unmöglich seyn, Dir noch vor meiner Abreise zu schreiben, und so erlaube mir denn, Dich, ehe ich auf dem Meere dahin schwimme, noch zu küssen, so wie ich die liebe Mutter, Brüder und Schwestern in herzlicher Liebe umarme. Könnte doch ein Schiffchen mich zu Euch tragen, statt in die weite Ferne hinaus. Doch warum Unmögliches begehren?
Träget das Schicksal Dich, so trage Du wieder das Schicksal.
Folg' ihm willig und froh; willst Du nicht folgen, Du mußt.“
―――――
IX.
Dungannon, am 1. Mai.
Nach einer fünfzehntägigen Reise langten wir endlich den 28. Upril im Schlosse Dungannon an. Ich war des Nomaden-Lebens müde, und herzlich sehnte ich mich nach Ruhe. Es ist doch wahr, daß nach allem Gesehenen und Interessanten dennoch zuletzt die Heimath das Theuerste ist. Zur Heimath aber wird mir jeder Ort, wo ich leben muß, da meine eigentliche ich für jetzt entbehre. Den 12. April nahm ich Abschied von meinen Freunden in Paris, und trennte mich, an die wüthende Cholera gedenkend, nicht ohne Wehmuth von ihnen. Ich hatte mich in der letzten
|
|
Zeit besonders einer liebenswürdigen Pariserin, Mlle. Jenny V... recht innig angeschlossen, und außerdem im Kreise edler Menschen viele Liebe erfahren. So geschieht es denn freilich immer, daß man ein Gut erst dann recht zu schätzen weiss, wenn man im Begriffe steht, es zu verlieren.
Freitag den 13. trugen uns vier rasche Pferde von dannen. Lord und Lady, der freien Luft zu genießen, saßen auf dem sogenannten siège, neben mir im Wagen meine liebliche Miß Emily und die Kammerfrau. Der Bediente, ehemaliger Courrier Carls X., flog nun unsrem Wagen voran. Meine Nachbarin verfehlte nicht, mir alsobald ihre Besorgnisse wegen der Reise mitzutheilen. Welch ein Unglückstag ward zur Abreise gewählt! so rief sie in französischer Exstase aus – es ist Freitag und überdies der 13te. Ich bemühte mich freilich, ihr dergleichen Sorgen auszureden; aber heimlich war ich, offen gestanden, durchaus kein Freigeist. Kaum hatten wir zehn Meilen zurückgelegt, so fing es auch richtig schon zu spuken an. In einen Graben fanden wir den Courrier gestürzt, während sein Pferd, das ihn abgeworfen, gedankenvoll daneben stand. Der Arme ward in das nächste Städtchen der Picardie gebracht, wo man ihn für einen Cholera-Befallenen hielt, erst nicht aufnehmen wollte, und ihn endlich als Cholerakranken kurierte. Wir mußten ihn zurücklassen, und unsere Reise einstweilen bis Calais fortsetzen. Die erste Nacht blieben wir in Rennes, die zweite in Calais. Am nächsten Morgen gab es ganz kleine Seekrebschen zum Frühstück; ich frisch drauf los, nehme meinen Löffel, und ver-
|
|