BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Magdalena von Dobeneck

1808 - 1891

 

Briefe und Tagebuchblätter

aus Frankreich, Irland und Italien

 

1843

 

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hoch im Norden, nur zwölf Meilen vom Meere entfernt liegen. Es wird mir wohl unmöglich seyn, Dir noch vor meiner Abreise zu schreiben, und so erlaube mir denn, Dich, ehe ich auf dem Meere dahin schwimme, noch zu küssen, so wie ich die liebe Mutter, Brüder und Schwestern in herzlicher Liebe umarme. Könnte doch ein Schiffchen mich zu Euch tragen, statt in die weite Ferne hinaus. Doch warum Unmögliches begehren?

 

„Träget das Schicksal Dich, so trage Du wieder das Schicksal.

Folg' ihm willig und froh; willst Du nicht folgen, Du mußt.“

 

 

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IX.

 

Dungannon, am 1. Mai.

 

Nach einer fünfzehntägigen Reise langten wir endlich den 28. Upril im Schlosse Dungannon an. Ich war des Nomaden-Lebens müde, und herzlich sehnte ich mich nach Ruhe. Es ist doch wahr, daß nach allem Gesehenen und Interessanten dennoch zuletzt die Heimath das Theuerste  ist.   Zur   Heimath  aber  wird  mir  jeder  Ort, wo  ich  leben  muß,  da  meine  eigentliche  ich  für jetzt entbehre.  Den  12.  April  nahm  ich  Abschied  von meinen   Freunden   in   Paris,   und   trennte   mich,   an die  wüthende  Cholera  gedenkend,   nicht   ohne Wehmuth   von   ihnen.   Ich   hatte   mich   in   der   letzten

 

Zeit besonders einer liebenswürdigen Pariserin, Mlle. Jen­ny V... recht innig angeschlossen, und außerdem im Kreise edler Menschen viele Liebe erfahren. So geschieht es denn freilich immer, daß man ein Gut erst dann recht zu schät­zen weiss, wenn man im Begriffe steht, es zu verlieren.

Freitag  den  13.  trugen  uns  vier  rasche  Pferde  von  dannen. Lord  und  Lady,  der  freien  Luft  zu  genießen,  saßen  auf dem sogenannten siège, neben  mir  im  Wagen  meine  liebliche  Miß  Emily  und  die  Kammerfrau.  Der  Bediente, ehemaliger Courrier Carls  X.,  flog  nun  unsrem  Wagen voran. Meine Nachbarin verfehlte nicht, mir alsobald ihre  Besorgnisse  wegen  der  Reise  mitzu­theilen. Welch ein Unglückstag ward zur Abreise gewählt! so rief sie in französischer Exstase aus  – es ist Freitag und überdies der 13te. Ich bemühte mich freilich, ihr dergleichen  Sorgen  auszureden;  aber  heimlich  war  ich,  offen  gestanden,  durchaus  kein  Freigeist.  Kaum  hatten  wir  zehn  Meilen  zurückgelegt,  so  fing  es  auch  richtig  schon  zu  spuken  an.  In  einen  Graben  fanden  wir  den  Courrier  gestürzt,  während  sein  Pferd,  das  ihn  abgeworfen,  gedankenvoll  daneben  stand.  Der  Arme  ward  in  das  nächste  Städtchen der  Picardie  gebracht,  wo man ihn für einen  Cho­lera-Befallenen  hielt,  erst nicht  aufnehmen  wollte,  und  ihn  endlich  als  Cholerakranken kurierte.  Wir  mußten  ihn  zurücklassen,  und  unsere  Reise  einstweilen bis Calais fortsetzen. Die erste Nacht blieben wir in Rennes, die zweite in Calais. Am nächsten  Morgen  gab  es  ganz  kleine  Seekrebschen zum  Früh­stück; ich  frisch  drauf  los, nehme meinen Löffel, und ver-

 

 

 


 

In einen Graben

sahen wir den

Courrier gestürzt.

 

 

Die Seekrebschen zum Frühstück