Adelbert von Chamisso
1781 - 1838
Gedichte.Ausgabe letzter Hand
1837
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Sonette und Terzinen.
Ich danke dir, daß du ein freundlich Licht An meines Busens Himmel angezündet, Dem Monde gleich, wenn schon der Sonne nicht. Trinius
Der einst zum Grabstein Blüchersbestimmte Granitblock am Zobten
Was dieser mächt'ge Stein der künft'gen ZeitVon uns erzählen wird? ihr mögt ihn fragen;Er wird euch schroff und kalt die Antwort sagen:Ich bin der Denkstein der Vergessenheit.
Um Freiheit ward und UnabhängigkeitBegeistert manche Völkerschlacht geschlagen,Ein Held war Völkerfürst in diesen TagenUnd Vorwärtsführer in den heil'gen Streit.
Ich ward bestimmt als Grabstein dieses HeldenDer späten Nachwelt die Begeisterung,Die schnellverrauchende des Tags, zu melden.
Doch, als sie her mich zogen, war indessenDas Rad der Zeit gerollt in schnellem Schwung,Und er und ich, wir waren schon vergessen.
An die Apostolischen.
1Ev. Matth. c. 24
Ja, überhand nimmt Ungerechtigkeit,Und Noth, Empörung, Haß, Verrath befährden.Die falschen Christi wollen sich gebärdenAls mit dem Unrecht, nicht dem Recht, im Streit.
Bald aber, nach der Trübsal dieser Zeit,Wird den Geschlechtern allen auf der ErdenDes Menschen Zeichen offenbaret werden.Mit großer Kraft und hoher Herrlichkeit.
Vom Feigenbaume lernt: an seinen ZweigenErkennet ihr des Sommers Anbeginn,Wann steigt der Saft und Blätter schon sich zeigen.
Wo habt ihr, blöde Thoren, doch den Sinn?Ihr seht den Saft in alle Zweige steigen,Und leugnet euch den Sommer immerhin!
2Ev. Matth. c. 15-23
Senkt sich die Sonn in klarer Herrlichkeit,So sagt ihr: Morgen wird das Wetter gut;Und hüllt der Morgen sich in trübe Gluth,Urtheilt ihr: ein Gewitter ist nicht weit.
Könnt ihr denn nicht die Zeichen dieser ZeitAuch deuten, wie ihr doch den Himmel thut?Ihr Heuchler, Pharisäer, Otterbrut,Wohl hat von euch Jesajas prophezeit:
«Es spricht der Herr: dieweil ich es erfahren,Daß, wenn sie mich bekennen mit dem Munde,Sie mit dem Herzen ferne von mir sind,
Will seltsam ich mit diesem Volk verfahren,Daß seiner Weisen Weisheit geh zu GrundeUnd seiner Klugen Klugheit werde blind.»
3Schiller
Ihr wollt zurück uns führen zu den TagenCharakterloser Minderjährigkeit?Ihr hängt umsonst an der Vergangenheit,Ihr werdet nicht die Zukunft unterschlagen.
Es ist ein eitel, ein vergeblich Wagen,Zu greifen ins bewegte Rad der Zeit;Der Morgen graut, verscheucht die Dunkelheit,Und leuchtend stürzt hervor der Sonnenwagen.
Die blind und taub, ihr Augen habt und Ohren,Nicht Stimmen hören wollt, nicht Zeichen sehen,Ich zittre nur für euch, ihr blöden Thoren!
Denn Gottes Rathschluß wird dennoch bestehen,Die Frucht der Zeit zu ihrer Zeit geborenUnd das, was an der Zeit ist, doch geschehen.
4
Die öffentliche Meinung schreit und klagt:Ihr habt von mir erborget eure Kraft;Durch mich geschah, was Großes ihr geschafft,Durch mich gelang, was siegreich ihr gewagt.
Und nun ich euch erhöht, wollt ihr als MagdMich züchtigen mit Ruten und mit Haft;Ihr schämt euch flüchtiger GenossenschaftUnd habt mir, eurer Herrin, widersagt?
Und doch, ihr hörtet meine Donner rollen,Und der Koloß der Zeit war schon zerstoben,Von dessen Joch ich kam euch zu erlösen. –
Ihr Seifenblasen, die mein Hauch geschwollen,Und flücht'gen Schimmers meine Huld gehoben,Ihr eitle Seifenblasen, – seid gewesen!
5
Wer hat zum Schreier also dich bedungen?Es möchten Lieder besser dir gedeihen,Welchen auch gern das Ohr die meisten leihen;Hast du nicht sonst von Lieb und Wein gesungen?
Könnt ich aus ehrner Brust doch tausend ZungenMit Hauch beleben, alle wollt ich weihen,Gellend das eine, alte Lied zu schreien,Bis in verschloßnen Ohren es erklungen.
Es ist hoch an der Zeit, sie auf zu schrecken,Die taumelnd um den Rand des Abgrunds wallen,Ob schlafend nicht, dennoch nicht zu erwecken;
O muß die schwache Stimme so verhallen!Es drohet euch der Sturz, mir bloß das Schrecken; –Ein Vogel schwingt sich auf, wo Eichen fallen.
Memento.
Wer nennt mir diesen Flüchtling, diesen Alten,Der zitternd führt den Wanderstab zur Hand,Und bleich die Stirne zieht in düstre Falten?Besudelt scheint mir Purpur sein Gewand,Und auf der Stirne, welch ein seltsam Mal?War der ein König über dieses Land?Er war es gestern, und zum dritten MalEntfleucht er, und zum letzten, seinen Reichen,Worüber nicht mit Weisheit er befahl.Und nun? – Er hofft die Fremde zu erreichen,Das fremde Land, wo ihm des Fremden GnadeDas bittre Brod des Mitleids möge reichen.Gelangend an das Meer auf scheuem Pfade,Wo Schiffe, fremde Schiffe, seiner warten,Blickt er zurück zur Heimath vom Gestade;Und lauscht – dem trunknen Freudenruf, dem harten,Der himmelangetragen widerhalltInmitten neuerblühtem Friedensgarten:«Zerriß er den Vertrag doch selbst, da galtEs nur das Fest der Freiheit zu erneuen;Er stand allein, und drohte mit Gewalt!»Die Stimmen nur von wenigen GetreuenErheben sich, die, vor den freud'gen Scharen,Sich seinen Stern nicht zu betrauern scheuen,Die Stimmen derer, muß er nun erfahren,Die er verstieß mit Unbill und mit Schmach,Weil Thoren nicht, weil Knechte nicht sie waren. – –Und solchem Bilde sinnt der Dichter nach,Verstummt, von Gunst und Mißgunst gleich entfernt;Er sinnt und weint, sein Saitenspiel zerbrach.Ihr Mächtigen der Erde! schaut und lernt!
Der vertriebene König.
Cento novelle antiche. Ed. Manni. Nov. VII
Die alle freien Stimmen ihr verdächtigt,So ihr, dasjenige euch vorzusagen,Was nur ihr hören wollt, nicht selbst ermächtigt;Vernehmt die Stimme denn uralter Sagen;Hie bin ich, schlicht die Worte des VerstandesAus eurer Väter Zeit euch vorzutragen.Es war einmal ein König Griechenlandes,Dem segnend der Allmächtige verliehenMacht, Weisheit und die Liebe seines Landes.Er ließ von Weisen seinen Sohn erziehen;Die kamen denn und sprachen: «Nimm ihn hinUnd prüf ihn, unser Werk ist wohl gediehen.»Und daß er prüfe seines Sohnes Sinn,Hieß vieles Gold aus seines Schatzes HallenEr holen und es legen vor ihn hin.Und vor den Rittern und Baronen allen,Das Gold ihm schenkend, sprach er zu dem Sohne:«Verwende dieß nach deinem Wohlgefallen»,Und er befahl, die andern sollten, ohneIhm Rath zu geben, scharf auf ihn nur sehen,Und dann Bericht erstatten vor dem Throne.Da sah der Königssohn vorübergehenDie Karavanen aus den fernsten Orten,Und hieß die Reisenden ihm Rede stehen.Gewandt und kühn, mit wohlerwognen WortenSprach einer: «Herr, ich bin ein HandelsmannUnd mir gehören die Kamele dorten.Durch eigene Betriebsamkeit gewannIch Schätze, die ich keinem sonst verdanke,Da mir das Land und mancher danken kann.»Ein zweiter sprach, verloren in Gedanken, –Er wäre lieber unbefragt geblieben, –Indem zur Erde seine Blicke sanken:«Ich bin der König Syriens, den vertriebenDie aufgeregten Völker; mein VerhaltenWar so, daß sie die Schuld mir zugeschrieben.»Und alles Gold, worüber er zu schalten,Gab diesem alsobald das Königskind,Darob entrüstet die Barone schalten.Sie klagten vor dem Throne: «Herr, es sindNicht deines Sohnes Thaten lobenswerth;Er schlug der Weisheit Lehren in den Wind,Er ließ den Wohlverdienten unbeehrt,Indem er unbesonnen seine GabeDem andern Unbesonnenen beschert.»Es wurde vorgefodert nun der Knabe,Daß Rechenschaft er gäbe, wie verwendetDas seiner Hand vertraute Gut er habe.«Ich habe nichts verschenkt und nichts verschwendet»,Sprach zuversichtlich da der Königssohn,«Und nicht vom Würdigen mich abgewendet.Bezahlet hab ich nur verdienten Lohn;Von dem ich nichts gelernt, den ließ ich ziehen,Des andern Lehre galt um meinen Thron,Sein Beispiel hat mir gellend zugeschrieen:Nur mächtig ist, den seine Völker lieben,Denn über uns ist ihnen Macht verliehen.Was ich ihm gab, sein Schuldner bin ich blieben.»
Aus der Vendée.
1Im Jahre 1832.
Wer stört der stillen Gegend Widerhall?Ich sehe durchs Gebüsch die Rosse nicht,Ich höre nur der flücht'gen Hufe Schall.Dort windet eine Schlucht sich an das Licht;Ich seh daraus den rüst'gen Führer steigen;Ein Landmann, der die Bahn durchs Dickicht bricht.Wer wird in dem Geleite doch sich zeigen?Ein Weib allein, – sie ist's! schau nicht ihr nach,Du hast sie nicht gesehn, du weißt zu schweigen.Und wie der Tag den Flüchtlingen gebrach,Sein letzter Schein im Westen sich verlor,Da sahn sie im Gebüsch ein einsam Dach.Und sie: «Halt an! und klopf an dieses Thor,Ich bin erschöpft, ich will zur Nacht hier rasten.»Darauf der Landmann: «Sei uns Gott davor!Die Höhle da gehöret dem Verhaßten,Der dein Verderben spinnt mit Rath und That;Das Roß gespornt! wir müssen fürder hasten.»Sie aber schwang vom Pferde sich und tratAns Thor und klopfte: bald erschien ein Licht,Der Hausherr forschte selber, wer genaht.Und sie zu ihm: «Ich bin's, erschrecke nicht,Ich bin's, die Schirm und Schutz von dir begehrtUnd Obdach hier zu finden sich verspricht.» –«Entfleuch, Unselige! denn meinen HerdUmlagern, die dich suchen.» – «Mir den Arm!Dein Ruf mir volle Sicherheit gewährt.»Sie tritt mit ihm ins Haus; es theilt der SchwarmSich der Bewaffneten, mit Ehrfurcht weichenZur Seite der Gardist und der Gensd'arm.Und wie das innre Zimmer sie erreichen,Wo seine Töchter saßen am Klavier,Sieht, angestaunt von ihm, sie ihn erbleichen.Und sie beginnt: «Das wundert dich von mir?Verdopple seine Wachten doch in steterBefürchtung, den nun drückt der Krone Zier!Geächtet, ehrt der Landmann mich und Städter;Ich schweife sicher durch das KönigreichUnd find in Frankreich nirgends den Verräther.»Drauf er entrüstet: «Und bewundr ich gleich,Ich selbst bin Vater, deinen Heldenmuth,Macht doch das Mitleid nicht das Herz mir weich.Dich mahn ich an den Fluch, der auf euch ruht;Es hat euch Frankreich zürnend ausgespieen,Das du mit Schmach bedecken willst und Bluth.Der eurem Rechte seine Kraft verliehen,Der Fremde wird, zum dritten Male schon,Von deinem Frevel laut herbeigeschrieen;Durch Bluth und Schande willst du deinem SohnDen düstern, unheilvollen Weg von neuenEröffnen zu dem angestammten Thron.Am Bluthe mag der Löwe sich erfreuen!Doch Schande, hörst du? Schande...! – Hör mich an:Hier schärfst du nur das Beil für deine Treuen;Dir ebnet sich zur Flucht der Ozean;Verzichtend laß die schnöde Selbstsucht fahrenUnd nimmer mich bereun, was ich gethan.»Und sie mit Wehmuth, ihre Augen warenVon Thränen feucht: «Was Selbstsucht und was Schande?!Und soll ich solche Kränkung noch erfahren!Dein blinder Eifer lodert auf zum Brande,Du brichst den Stab, erkenne mich erst recht:Ich opfre ja mich selbst dem Vaterlande.Was gelt ich hier, was gilt hier mein Geschlecht?Es gilt bei meinem bluth'gen UnterwindenAllein das göttliche, das ew'ge Recht.Im Recht ist Heil für Frankreich nur zu finden;Auf Schmach gerichtet, meinst du, sei mein Streben;Was zögerst du? hier bin ich, laß mich binden.Mißachtet mag ich Dulderin nicht leben;Laß mich ein Opfer deines Wahnes sein,Du meinst es gut, ich habe dir vergeben.»Die Thür sprang auf, Gensd'armen traten ein:«Wir sitzen auf, es ist zu reiten Zeit;Giebt's heute Neues zu berichten?» – «Nein!» –«Nicht Nachricht von der Fliehenden?» – «Verzeiht!Laßt mich allein mit meiner Sorgen Last,Und ehrt die Schatten meiner Häuslichkeit.»Wie sie hinausgegangen, sprach gefaßtZu seinen Töchtern er mit leisem Munde:«Ihr sorgt mit Ehrfurcht für den hohen Gast.Wohl quoll der Zorn, wie Bluth aus tiefer Wunde,Aus meinem Herzen, euch geziemt das nicht;Mit stiller Andacht feiert diese StundeUnd überlaßt dem Höchsten das Gericht.»
2Im Jahre 1833.
«Und überlaßt dem Höchsten das Gericht!»So sprach ich einst, und seht: er hat gerichtet.Nicht ward im Bluthe dieser Zwist geschlichtet,Es hatte da das Eisen kein Gewicht.
Die blinden, schwachen Menschen haben nichtDurch Weisheit oder Kraft es ausgerichtet;Blickt hin! die Macht des Gegners ist vernichtet,Der Höchste sprach im Zorn: es werde Licht.
Seht, strafend regt die Frucht sich ihres Leibes,Zerstoben ist des Widersachers Reich,Sein Stolz und seine Hoffnung sind gewesen.
Kein Spott, kein Hohn dem Jammer dieses Weibes!Sie ist, dem blitzgetroffnen Felsen gleich,Ein von dem Waltenden gezeichnet Wesen.
Deutsche Barden.Eine Fiction.
Es schimmerten in röthlich heller PrachtDie schnee'gen Gipfel über mir; es lagenDie Täler tief und fern in dunkler Nacht.Der frühe Nebel ward empor getragen;Ich sah ihn in den Schluchten bald zerfließen,Bald über mich die feuchte Hülle schlagen,Den Bergstrom hört ich brausend sich ergießen,Das starre Meer des Gletschers sich zerspalten,Und donnernde Lauvinen niederschießen.Ich hatte Müh den steilen Pfad zu halten,Auf dem ich klomm zum hohen Bergesthor,Von wo die Blicke ostwärts sich entfalten.Und wie ich zu der Höhe mich emporGeschwungen hatte, traf mit heim'schem KlangeHochdeutsche Mundart lockend mir das Ohr.Ich stand gefesselt und ich lauschte lange,Und hörte der gewalt'gen Rede FlutenMelodisch schwellend werden zum Gesange.Es stand der Sänger einsam, in die GluthenDer Sonne starrend, die sich nun erhobenAus Wolken, die am Horizonte ruhten.Der Schleier, bluthigroth aus Dunst gewoben,Auf ebne, weite Landschaft ausgebreitet;Das tiefe Blau der Himmelswölbung oben;Die Bilder, so der Morgen hier bereitet,Sie wurden auf der Griechen HeldenkampfVerherrlichend vom Liede hingeleitet.Ich hört ihm zu, sah über Bluth und DampfDie Freiheitssonne Hellas' sich erheben,Das Leben siegen ob dem Todeskrampf:«Du goldne Freiheit, bist das Licht, das Leben;Die bluth'ge Taufe tilgt der Ketten Schmach;Du hast dir, Heldenvolk, das Sein gegeben.»Er schwieg, ich lauschte noch; vortretend sprachDen Mann ich an mit dargereichter Rechten:«Du deutscher Bard', der sich die Palme brach,Du siehst mein Aug von deines Liedes MächtenGeschmückt noch mit der Thränen Perlenzier,Und nicht ob meinem Antrag wirst du rechten.Ich bin ein Deutscher, so wie du, und mirEntströmet der Gesang aus Herzens GrundeUm Freiheit, Recht und Glauben, so wie dir.Die Wildniß bringt uns näher und die Stunde,Was in der Brust wir tragen und im Schilde;O reiche mir die Hand zu heil'gem Bunde!»Drauf er mit Wehmuth lächelnd und mit Milde:«Mich freut in deinem Aug der WiderscheinVon dem aus mir hervorgeblühten Bilde.Doch blicke hier ins offne Thal hinein:Du wirst auf jenem Pfade niedersteigen,Und Mensch dort unten unter Menschen sein.Dein Wille, deine Kraft, sie sind dein eigen;Du magst mit Lieb und Haß ins Triebrad greifen,Und magst, so wie du bist, dich offen zeigen.Dort wird der Freundschaft edle Frucht dir reifen,Dort gilt der Wärme glückliche Gewalt,Die es verschmäht zu diesen Höhn zu schweifen.Blick um uns her, wie lebensleer und kaltDie starren Zinnen des Gebirges trauern;Hier ist mein winterlicher Aufenthalt.Sie sind der Völkerfreiheit feste Mauern,Und sammeln still die Wolken für das ThalZu Quellensegen und zu Regenschauern.Ich haus in Sturm und Wolken hier zumal;Dem dieser Alpen ist mein Schaffen gleich,Ob aber liebend, ob aus freier Wahl –?Wer blickt in meines Herzens Schattenreich?Wer fragt nach mir, der einsam ich verbanntAus menschlicher Genossenschaft Bereich?Die flücht'ge Stunde, wo du mich erkannt,Du magst in der Erinnerung sie feiern,Wir sind getrennt, so bald ich mich genannt –Ich bin der König Ludewig von Baiern.»
Erscheinung.
Die zwölfte Stunde war beim Klang der BecherUnd wüstem Treiben schon herangewacht,Als ich hinaus mich stahl, ein müder Zecher.Und um mich lag die kalte, finstre Nacht;Ich hörte durch die Stille widerhallenDen eignen Tritt und fernen Ruf der Wacht.Wie aus den klangreich fest-erhellten HallenIn Einsamkeit sich meine Schritte wandten,Ward ich von seltsam trübem Muth befallen.Und meinem Hause nah, dem wohlbekannten,Gewahrt ich, und ich stand versteinert fast,Daß hinter meinen Fenstern Lichter brannten.Ich prüfte zweifelnd eine lange Rast,Und fragte: macht es nur in mir der Wein?Wie käm zu dieser Stunde mir ein Gast?Ich trat hinzu, und konnte bei dem ScheinIm wohlverschloßnen Schloß den Schlüssel drehen,Und öffnete die Thür, und trat hinein.Und, wie die Blicke nach dem Lichte spähen,Da ward mir ein Gesicht gar schreckenreich, –Ich sah mich selbst an meinem Pulte stehen.Ich rief: «Wer bist du, Spuk?» – er rief sogleich:«Wer stört mich auf in später Geisterstunde?»Und sah mich an, und ward, wie ich, auch bleich.Und unermeßlich wollte die SekundeSich dehnen, da wir starrend wechselseitigUns ansahn, sprachberaubt mit offnem Munde.Und aus beklommner Brust zuerst befreit ichDas schnelle Wort: «Du grause Truggestalt,Entweiche, mache mir den Platz nicht streitig!»Und er, als einer, über den GewaltDie Furcht nur hat, erzwingend sich ein leisesUnd scheues Lächeln, sprach erwidernd: «Halt!Ich bin's, du willst es sein; – um dieses Kreises,Des wahnsinn-drohnden, Quadratur zu finden,Bist du der rechte, wie du sagst, beweis es;Ins Wesenlose will ich dann verschwinden.Du Spuk, wie du mich nennst, gehst du das ein,Und willst auch du zu Gleichem dich verbinden?»Drauf ich entrüstet: «Ja, so soll es sein!Es soll mein echtes Ich sich offenbaren,Zu Nichts zerfließen dessen leerer Schein!»Und er: «So laß uns, wer du seist, erfahren!»Und ich: «Ein solcher bin ich, der getrachtetNur einzig nach dem Schönen, Guten, Wahren;Der Opfer nie dem Götzendienst geschlachtet,Und nie gefrönt dem weltlich eitlen Brauch,Verkannt, verhöhnt, der Schmerzen nie geachtet;Der irrend zwar und träumend oft den RauchFür Flamme hielt, doch muthig beim ErwachenDas Rechte nur verfocht: – bist du das auch?»Und er mit wildem, kreischend lautem Lachen:«Der du dich rühmst zu sein, der bin ich nicht.Gar anders ist's bestellt um meine Sachen.Ich bin ein feiger, lügenhafter Wicht,Ein Heuchler mir und andern, tief im HerzenNur Eigennutz, und Trug im Angesicht.Verkannter Edler du mit deinen Schmerzen,Wer kennt sich nun? wer gab das rechte Zeichen?Wer soll, ich oder du, sein Selbst verscherzen?Tritt her, so du es wagst, ich will dir weichen!»Drauf mit Entsetzen ich zu jenem Graus:«Du bist es, bleib, und laß hinweg mich schleichen!» –Und schlich, zu weinen, in die Nacht hinaus.
Traum.
Nacht war es, wo ich festen Schlafes schlief,Darin mein Selbstbewußtsein sich verlor,Als eine Stimme mich bei Namen rief.Und drei Mal traf erneut der Ruf mein Ohr;Ich dünkte mich darob erwacht zu sein,Und richtete vom Pfühle mich empor.«Wer rufet mir, wer fand bei mir sich ein?»Und seltsam ernst, und mild gebietend standEin Jüngling mir zu Haupt in hellem Schein.Um seine blondgelockte Stirne wand –Der Herrschaft Zeichen – sich ein goldner Reif,Und Schwert und Waage ziemten seiner Hand.«Wer bist du, Herr, vor dem ich wie der ReifVergehe vor der Sonne milder Macht?»«Ich bin, der kommen soll, die Zeit ist reif.Der Tag ist aber, wie die Mitternacht,Die Gegenwart ist falsch, das Leben lügt,Der weiß es, der die Todten reden macht.Die Todten, deren Zeugniß mir genügt,Sollst du verhören über diesen Streit;Steh auf und geh, ich hab es so verfügt.Dann tritt die Zukunft in die Wirklichkeit,Dann schaff ich Recht in die erneute WeltUnd richte wieder ein den Lauf der Zeit.»Ich gieng zu thun, wozu er mich bestellt;Es schien in schauerlicher Nacht kein Stern,Das Innre nur des Münsters war erhellt.Geläut und Orgelton erschallten fern;Sie glichen der Posaune des Gerichts,Und ich dem Werkzeug in der Hand des Herrn.Ich aber dachte nichts, und schaute nichts,Und mühsam über Gräber tappend nahtIch mich dem Quelle des verborgnen Lichts.Des Münsters Thore sprangen auf, es tratHervor ein Priester, dessen Haupthaar weißUmwallte den geheiligten Ornat.Mit Buch und Kerze trat zu mir der Greis,Und sah mich schweigend an, und winkte mir,Und schweigend folgt ich ihm auf sein Geheiß.Ein gähnend Grab inmitten dem RevierDer Gräber bot sich uns zum Eingang dar,Davor mein Führer hielt und winkte: hier!Wir stiegen durch dasselbe, sonderbar,An viele tausend Stufen wohl hinab,Und wurden in der Tiefe Licht gewahr.Es wölbte höher sich der Gang und gabDem Aug ein unermeßlich Feld hinfort;Wir beide waren stumm, wie selbst das Grab.Ein Tisch, ein Stuhl, ein Schreibzeug waren dort,Und einer Lampe Schein erhellte kargDen nächsten Umkreis von dem Schreckensort.Es lagen unabsehbar Sarg an Sarg.Am Tisch zu sitzen wies den Platz mir anMein Führer, der sodann sich mir verbarg.Und wie ich so verlassen mich besann,Rief dröhnend eine Stimme durch den Raum,Die jene vorzuladen nun begann.Der aufgerufne Todte hörte kaumSich nennen, regt' er stöhnend sich, als seiEr mühsam aufgewacht aus schwerem Traum;Entrang sich seinem Sarg und kam herbei,Schlaftrunken, staunend schauend in die Rund,Und stellte sich vor mich am Tische frei.Die Stimme that ihm dann die Fragen kund,Und unbestochen nach der Wahrheit sprachGewicht'ges Zeugniß er mit blassem Mund.Ich aber, ob darob das Herz mir brach,Verfaßte das Verhör, wie sich's gehört,Und schrieb die schweren Worte treulich nach.Es wurden auch in ihrer Ruh gestörtDie nicht verhörten Todten allzumal,Und stöhnend in der Särge Schoß gehört.Es waren aber, nach der Stimme Wahl,Die Bürgerhelden Franklin, WashingtonDie ersten in der Vorgerufnen Zahl.Und ich, ich durfte, niedrer Menschensohn,Betrachten dieser Herrlichen Gestalt,Und trinken der verehrten Stimmen Ton.Dem sechsten nach dem zehnten Ludwig galtDer nächste Ruf; der Dulder schritt einher,Ein schwaches Rohr, geknickt von Sturmgewalt.Vernommen wurden dann Rousseau, Voltaire,Dann Necker, Mirabeau, und, ängstlich bang,Das bluthbefleckte Schreckbild Robespierre.Des nächstgerufnen Namens mächt'ger KlangErweckte Widerhall im Todtenreich,Wovor der Deckel vieler Särge sprang.«Napoleon!» Er kam, sich selber gleich,Gestützt auf des zerbrochnen Schwertes Knauf,Im abgerißnen Purpur stolz und bleich.Und viele von den Todten standen auf,Begierig, den Gewaltigen zu sehn,Und drängten sich um ihn und mich zu Hauf.Und Fürst und Mannen wollten auferstehn,Und rings ergoß sich der Verwesung Duft,Ich fühlte schier den Athem mir vergehn.«Zurück, zurück, Bewohner ihr der Gruft,Die nicht ihr seid geladen vor Gericht,Was doch verpestet ihr umsonst die Luft?»Ich rief es, doch die Todten hörten nicht;Ich streckte meine Hand nach ihnen aus,Die Lampe fiel und es erlosch das Licht.Nun warf sich über mich im Saus und Braus,Unbändig und im Schutz der finstern Nacht,Der kalten Leichen schauerlicher Graus.Da bin ich vor Entsetzen aufgewacht.Ich fand, wie ich die müden Augen rieb,Vom Strahle mich des Morgens angelacht,Vergessen und verschollen, was ich schrieb.
Θανατοσ.(Fiebertraum, durch die Erzeugnisse der neueren französischen Romanenliteratur veranlasst)
In meiner Mutter Hütte, – laßt mich weinen!Ja, bringt die alten Thränen mir zurück,Ihr alten Bilder, wollt ihr mir erscheinen! –In meiner Mutter Hütte war das Glück;Die Liebe schaffte still mit leiser HandUnd leuchtet' über uns im Mutterblick.Da hing ein seltsam Bildniß an der Wand,Davor wir lernten unsre Hände faltenUnd Worte sprechen, die ich nicht verstand;Und hatten wir am Tag uns fromm verhalten,So nahten unsern Wiegen sich die TräumeAls lichter Engel segnende Gestalten.Vor unsrer Hütte lagen sonn'ge Räume,Um diese breiteten ein duft'ges ZeltDie dichten Reihen hoher Lindenbäume.Noch war der Umkreis unsre ganze Welt,Und von dem Bache jenseits längs dem HageDie äußerste der Grenzen uns gestellt;Und hier am Ufer stand ich lange Tage,Hier zog und hielt mich wie ein böser TraumMit fieberhaft erhöhtem Herzensschlage,Zu schaun hinüber nach dem fernen Saum,Dem blauen Nebelring, beschränkend dortDen grünen, weiten, ausgespannten Raum;Zu sehnen mich hinüber fort und fortIn jene räthselhafte blaue Weite,Der Schranke zürnend, die mich hielt am Ort.Da dacht ich: wärst du erst auf jener SeiteDes Wassers! dieses Wasser aber mußSo tief nicht sein. Ich war mit mir im Streite.Bald reifte der Gedanke zum Entschluß,Ich stieg hinein, es wuchs mir das Vertrauen,Es trug an jenes Ufer mich mein Fuß.Und vorwärts, ohne hinter mich zu schauen,In grader Richtung hub ich an zu wallenDem blauen Streifen zu durch blühnde Auen.Der Mutter Nachruf hört ich wohl erschallenUnd, wie ich unaufhaltsam vorwärts schritt,In schauerliche Stille bald verhallen.Grün ward der Boden rings um meinen Tritt,Da vor mich hin, so wie ich vorwärts drang,Der blaue Nebel fern und ferner glitt.Und wie ich so im Zauberkreise rang,Besann ich mich; da war ich müd und alt,Die Heimath hinter mir verschwunden lang.Und vorwärts, unablässig vorwärts galtEs durchzudringen; wie die Hoffnung schwand,Da änderte der Boden die Gestalt.Das Grün erstarb, es schien das öde LandBeraubt des Schmuckes lechzend zu erblassen,Ein ausgebrannter, windbewegter Sand.Die Ferne schien in Formen sich zu fassen,Ich sah den blauen Nebel halb zerrissenUnd halb erstarren zu begrenzten Massen;Und Ebenmaß und Ordnung zu gewinnenSchien meinem Aug ein riesenhafter BauMit luft'gen Thürmen und mit zack'gen Zinnen;Der stieg vor mir, entfaltend sich zur Schau,Aus nackter Ebne mehr und mehr emporAm Horizonte fern noch blau auf blau.Zu wogen schien ein klarer See davor,Den Durstgequälten lockend lügenhaft,Der staunend in Gedanken sich verlor.Beharrlich setzt ich fort die WanderschaftMit wundem Fuß und ausgedorrten Lippen,Und strengte standhaft an die letzte Kraft.Das Wasser floh vor mir, es stiegen KlippenAus dessen Spiegel und dem sand'gen Plan,Der Bau zerfiel zu schroffen Felsgerippen.Ich stieg auf nacktgebrannter Felsenbahn,Auf scharfen Steinen und zerspaltnem GrundeDen Abhang des Gebirges schon hinan.Und steiler ward der Pfad mit jeder Stunde,Der Kiesel schärfer in der Schluchten Schoß,Darüber troff mein Bluth aus mancher Wunde.Die zack'gen Gipfel starrten nackt und bloß,Die Wüste schwieg, des Lebens ganz beraubt;Kein Wurm und kein Gethier, kein Halm, kein Moos!Und wie bereits erklommen ich geglaubtDen Scheitel des Gebirges, sah ich ragenHoch über mir ein andres Felsenhaupt.Kaum wollten meine Glieder noch mich tragen,Ich kroch hinauf; von dorten sah ich nurEin Meer von Trümmern starre Wellen schlagen.Kein Quell, kein Grün, von Leben keine Spur!Hier hält mich, sonder Ausgang, fast erschrocken,Die todte, die entgötterte Natur.Ich schüttle mit Verzweiflung greise Locken;Der Durst! der Durst! o gebt mir meine Thränen!Das Herz ist dürr, die Augenhöhlen trocken.Wie lange wird sich diese Marter dehnen?Wird Wahnsinn grinsend mir ins Auge starren?Wirst du, Vernichtung, hungrig nach mir gähnen?Du läßt den schon Erstorbenen noch harren!
Die Kreuzschau.
Der Pilger, der die Höhen überstiegen,Sah jenseits schon das ausgespannte ThalIn Abendgluth vor seinen Füßen liegen.Auf duft'ges Gras, im milden SonnenstrahlStreckt' er ermattet sich zur Ruhe nieder,Indem er seinem Schöpfer sich befahl.Ihm fielen zu die matten Augenlider,Doch seinen wachen Geist enthob ein TraumDer ird'schen Hülle seiner trägen Glieder.Der Schild der Sonne ward im HimmelsraumZu Gottes Angesicht, das FirmamentZu seinem Kleid, das Land zu dessen Saum.«Du wirst dem, dessen Herz dich Vater nennt,Nicht, Herr, im Zorn entziehen deinen Frieden,Wenn seine Schwächen er vor dir bekennt.Daß, wen ein Weib gebar, sein Kreuz hieniedenAuch duldend tragen muß, ich weiß es lange,Doch sind der Menschen Last und Leid verschieden.Mein Kreuz ist allzu schwer; sieh ich verlangeDie Last nur angemessen meiner Kraft;Ich unterliege, Herr, zu hartem Zwange.»Wie so er sprach zum Höchsten kinderhaft,Kam brausend her der Sturm und es geschah,Daß aufwärts er sich fühlte hingerafft.Und wie er Boden faßte, fand er daSich einsam in der Mitte räum'ger Hallen,Wo ringsum sonder Zahl er Kreuze sah.Uns eine Stimme hört' er dröhnend hallen:«Hier aufgespeichert ist das Leid; du hastZu wählen unter diesen Kreuzen allen.»Versuchend gieng er da, unschlüssig fast,Von einem Kreuz zum anderen umher,Sich auszuprüfen die bequemre Last.Dies Kreuz war ihm zu groß und das zu schwer,So schwer und groß war jenes andre nicht,Doch scharf von Kanten drückt' es desto mehr.Das dort, das warf wie Gold ein gleißend Licht,Das lockt' ihn, unversucht es nicht zu lassen,Dem goldnen Glanz entsprach auch das Gewicht.Er mochte dieses heben, jenes fassen,Zu keinem neigte noch sich seine Wahl,Es wollte keines, keines für ihn passen.Durchmustert hatt er schon die ganze Zahl –Verlorne Müh! Vergebens war's geschehen!Durchmustern mußt er sie zum andern Mal.Und nun gewahrt' er, früher übersehen,Ein Kreuz, das leidlicher ihm schien zu sein,Und bei dem einen blieb er endlich stehen.Ein schlichtes Marterholz, nicht leicht, alleinIhm paßlich und gerecht nach Kraft und Maß:«Herr», rief er, «so du willst, dieß Kreuz sei mein!»Und wie er's prüfend mit den Augen maß –Es war dasselbe, das er sonst getragen,Wogegen er zu murren sich vermaß.
Die Ruine.
Ich schweifte rastlos auf den höchsten BergenAllein und fern von aller Menschenspur,Mich selbst und meinen Unmuth zu verbergen.Behaglich war's mir, wo die Gemse nurDie flücht'ge Bahn sich über Gletscher bricht,Recht einsam in der wildesten Natur.Was mir im Busen tobte, frage nicht:Entblößest du, der so mich fragen darf,Die eignen Wunden an das Tageslicht?Der Abend sank, die Winde wehten scharf;Ein Feuer hatt ich mir zu Nacht geschüret,Das auf das Schneefeld rothe Strahlen warf.Bald ward vom mächt'gen Zugwind aufgerühretDer Schnee in Wirbeln, und der Felsenwand,Die Schutz mir geben sollte, zugeführet.Zur Flucht gedrängt, ergriff ich einen Brand,Und suchte durch die Klüfte mich zu schlagenZu Thal, zur Burgruin am Waldesrand.Die Wolken, die erst um die Gipfel lagen,Ergossen jetzt sich wogend durch den RaumUnd schienen ein Gewitter anzusagen.Wie ich den Ort erreicht, ich weiß es kaum,Doch standen sie vor mir, die alten Mauern,In Brandes-Flackerschein an Waldessaum:«Beschirmt mich vor den kalten Regenschauern,Seid gastlich, Trümmer ihr der alten Zeit;Wo klafft ein Spalt, wo kann ich unterkauern?»Ein Riß im Mauerwerke, nur so breit,Daß mich hindurch zu pressen kaum gelang,Gewährte vor dem Sturm mir Sicherheit.Der führte mich in einen schmalen Gang,In dem vorschreitend bei des Brandes HelleIch tief und tiefer in das Innre drang.Hier eine Thür, ich hielt auf deren SchwelleDen düstern Ort betrachtend, zu erfahren,Ob das ein Grab sei, ob die Burgkapelle.Denn Bilder, halbverstümmelt, Waffen warenRings aufgestellt, zerstreut auch hin und wieder,Verschüttet und verstaubt von vielen Jahren.Ich lagerte zur Ruhe meine GliederAuf Schutt gestreckt, das Haupt auf einen Stein,Doch mied der Schlaf die müden Augenlider.Es wirkten jene Bilder auf mich ein,An denen ich mit stieren Blicken hing;Der Brand verglimmend warf den letzten Schein;Und nun die Nacht, die tiefste, mich umfieng –Vermag ich mein Entsetzen da zu schildernBeim Anblick dessen, was nun vor sich gieng!Ein bleicher Schein entströmte jenen Bildern,Ich sah sie in der Finsterniß sich regen,Sie wurden laut, sie huben an zu wildern.Und dumpf erscholl's: «Auf! aus dem Schlaf, ihr Trägen!»Ein Herrscher war es, der das Wort gesprochen,Die Hand versucht' er an das Schwert zu legen;Das war von Holz gewesen und zerbrochen;Nach seiner Krone griff er, – goldesbar,Ein altes, morsches Holz, vom Wurm zerstochen.Dem Rufe stellte bald sich eine Schar,In Holz gewappnet halb und halb in Eisen,Die nicht geheuer anzuschauen war.Und ihm zur Rechten sah ich einen Greisen,Der schwach und zornig, geistlich angethan,Verdrossen schien, ihm Ehrfurcht zu erweisen.Er musterte die Seinen Mann für Mann,Dann naht' er seltsam lächelnd sich dem Alten,Zu dem er leise flüsternd so begann:«Schwach worden bist du, mußt an mir dich halten,Und ich an dir, es ist nicht Hadernszeit;Bedecke mich mit deines Mantels Falten.»Und zu den Mannen: «Seid zum Kampf bereit;Ihr habt noch Eisen, gut! ich muß euch loben;Altar und Thron! das ist ein guter Streit.Nun gilt's, einander Eintracht zu geloben:Durch euch, für euch! ihr wißt, ich weiß es nun;Ich weiß, ihr wißt auch, was sie schwatzen oben.Sie wollen, Abgestandnes müsse ruhn;Ihr aber seid noch ein bewehrter Haufen,Und nächtlich werdet ihr das Eure thun.Sie sagen, unsre Zeit sei abgelaufen,Nun sei es Tag; doch, seht! es ist ja Nacht,Und mögen sie's mit anderm Worte taufen!Das Licht–! es ist zum Lachen! lacht doch, lacht!»Und wie er selbst darüber wollte lachen,Hat doch das Licht ihn stumm und starr gemacht.Der Blitz ergoß, der grause Feuerdrachen,Durch einen Spalt der Wölbung Lichtesgarben,Und hell erklang des Donners zürnend Krachen.Die Bilder, die zu Holz und Stein erstarben,Erwachten spät und zögernd nur zum Leben,Bis wiederum die Sprache sie erwarben.Da sah ich jenen Priester sich erheben;Der nahm das Wort und schüttelte sein Haupt:«Der Himmel hat ein Zeichen euch gegeben!Er hat, daß ihr's mit Augen seht, erlaubt,Wie Untergang er euren Feinden drohe;Ihr aber lobt die Finsterniß, und glaubt!Und weil ich euch die Deutung gab, die frohe,Und klärlich ihr erkannt des Herrn Gefallen,Der zu euch sprach in seines Zornes Lohe;So laßt vor ihm uns auf die Kniee fallen,Lobpreisend ihn mit unsern schwachen Zungen,Laßt Te deum laudamus laut erschallen.»So wurde denn der Lobgesang gesungen,Mißtönig, unerhört! mir mußte deuchten,Als hielte Fieberwahn mich fest umschlungen.Ich sah die zweifelhaften Wesen leuchtenMit bleichem Schimmer, der ich spähend lag;So schimmert morsches, faules Holz im Feuchten.Die Zeit verstrich, die nimmer ruhen mag,Durch jenen Spalt drang ein ein schwacher Strahl,Verkündigend den neugebornen Tag.Und bei dem Schein erblaßten allzumalDie Wundersamen, ihr Gesang verhallte,Es schwieg bald der, bald jener aus der Zahl.Ein Angstgeschrei des Oberherrn erschallte:«Hilf Priester du! es tagt! es darf nicht tagen!Den Mantel her! verhänge du die Spalte!Besteige den Altar, ich will dich tragen,Dich halten; das Entsetzen quillt von dortUnd drohet unsre Herrschaft zu zerschlagen!»Wohl that der Priester nach des Fürsten Wort,Doch wollte nicht der alte Mantel frommen,Es wuchs die Tageshelle fort und fort.Er aber bebte heftig angstbeklommen,Und sank zuletzt erstarrt zu den Erstarrten,Denn allen war des Lebens Schein genommen.Und in der Dämmerung, der lang erharrten,Sah ich von Holz und Stein die Bilder nur,Die halbverstümmelten, in Schutt verscharrten.Beim Priester lag am Pfeiler die FigurDes Oberherrn, der nächtlich wüste GrausZerronnen und verschollen ohne Spur.Da lacht ich ob dem tollen Traum mich aus,Und von des Fürsten Krone mir zum MalBrach ich ein Stück und nahm es mit nach Haus.Ich stieg zu Tag: im heitern MorgenstrahlErglühten rings des Schneegebirges ZinnenUnd schon ergoß das Licht sich in das Thal.Anbetend fühlt ich meine Zähren rinnen.
Der Republikaner zu Paris am 7. August 1830.(Nach Victor Strauss)
Schon ordnen sie den Zug im Trauerhaus;Hier werden sie vorbei die Bahre tragenUnd langsam sich verlieren dort hinaus.Und ich, versteckt, will scheue Blicke wagen – –Ich darf, von seinem Bluth die Hände roth,Um meinen Todten nicht wie andre klagen.Herz meines Herzens! Freund und Bruder! todt!Ich habe dich, ich selbst dich umgebracht,Der wehrlos mir die Brust entgegen bot.Du Liebesstern in meines Grimmes Nacht,Du bist erloschen, und in alten BildernErscheint mir erst dein Licht in voller Pracht.Wie sanft und kräftig lenktest du den wildernGefährten, bändigtest den Ungefügen,Und wußtest seines Zornes Gluth zu mildern!Der Friede lag in deinen holden Zügen;Wir waren, als wir ew'ge Treu uns schwuren,Noch Kinder, und wir wußten nichts von Lügen.Die feindlich widerstreitenden NaturenErgänzten sich zu wunderbarer Einheit;Mitschüler nannten uns die Dioskuren.O sel'ge Zeit der Unschuld und der Reinheit!Noch boten eines Herzens wir zusammenDem Schlechten Krieg, Verachtung der Gemeinheit.Beim Tacitus entlodert ich in Flammen,Haß schwur ich den Tyrannen; fast erschrockenVermochtest du den Schwur nicht zu verdammen.Ich seh dich schütteln deine blonden Locken, –Ein Blick, ein Druck von deiner lieben Hand –Und in die Gegenwart zurück mich locken.Wir wuchsen auf, es wuchs in mir der Brand;Es rief die Zeit mit grimmen LeidenschaftenDas Ungewitter, das bevor uns stand.Du wolltest noch an morschen Trümmern haften,Den Baum umklammern, welchen, schon verdorrt,Dahin die gottgesandten Stürme rafften.Da fiel das Wort, o das unsel'ge Wort!Du hattest sonder Arg es ausgesprochen; –«Herr Graf, wir sind getrennt!» so stürmt ich fort.Ich war in meines Herzens Herz gestochen;Du riefst mir nach mit ausgestreckten Händen:«Was hab ich, Bruder, wider dich verbrochen?»Nicht mocht ich rückwärts nach dem Ruf mich wendenIch schwieg und schritt hinaus: «sein adlich Bluth!»Ich schrie und rang, das Opfer zu vollenden.Ich schweifte durch die Nacht, ich weinte Wuth,Und finstrer, als um mich die Schatten waren,Und schauerlicher war mein kranker Muth.Was da ich litt, du hast es jetzt erfahren,Du wirst, verklärter Geist, versöhnlich sein,Du bist ob meiner Liebe jetzt im klaren.Der Morgen kam, er gab so trüben Schein;Ich log mir vor, es sei nun überwunden,Und stand verwaiset auf der Welt allein.Ich habe nur noch einen Halt gefunden:War selber mir das Leben leer und öde,Plebejisch fühlt ich meines Landes Wunden.Ich sah, wie nicht die Willkür sich entblöde,Die gleichgebornen Menschen doch in KlassenZu theilen, diesem huldreich, jenem schnöde;Ich sah die Ketten schmieden, durfte hassen;Tyrannenhaß war meines Herzens SchlagUnd widerhallte mir aus allen Massen.Geduld! Geduld! und sieh, da schien der Tag!Sie selbst, sie pflanzten auf den bluth'gen Schild,Zertretend mit den Füßen den Vertrag.Da hab ich noch gelacht, laut, grimmig, wild,Den letzten Kelch der Freude noch genossen,Dann zu den Waffen! in das Bluthgefild!Rings wogte drohend schon das Volk, es schlossenDie Haufen sich, zu richten und zu strafen;Stolz überzählten sich die Kampfgenossen.Und kommend, wo die Schlacht entbrannt war, trafenAuf dich die Blicke, die den Feind begehrten,Auf dich, ihr Oberhaupt, den stolzen Grafen.In stummer Haltung standen die Bewehrten,Mit blassem Antlitz, ohne Waffenlust,Gehorchend dem, den sie als Führer ehrten.Ich fiel dich an, du botest deine BrustMir dar, du riefst... – ich seh im TodeskrampfDich zucken, alles andern unbewußt.Ich hab umsonst gesucht im heißen KampfDie innre Ruhe wieder zu erwerben,Und lechzend mich berauscht in Bluth und Dampf.Vollendet ist das Werk, die Krone Scherben.Wer gab um dich, o Freiheit, was ich gab?Jetzt aber bin ich müd und möchte sterben.Und – wehe, weh! – sie tragen ihn herab;Die Mutter weint, der ich das Herz zerbrach. –O Wilhelm, schlafe sanft im frühen Grab; – –Wie noch der Unglücksel'ge solches sprach,Das Schmerzensbild noch seine Blicke sogenUnd starrten straßenauf dem Zuge nach;Ergossen straßenab sich Menschen-Wogen,Die rufend, jauchzend, freud'gen Taumels voll,Den Zug verdrängten und vorüber zogen;Es war der Ruf, der aus dem Strom erscholl,Der, wie des sturmerregten Meeres Tosen,Betäubend laut und immer lauter schwoll:«Hoch lebe, hoch! der König der Franzosen!»
Chassané und die Waldenser.Geschichtlich. 1540.
Der heil'gen Kirche waren zwei PilasterVon Arl' und Aix die würdigen Prälaten,Ankämpfend wider Ketzerei und Laster.Das Unkraut auszugäten aus den SaatenDer Wahrheit und zu werfen in die Gluth,Bezweckten unablässig ihre Thaten.Waldenser wird genannt die Otterbrut.Auf jener Antrieb hat zu Recht erkanntDas Parlament, verfemet ist ihr Bluth.Es gilt für Recht: lebendig wird verbrannt,So Weib als Mann, so viele ihrer sind,Die zu dem falschen Glauben sich bekannt;Mit ihrer Asche spielen soll der Wind;Es fällt dem Schatze zu, was sonst ihr eigen,Nebst Hab und Gut auch das unmünd'ge Kind;Wo blühend ihre Städt und Dörfer steigen,Soll ebnen, Schutt und Asche, sich der Grund,Und da die Wildniß fluchbelastet schweigen.Solch Urtheil sprach der Richter strenger Mund;Vollziehen lassen soll's der Präsident,Den Schergen wird durch ihn ihr Bluthamt kund.Die Feder schon berührt das Pergament,Da fühlt er leise sich den Arm gehalten,Und einer thut's, den er von Jugend kennt.Alenius spricht: «Sei drum nicht ungehalten,Wirst, Chassané, noch immer Zeit genugZu deines Namens Unterschrift behalten.Dein Bluthwerk, mein ich, duldet den Verzug;Ich will aus deiner eigenen GeschichteDir ins Gedächtniß rufen einen Zug;Du bist mir Zeuge, daß ich's nicht erdichte:Einst kamen her die Bauern und verklagtenDie Mäuse vor dem geistlichen Gerichte;Die Mäuse, die das liebe Korn zernagten,Und, wie der Böse nur es stiften kann,Sie sonder Zahl auf Feld und Tenne plagten.Die Bauern trugen auf Vergeltung an,Die Mäuse, die so vieles doch verbrochen,Zu strafen mit der Kirche Fluch und Bann.Den Mäusen ward ein Anwald zugesprochen, –Wer war der Anwald, hätt ich dich zu fragen,Der Ketzer, denen ihr den Stab gebrochen? –Der Advokat der Mäuse, wollt ich sagen,That an den Thieren redlich seine Pflicht,Und wehrte klug den laut erhobnen Klagen:Die Mäuse sind von Gott, vom Bösen nicht;Da lasse nicht der Mensch den Muth erschlaffenUnd ziehe nicht den Schöpfer vor Gericht.Er kämpfte siegreich mit des Rechtes Waffen,Es wurde frevelnd nicht geflucht den Wesen,Die Gott in seiner Weisheit auch erschaffen.Du, Chassané, du bist es selbst gewesen,Den Gottes ewige GerechtigkeitZur Abwehr dieser Sünde hat erlesen.Die Mäuse hast vom Bannfluch du befreit;Als Mäuse zu verteid'gen es gegolten,Da kannte doch dein Herz Barmherzigkeit.Ich will nicht glauben, Richter unbescholten,Daß Menschen, die zum Scheiterhaufen wallen,Es Stein in deinem Busen finden sollten.Du unterschreibst nicht? läßt die Feder fallen!Hab Dank!» Sie drückten schweigend sich die Hand;Der Ketzer Sache sollte so verschallen.Doch die Prälaten! Nach vier Jahren standEs wieder anders, da erhellten fernDie Scheiterhaufen das erschreckte Land,Und jene sangen: «Lobet Gott den Herrn!»
Die Predigt des guten Britten.(Wahre Anekdote)
Als Anno dreiundachtzig sich zum KriegGerüstet Engeland und Niederland,Ward beiderseits gebetet um den Sieg.Ein ausgeschriebner Buß- und Bettag fandIn beiden Ländern statt, doch um acht TageFrüher in Holland, als in Engeland.Hier stand ein Prediger vom alten Schlage,Nach kräft'ger Predigt betend am Altar,Und führte vor dem Höchsten seine Klage:«Du wirst dich noch erinnern, Herr, es warAm letzten Sonntag, die Holländer brachten,Wie heute wir, dir Bußgebete dar.Wie Jakob einst den Bruder Esau, dachtenSie uns um deinen Segen zu betrügen,Wenn sie die ersten an dein Ohr sich machten.Glaub ihnen nicht! trau nicht den WinkelzügenDer falschen Otterbrut; ihr gutes RechtUnd frommes Thun sind eitel, eitel Lügen!Glaub uns und mir, ich bin dein treuer Knecht,Ich habe mit der Lüge nichts zu schaffen;Wir Engeländer sind ein fromm Geschlecht;Sei du mit uns und segne unsre Waffen!»
Bisson vor Stampalinam 4. November 1827
(Nach dem Berichte des Seeministers in der Sitzung der französischen Kammer der Abgeordneten vom 5. April 1828)
«Zum Unheil hat uns nur der Sturm verschont,Der uns verschlagen hat vor Stampalin,Das Nest, wo dieses Raubgesindel wohnt.Die zwei Gefangnen, welche sich vorhinBefreiten, schwimmend an das Land begaben –O diese zwei –! Versteh mich, Trementin:Zu ihrem Neste flogen diese Raben,Und einem Kampfe sehen wir entgegen,Wo nicht zu siegen wir die Hoffnung haben.Doch, sind uns schon die Räuber überlegen,Noch steht uns, nicht besiegt zu werden, frei;Wir könnten thun, wie wackre Leute pflegen.Lebt einer noch von beiden, wer es sei, –Zur Pulverkammer – schnell! – Du bist ein Mann –Vorsorglich brennt die Lunte schon dabei!» –Drauf Trementin: «Ich dachte so daran:Du, Bisson, oder ich – es fliegt in RauchDie Brigg auf, eh der Feind sich freuen kann!» –Sie drückten sich die Hand. Kein Wind, kein HauchDurchschwirrt das schlaffe Thauwerk. Stumm die Nacht.Schlagfertig liegt das Schiff nach gutem Brauch.Nur funfzehn Tapfre sind der Franken Macht;Auf zweien Misticks neun Mal funfzehn kommen,Die Gegenwehr zu finden kaum gedacht.Sie rudern her; – der Kampf ist schon entglommen.Geschützesdonner, Kriegesstimmen hallen,Sie entern, der Verdeck ist eingenommen.Es sind von funfzehn neune schon gefallen,Und Bisson bluthet selbst aus schweren Wunden;Er rafft sich auf und läßt den Ruf erschallen:«Auf! über Bord, wer nicht den Tod gefunden!»Es springen die Gefährten in die Flut,Er selbst ist in den Schiffsraum schnell verschwunden.Und der Pirat, der nun vom Streite ruht,Der nicht zu morden findet einen mehr,Beschauet sich den Raum in Uebermuth.Da flieget donnernd auf das Schiff, das MeerMischt gischend sich mit Trümmern und mit Leichen,Ein Dampfgewölk bedeckt es stumm und schwer,Und Bissons Name strahlet sonder Gleichen.
Don Raphaels letztes Gebet.(Spanisch)
Der ich zuerst das Freiheitswort gesprochen,Das mächtig widerhallende, muß sterben,Und schon ist über mich der Stab gebrochen.Ich wende mich zu deinem Kreuz im herbenMoment das Bluthgerüste zu besteigen,Und bete: Herr, laß Gnade mich erwerben.Mir ward hienieden hoher Ruhm zu eigen,Ich gebe mich versöhnt in deine Hut,Des Hasses und der Rache Stimmen schweigen.Der aber sich befleckt mit meinem Bluth –Vergib ihm, Herr! die Fülle seiner SchandeSei Sühne dir; er weiß nicht, was er thut.Ich meint es treu mit meinem lieben Lande,Vermaß mich – – Aber du vermagst's allein –Es hat gefühlt, geschüttelt seine Bande.Du rufest meine Träume bald ins Sein,Die bluth'ge Röthe deutet auf den Morgen,Die Sonne bricht hervor, ihr Sieg ist dein.Dem ich gelebet, sterb ich, sonder SorgenFür andre Güter; liebe, hoffe, glaube;Dir sind mein Herz, die Zukunft, nicht verborgen.Und hab ich mich gewälzet auch im Staube,Gesündigt als ein schwacher Menschensohn,Du gibst mich nicht dem argen Feind zum Raube.Mit ehrner Zunge ruft die Glocke schon, –Wohlan! ich war's, ich bin's und bin bereit;Den Trommeln bietet meine Stimme Hohn.Sie hallte ja durch Spanien weit und breit,Und streut' in vieler Herzen schon den Samen,Der Spanier hört, was Riegos Bluth ihm schreit. –Du, Herr, empfange meine Seele. Amen!
Die Verbannten.
1Woinarowski– 1740 –(Nach dem Russischen des Relejeff) 1)
Ein Reich des Winters starrt das öde Land,Durch welches sich die breite Lena windetZu einem ewig eisumthürmten Strand.Auf Schnee, auf frosterstarrter Rinde findetSich wegbar nur das ausgespannte Moor,Von dem die weiße Decke kaum verschwindet.Im weiten Kreise blickt daraus hervorEin schwarzer Föhrenwald, und scheinet schierAuf kaltem Leichentuch ein Trauerflor.Aus Balken grobgezimmert reihen hierSich dunkle Jurten längs dem Fluß: die StadtDes Schreckens in der Schrecknisse Revier, –Jakutsk, an Kerkers und an Grabes StattBestimmt, die Unglückseligen zu hegen,Die schon das Leben ausgespieen hat.Wer ist, der dort auf unbetretnen WegenSo heimlich düster durch die Nebel schleicht,Die kalt am Morgen auf das Moor sich legen?Mit kurzem Kaftan, Gurt und Mütze gleichtEr dem Kosaken von des Dnjepers Auen;Das Alter nicht hat so sein Haar gebleicht.Und die zerstörten Züge! welch ein GrauenFlößt dieses Antlitz ein! des Henkers MalIst aber auf der Stirne nicht zu schauen. –Und dort am Walde hält er auf einmal,Erhebt gen Westen schmerzensüberwundenZugleich die Arme mit der Augen Strahl;Und so wie Bluth aus tiefen Herzenswunden,Entquillt ein Schrei: «O du mein Vaterland!»Er ist in Waldesdickicht schon verschwunden.Wer ist, wer war er, eh der UnbestandIhn des Geschickes in den Abgrund raffte?Wie heißt der Waldbewohner? – unbenannt.Wen her das schwarzverdeckte Fuhrwerk schaffte,Ein Sarg lebend'ger Todten, ist verschollen,Und stumm verhüllt sich dieser Rätselhafte.Um Opfer edlem Wissensdurst zu zollenHat Müller zu der Zeit dieß Land bereist,Und zu Jakutsk den Winter dulden wollen.In dürft'ger Hütte lebt' er und verwaist,Ein Menschenfreund und Priester der Natur,Wofür die Nachwelt seinen Namen preist.Erholung war die Lust der Jagd ihm nur;Oft lockten in den Forst ihn seine HundeAuf leichtem Schneeschuh auf des Rennes Spur.Des Weges einst vergessen und der Stunde,Fand er am späten Abend sich allein,Verirrt, erschöpft, erstarrt in Waldesgrunde.Die Kälte frißt am Leben, ohne ScheinHat über ihm der Himmel sich bedeckt,Er hüllt gefaßt zum letzten Schlaf sich ein;Und bald hat ein Geräusch ihn aufgeschreckt:Ein flüchtig scheues Renn durchfliegt den Tann,Ein Schuß – es liegt zu Boden hingestreckt.Und dort erscheint er, der den Schuß gethan,Der Sträfling, dessen Anblick sonderbarDen Unerschrockensten verwirren kann.Er starrt ihn an und zweifelt, ob sich darErrettung bietet, oder ihn bedrohtVom wilden Schützen andere Gefahr?Und schnell bestimmt den Zweifelnden die Noth:«Blick her und übe du Barmherzigkeit,Ein Mensch wie du erwartet hier den Tod.Gib auf den Weg zur Stadt mir dein Geleit,Ich bin verirrt.» Drauf jener: «Hör ein Wort:Die Nacht wird dunkel und der Weg ist weit.Nicht aber fern ist meine Jurte dort;Geschlagen hat auch dich des Schicksals Tücke,Es bietet dir mein Elend einen Port.Da ruhest du und hoffst und träumst von Glücke,Ich aber ruhe, hoffe, träume nicht,Und scheint der Morgen, führ ich dich zurücke.»Und ob den Worten staunend, die der spricht,Erhebet Müller sich und folgt dem Alten,Der durch die Wildniß ihm die Bahnen bricht.Beschwerlicher wird stets der Pfad zu halten;Sie schreiten schweigend zu, der Urwald schweigt,Nachhallend nur von frostgerißnen Spalten.Die Nacht hat sich gesenkt, die Kälte steigt,Und Müller unterliegt den Mühen fast,Als spät und einsam sich die Jurte zeigt.Sie treten ein; der Jäger sorgt mit HastDes Feuers Macht aufs neue zu beleben,Die knisternd bald das dürre Reisig faßt.Und wie die Flammen lodernd sich erheben,Erschimmern an den Mauern Waffen blank,Die ringsher Widerschein der Lohe geben.Der Wirth beschickt die Lampe, rückt die BankDem Herde näher und den Tisch herbei,Den er versorgend deckt mit Speis und Trank.Er grüßt den Gast; es setzen sich die zwei,Der Wärme sich zu freuen und der Speise,Und aus dem Herzen quillt die Rede frei.Gar inhaltschwere Worte läßt der GreiseIn dieser weltvergeßnen Wildniß hallen,Die Nachklang wecken möchten aus dem Eise:«Du bist ein Deutscher; alle Schranken fallen,In denen ich vor Russen mich verbaut,Die Sprache meines Herzens darf erschallen.Und nun erschreckt mich meiner Stimme Laut,Der halbvergessen spät herauf beschwörtDen Traum, dem jung und gut ich einst vertraut.Dich hat nicht so wie mich der Traum bethört,Doch träumt ihr auch im Schlaf, wann mächt'gen KlangesIhr Deutsche solches Wort erdröhnen hört.Du wirst mich fassen. Freiheit! Freiheit! klang esAm Dnjeper durch die Ebnen wundervoll;Der Ton erweckte mich, mein Herz verschlang es.Des manngewordnen Jünglings Busen schwoll,Ich fand dem Heldenfürsten mich gesellt,Aus dessen Mund der mächt'ge Ruf erscholl.Erkenne, den das Elend so entstellt, –Ich war Mazeppas Freund in meinen Tagen,Und Woinarowski nannte mich die Welt.Nicht langsam schmerzlich will ich wieder sagen,Was in das Buch mit ehrnem Griffel schonDer Genius der Zeiten eingetragen.Man weiß genug, wie Karl, des Sieges Sohn,Verwegen unsern Zwingherrn lang bekriegte,Und fast erschütterte der Zaren Thron.Wie noch mit unserm Bluth der Schwede siegte,Als wir Ukrainer schlugen seine SchlachtenUnd falsch die Hoffnung kurze Zeit uns wiegte.Weh über uns! daß wir an Fremde dachten,Wo eigne Kraft für eignes Recht nur galt;Ein Bund der Sünde war es, den wir machten.Pultawa, deine Donner sind verhallt,Ein Flüchtling ist der Schwede, wir vernichtetErliegen zähneknirschend der Gewalt.Kein Kreuz steht auf dem Hügel aufgerichtet,Worunter du, Mazeppa, moderst nun,Dem Türken um die Spanne Grund verpflichtet.Mir ward es nicht zu Theil bei dir zu ruhn;Der deinen letzten Hauch ich eingesogen,Ich hatte nichts beim Türken mehr zu thun.Als sich gelegt des wilden Krieges Wogen,Wollt ich zu meinem Weibe heim mich schleichen,Von namenloser Sehnsucht hingezogen.Mein armes Land! ein Anblick sonder Gleichen!Rings lagen ausgestellt zum Fraß den RabenDer Besten meines Volks zertheilte Leichen.Wie Wuth ich bei dem Anblick weinte, habenDie Schergen mich ergriffen, fortgeführt,In diese Wüstenei mich zu vergraben.Ich glaube, daß du weinst, du bist gerührt;Ich habe solchen Thau seit vielen JahrenIn diesen dürren Höhlen nicht verspürt.Als ich gewürfelt mit dem großen Zaren,Und Lieb und Haß im Busen noch gestrebt,Da hab ich wohl gewußt, was Thränen waren.Ich bin erstorben nun, und kaum erhebtSich schweifend noch mein Blick nach Westen hin,Das Land begehrend, wo ich einst gelebt.Und doch, wie immer ich gebrochen bin,Wie meine Brust erkaltet und zerrissen,Es glimmt der heil'ge Funken noch darin.Du Guter, hast in meinen FinternissenTheilnehmend und gerührt auf mich gesehen;Du sollst mein heimlich Heiligstes noch wissen.Komm mit hinaus. – Dort wo die Föhren stehen,Des Mondes Sichel wirft den blassen Schein,Dort wirst das dunkle Kreuz du ragen sehen.Ich lade dich zur Lust des Schmerzens ein,Die letzte, heil'ge, so ich treu erfunden;Du bist am Ort, hier ruhet ihr Gebein.Als von der Heimath spurlos ich verschwunden,Hat sich mein Weib mit LiebesheldenmuthMich in der Welt zu suchen unterwunden.Und irreschweifend hat sie nicht geruht,Zwei Jahre sind der Dulderin verstrichen,Bis sie gefunden ihr verlornes Gut.Doch ihre schon verzehrten Kräfte wichen,Und als der Winter kam, da gieng's zu Ende,Da ist in meinen Armen sie erblichen.Hier haben aufgerissen meine HändeDen harten durchgefrornen Schoß der Erde,Und ihr gegeben meine letzte Spende.Und hier, bei meinem Lieb- und Lebensherde,Hier ist es, wo ich dir auf heil'gem GrundeMein andres Heiligthum vertrauen werde.Die letzten Worte, die mit blassem MundeMazeppa vor dem staunenden GenossenProphetisch ausrief in der Sterbestunde:Was wir geträumt, noch war es nicht beschlossen;Laß eine Zeit noch laden Schuld auf Schuld,Sich dehnen und entkräften den Kolossen;Umfassen eine halbe Welt – Geduld!Im Spiegelschein der Sonnen eitel schimmernDas Herz von Uebermuth geschwellt – Geduld!Ihn wird der Zorn des Himmels doch zertrümmern.Gott heißt Vergeltung in der WeltgeschichteUnd läßt die Saat der Sünde nicht verkümmern.»Der Alte schwieg. Auf seinem Angesichte,Dem schaurig wiederum erstarrten, schwandDer Strahl, der es erhellt mit flücht'gem Lichte.Und Müller wunderbar ergriffen standGedankenvoll zur Seite dem Gefährten,Und drückte stumm dem Schweigenden die Hand.Die beiden endlich sich besinnend, kehrtenZur Siedelei zurück, wo halbverglommenDes Herdes letzte Gluthen sich verzehrten.Da sprach der Greis; «Laß itzt den Schlaf dir frommen,Der mich vergessen hat seit langen Jahren;Die Nacht verstreicht, der junge Tag wird kommen;Der führt zurück dich zu der Menschen Scharen,Wo dieser Nacht Erinnrung dir verbleicht;Ich werd im wunden Herzen sie bewahren.»Vergessen mochte Müller nicht so leicht;Er hat ihn oft besucht, und oft dem SohneDer Schmerzen lindernd milden Trost gereicht;Hat vor der Zarin Anna höchstem ThroneFür ihn gebeten, und für sich begehrtDes Alten Gnade nur zu eignem Lohne.Als wiederum der Winter wiederkehrt,Wird Antwort von der Zarin ihm zu Theile:«Dir ist, was du gebeten hast, gewährt.»Die Lust des Glücklichen kennt keine Weile,Nach jenem Walde hin! er hält sich kaum,Betreibend schnell die Fahrt mit freud'ger Eile.Die Narte rennbespannt durchfliegt den Raum,Sie macht im Walde vor der Jurte Halt;Er überläßt sich noch dem süßen Traum.Er ruft dem Freunde zu; der Ruf verhallt –So schaurig stumm, die Thüre dort verschneit! –Er tritt hinein: das Innre leer und kalt. –Kein Feuer brannte hier seit langer Zeit;Er späht umher: des Jägers Waffen hangenVollzählig, wohlgeordnet dort gereiht.Wo ist, der hier gehauset, hingegangen? –Er suchet ihn mit düstrer Ahnung SchauernAm Grab, das seines Herzens Herz empfangen.Wie Bilder auf der Fürsten Gräbern trauern,So sieht er sonder Regung dort gebanntEin Jammerbild am Fuß des Kreuzes kauern.Gestützt auf beide Hände, hingewandtGen Westen, starr das Angesicht, das bleiche:Das war, den Woinarowski man genannt.Schon halb verschüttet war vom Schnee die Leiche.
2Bestujeff– 1829 –
«Ihn wird der Zorn des Himmels doch zertrümmern.Gott heißt Vergeltung in der Weltgeschichte,Und läßt die Saat der Sünde nicht verkümmern.»So klang es zu Jakutsk beim SternenlichteIn kalter Nacht. Ein rüst'ger Jäger sang,Gar seltnen Reiz verleihend dem Gedichte.Ein fremdes Ohr belauschte den Gesang,Ein Mann, der jüngst, der Wissenschaft zu frönen,Bis hieher in das Reich des Winters drang:«Wer bist du, der die Nacht belebt mit Tönen?» –«Wer du, der du mich fragst? das Lied ist mein,Du wirst es nicht zu singen mich entwöhnen.» –«Gefraget hat ein Fremder dich allein,Weil ihn des Liedes mächt'ger Klang erfreute;Es lag ihm fern, unfreundlich dir zu sein.» –«Sei mir gegrüßt, und nicht zum Argen deuteDer ungemeßnen Rede flücht'ge Hast,Dieweil mir stolz zu sein geziemet heute.Komm in mein Haus, sei des Verbannten Gast;Ich werde dir berichten sonder Säumen,Was du zu wissen Lust bezeuget hast.Ich bin in dieses meines Grabes RäumenEin freier Mann, und bin die Nachtigall,Die hier allnächtlich singt von ihren Träumen.Mir bleibt der freien Stimme voller Schall,Die volle Brust des ungebrochnen Muthes,Und der ich bin, der bin ich überall.Die Erde lehrt mich und der Himmel thut es,Die Sterne, welche kreisend zu mir sagen:Es treibt uns unablässig, nimmer ruht es.Sieh scheitelrecht dort über dir den Wagen,Noch lenkt er aufwärts, strebet noch hinan,Um zu der Tiefe jenseits umzuschlagen.Ich bin zur Tiefe kommen meiner Bahn,Ich oder andre müssen wieder steigen,Und was ich träumte, war kein leerer Wahn.Das wird am Tag der Völker bald sich zeigen,Denn hält die Waage schwankend sich noch gleich,So muß die volle Schale doch sich neigen.Gewürfelt hab ich um ein Kaiserreich;Noch einmal ist der kühne Wurf mißlungen, –Er bot die Brust enblößt dem Todesstreich!Ich bin Bestujeff, welchen viele ZungenRelejeffs Mitverschworenen genannt,Dem er sein hohes Schwanenlied gesungen;Das Lied von Woinarowski, wo entbranntFür Freiheit er sein Heiligstes gegeben,Weil, scheint es, er sein Los vorausgekannt.Noch hallt das Lied, zur Nachwelt wird es schweben,Er aber hat das Bluthgerüst bestiegen;Ich muß ihn zu Jakutsk noch überleben!Dein Woinarowski sah dich unterliegen,O mein Mazeppa, und bewahrt dein WortIn seines Herzens Schreine goldgediegen.Du andrer Müller stehst am selben Ort,Um wieder gleiche Bilder zu betrachten,Die nimm du im Gedächtniß mit dir fort;Und wenn die guten Götter heim dich brachten,So gib den Stoff dem Dichter zum Gedicht;Er leb im Lied, den sie zu töten dachten.Das wird der andre Sang, der letzte nicht;Heil aber, dem der dritte vorbehalten!Der dritte heißt Vergeltung und Gericht.»Wie drohend noch Bestujeffs Worte hallten,Ward Licht am nord'schen Himmel ausgegossenUnd einen Bogen sah man sich gestalten;Und aus dem Bogen bluth'gen Lichtes schossenGen Süden wundersame Funkengarben,Die neigend sich zum Horizont verflossen;Mit Zitterscheine wechselten die Farben;Die Sterne, wie der Lohe Säulen stiegen,Verloren ihre Strahlen und erstarben.Nach Norden starrten beide hin und schwiegen.1) Das Gedicht Woinarowski von Relejeff, seinem Freunde Bestujeff zugeeignet, erschien zu St. Petersburg im Jahre 1825. Relejeff bestieg bald darauf als Verschworener und Empörer das Bluthgerüst, und Bestujeff ward nach Sibirien verbannt.
Ein Gerichtstag auf Huahine.Im Herbst 1822.
Ellis, «Polynesian researches» II. p. 457. Pomare II., König von Tahiti, erhielt, der erste unter den Insulanern dieser Gruppe, die Taufe zu Papaoa auf Tahiti am 14. Juli 1819. Am 13. Mai desselben Jahres waren daselbst die ersten geschriebenen Gesetze in feierlicher Volksversammlung angenommen und ausgerufen worden. Erst im Mai 1822 erhielt die Insel Huahine auf gleiche Weise ihr erstes Gesetzbuch. Oro war auf diesen Inseln der Gott des Kriegs, dem menschliche Opfer geschlachtet wurden.
Pomares hohe Wittib ist erschienenAuf Huahin', ein königlicher Gast,Und Volk und Fürsten eifern ihr zu dienen;Sie strömen her aus allen Tälern fast,Tahitis Herrin huldigend, und bringenZu ihren Füßen der Geschenke Last.Es bilden ihren Hofstaat und umringenSie ihrer Mannen viele, was ersannDie Königin, willfährig zu vollbringen.Von diesen einer kam, der Zimmermann:«Zum Bau des Schiffes fehlt ein starker Baum;Erhabne Herrin, weise den uns an.»Drauf sie: «Dort seht, in jenes Hages Raum,Den Brothfruchtbaum die volle Krone wiegen,Den fällt, den bessern findet ihr doch kaum.»Die Axt ward angelegt und mußte siegen,Der Stamm ward fortgeschafft, der Eigner fandAm Abend, als er kam, die Aeste liegen.Er war ein armer Mann von niederm Stand,Ein rechtlicher, er nannte sich Tahute;Die Missionare haben ihn gekannt.Er forscht umher und fragt mit trübem Muthe:«Ihr lieben Nachbarn, sagt mir, was ihr wißt;Wer hat gefrevelt hier am fremden Gute?»Wie er es hört, die Ungebühr ermißt,Die ihm von der Gewaltigen geschehen,Dem Manne, der aus niederm Stand nur ist;Beschließt er vor den Richter gleich zu gehen:«Es kamen auf, seit Christi Wort erscholl,Gesetze, soll die Willkür fortbestehen?»Ori, der Richter, hört ihn kummervoll,Und sendet alsobald den Boten hin,Der vor Gericht die Fürstin laden soll. –«Ori, der Richter, spricht durch mich: Ich bin,Der morgen wird am Quell das Buch entfalten;Dich lad ich dort in Ehrfurcht, Königin.»Und wie des Morgens erste Stimmen hallten,Die Dämmrung mit der Finsterniß noch rang,Und das Gebürg begann sich zu gestalten;Im kühlen Seewind noch die Palme schwangIhr luft'ges Haupt, und nun aus dunkler FlutDer Siegesschild der Sonne flammend sprang;Da saß Ori, zu des Gesetzes Hut,Am Quell des Hügels mit dem Buche schon,Worauf des Unterdrückten Hoffnung ruht;Schon drängte sich zu einer weiten KronUm ihn das Volk, es saß zu seiner RechtenBereits die Fürstin auf erhabnem Thron;Und eine Schar von Höflingen und KnechtenUmlagerte die Herrin; noch verlorSich in dem Haufen, dem es galt zu rechten.Der Richter rief, und hielt das Buch empor:«Hier gilt das Recht; wer klagen darf, der klage!»Da trat Tahute aus dem Volk hervor:«Es stand ein Brodfruchtbaum in meinem Hage,Der sieben Mond im Jahr mich nebst den MeinenErnährt' und Schirm uns gab am heißen Tage.Ich hatte selbst mein Haus mir unter seinenWeitausgespannten Aesten auferbaut,Und durfte wohlgemuth mich glücklich meinen.Blick hin! von diesem Abhang überschautDein Blick dort unten das bewohnte Thal;Siehst du die Stütze noch, der ich vertraut?Dort ragt mein nacktes Dach im Sonnenstrahl,Dabei ein leerer Raum, – die weite Wunde,Die Lücke, – sieh! das ist des Frevels Mal.Denn gestern kam ich heim zur Abendstunde, –Verwaiset und verwüstet war der Ort,Ich forschte händeringend nach der Kunde;Zerhauen lagen rings die Aeste dort,Der Wurzelstock verweinte seinen Saft,Allein der Stamm, der mächt'ge Stamm war fort.Sie sagen aus: dieß Unheil hat geschafftTahitis Königin, ihr Wille war es,Durch ihrer Mannen übermüth'ge Kraft.Ich weiß nicht, ob sie Falsches oder WahresBerichten; laß sie reden, wann ich schweige;Von ihnen und der Königin erfahr es.Ich aber frage nun, indem ich zeige,Bekräftigend, ich sei befugt zu fragen,Hier meines abgehaunen Baumes Zweige:Was gilt nun das Gesetz, von dem sie sagen,Es sei erdacht zu unserm Schutz und Frommen,Die üpp'ge Macht der Willkür zu zerschlagen?Uns ist das Licht der heitern Lust verglommen, –Ihr saget ja, daß ihr an Christum glaubt! –Und soll die Zeit des Bluthes wiederkommen?Nehm auch mein Leben, wer mein Gut mir raubt;Und mög ich liegen auf Oros Altar,Wie bluthig einst schon meines Vaters Haupt!Als seine Tempel standen, ja, da warDie volle freud'ge Kraft noch unbezwungen,Die wogend Krieg und süße Lust gebar.Ward in der Männerschlacht der Speer geschwungen,Galt doch das Leben nur dem Dienst der Lust,Und nur das Lied der Freude ward gesungen.Nun schlägt der Sünder an die hohle Brust,Gesang und Waffenschall sind gleich verhallt;Der stille Sabbat jammert dem Verlust.Ich selber bin nun worden schwach und alt,Und wieder zweifelnd frag ich das Gericht:Gilt euer Recht? gilt wieder die Gewalt?»Er schwieg. Darauf Ori: «Der Kläger spricht,Du habest, Herrin, seinen Baum gefällt;Ist solches wahr?» und sie: «Ich leugn es nicht.» –«Dir sei die eine Frage noch gestellt:Hast du gewußt, daß wir Gesetze haben,Und nicht der Eigenmacht gehört die Welt?Geschriebene Gesetze, die uns gaben,Nachdem wir selbst darüber uns vereint,Die, so nächst Gott sind über uns erhaben –»«Ich wußt es – ja! doch hab ich auch gemeint,Den gottbestellten Herrschern sei verbliebenDie Macht, die selbst ihr zu verkennen scheint.» –«Hier ist das Buch; wo steht darin geschrieben,Den Herrschern vorbehalten sei die Macht,Zu halten und zu brechen nach Belieben?»Sie schwieg, den stolzen Blick verhüllt in Nacht.Den ihre Diener hatten holen müssen,Ein Beutel Piaster ward vor sie gebracht;Sie winkte herrisch, zu des Klägers FüßenDie königliche Spende zu verstreuen,Und dachte so für ihren Fehl zu büßen.«Nicht also!» hub der Richter an von neuen;«Erst sprich: War recht die That, die du begangen,Und scheinest jetzt, o Herrin, zu bereuen?»Sie sagte: «Nein! – ich habe mich vergangen.»Ihr Antlitz überflog ein rother Schein,Und Thränen stürzten über ihre Wangen.Der Richter sprach: «Der Kläger darf alleinDen Preis bestimmen dem Gesetze nach.Tritt vor und fodre du, so soll es sein.»Tahute trat zum andern vor und sprach:«Ich habe, was ich nur gewollt, erreicht;Gebüßet hat ihr Mund, was sie verbrach.Behalte, Herrin, deine Piaster; leichtUnd mütterlich ernähret mich die Erde,Den nicht der Zorn ob Unbill mehr beschleicht.»Darauf Ori: «Ihr hört, daß der BeschwerdeEntsagt hat, der die Klage hier erhoben,Und fürder Rechtens nichts begehret werde.Ihr mögt in Frieden gehn und Christum loben.»
Der Stein der Mutteroder der Guahiba-Indianerin.
(Humboldt: «Voyage aux régions équinoxiales.» Liv. 7. Ch. 22. Ed. 8. V. 7. p. 286)
Wo durch die Ebnen in der heißen ZoneIn ihrem stolzen Laufe sich gesellenDer Orinoko und der Amazone;Und wann zur Regenzeit die Ströme schwellen,Unwirthbar, unzugänglich, wunderbar,Der Urwald sich erhebet aus den Wellen;Da herrscht im Wald der grause Jaguar,Das Krokodil auf überfloßner Flur,Den Tag verdunkelt der Moskitos Schar.Der Mensch ersteht, verschwindet ohne Spur,Ein armer, unbedachter Gast der reichen,Der riesenhaft unbändigen Natur.Es pflanzt der Missionar des Heiles ZeichenAn Flussesufern weit hinauf, wovorDer Wildniß freie Söhne fern entweichen.Am Atabapo's-Ufer ragt emporEin Stein, der Stein der Mutter, wohlbekanntDem Schiffer, der den Ort zur Rast erkor.So ward er unserm Humboldt auch genannt,Als diesen Strom der Wildniß er befahren,Von Wissensdurst und Thatenlust entbrannt.«Der Stein der Mutter? Lasset mich erfahren:Was redet dieser Stein mit stummem Munde?Was soll für ein Gedächtniß er bewahren?»Es schwiegen die Gefährten in der Runde.Erst später, zu San Carlos angekommen,Gab ihm ein Missionar die graus'ge Kunde:«Einst ward von San Fernando unternommenEin Zug, um Seelen für den heil'gen Glauben,Und Sklaven, die uns dienen, zu bekommen.Des heil'gen Ordens Satzungen erlauben,Gewaltsam zu der Völker Heil zu schalten,Und Heiden galt's am Guaviar zu rauben.Es ward, wo Rauch vom Ufer stieg, gehalten;Im Boote blieb, ein Betender, der Pater,Und ließ die rauhe Kraft der Seinen walten.Sie überfielen, ohne Schutz und Rather,Ein wehrlos Weib; mit seiner Söhne MachtVerfolgte wohl den Jaguar der Vater, –An Christen hatte nicht der Thor gedacht;Und die Guahiba-Mutter ward gebundenMit zwei unmünd'gen Kindern eingebracht;Sich wehrend, hätte sie den Tod gefunden,Sie war umringt, ihr blieb zur Flucht nicht Raum;Leicht ward sie, ob verzweifelnd, überwunden.Es war, wie diese, schmerzenreich wohl kaumNoch eine der Gefangnen, unverwandtRückschauend nach der heim'schen Wälder Saum.Entfremdet ihrer Heimath, unbekanntZu San Fernando, kaum erlöst der Bande,Hat sich die Rasende zur Flucht gewandt.Den Fluß durchschwimmend, nach dem VaterlandeEntführen wollte sie die kleinen beiden;Sie ward verfolgt, erreicht am andern Strande.Drob mußte harte Züchtigung sie leiden;Noch bluth'gen Leibes hat zum andern MalVersucht sie, zu entkommen zu den Heiden;Und härter traf sie noch der Geißel Qual;Und abermals versuchet ward die That;Nur Freiheit oder Tod war ihre Wahl.Da schien dem Missionar der beste Rath,Von ihren Kindern weit sie zu entfernen,Wo nimmer ihr der Hoffnung Schimmer naht.Sie sollt ihr Los am Rio Negro lernen.Sie lag gefesselt, und es glitt das BootDen Fluß hinauf; sie spähte nach den Sternen.Sie fühlte nicht die eigne bittre Noth,Sie fühlte Mutterliebe, Kern des Lebens,Und Fesseln, und sie wünschte sich den Tod.Die Fesseln sprengt sie plötzlich kräft'gen Strebens,Da, wo den Stein am Ufer man entdeckt,Und wirft sich in den Strom und schwimmt, – vergebens!Sie ward verfolgt, ergriffen, hingestrecktAuf jenen Stein, geheißen nach der Armen,Mit deren Schmerzensbluth er ward befleckt.Sie ward gepeitscht, zerfleischet ohn Erbarmen,Geworfen in das Boot zur weitern FahrtMit auf dem Rücken festgeschnürten Armen.Javita ward erreicht auf solche Art;Die wund, gebunden, kaum sich konnte regen,Ward dort zu Nacht im Fremdenhaus verwahrt.Es war zur Regenzeit, das wollt erwägen,Zur Regenzeit, wo selbst der kühnste MannNicht wagt den nächsten Gang auf Landeswegen;Wo uferlos die Flüsse waldhinanGestiegen sind; der Wald, der Nahrung zollte,Dem Hunger kaum Ameisen bieten kann;Wo, wer in Urwaldsdickicht dringen wollte,Und würd er vor dem Jaguar nicht bleich,Und wenn ihm durchzubrechen glücken sollte,Versenkt sich fände in ein Schattenreich,Vom sternenlosen Himmel ganz verlassen,Dem führerlos verirrten Blinden gleich.Was nicht der keckste Jäger ohn ErblassenNur denken mag, das hat das Weib vollbracht;An dreißig Meilen mag die Strecke fassen.Wie sich die Angeschloßne frei gemacht,Das bleibt in tiefem Dunkel noch verborgen,Sie aber war verschwunden in der Nacht;Zu San Fernando fand der vierte MorgenSie händeringend um das Haus beflissen,Das ihre Kinder barg und ihre Sorgen.» –«O sagt's, o sprecht es aus, daß wir es wissen,Daß nicht der Mutterliebe Heldin wiederUnmenschlich ihren Kindern ward entrissen!»Er aber schwieg, und schlug die Augen nieder,Und schien in sich zu beten. Red hinfortDem ihn Befragenden zu stehn, vermied er.Doch, was verschwiegen blieb dem Humboldt dort,Aus seinem Buche schaurig widerhallt;Es ward berichtet ihm an andrem Ort.Sie haben fern nach Osten mit GewaltSie weggeführt, die Möglichkeit zu mindern,Daß sie erreiche, was ihr alles galt.Sie haben sie getrennt von ihren Kindern!Sie konnten, Hoffnung fürder noch zu hegen,Sie konnten nicht zu sterben sie verhindern.Und, wie verzweifelnd die Indianer pflegen,Sie war nicht, seit der letzten Hoffnung Stunde,Daß Nahrung ein sie nehme, zu bewegen.So ließ sie sich verhungern! Diese KundeZu der Guahiba und der Christen BildnißErzählet jener Stein mit stummem MundeAm Atabapo's-Ufer in der Wildniß.
Verbrennung dertürkischen Flottezu Tschesme.
Stellt willig euch nicht taub und blind, es rächt sich.Der mächt'ge Sultan mußt es selbst erfahrenEin tausend sieben hundert acht und sechzig.Es machten ihm in dem und nächsten JahrenViel Ungemach die unbeschnittnen Hunde,Die gar im Krieg ihm überlegen waren.Und seinem Divan gab geheime KundeEin andrer Hund, Gesandter einer Macht,Die eben mit den Russen nicht im Bunde:Es sei ihm sichern Ortes hinterbracht,Mit welchen Plänen sich die Zarin brüste,Zur That gediehen, eh man sich's gedacht;Wie in den Ostsee-Häfen sie sich rüste,Und eine Flotte, bald zur Fahrt bereit,Bedrohe fernher Griechenlandes Küste.Darauf die Herrn: er mög in künft'ger ZeitSich hüten, mit so unverschämter LügeDas Ohr zu kränken Seiner Herrlichkeit.Der hohe Sultan wisse zur Genüge:Von dorther sei ins Mittelländ'sche MeerKein Wasserweg, der eine Flotte trüge.Drauf er entrüstet ob der neuen Mär:«Seht scharf die beigelegten Charten an,Es ist nicht, wie ihr sagt, ihr irret sehr.Die Nordsee, der Kanal, der OzeanEröffnen um Europa weit im KreiseZu Herkulssäulen eine feuchte Bahn.»Drauf sie: «Du nennst uns fabelhafter WeiseDen Herkules, den giebt es nicht; vor allenIst aber unser Herrscher groß und weise.Drum hüte dich beschwerlich ihm zu fallen,Du bist gewarnt, er läßt, ungläub'ger Christ,Sich solche Neuerungen nicht gefallen.»Es blieb bei dem Bescheid. Ihr aber wißt,Was doch sich bald zu Tschesme zugetragen,Wo jener Stolz zu Rauch geworden ist.Ihr wißt es ja, und wollt uns dennoch sagen:Die Nacht ist gut, worin wir euch umschlungen,Es darf und wird euch keine Sonne tagen;Wir halten nichts von euren Neuerungen.
Der Szekler Landtag.
Ich will mich für das Faktum nicht verbürgen,Ich trag es vor, wie ich's geschrieben fand,Schlagt die Geschichte nach von Siebenbürgen.Als einst der Sichel reif der Weizen standIn der Gespannschaft Szekl, da kam ein Regen,Wovor des Landmanns schönste Hoffnung schwand.Es wollte nicht der böse West sich legen,Es regnete der Regen alle Tage,Und auf dem Feld verdarb der Gottessegen.Gehört des Volkes laut erhobne Klage,Gefiel es, einen Landtag auszuschreiben,Um Rath zu halten über diese Plage.Die Landesboten ließen nicht sich treiben,Sie kamen gern, entschlossen gut zu tagen,Und Satzungen und Bräuchen treu zu bleiben.Da wurde denn, nach bräuchlichen Gelagen,Der Tag eröffnet, und mit Ernst und KraftDer Fall vom Landesmarschall vorgetragen:«Und nun, hochmögende Genossenschaft,Weiß einer Rath? Wer ist es, der zur StundeDie Ernte trocken in die Scheune schafft?»Es herrschte tiefes Schweigen in der Runde,Doch nahm zuletzt das Wort ein würd'ger GreiseUnd sprach gewichtig mit beredtem Munde:«Der Fall ist ernst, mit nichten wär es weise,Mit übereiltem Rathschluß einzugreifen;Wir handeln nicht unüberlegter Weise.Drum ist mein Antrag, ohne weit zu schweifen:Laßt uns auf nächsten Samstag uns vertagen;Die Zeit bringt Rath, sie wird die Sache reifen.»Beschlossen ward, worauf er angetragen.Die Frist verstrich bei ew'gen Regenschauern,Hinbrüten drauf und bräuchlichen Gelagen;Der Samstag kam und sah dieselben MauernUmfassen noch des Landes Rath und Hort,Und sah den leid'gen Regen ewig dauern.Der Landesmarschall sprach ein ernstes Wort:«Hochmögende, nun thut nach eurer Pflicht,Ihr seht, der Regen regnet ewig fort.Wer ist es, der das Wort der Weisheit spricht?Wer bringt in unsres Sinnens düstre NachtDas lang erwartete, begehrte Licht?Zur That! ihr habt erwogen und bedacht.Ich wende mich zuerst an diesen Alten,Des Scharfsinn einmal schon uns Trost gebracht:Ehrwürd'ger Greis, laß deine Weisheit walten.»Der stand und sprach: «Ich bin ein alter Mann,Ich will euch meinen Rath nicht vorenthalten.Wir sehn es vierzehn Tage noch mit an,Und hat der Regen dann nicht aufgehört,Gut! regn' es denn, so lang es will und kann.»Er schwieg, es schwiegen, die das Wort gehört,Noch eine Weile staunend, dann erschollDes Beifalls Jubel-Nachklang ungestört.Einstimmig, heißt es in dem Protokoll,Einstimmig ward der Rathschluß angenommen,Der nun Gesetzeskraft behalten soll.So schloß ein Szekler Landtag, der zum FrommenDes Landes Weiseres vielleicht gerathen,Als mancher, dessen Preis auf uns gekommen.So wie die Väter stolz auf ihre ThatenNach bräuchlichen Gelagen heimgekehrt,Erschien die Sonne, trockneten die Saaten,Und schwankten heim die Wagen goldbeschwert. –
Sage von Alexandern.Nach dem Talmud.
In alten Büchern stöbr ich gar zu gern,Die neuen munden selten meinem Schnabel,Ich bin schon alt, das Neue liegt mir fern.Und manche Sage steigt, und manche FabelVerjüngt hervor aus längst vergeßnem Staube,Von Ahasverus, von dem Bau zu Babel,Von Weibertreu, verklärt in Witwenhaube,Von Josua, und dann von Alexandern,Den ich vor allen unerschöpflich glaube;Der strahlt, ein heller Stern, vor allen andern;Wer gründlich weiß die Mitwelt zu verheeren,Muß unvergeßlich zu der Nachwelt wandern.Wer recht uns peitscht, den lernen wir verehren;Doch plaudert das Geheimniß mir nicht aus,Und sorgt nur eure Gläser schnell zu leeren.Ich geb euch alten Wein beim schmalen SchmausUnd tisch euch auf veraltete Geschichten,Ihr seid in eines alten Schwätzers Haus.Ich will von Alexandern euch berichten,Was ich im Talmud aufgezeichnet fand,Ich wage nicht ein Wort hinzuzudichten.Durch eine Wüste zog der Held, ins Land,Das drüben lag, Verwüstung zu verbreiten,Da fand er sich an eines Flusses Rand;Und er gebot zu rasten, von dem weitenFahrvollen Marsch erschöpft, und hieß sein MahlAm schönbegrünten Ufersaum bereiten.So still und friedlich blühend war das Thal,So klar der Strom, der Schatten von den BäumenSo duftig kühl im heißen Mittagsstrahl.Doch mochte nur der Ungestüme träumenGeraubte Kronen und vergoßnes Bluth,Verdrossen, hier die Stunden zu versäumen.Er stieg, des Durstes fieberhafte GluthZu löschen, zu dem Wasserspiegel nieder,Er schöpfte, trank die kühle, klare Flut;Und wie er die getrunken, fühlt' er wiederSo wunderbar verjüngt den Busen schwellen,So hohe Kraft durchströmen seine Glieder.Da wußt er nun, daß dieses Flusses WellenEntströmten einem segensreichen Lande,Und Fried und Glück umblühten seine Quellen.Dahin, dahin mit Schwert und Feuerbrande!Sie müssen dort auch unsern Muth erfahren,Und kosten unsern Stahl und unsre Bande!Da hieß er schnell sich rüsten seine Scharen,Und drang den Strom hinauf beharrlich vor,Das Land zu suchen, wo die Quellen waren.Und mancher Tapfre schon den Muth verlor, –Vor drang der kühne Held doch unverdrossen;So kam er vor des Paradieses Thor.Fest aber war das hohe Thor verschlossen,Davor ein Wächter, der gebot ihm HaltMit Blitzesschwert und Donnerkeilsgeschossen.«Zurück! zurück! was frommte dir Gewalt?Ein Mächtigerer hat mich hier bestellt,Des Herrn und heilig ist der Aufenthalt.»Und er darauf: «Ich bin der Herr der Welt,Bin Alexander.» Jener drauf: «Vergebens!Du hast dein Urtheil selber dir gefällt.Dem Sel'gen öffnet sich das Thor des Lebens,Der selber sich beherrscht, nicht Deinesgleichen,Dem stolzen Sohn des bluthig wirren Strebens.»Drauf Alexander: «Muß vor dir ich weichen,Nachdem ich diese Stufen schon betrat,Gib, daß ich sie betreten, mir ein Zeichen;Ein Mal; die Welt erfahre, was ich that,Erfahre, daß dem Thor des ParadiesesDer König Alexander sich genaht.»Darauf der Wächter: «Sei's gewährt! nimm dieses.Wie thöricht deiner Weisen Weisheit war,Dein blöder Wahn, dein Frevelmuth bewies es.Nimm, was es dir zuschreien möge, wahrUnd lern es, Unbesonnener, erwägen,Es hegt der Weisheit Lehren wunderbar.Nimm hin, und Weisheit leuchte deinen Wegen!»Er nahm's und gieng. Ihr aber, Freunde: trinkt!Verträumt mir nicht den lieben Gottessegen.Oh, lernt beherzt die Freude, die euch winkt,Mit rascher Lust, wie sich's gebührt, erfassen,Und leert den Becher, wann er perlend blinkt!Ich hätt es, glaubt's mir, weislich unterlassen,Wär jener ich gewesen, meine Tage,Die kurzgezählten, bluthig zu verprassen.Ich lieb und lobe mir, daß ich's euch sage,Die Ruh, den Schatten und ein liebend Weib,Die mich verschont mit leid'ger Liebesklage.Die Kinder sind mein liebster Zeitvertreib,Nur halt ich, die unbändig bengelhaftUnmäßig schreien, ferne mir vom Leib.Ich lieb und lobe mir die Wissenschaft,Und dann die heitre Kunst, der Musen Gabe,Und wackrer Freunde Kunstgenossenschaft.Ich liebe, hört ihr, was ich alles habe;Doch lieb ich auch, was ich entbehren muß,Den Wein, woran mein Menschenherz sich labe.Ich trinke meist nur Wasser aus dem Fluß,Und kann's mit bestem Willen doch nicht loben;Getrunken hab ich's mir zum Ueberdruß.Hat Menzel mir den Lorbeerkranz gewoben,Und hat auch Deutschland Einspruch nicht gethan,Ich wollt, ich hätte bessern Lohn erhoben.Den Lorbeer biet ich meiner Frauen an,Sie braucht ihn in der Wirthschaft nicht, und ehrlichGestanden, ist's damit ein leerer Wahn.Der Lorbeer und der Hochmuth sind gefährlich;Von Deutschland möcht ich lieber mir bedingenEin Fäßchen Wein, ich mein ein Fäßchen jährlich.Und welche Lieder wollt ich da nicht singen!Und... O Popoi! wo bin ich hin gerathen!Wer kann auf die verlorne Spur mich bringen?Ich sprach von Alexanders Heldenthaten.Berufen hatt er um sich seine Weisen,Das Gastgeschenk des Wächters zu berathen.Er ließ zornfunkelnd rings die Augen kreisen:«Gebührte mir, dem Helden, solcher Hohn!Was soll der morsche Knochen mir beweisen?!»Ein Weiser sprach: «Du sollst, o Philipps Sohn,Auch diesen morschen Knochen nicht verachten;Weißt du zu fragen, giebt er Antwort schon.»Und auf Geheiß des weisen Meisters brachtenSie eine Waage, deren eine SchaleMit Gold und aber Gold er hieß befrachten.Und in die andre legt' er bloß das kahle,Das kleine Knochenstück, und, wundersam!Die senkte schnell und mächtig sich zu Thale.Und Alexander, den es Wunder nahm,Ließ Gold noch zu dem Golde häufen, ohneDaß selb'ge Schale nur ins Schwanken kam.Da warf er Zepter noch hinein und Krone;Die überfüllte Schale schwankte nicht,Und ihn befiel Entsetzen auf dem Throne: –«Was stört hier unerhört das Gleichgewicht?Was kann die Kräfte der Natur erwecken?!»Der Meister drauf: «Das ist der Erde Pflicht.»Mit wen'ger Erde ließ er da verdeckenDas Knochenstück, das wurde leicht sofort,Und nieder sank das goldbeschwerte Becken.Der König staunend: «Sprich, was wurde dortIn Wundern und in Rätseln ausgesprochen?»Vortrat der Meister und ergriff das Wort:«Ein Schädel, gleich dem deinen, ward zerbrochen,Und Höhlung eines Auges, so wie deines,War einst in seinen Tagen dieser Knochen.Es ist des Menschen Auge nur ein Kleines,Das doch in ungemeßner Gier umfaßt,Was blinkt und gleißet in der Welt des Scheines.Es fodert Gold und aber Gold zur Mast,Und wird es ungesättiget verschlingen,Und Krön und Zepter zu des Goldes Last.Da kann's der dunklen Erde nur gelingen,Genug zu thun der Ungenügsamkeit;Der Gierblick wird aus ihr hervor nicht dringen.Gehalt und Werth des Lebens und der ZeitErwäge du, dem diese Lehren galten;Du siehst das Ziel der Unersättlichkeit.»Des Fürsten Stirne lag in düstern Falten,Bald schüttelt' er sein Haupt und sprang empor,Und rief, daß rings die Klüfte widerhallten:«Auf, auf! zum Aufbruch! tragt die Zeichen vor!Ja, flüchtig ist die Zeit und kurz das Leben;Schmach treffe den, der Trägheit sich erkor!»Und zu den Wolken sah man sich erhebenDen Sand der Wüste, und vom Hufschlag fühlteMan rings den aufgewühlten Grund erbeben.So zog der Held nach Indien hin, und wühlteGroßartig tief und tiefer sich in Bluth,Bis ihm den Uebermuth die Erde kühlte.Ich habe selbst vergessen, wo er ruht;Es kamen Würmer, sich an ihm zu letzen,Und andre thaten's am geraubten Gut.Ihr göttlich Recht sei's Frevel zu verletzen,Schrien überlaut, die angeklammert lagenAuf seines Purpurs abgerißnen Fetzen.Es gieng schon damals, wie in unsern Tagen;Ich habe zum Historiker mich nichtBedungen, laßt es euch von andern sagen.Wein her! frisch eingeschenkt! was Teufel fichtUns Alexander an! So laßt erschallenEin altes gutes Lied, ein Volksgedicht;Das Neue will nur selten mir gefallen.
Rede des alten Kriegers Bunte-Schlangeim Rathe der Creek-Indianer.
Im Rath der Creek-Indianer ward der BoteDes Präsidenten Jackson vorgelassen;Der Brief, den er verlas, enthielt Gebote.Die Landmark, welche diesseits sie besaßenDes Mississippi, sollten gleich sie räumen,Und der Entschluß blieb ihnen nur zu fassen.Und starr und stumm beharrten, wie in Träumen,Die Oberhäupter, man vernahm noch langeDas Säuseln nur des Windes in den Bäumen.Da hob sich aus der Männer erstem RangeDer hundertjähr'ge waffenmüde Greis,Ein Nestor seines Volks, der Bunte-Schlange.Er trat gestützt von zweien in den Kreis,Und wie gespannt ein jeder auf ihn sah,Begann er seine Rede klug und weis:«Ihr, meine Brüder, höret selber ja,Was unsers großen Vaters Meinung ist;Er liebet seine rothen Kinder ja.Er ist sehr gut, – ihr, meine Brüder, wißt,Ich habe früher oft sein Wort vernommen –Er ist sehr gut, wohl ohne Falsch und List.Wie erst vom großen Wasser er gekommen,Er war sehr klein, er trug ein rothes Kleid,Es mocht ihm länger nicht im Boote frommen.Der weiße Mann that unsern Brüdern leid;Er bat um Land, sein Feuer anzuzünden,Und wartete geruhig auf Bescheid.Er wollte, gab er vor, uns bloß verkünden,Was vieles wir zu unserm Glücke brauchten;Wir aber wollten uns mit ihm verbünden.Am Ufer des Savannah-Stromes rauchtenDie Muskotshihs mit ihm die Friedenspfeife;Dort war's, wo in den Wind den Rauch sie hauchten.Sie machten ihm ein Feuer an; die SteifeDer Glieder wärmte da der weiße Mann;Sie gaben Land ihm, wo nach Wild er schweife.Er war sehr klein; es feindeten ihn anDes Südens blasse Männer, die um BeuteSich wider ihn erhoben; Krieg begann.Für ihn ergriffen unsre jungen LeuteDen Tomahawk, und gaben nicht ihn bloßDem Messer zu skalpieren, das er scheute.Und wie darauf er, seines Feindes los,Sich unter uns erwärmet und genährt,Da wuchs er auf, da ward er riesengroß;Da hat sein Tritt das Jagdrevier verheert,Da hat er überholt die fernsten Horden,Und Wald und Flur und See für sich begehrt.Nach Süden reichte seine Hand und Norden,Und seine Stirne zu des Mondes Schild;Da ist er unser großer Vater worden.Zu seinen rothen Kindern sprach er mild, –Er liebt sie ja: Geht weiter, weiter! hört!Sonst tret ich euch, so wie im Forst das Wild.Er stieß sie mit dem Fuße, unerhört!Den Oconih hinüber; dann zertrat erDie Gräber ihrer Väter ungestört.Und immer war er unser großer VaterUnd liebte seine rothen Kinder sehr,Und ihnen wiederum zu wissen that er:Ihr seid mir noch zu nah, entfernt euch mehr.Eins war, wie jetzt, schon damals zu bedauern:Es fanden Schlechte sich in unserm Heer.Die sah man um der Väter Gräber trauern,Und finstern Sinnes schleichen in die Runde,Und um den Fußtritt unsers Vaters lauern.Und ihre Zähne bissen eine WundeIn seinen Fuß; da liebt' er uns nicht minder,Doch ward er bös auf uns zur selben Stunde.Da trieb er mit Kanonen uns geschwinder,Weil träg er uns und ungelehrig fand;Und dennoch liebt' er seine rothen Kinder. –Wie unsern großen Vater ich verstand,Am Tag er zu uns sprach im Zorne sein:Geht weiter abwärts, dort ist schönes Land;So sprach er auch: Dies Land soll euer sein,So lang ihm nicht des Himmels Thau gebricht,So lang es grünet in der Sonne Schein.Gehöret hab ich, was er heute spricht;Er spricht: Das Land, das ihr zur Zeit bewohnet,Nicht euer ist es, es gehört euch nicht.Durchkreuzt den Mississippi, drüben lohnetDas Wild dem Jäger, euch gehört der Ort,Wohnt dort, so lang die Sonn am Himmel thronet.Wird unser großer Vater nicht auch dortZu uns hinüberreichen? – Nein, er sagt,Er werde nicht, und Wahrheit ist sein Wort. –Ihr Brüder, unser großer Vater klagt,Daß unsre schlechten Menschen ihn betrübt,Mit Mord an einen Weißen sich gewagt. –Wo sind die rothen Kinder, die er liebt?So zahlreich wie im Walde sonst das Laub,Wie kommt's, daß ihre Zahl wie Laub zerstiebt?Ach! seinen weißen Kriegern sind zum RaubGar viele worden, viele sind erschlagen,Und viele trat sein Fuß selbst in den Staub.Ich habe, Brüder, weiter nichts zu sagen.»
Das Mordthal.(Zwischen New-Orleans und Savannah)
North-american review Es überfiel mich Müden einst die NachtIn eines Thales wildbewachsnem Grunde,Des Namen auszusprechen schaudern macht.Die Bäume nannten ihn, die in der RundeMit schwarzgebrannten Stämmen mich umstanden:«Das Mordthal!» sprach ich aus mit leisem Munde.An diesem Ort des Schreckens überwanden,Skalpierten die Indianer dreißig Weiße,Die schlafend sie in ihrem Lager fanden;Sie schonten nicht der Kinder, nicht der Greise.Und einsam übernachten sollt ich hier,In dieser Bäume schauerlichem Kreise.Ich sorgte für mein Pferd, mein müdes Thier,Sodann des Herdes Flamme zu erwecken,Und stillte des gereizten Hungers Gier;Und wollte ruhbedürftig hin mich strecken,Als neben mir im dürren Laub erklangEin Rasseln, wohl geeignet mich zu schrecken.Die Klapperschlange war's; vom Lager sprangIch auf und sah, bei meines Feuers Lichte,Den Wurm, den zu vertilgen mir gelang.Ich wiederum, wie es geschehen, richteZum Schlaf mich ein, doch mir im Sinne lagenDer gift'ge Wurm und jene Mordgeschichte.Wie da mir war, ich weiß es nicht zu sagen;Ich lag, ob schlaflos, doch wie Schlafes trunken,Sah über mir die Wipfel windgeschlagen,Und sah, wie märchenhafte lichte Funken,Leuchtkäfer schwirren durch des Laubes Zelt,Da rings die Landschaft tief in Nacht versunken.Vom Flackern nur der Flamme schwach erhellt,Erschimmerten die Stämme mit den Zeichen;Ich fühlte recht allein mich in der Welt.So wie der Mond vom Horizont die bleichenUnsichern Strahlen durch die Räume warf,Begann vor ihm die Finsterniß zu weichen;Und wie er stieg am Himmel, sah ich scharfUnd schärfer aus dem Dunkel treten, wasIch sonder Schauder nimmer denken darf.Gelehnt an einen jener Stämme saßEin Sohn der Wildniß, welcher regungslosMich wundersamen, starren Blickes maß;Nicht jung von Jahren, kräftig, schön und groß,An Schmuck und Waffen einem Fürsten gleich,Das Feuerrohr, den Bogen in dem Schoß;Im schön gestickten Gürtel zierlich reichDen Tomahawk nebst Messer zu skalpieren,Gleich einem Schemen aus dem Schattenreich.Ich sah ihn an, so wie er mich, mit stierenUnd unverwandten Augen; sah ihn lange,Und schien mir alle Thatkraft zu verlieren;Dem Vogel zu vergleichen, den die SchlangeMit zauberkräft'gem Blick in Bande schlug,Gelähmt von der Gedanken wirrem Drange.Da dacht ich wieder: dieses Bild ist Trug,Ein Angstgespenst nur ohne Wesenheit,Das dein erhitztes Hirn ins Aeußre trug;Und schlug die Augen zu nach langer Zeit,Und schlug sie wieder auf, – er war verschwunden,Ich dünkte mich von bösem Wahn befreit.Da fiel von Müdigkeit ich überwundenIn tiefen Schlaf; der Morgen graute schon,Er hielt mich selbstvergessen noch gebunden.Der Wind, der sich erhob wie Sturmes Drohn,Erweckte mich, – und wiederum saß dort,Es war kein Wahn, der Wildniß graus'ger Sohn;In gleicher Haltung und am selben Ort,Noch stumm und starr, noch ohne sich zu regen,Den Blick auf mich geheftet fort und fort.Da sprang ich auf und auf ihn zu, verwegenMit vorgehaltener Pistol; er standNun auf und trat gelassen mir entgegen.Wie hart ich Mann an Mann mich vor ihm fand,Da traf ein Schlag mich, den er plötzlich führte, –Entwaffnet war ich und in seiner Hand.Und wie sie kräftig mir die Kehle schnürte,Ersprühten über mich des Auges Flammen,Die lang verhaltner Haß befriedigt schürte.Ich fühlte zu dem Tode mich verdammen,Vermochte nicht zu flehen um mein Leben,Und sank zerknickt, ein schwaches Rohr, zusammen.Er aber schien sich selbst zu widerstreben,Zu bändigen die rasche, wilde Wuth;Ich sah ihn unvermuthet frei mich geben.Die Pfeife steckt' er an des Herdes GluthIn Brand, und reichte rauchend sie mir dar,Wie Friede bietend es der Wilde thut.Durch solches Pfand gesichert vor Gefahr,Vermocht ich nicht zu brechen noch das Schweigen,Der ich unkundig seiner Sprache war.Und er auf englisch: «Folge mir, dort steigenHerauf die Wolken vor des Sturmes Nahn;Zu Pferd! ich werde meinen Weg dir zeigen.»Ich sprach – er schwieg und gieng den Pfad voran,Und bog zurück das Haupt, und winkte nur;Ich saß zu Pferd und folgte seiner Bahn.Der Steg, durch Schluchten, welche die NaturMit Waldesdickicht wuchernd übersponnen,Verfolgte berghinan des Wildes Spur.Es drang durch Waldesnacht kein Strahl der Sonnen;Und eilend schritt, und hielt mein Pferd am ZaumMein Führer schweigsam, sicher und besonnen.Ich ließ ihn schalten, folgend wie im Traum.Sein Haus erschien, das nächste Ziel der Reise,Inmitten einem lichtern Waldesraum.Er führte mich hinein, er brachte Speise,Er hieß mich sitzen, sorgend für den GastAuf schweigsam ernste, würdevolle Weise.Ich aber warf den Blick mit scheuer HastRings um mich her, und mich befiel ein GrauenBeim Anblick dessen, was der Raum umfaßt'.Da waren prunkend ausgestellt zu schauenBei funfzehn Skalpe, bluth'ges Siegesmal,Von weißen Menschen, Männern, Kindern, Frauen.Er ließ mich überzählen deren Zahl,Und nahm sie nach einander von der Wand,Und hing um seinen Hals sie allzumal;Und schmückte sich mit Waffen und Gewand,Als sei's zum Festmahl oder auch zur Schlacht,Und sprach sodann mit Stolz zu mir gewandt:«Du bist ein Weißer, und ich fand zu NachtDich schlafend, meiner Friedenspfeife RauchHat Sicherheit des Lebens dir gebracht.Einst fand ein Weißer meinen Vater auchIn seinem Schlaf, – ich war noch ungeboren, –Er schlug den Schlafenden nach eurem Brauch;Und Rache war, zu der ich auserkoren,Das erste Wort, das ich zu lallen lernte,Und war der erste Schwur, den ich geschworen.Die bluth'ge Saat gedieh zu bluth'ger Ernte;Ich hielt als Mann, den ich als Kind gelallt,Den Schwur, von dem mein Sinn sich nie entfernte;Und als ich noch für einen Knaben galt,Mit Skalpen schmückt ich, so wie diese hier,Die Hütte, meiner Mutter Aufenthalt.Wir hausten im Ontario-Revier;Vier Kinder, die, euch hassen, ich gelehrt,Vier hoffnungsvolle Söhne blühten mir.Wie einst ich von der Jagd zurückgekehrt,Da stieß mein Fuß auf Trümmer und auf Leichen,Vier Leichen, von den Flammen halb verzehrt.Allein stand meine Mutter bei den Leichen,Vergoß unmächt'ger Thränen bittre Flut,Und stöhnte: Rache! Rache diesen Leichen!Ich habe Thränen nicht, ich habe Bluth,Der Weißen rothes Herzensbluth vergossen,Und habe nicht gekühlt noch meine Wuth.Wo wider weiße Menschen je beschlossenVon meinen rothen Brüdern ward ein Krieg,Gewannen mich die Tapfern zum Genossen.Der uns Verbündete geführt zum Sieg,Tekumteh fiel in seines Ruhmes Prangen,Mit dem die Hoffnung auch zu Grabe stieg.Da sprach ich zu der Mutter: AusgegangenIst unser Stamm, wir beide sind allein,Es soll die tiefste Wildniß uns umfangen.Wir zogen südlich in die Wüstenein,Wo unsre Hütte wir uns hier erbaut,Und beigesetzt der Unsrigen Gebein.Ein Weißer einst, von Haaren hoch ergraut,Begehrte gastlich Schutz von unserm Dache,Und wie ihn scharf die Mutter angeschaut,Da schrie sie leise mir ins Ohr: Erwache!Der ist es, der den Vater dir erschlagen;Gedenke deines Schwures: Rache! Rache! –Ich will, was folgt, an anderm Ort dir sagen.Erhebe dich, mein Gast, und folge mir.»Er schwieg und gieng, ich folgte nur mit Zagen.Durch Urwalds Dickicht, undurchdringlich schier,Auf steilem Abhang klommen wir empor,Am Absturz einer Bergschlucht hielten wir.Der Blick vor uns sich unterwärts verlorIn nächt'ge Tiefe, kaum erscholl das BrausenDes Bergstroms noch herauf zu unserm Ohr.Da stand der Wilde in des Sturmes Sausen,Und warf zornfunkelnd einen Blick mir zu, –Zu Berge sträubte sich mein Haar vor Grausen.«Wo jenen ich geführet, stehst nun du!» –Beginnend so nach langem Schweigen, that erWie einer, der dem Sturm gebietet Ruh. –«Er fürchtete den Tod, und winselnd bat erUm Leib und Leben, doch ich stieß ihn fort:Den du gemordet, räch ich, meinen Vater.Du kommst mit mir ins Land der Geister, dortErwartet meiner rühmlicher Empfang;Das Opfer bring ich und ich halte Wort.Und ihn mit kräft'gen Armen fassend, sprangIch hier hinab, in dieses Schlundes Rachen,Zu seinem und zu meinem Untergang.Noch hör ich seines Körpers dumpfes Krachen,Der dort am schwarzen Felsen ward zerschlagen;Ich selber sollte noch dem Licht erwachen.Du siehst den Wipfel einer Zeder ragen,Dort, unter uns, aus enger Felsenspalte;Dort ward ich wundersam im Schwung getragen.Und wie mich sanft die Zweige wiegten, schallteErfreulich meinem Ohr der dumpfe Ton,Der von der Felswand drüben widerhallte.Da sprach der große Geist zu seinem Sohn:Kehr um, vermehre deiner Opfer Zahl;Es bleibet vorbehalten dir dein Lohn.Da that ich, wie die Stimme mir befahl;Mir half die Wurzel dort hinauf mich winden;Ich trage noch des Lebens Last und Qual.Und ich darauf: Du wirst nun Ruhe finden,Du hast erfüllt der Rache letzte Pflicht,Der Mörder fiel, dich kann kein Schwur mehr binden. –Der Mörder, ja – mein letztes Opfer nicht.So er, und sah mich seltsam düster an,Als hielt' er über mich das Bluthgericht. –An jenem Tag, wo ich dem Tod entrann,Hat andres mir der große Geist geboten;Fünf Skalpe sind's, die seither ich gewann.Ich sandte vor mir her noch fünf der Boten;Hab aber nicht am Leben mehr Gefallen,Seit sich die Mutter legte zu den Todten;Bin müd und traurig worden so zu wallen,Der letzte meines Stammes und allein,Und heute soll mein letztes Opfer fallen.Der vor'gen Nacht gedenke, wo der ScheinMich deines Feuers an dein Lager brachte;Da mochte dir dein Schlaf gefährlich sein!Unseliger, du schliefst! ich aber wachte:Du schliefst so ruhig, wie, den andern gleich,Ich meiner Rache dich zu opfern dachte;Und wie ich schwang den Tomahawk zum Streich,Und aus der Scheide scharf mein Messer zog,Da mocht ich nicht, da ward ich träg und weich;Und wie mein eigner Muth mich so betrog,Und nicht beherrschend mehr die läß'gen Glieder,Sich von der That zurück mein Wille bog,Da warf ich vor dem großen Geist mich nieder,Der mich errettet einst aus diesem Schlunde,Und ich vernahm dieselbe Stimme wieder.Sie gab von dem, was ich zu thun, mir Kunde.Du wirst, wie ich gehorchen lernte, sehen.Mein letztes Opfer fällt in dieser Stunde.»Er schwieg und wandte langsam sich zu gehen,Und winkte mir; ich folgte sinnend nachUnd mochte nicht der Rede Sinn verstehen:Wer wird das Opfer sein, das er versprach?Bin ich das Schlachtthier? – Ruhig schritt voraus,Der sich in neue Richtung Bahnen brach.Der Wald erdröhnte von dem Sturmgesaus,Es gab der Donner schmetternd seinen Klang,In Strömen fiel der Regen mit Gebraus.Des Sturmes Stimmen übertönend, sangIn seiner Väter Sprache sonderbarDer Wilde tief ergreifenden Gesang.Da ward es mir in meiner Seele klar,Daß diese seltsam schauerliche WeiseDas eigne Sterbelied des Sängers war.Und bald erschien – es ward mein Bluth zu Eise,Und auf den Lippen mir erstarb das Wort, –Ein schlichtes Grab in hoher Bäume Kreise.Und er zu mir: «Halt an! wir sind am Ort.Du sollst nach unsern Bräuchen mich bestatten.Es führet dich zurück der Fußsteig dort.Hier legst du mich zur Ruh nach dem Ermatten.Dies Grab enthält der Meinigen Gebein,Und wird umschwirrt von meiner Väter Schatten.»Er sprach's und trat in seiner Todten Reihn,Bestieg den Hügel, ruhig, würdevoll,Sich festlich selbsterkornem Tod zu weihn.Der innre Sturm, der ihm im Busen schwoll,Verhallte schaurig in dem Schwanensang,Der herzzerreißend seinem Mund entquoll.Ein Nachhall schien des Donners mächt'ger Klang,Des äußern Sturmes langgezognes Stöhnen,Der Stimme, die sich seiner Brust entrang.Die Sprache bald verlassend von den SöhnenDes Waldes, wandt er seiner Augen LichtMir zu, und sang in meiner Sprache Tönen:«Ich bin der letzte meines Stammes, nichtVon Feindes Hand zu fallen wird mein Los,Noch wie die Zeder, die vor Alter bricht.Denn seht, ich reiße mich vom Leben los,Und geh ins Land der Geister freien Muthes,Von Schwächen und von Tadel bar und bloß.Der Mein'gen Mörder! Räuber meines Gutes!Ihr Weißen! denen meine Rache galt,Genug vergossen hab ich eures Bluthes.Ich bin gesättiget und müd und alt,Mein Nam ist am Ontario verklungen,Und ist in Waldes Widerhall verhallt.Ich habe selbst mein Sterbelied gesungen,Der ich der letzte meines Stammes bin;Kein Lied erschallt um mich von andern Zungen.Schon lange neigt hinunter sich mein Sinn,Und euer, meine Väter, bin ich werth; –Des Donners Stimme ruft, – ich komme hin.» –Ich aber stand von fern und abgekehrt,Verhüllt das Haupt in meines Mantels Falten,So lang sein leises Röcheln noch gewährt.Und wie die letzten Töne nun verhalltenUnd still es ward, da mußt ich mich enthüllen,Und treten zu der Ruhesthatt des Alten,Um seinen letzten Willen zu erfüllen.
Don Juanito Marques Verdugo de los LeganesSpanischer Grande. 2)
Wie noch in seinem Stolz NapoleonDen König Joseph zu erhalten rangAuf Spaniens unerhört geraubtem Thron,Und durch die Lande unter hartem ZwangEin meuchlerischer Volkskrieg sich ergoß,Der unablässig schnell sein Heer verschlang;War einst ein Fest, ein Ball auf Mendas Schloß.Marques de los Leganes! heut ein Ball,Und Spaniens Feind, du Grande, dein Genoß?Bei rauschender Musik und Cymbeln-SchallBeengten Victor dieses Schlosses Mauern;Der Boden wankt in Spanien überall.Ihn ließ ein Blick von Clara tief erschauern,Und um sich schauend in der Gäste Reihen,Sah er Verrath aus aller Augen lauern.Den Saal verlassend schrie er auf im Freien:«O Clara, Clara! soll auch uns das HerzVerbluthen in dem Kampfe der Parteien?»Von der Terrasse Rand sah niederwärtsEr düstern Muthes in das tiefe Thal;Gedanken waren fern, er war nur Schmerz.Die Felsenwand, die Gärten allzumal,Die Stadt, das Meer darüber ausgespanntErschimmerten im klaren Mondesstrahl.Da weckt' ihn eine Stimme: «Kommandant,Ich suche dich; befiehl, die Zeit ist teuer,Bevor uns die Empörung übermannt.Es ist im Rabenneste nicht geheuer,Sie feiern trotzig die Johannisnacht,Und wider Ordnung brennen ihre Feuer.Sieh dort, was sie so übermüthig macht.»Er wies hinaus aufs hohe Meer und schwieg:Her segelten die Schiffe, Englands Macht.Und zischend von des Schlosses Zinnen stiegEin Feuerball, der rief mit argem Munde:«Auf, Spanier, auf! es gilt Vertilgungskrieg!»Ein Gegenruf erscholl aus Thalesgrunde,Und plötzlich stiegen wirbelnd Rauch und FlammenVon allen Bergesgipfeln in der Runde.Es fiel ein Schuß: «Gott möge sie verdammen!»Schrie taumelnd auf und sterbend der Soldat;Das Blei saß in der Brust, er sank zusammen.Die Stadt ist jetzt ein Schauplatz grauser That;Victor, der Pflicht gehorchend, die ihn band,Will hin im Flug, es bleibt der einz'ge Rath.Da hält ihn sanften Druckes Claras Hand:«Entfleuch! die beiden Brüder folgen mir;Dort hält ein Roß am Fuß der Felsenwand.»Sie stößt ihn fort, er hört sie rufen: «Hier!Hier, Juanito, Philipp, hier! ihm nach!»Die Stieg hinab entfleucht der Offizier.Die Kugeln sausten, während sie noch sprach,Und trieben seine Flucht ihn zu beflügeln,Ihm folgten auf den Fersen Tod und Schmach.Er endlich sitzt zu Pferd fest in den Bügeln,Dem Hauptquartier zujagend sonder RastMit bluth'gen Sporen und verhängten Zügeln.So kommt er vor den General mit Hast:«Ich bringe dir mein Haupt, mein Haupt allein,Sonst keines, das du mir vertrauet hast.» –«Mag minder Schuld vielleicht als Unglück sein;Dem Kaiser bleibt das Urtheil vorbehalten,Der kann erschießen lassen und verzeihn.Nun ist's an mir, die Rache zu verwalten.»Man sah, wie erst der andre Morgen graute,Vor Menda die Kolonnen sich entfalten.Die jüngst aufs Meer so übermüthig schaute,Die Stadt war eigner Ohnmacht überlassen,Und nicht erfolgt die Landung, der sie traute.Die tags zuvor so aufgeregten MassenDer stolzen Bürger, starr vor Schrecken, ließenDen Rächer einziehn durch die stillen Gassen;Und Bluth begann sogleich um Bluth zu fließen;Es boten selbst die Schuldigen sich dar,Zweihundert ließ sofort er niederschießen.In jenem Tanzsaal auf dem Schlosse warSein Hauptquartier, umringt von seinem StabeBefahl von dort er Bluth'ges seiner Schar.Was schwer Leganes auch verschuldet habe,Er selbst ein Greis, sein Weib, die Kinder alle,Zwei Männer, zwo Jungfrauen und ein Knabe,Ein Jammerbild des Stolzes nach dem Falle;Geknebelt sind sie mit unwürd'gen Stricken,Gefesselt an die Säulen dort der Halle;Mit ihnen acht Bediente; die erstickenIn tiefster Brust der eignen Klage Laut,Wie voller Ehrfurcht sie auf jene blicken.Und bluth'gen Werkes Vorbereitung schautMan auf der Schloßterrasse mancherlei,Da wird aus Balken ein Gerüst erbaut;Und der's vollstrecken wird, der steht dabei,Er scheint sich selber schaudernd zu verachten,Daß aufgespart er so Verruchtem sei.In stummer Haltung stehn umher die Wachten,Und hundert Bürger werden hergetrieben,Verurtheilt solches Schauspiel zu betrachten.Hülfthätig ist ein Franke nur geblieben,Der bleich und zitternd zu den Opfern schleicht,Verachtung erntend für sein treues Lieben.Ruft Clara nicht: Victor, du hast's erreicht!Doch nein, sie spricht mit ihm, sie flüstern leise,Indem sie bald erröthet, bald erbleicht.Mit Ingrimm schaut auf sie der stolze Greise,Es trübt und senkt sich ihrer Augen Licht,Sie winkt dem Freund auf würdevolle Weise.Der tritt nun vor den General und spricht:«Ich bin, der deine Gnade hier begehrt.» –«Du Gnade?» – «Ja! die letzte traur'ge Pflicht:Laß richten die Leganes mit dem Schwert,Nicht aber mit dem Strange.» – «Zugestanden.» –«Der Beistand eines Priesters...?» – «Wird gewährt.» –«Befreien lasse sie von ihren Banden;Sein Wort, mein Wort wird Sicherheit dir geben.» –«Bist Bürge du, so bin ich einverstanden.» –Noch wagt ein Gnadenruf sich zu erheben:«Sein ganzes Gut, zu sühnen, was geschah!Schenk einem seiner Söhne nur das Leben!» –«Des Königs ist das Gut; was will er daNoch feilschen? Alle sterben, alle. Nein!» –«Und auch das Kind, der zarte Knabe?» – «Ja!Wir sind in Spanien. Wein her! sag ich, Wein!Ihr Herrn, dem Kaiser! laßt die Becher klingen!» –«Und soll das harte Wort dein letztes sein?» –«Das ist's, und... nein! Mag Gnade sich erringenUnd Leib und Gut erwirken, der es wagtDen Bluthdienst an den andern zu vollbringen.Das ist mein letztes Wort.» So wie er's sagt,Da sträubet manchem sich das Haar empor,Der doch für tapfer gilt und unverzagt.Man schweigt, er winkt gebietend, und VictorVerläßt den Saal; er tritt, und möchte weinen,Zu den Gefangnen in der Halle vor.Man schaut auf ihn, und mancher dürfte meinen,Daß nicht unmenschlichen Befehl er brächte;Entfesselt wird Leganes und die Seinen.Er selber löset zitternd das Geflechte,Das Claras zarte Hände hält gebunden;Man übergiebt dem Henker dort die Knechte.«Du Armer, sage nun mir unumwunden»,So fragt die hohe, herrliche Gestalt,«Hat deine Stimme kein Gehör gefunden?»Und er, sich neigend, kaum vernehmlich lalltIhr Worte zu, die schauerlich empörenSein tiefstes Herz, es überläuft ihn kalt.Sie aber scheint ihm ruhig zuzuhören.Zum Vater sie: «Laß deinen Sohn und ErbenDir Unterwerfung und Gehorsam schwören.Gebiete du; ihn trifft es zu erwerben,Was du begehrt, durch Thaten... schauderhaft!Wir haben's gut, wir haben nur zu sterben.O Juanito! du verjüngter SchaftDer Lilien, die Leganes Schild beschatten,Steig auf in unsrer Väter Heldenkraft!»Rings um den hochergrauten Vater hattenSich ahndungsvoll gedrängt des Hauses Glieder,Gestützt die Mutter an die Brust des Gatten;Ihr Aug erhellte sich, sie hoffte wieder;Da sprach die Maid das Gräßliche zu Ende;Sie sank entsetzt, erschöpft, ohnmächtig nieder.Der Vater rief: «O Juanito, wendeDie Schmach von uns, die ärger als der Tod!»Er schüttelte das Haupt und rang die Hände.«Bist du mein Bluth, erfülle mein Gebot!Du bist des Hauses Stamm.» Er aber schrie:«Wer färbt in Vatersbluth die Hände roth?»Und Clara warf vor ihm sich auf die Knie:«O Bruder, wenn du mich zu lieben meinst,Berühre jener Schreckliche mich nie!Du bist ja, der zu mir gesprochen einst:Bevor du angehören sollst dem Franken,Vor dem du nicht zurückzubeben scheinst,Vertilget den unwürdigen GedankenMein eigner Dolch in deiner falschen Brust;Nun laß den Tod mich deiner Liebe danken.»Und Philipp sprach: «Du armer Bruder mußt,Du mußt des Hauses Schild empor noch tragen;Daß sonst er untergeht, ist dir bewußt.»Die jüngre Tochter und die Mutter lagenSich weinend in den Armen; zürnend schaltDer Knabe seiner Schwester weibisch Klagen.Die Stimm erhob der Alte mit Gewalt:«War der von span'schem Adel, der alleinDas eigne Leid erwog, da's Thaten galt?Du warst mein Sohn nicht, darfst es nimmer sein,Und dich verleugn ich in der Sterbestunde.»Die Mutter stöhnte: «Still! er willigt ein.»Ein Priester zeigte sich im Hintergrunde;Sie führten ihn zu Juanito gleich,Und Clara gab ihm schnell von allem Kunde.Wie sonst dem Sünder zu dem Todesstreich,Sprach Muth ihm ein zu leben jener Bote:Er sagte: «Ja!» und wurde leichenbleich.Die Frist verstrich, die Trommel rief und drohteVon der Terrasse her; sie traten vorAuf ihren Ruf dem Tode zu Gebote.Sie hielten Schritt und blickten fest empor,Nicht Stolz und Haltung hatten sie verlassen;Da war nur einer, der die Kraft verlor,Der sollte leben! Den nur mußte fassenDer Beichtiger und führen. Dort bereitDer Block, das Schwert, ein Anblick zum Erblassen.Da stand auch einer, nicht vom Blocke weit,Den zu vollstrecken hier die bluth'ge ThatDas schauerliche Machtgebot befreit.Und zu dem bluthgewohnten Manne tratNun Juanito, leise flüsternd, leiseSprach der ihm zu, und gab ihm seinen Rath.Und sieh, die Kinder knieten schon im Kreise,Zunächst der Mutter stand der Kapellan,Und stolze Blicke warf umher der Greise.Zum Bruder Mariquita nun begann:«Ich bin nicht stark, mein Bruder, wie ich sollte;Erbarme dich und fange mit mir an.»Es pfiff das Schwert, getrennt vom Rumpfe rollteIhr lock'ges Haupt, der Mutterbrust entquollEin Schrei, den sie umsonst ersticken wollte.Kam Raphael, der fragte liebevoll,Wie er das Haar sich aus dem Nacken strich:«Bin ich so recht, du Guter, wie ich soll?»Da fiel der Streich, und Clara stellte sich;Wie er ins Antlitz sah der bleichen, schönen:«Du weinest!» sprach er. Sie: «Ich denk an dich.»Er schwang das Schwert, da hörte man ertönen:«Halt! Gnade! Gnade!» – Wird der Ruf auch wahr?Wird er den Muth der Sterbenden verhöhnen? –Hervor trat Victor aus der Franken ScharUnd stellte bleich sich, bebend und verstörtDem Auge des geliebten Mädchens dar:«Du, deren Herz, ich weiß es, mir gehört,Sei mein, mein Weib! das eine Wort, o sag es;Die Macht, die dich verfolgt, hat aufgehört!Das Leben nur, o süße Maid! ertrag es,An meinem Arm, an meiner treuen Brust,Zu weinen ob den Greueln dieses Tages.Vertraue mir und trage den Verlust;Dir biet ich zum Beschützer mich und Leiter,Ich träume selbst von keiner süßen Lust.»Sie sah ihn hellen Blickes an und heiter,Und wandte sich, nicht schwankend ob der Wahl,Dem Blocke zu, und: «Juanito, weiter!»Da fiel ihr Haupt und sprang ein rother Strahl,Das Herzensbluth, dem mocht er nicht entweichen;Den Wankenden verbarg der Freunde Zahl.Und Philipp nahm, nach weggeräumten Leichen,Den Platz der Schwester ein, und starb zuletzt,An Stärke nur den andern zu vergleichen.Vor trat Leganes selbst der Vater jetzt,Um sich betrachtend seiner Kinder Bluth,Und Juanito sprang zurück entsetzt.Doch er: «Ermanne dich und fasse Muth!Hört's, Spanier, hört's! und sagt's dem Vaterlande!Er ist der Sohn, auf dem mein Segen ruht.Marques de los Leganes, span'scher Grande,Triff sicher nur! du bist des Tadels bar;Dem Feinde deines Landes bleibt die Schande.»Wohl traf er gut; ein Röcheln sonderbarHat aus der athemlosen Brust bezeugt,Daß seine letzte Kraft geschwunden war.Wie nun die Mutter vortrat, tief gebeugt,Doch würdevoll, er sie ins Auge faßte,Da schrie er laut: «Sie hat mich ja gesäugt!»Der Schrei erweckte Nachhall, es erblaßteIm weiten Kreise jegliches Gesicht,Das Mahl verstummte, wo der Franke praßte.Sie sprach ihm zu, er aber hörte nicht;Da schritt sie zu der Brustwehr und vollstreckteHinab sich stürzend selbst das Bluthgericht.Er lag in Ohnmacht.Dort, der Blasse weckteWohl deine Neugier; deine Augen sahn es,Wie Gramesnacht die hagern Züge deckte.Die Furchen sind die Spuren nicht des ZahnesDer allgewalt'gen Zeit, das siehst du schon;Verdugo, heißt der Mann, de los Leganes.Bewundert und bedauert und geflohn,So schleicht und wird er schleichen allerwegen,Bis ihm geboren wird der erste Sohn;Dann wird er zu den übrigen sich legen.
2) Das spanische Wort Verdugo bedeutet: «Henker.»
Das Vermächtniss.
Ich bin schon alt, es mahnt der Zeiten LaufMich oft an längst geschehene Geschichten,Und die erzähl ich, horcht auch niemand auf.So weiß ich aus der Chronik und Gedichten,Wie bei der Pest es in Ferrara war,Und will davon nur einen Zug berichten.Es scheute wohl sich jeder vor Gefahr,Den pesterkrankten Vater floh der Sohn,Die Mutter selbst das Kind, das sie gebar.Es war zu heißer Sommerzeit; geflohnVon Freunden und Verwandten, weltverlassenLag Basso della Penna sterbend schon.Sein Testament, das wollt er schreiben lassen;Es ließ sich endlich ein Notar bewegen,Das Dokument rechtskräftig zu verfassen.Und er: «Ich will es ihnen auferlegen,Ich meine meinen Kindern, meinen Erben,Anständig meine Fliegen zu verpflegen.»Und der Notar: «Ihr lieget schon im Sterben,Wie schickt sich's, Basso, daß Ihr Scherze treibt,Anstatt um Euer Heil Euch zu bewerben.»Drauf dieser: «Schreibt, wie ich Euch sage, schreibt!Ihr seht mich ja verlassen von den Meinen,Da noch dieß Fliegenvolk mir treu verbleibt.Nur treu aus Eigennutz, so mögt Ihr meinen;Ich will's nicht untersuchen, will alleinEs wissen, daß die Treusten sie mir scheinen;Bei Gott! ich muß und will erkenntlich sein,Drum, schreibt es nieder, so wie ich Euch sage,Denn wohlerwogen ist der Wille mein:Alljährig sollen sie am JakobstageAussetzen einen Scheffel reifer FeigenDen Fliegen allzumal zum Festgelage.Und sollten sie darin sich lässig zeigen,Und unterblieb' es nur ein einzig Mal,Fällt Hab und Gut dem Armenhaus zu eigen.» –Und noch geschieht es so, wie er befahl,Und am bestimmten Tage zugemessenWird noch den Fliegen ihr bestimmtes Mahl.Der Fliegen hat kein Erbe je vergessen.
Der Geist der Mutter.
Die Muse führt euch in das Schloß des Grafen;Sie hat den alten Wappenschild am ThorVerhangen, und es soll sein Name schlafen.Seht dort ihn selbst, der bleich und hager vorDem Pergamente zähneknirschend lacht,Und zitternd, wie es rauschet, fährt empor.Schaut nicht hinab in seines Busens Nacht,Fragt nicht nach seinem Unmuth, seinem Groll,Und nicht, was vor ihm selbst ihn schaudern macht.Blickt ab von ihm; seht schweigsam, ahndungsvollDie Dienerschaft den einz'gen Sohn erwarten,Dem jetzt der Mutter Erbe werden soll.Er ward in Schul und Welt und Krieg vom hartenGeschick verstoßen, seit die Augen schloß,Die liebend pflegte seiner Kindheit Garten.Nun kehrt er heim in seines Vaters Schloß;Er wieget sich in zaubervollen Träumen,Und spornt vor Ungeduld sein feurig Roß.Und dort beginnt inmitten grünen RäumenDas Dorf mit rothen Dächern zu erscheinen;Die Kirche dort, und unter jenen Bäumen...!Er hat den Baum gepflanzt, der jetzt mit seinenWeitausgespannten Aesten schirmt das GrabDer Mutter, wo er beten muß und weinen:«Vernimm du mich, die mir das Leben gab,Du, deren Bild ich stets in mir getragen;Nicht wende jetzt die Augen von mir ab.Der fremdgewordnen Heimath werd ich klagen,Daß meine Träume noch nur Träume sind;Du sollst um mich die Geisterarme schlagen.» –Und nun zu Roß! zum Schloß hinan geschwind!Der Bach, – die Felsenwand, – die alten Föhren,Ihr dunkles Haupt bewegt der Abendwind;Sie scheinen seines Herzens Gruß zu hörenUnd zu erwidern; Fremde sind alleinDie Menschen, die die Täuschung ihm zerstören.Und hier, um diesen Felsen muß es sein, –Es wendet sich der Weg, und vor ihm prangenDes Schlosses Zinnen roth im Abendschein;Da rollen Thränen über seine Wangen;Er stürmt den Hof hinan, und Diener kommenNeugierig fremd herbei ihn zu empfangen.Nach seinem Vater fragt er, sucht ihn frommenUnd liebedurst'gen Blickes: hat er, ach!Von seines Sohnes Heimkehr nichts vernommen?Dem Jäger folgt er durch die Halle nach,Der trägt Gepäck und Mantel und Pistolen,Und führt ihn ein ins innere Gemach.Da tritt vor ihn ein Mann mit stieren, hohlen,Entsternten Augen, dessen düstre FaltenDie Schatten seines Innern wiederholen.Der spricht: «Die Kunde hab ich schon erhalten;Ihr kommt der Mutter Erbe zu begehren,Ich kann Euch nicht das Eure vorenthalten.»Da kann er sich des Schauderns nicht erwehren,Es sinken schlaff die ausgestreckten Arme,Und stumm und starr verschluckt er seine Zähren.An dieses Herz doch schlagen muß der Arme,Nicht dringt hinein die Stimme der Natur,Da schweigt er überwältigt von dem Harme.Er stammelt: «Schlaf!» da winkt der Alte nur,Er folgt dem Jäger bei der Kerze SchimmerZum andern Flügel über Gang und Flur.Da öffnet sich vor ihm, er sieht es immer,Er hat es mit dem Herzen schon erkannt,Das von der Mutter sonst bewohnte Zimmer.Da steht nun der Verwaiste wie gebannt,Betrachtet sinnend die gemalten Wände,Von bittrer Lust und Schmerzen übermannt.Sie lag auf diesem Lager, als die HändeSie segnend legte auf sein lockig Haupt;Dann sank sie hin, ihr Leben war zu Ende.Hier ward er seines Teuersten beraubt,Hier hat der Ernst des Lebens ihn erfaßtUnd seiner Kindheit üpp'ges Reis entlaubt.Und jetzt! – So steht er eine lange Rast,Von Garnen der Erinnerung umstellt,Das Herz zermalmt von namenloser Last.Und endlich nieder auf das Lager fälltEr weinend, schluchzend, schmerzenüberwunden,Den Schlaf nicht suchend, der sich ferne hält.Der Schloßuhr ehrne Zunge zählt die Stunden,Es schließt die Nacht sich zu, das Licht verglimmt,In grauser Stille bluthen seine Wunden.Da mahnt ihn ein Geräusch, das er vernimmt,Daß drüben bei dem Vater er gelassenDie Waffen, die zu seinem Schutz bestimmt.Und ringsher spähend sieht er einen blassenUnsichern Schimmer durch das Zimmer wehen;Es reizt ihn, den ins Auge scharf zu fassen.Er höret draußen leisen Schrittes gehen;Er siehet jenen Schimmer sich gestalten,Und siehet seine Mutter vor ihm stehen.Sie winkt ihm, regungslos sich zu verhalten,Sie hebt die Augen schmerzenreich empor,Sie scheinet über ihn die Wacht zu halten.Es rauscht, die Thür geht auf, – sie tritt davor, –Ein lauter, angsterpreßter Schrei erschallt,Die Stimme seines Vaters traf sein Ohr;Da wirft man Schweres klirrend hin, es halltDer Gang von flücht'gen Schritten, es verklingt, –Zerflossen ist in Nebel die Gestalt.Er aber dort auf seinem Lager ringtMit dem Entsetzen, bis mit hellem ScheineDer junge Tag in seine Augen dringt.Er schaut umher; die Thür ist auf, und seinePistolen liegen auf der Schwelle dort;Er fragt sich nicht, was er darüber meine.Er schleicht hinaus sich leise, spricht kein Wort,Er sattelt, steigt zu Roß und drückt die Sporen;Erst ihrem Grabe zu, dann weiter fort. –Es hat sich jede Spur von ihm verloren.
Die Retraite.
Am Sonntag Abend auf dem Werder warenZum lust'gen Walzer in dem FischerkrugDie sechs Trompeter da von den Husaren.Herüber von dem andern Ufer trugSie noch das Eis, nun gab es Spiel und Tanz;Es waren zum Orchester fünf genug.Der sechste hielt sich abgesondert, Franz,Er kos'te wohl mit seiner Braut verstohlen,Der Margarethe, der gehört er ganz.«Wir haben unsre Sache Gott befohlen,Und hat der Frühling erst den Fluß befreit,So komm ich nur, hinüber dich zu holen.»«O Franz! und diese lange, bange Zeit!Wie soll ich, dich zu sehen, mich entwöhnen,Du bist mein Leben, meine Seligkeit!» –«Du hörst mich, hörest die Trompete dröhnen,Sie wird dir meiner Liebe Botschaft bringenBei der Retrait' in Nachhalls-Zittertönen.Wenn diese letzten Töne zu dir dringen,Ich bin's, gedenke mein, dann weht von drübenDir meine Seele zu auf ihren Schwingen.Mag doch der Eisgang kurze Feindschaft üben,Der Frühling unsrer Liebe wird erwachen,Und keine Trennung fürder uns betrüben.» –«Hört auf! wer mag noch lärmen hier und lachen!»Ein Fischer sprang herein und schrie das Wort;«Hört ihr denn draußen nicht des Eises Krachen!?Ihr Herrn, die ihr hinüber müßt, macht fort;Stromauf! da hält sich's länger, bis es bricht,Dem Lichte zu am andern Ufer dort!» –«O Franz, bleib hier!» – «Mein Lieb, ich darf es nicht,Nicht Urlaub hab ich.» – «Meines Vaters Haus...» –«Ich bin Soldat und kenne meine Pflicht.» –«O lieber Franz, in solchem nächt'gen Graus...!» –«Wir scheiden ja, mein Lieb, zum letzten Male;Laß ab! sei stark! die andern sind voraus.»Stromauf, schräg über, nach dem Lichtsignale,Sie schritten schnell und schweigsam durch die Nacht,Erhellt von keines Sternes bleichem Strahle;In Nebeln, von dem Winde hergefacht,Schien ihnen oft das Lichtlein zu verschweben;Sie schritten zu, als gieng es in die Schlacht.Sie fühlten unter sich das Eis erbeben,Und hörten's grausig donnernd sich zerspalten,Und sahn es aufgerissen sich erheben;Und wie des Abgrunds Stimmen rings erschallten,Beflügelten den Lauf sie landhinan,Erst jenseits auf dem festen Grund zu halten.Und wie sie dort erreicht den Rettungsplan,Da zählten sie und zählten – «Gott und Vater!Wir sind nur fünf! es fehlt der sechste Mann!Der fehlt, ist Franz; sie hielt ihn auf; was that er?Doch seht den Schatten dort! das muß er sein,Im windgefegten Schneegewölke naht er.Franz! Franz! gib Antwort! – keine Antwort! nein,Er ist es nicht. Das Schneegewölk zerfallen,Stumm, ebenmäßig, hüllt die Nacht uns ein.»Und von dem Strome her, wo wirbelnd wallenDie Schollen und einander sich zerschmettern,Hört laut man wohlbekannten Ton erschallen;Der ehernen Trompete muthig Schmettern,Retrait'! ihm selbst Posaune des Gerichtes,Es ruft dem Tode, nicht den ird'schen Rettern.Und stromabgleitend fern und ferner bricht es,Und leis und leiser, aus der Nacht hervor,Ein Hauch der Ahnung überird'schen Lichtes.Dem Krug vorbei! da lauschet wohl ein Ohr!Und lang gezogen, leise zitternd schwingenDes Nachhalls letzte Töne sich empor. –«Wenn diese letzten Töne zu dir dringen,Ich bin's, gedenke mein, dann weht von drübenDir meine Seele zu auf ihren Schwingen.Mag doch der Eisgang kurze Feindschaft üben,Der Frühling unsrer Liebe wird erwachen,Und keine Trennung fürder uns betrüben.»Und unterwärts erschallt mit Donners-KrachenDas Eis, das Scholle sich auf Scholle ballt,Und dröhnend öffnet sich des Todes Rachen.Es schweigt, die letzten Töne sind verhallt.
Ein Baal Teschuba.
Noch hatte der Rabbiner nicht begonnenZu unterrichten, im gedrängten KreiseDer Schüler hatte sich Gespräch entsponnen;Gespräch von jenem räthselhaften Greise,Der in die Synagoge war gekommenFast eigentümlich schauerlicher Weise;Der auf der Trauerbank den Platz genommen,Dem Sträfling gleich, andächtig immerdar,Ein Vorbild der Erbauung allen Frommen,Und wie das Schlußgebet gesprochen war,Aufspringend mit befremdlicher Geberde,Sein Haupt verhüllt im faltigen Talar,Sich quer am Eingang auf die harte ErdeVor allen niederstürzend hingestreckt,Auf daß mit Füßen er getreten werde.Doch keiner that's, denn jeder wich erschrecktZur Seite, daß den Starren er vermeide,Den erst der letzten Schritte Hall erweckt.Ein Pole müßt er sein nach seinem Kleide,Doch haben, die ihn sprachen, ausgesagt,Daß ihn die deutsche Mundart unterscheide.Nach seinem Namen haben sie gefragt,Worauf er seufzend Antwort nicht gegeben;Sie haben, mehr zu fragen, nicht gewagt.Da trat, wie so die Schüler sprachen, ebenDer Greis herein, dem Winter zu vergleichenVon jugendlichem Frühlingsreis umgeben.Es sahn die Ringsverstummenden ihn schleichenDem letzten Platze zu, um den er bat,Ihn sollte da das heil'ge Wort erreichen.Und der Rabbiner sich erhebend tratMit ernstem Worte zu dem seltnen Gast:«Hier gilt es, auszustreuen gute Saat.Wie du im Tempel dich betragen hast,Erscheint vielleicht in zweifelhaftem LichteDem, der den Gang des Lebens nicht erfaßt;Was aber dich bewogen, das berichteDu diesen hier, damit auch sie es wissen;Ich fodre deine düstere Geschichte.Gar mancher ist der Weisheit nicht beflissen,Der wahrlich anders würde sein, verstünd erDen Ernst der That im strafenden Gewissen.» –«Ich bin ein Baal Teschuba, bin ein Sünder,Der wallend durch das Elend Buße thut,Und jetzt der eignen Missethat Verkünder.Nach meinem Namen forschet nicht, der ruhtBei meinen Hinterlaßnen, Weib und Kindern,Und liegt bei Haus und Hof und Hab und Gut.Ich handelte, geehrt und reich, mit RindernUnd sah mit Stolz auf meines Hauses Flor,Der sollte jähen Sturzes bald sich mindern.Ich stand indeß dem Ehrenamte vor,Die Spenden der Gemeinde darzureichenDen fremden Armen vor des Tempels Thor.Ein Weib, ihr Bild will nimmer von mir weichen,Ein schwangres Weib schalt einst mich einen Wicht,Und zankte, schrie und schmähte sondergleichen.Da faßte mich der Zorn, ich hielt mich nicht,Ich hob die Hand zu unheilvoller StundeUnd schlug die Keiferin ins Angesicht.Das Wort erstarb in ihrem blassen Munde,Sie wankte, fiel, da lagen scharfe Scherben,Es quoll ihr Bluth aus einer tiefen Wunde.Ich sah das grüne Gras sich purpurn färben,Sah krampfhaft noch sie zucken eine Zeit,Dann starr gestreckt zu meinen Füßen sterben.Nicht in die Hände der GerechtigkeitGeliefert hätte mich die Brüderschaft,Ich war von jeder äußern Furcht befreit.Doch einen Richter giebt's, der Rache schafft,Gewissen heißet, der die scharfen KrallenIns Herz mir eingerissen voller Kraft.Und ich erkor, ein Fragender, zu wallenZu einem frommen Greise: Rabbi, sprich,Wie büß ich, der ich so in Schuld gefallen?Und harter Bußen viele lud auf michDer strenge Mann mit Beten, Baden, Fasten,Nur eine, eine nur war fürchterlich.Mit meinem Fluche sollt ich mich belasten,Ins Elend willig gehn am Bettelstabe,Und sieben Jahre nicht auf Erden rasten.Ich hab's gethan, ein Baal Teschuba habeSechs Jahr ich schon vom Mitleidsbrod gezehrt,Sechs Jahre mich genähert meinem Grabe.Die Heimath zu betreten war verwehrt;Ich habe mich, zu machtvoll angezogen,In immer engern Kreisen ihr genäh'rt.Und einst, da stand ich vor des Thores BogenDer Vaterstadt, da stand ich, wie gebannt,Mit ausgestreckten Armen vorgebogen.Ich hätte fliehen sollen; übermanntVon namenloser Sehnsucht trat ich ein, –Wie selbst so fremd! wie alles so bekannt!Des langen Haupt- und Barthaars Silberschein,Der Stirne Furchen und die fremde Tracht –Ich mochte jedem wohl unkenntlich sein.Wie schlug das Herz mir in der Brust mit Macht!Ich schlich daher, so wie der Sünder schleicht,Und wo die Straß am Markt die Biegung macht...Gott Israels! mein Haus! – Ein Kind – vielleichtMein eignes Kind! – ein Mädchen tritt heraus, –Hat Rahel solch ein Alter wohl erreicht? –Der Ew'ge segne dich und dieses Haus,Mein süßes Kind! ein Bettler ruft dich anAus bittern Elends namenlosem Graus.Sie sah mich freundlich an, und schritt sodannIns Haus zurück, und kam nach kurzer Frist:Die Mutter schickt dir das, du armer Mann. –Es war ein Kreuzer nur – die Mutter!? IstBekannt auch deiner Mutter, daß so kleinDie Gift sie einem Baal Teschuba mißt?Sie sah mich staunend an, und gieng hinein,Und kam sogleich auch wieder her zu mir:Die Mutter sagt: es kann nicht anders sein.Sie hat's jetzt nicht, denn Vater ist gleich dirEin Baal Teschuba; würdest mehr bekommen,Wär unser armer guter Vater hier.Nun hatt ich's ja aus ihrem Mund vernommen!Ich habe schluchzend schnell mich abgewandtUnd nicht mein Kind an meine Brust genommen,Ins Elend hab ich mich zurückgebannt.»
Mateo Falcone, der Korse.
Von wessen Rufe hört man widerhallen,Die her zu diesen Höhen führt, die SchluchtVon Porto-vecchio? Flintenschüsse fallen.Die Gelben sind's, die Jäger, und es suchtVor ihnen her den Buschwald zu erreichenEin schwer Verwundeter in scheuer Flucht.Aus dem Gehöfte will ein Kind sich schleichen,Zu spähen, was bedeute solcher Ton;Er siehet vor sich stehn den Bluth'gen, Bleichen. –«Du bist, ich kenne dich, Falcones Sohn;Ich bin Sampiero; hilf mir, feines Kind,Verstecke mich, die Gelben nahen schon.» –«Ich bin allein, die beiden Eltern sindHinausgegangen.» – «Schnell denn und verschlagen!Wohin verkriech ich mich? sag an, geschwind.» –«Was aber wird dazu der Vater sagen?» –«Der Vater sagt, du habest recht gethan;Und du zum Dank sollst diese Münze tragen.»Die Münze nahm der Knabe willig an.Ein Haufen Heu, der sich im Hofe fand,Verbarg den bluthigen zerlumpten Mann.Dann gieng das Kind, des Bluthes Spur im SandAustretend, nach dem äußern Thor besonnen,Wovor schon lärmend der Verfolger stand.Es war der Vetter Gamba. – «Wo entronnen,Sprich, Vetter Fortunato, ist der Wicht,Dem wir die Fährte hierher abgewonnen?» –«Ich schlief.» – «Ein Lügner, der vom Schlafe spricht!Dich hat zu wecken mein Gewehr geknallt.» –«Noch knallt es wie des Vaters Büchse nicht.» –«Antworte, Bursche, wie die Frage schallt;Und führst du solche Reden mir zum Hohne,So schlepp ich dich nach Corte mit Gewalt.» –«Versuch es nur, mein Vater heißt Falcone.» –«Ich aber werde deinem Vater sagen,Daß er mit Schlägen dir die Lüge lohne.» –«Ob er es thut, das möchte noch sich fragen.» –«Wo ist dein Vater? sprich!» – «Ich bin allein,Im Buschwald wird er sein, ein Wild zu jagen.»Und Gamba zu den Untergebnen sein:«Hier führt, ich traf ihn gut, die Spur des Bluthes;Durchsucht das Haus, er wird zu finden sein.»Ein Jäger drauf: «So Ihr es wollt, so thut es;Doch solltet Ihr's erwägen, Adjudant,Uns bringt Falcones Feindschaft nimmer Gutes.»Er aber stand unschlüssig, abgewandt,Und stach ins Heu, nachlässig, in Gedanken,Wie einer, der das Rechte nicht erkannt.Der Knab indessen spielte mit dem blankenGehenke seiner Uhr, und schob gelindeIhn vom Versteck zurück des armen Kranken.Und wieder freundlich sprach er zu dem Kinde:«Du spielst mit meiner Uhr und hast noch keine;Die hatt ich dir bestimmt zum Angebinde.» –«In meinem zwölften Jahr bekomm ich eine.» –«Bist zehn erst alt, betrachte diese nur.»Und blinkend hielt er sie im Sonnenscheine.Gar argen Glanzes funkelte die Uhr;Das zierliche Gehäus so blank und klar,Die Nadeln Gold, das Zifferblatt Lasur. –«Wo steckt Sampiero?» – «Wird dein Wort auch wahr?» –Dem Knaben schwur er zu mit teuerm Eide,Daß sie der schnöde Preis des Bluthes war.Des Knaben Rechte hob nach dem GeschmeideSich langsam zitternd; niederwärts sich neigendBerührt' es sie; ihm brannt das Eingeweide.Da hob sich auch die Linke, rückwärts zeigend,Und gab den Schützling dem Verfolger bloß;Geschlossen war der Kauf, der arge, schweigend.Da ließ der Adjudant die Kette los;Das Kind, vom köstlichen Besitz befangen,Vergaß sich selbst und des Verrathnen Los.Und Gamba ließ hervor den Flüchtling langen,Der blickte stumm verächtlich auf den KnabenUnd gab dem Jäger willig sich gefangen. –«Ihr müßt, Freund Gamba, schon die Güte haben,Schafft eine Bahre her, ich kann nicht gehen;Verbluthet hab ich mich, im Heu vergraben.Ihr seid ein Schütz, man muß es Euch gestehen;'s ist aus mit mir; Ihr habt mich gut gefaßt,Doch habt Ihr auch, was ich vermag, gesehen.»Und menschlich sorgte man und freundlich fastFür einen, den man doch als tapfer priesUnd, wo es galt, als Gegner nur gehaßt.Die Münze reicht' ihm Fortunat, er stießZurück den Knaben, welcher voller SchamEntwich und jenen Thaler fallen ließ.Falcone jetzt mit seinem Weibe kamVom Walde her; um sein Gehöfte sahEr Jäger schwärmen, was ihn Wunder nahm.Schußfertig, kühn, vorsichtig naht' er da,Und hieß das Weib der zweiten Büchse pflegen,Wie's Brauch ist, wo der Schütz dem Feinde nah'.Ihn kennend gieng ihm Gamba schnell entgegen. –«Verkennt den Freund nicht!» – Langsam stieg der LaufDer Büchse, die im Anschlag schon gelegen. –«Wir hatten, Vetter, einen weiten Lauf,Der Tag war heiß, wir haben ihn erjagt,Doch giengen auch der Unsern zwei darauf;Ich meine den Sampiero.» – «Was Ihr sagt!Sampiero, der die Ziege mir geraubt,Vom Hunger freilich wohl, und scharf geplagt.» –«Er hat gefochten, wie es keiner glaubt;Wir haben ihn, und danken's Fortunato,Der uns geliefert sein geächtet Haupt.»Der Vater rief entrüstet: «Fortunato?» –Die Mutter sank zusammen wie gebrochen,Und wiederholte schaurig: «Fortunato?» –«Er hatte dort sich in das Heu verkrochen,Der Vetter zeigt' ihn an; man soll's erfahren,Und ihm und Euch wird hohes Lob gesprochen.» –Sie traten an das Haus; die Jäger warenGeschäftig und bemühet um den Alten,Die Bahre wohl mit Mänteln zu verwahren.Und wie zu seinem Ohr die Schritte schallten,Und er sich umgesehen, wer genaht;Da konnt er nicht zu lachen sich enthalten;Ein Lachen, gar entsetzlich in der That.Das Haus anspeiend schrie er: «Lug und Trug!In diesen Mauern hauset der Verrath!» –Erbleichend, zitternd hört's Falcone, schlugVors Haupt sich die geballte Faust, und stummVerharrt' er, bis man fort den Alten trug.Es sah sich Gamba grüßend nach ihm um;Er merkt' es nicht, er ließ die Truppe ziehen,Er starrte zu dem Knaben taub und stumm.Es will vor ihm das Kind erzitternd knieen,Er schreit es an: «Dein erstes Stück war gut!Zurück von mir!» – Es hat nicht Kraft zu fliehen. –Und zu der Frau gewandt: «Ist der mein Bluth?» –«Ich bin dein Weib» – und ihre bleichen WangenErglühen schnell von wundersamer Gluth. –«Und ein Verräther!» – Ihre Blicke hangenAn ihrem Kinde, sie erspäht die Uhr:«Von wem hast dieses Kleinod du empfangen?» –«Vom Vetter Gamba.» Heftig an der SchnurSie reißend, schleudert und zerschellt FalconeAn einen Stein der That verhaßte Spur.Dann starrt er vor sich hin, und scharrt, wie ohneGedanken, mit dem Kolben in dem Sand,Und rafft sich endlich auf und ruft dem Sohne:«Mir nach!» Das Kind gehorcht. Er selbst, zur HandSein trautes Feuerrohr, nimmt durch die HeideDen Richtpfad nach dem nächsten Waldesrand.Ihn hält die Mutter schreckhaft an dem Kleide:«Dein Sohn, dein einz'ger Sohn, den Gott dir gab,Den mit Gelübden wir erflehten beide!»Und er: «Ich bin sein Vater, drum, laß ab!»Da küsset sie verzweiflungsvoll den KleinenUnd schaut ihm nach bis in den Wald hinab.Dann geht sie, vor das Heil'genbild der reinenGebenedeiten Mutter sich alleinZu werfen, und zu beten und zu weinen.Falcone hält im Wald am schwarzen Stein,Versucht den Boden und erwählt die Stätte;Hier ist die Erde leicht, hier wird es sein.«Knie nieder, Fortunato, knie und bete.»Der Knabe kniet und winselt: «Vater, Vater!Du willst mich töten?» – Und der Vater: «Bete!»Und weinend, schluchzend stammelt er das Pater;Mit fester Stimme spricht der Vater: «Amen!»Und weiter stammelt er das Ave Mater. –«Bist du nun fertig?» – «Von den KlosterdamenErlernt ich noch die Litanei so eben.» –«Sehr lang ist die; jedoch, in Gottes Namen!»Er hat gebetet. – «Vater, laß mich leben,O töte mich noch nicht!» – «Bist du am Schluß?» –«Vergib mir –» «Gott, der möge dir vergeben!»Die Hände streckt er aus – da fällt der Schuß.Vom Leichnam wendet sich der Vater ab,Und heimwärts schreitend wanket nicht sein Fuß.Sein Aug ist dürr, mit seines Alters StabSein Herz gebrochen. Also holt der MannDen Spaten, um zu graben dort das Grab.Die Mutter stürzt beim Schuß entsetzt heran,Sie stürmet händeringend auf ihn ein:«Mein Kind! mein Bluth! Was hast du nun gethan?» –«Gerechtigkeit. – – Er liegt am schwarzen Stein.Ich laß ihm Messen lesen, der als ChristGestorben ist, und also mußt es sein.Sobald du aber selbst gefaßter bist,Verkünde unserm Tochtermann Renzone,Daß meine wohlerwogne Meinung ist,Daß künftig er mit uns mein Haus bewohne.»
Die Versöhnung.Korsische Geschichte.
Die echten Korsen, welche selten nurVon des Gebirges Höhn zu Thale steigen,Erfüllen heut Ajaccios Präfektur.Was bringt den tief gehegten Groll zum Schweigen,Den diese freien Männer fort und fortZu den Beherrschern ihres Bodens zeigen?Zwei Gruppen bilden sie im Saale dort;Sie trennt der Haß und spricht aus ihren Mienen,Doch eignet sich zu Thaten nicht der Ort.Zwei Sippen sind es, Bluth ist zwischen ihnen,Und Bluth will Bluth; dem Spruche zu genügenHat vielen schon der letzte Tag geschienen.Ein Greis mit düsterm Blick und hohlen Zügen,Mit langem schwarzem Bart und weißem Haar,Scheint ungewohnt dem Zwange sich zu fügen;Denn unterm Ziegenfell sucht immerdarDie Hand des Dolches Griff und hält sich kaum;Er scheint das Haupt zu sein der einen Schar.Bereitet ist ein Tisch im mittlern Raum,Darauf das Kruzifix ist aufgerichtet;Der Anblick hält die Männer nur im Zaum.Ein Bote Christi, der für sich verzichtet,Ein Missionar, bekannt den Bergessöhnen,Bei welchen viele Fehden er geschlichtet,Hofft diese beiden Stämme zu versöhnen,Die hier er am Altar zusammen brachte;Er schaut sie scharf an, seine Worte tönen:«So wie ich, meine Brüder, euch betrachte,Die Trotz ihr jeder Fährlichkeit wohl bötet,Von euch ist keiner, dem es Schande machte,Daß nicht er mindstens seinen Mann getötet?» –Geständig sahn die Männer frei empor,Zur Erde nur ein Knabe schamgeröthet.Da donnerte des Priesters Wort hervor:«Du hörst es, Gott am Kreuze; hör es nicht!Verschließe solchem frechen Hohn dein Ohr!Geh nicht mit diesen Mördern ins Gericht;Du hast für sie dein teures Bluth gezahlt,Das nun Verdammniß über alle spricht.Nicht einer, nein, nicht einer, der nicht prahlt,Er habe dir zum Hohn die Hände rothMit deinem, deiner Brüder Bluth bemalt!Es sei denn dieser Knabe – dein GebotGehalten noch zu haben, sinnt verdrossenEr schon vielleicht auf seines Bruders Tod.Es hat ihr Dolch des Bluthes mehr vergossen,O Heiland! als von deinen heil'gen Malen,Von Sünde sie zu retten, ist geflossen.Ihr seht mich küssen sie zu vielen Malen,Benetzen sie mit heißen Thränengüssen; –Denkt eures Heiles und der Hölle Qualen;Denkt Christi, der nach ewigen BeschlüssenFür euch, ihr Sünder, Schmach und Tod erkor; –Erfrecht ihr seine Wunden euch zu küssen?»So hielt das Kruzifix er ihnen vor,Sie scharfen Blickes prüfend, ob die SaatAuf harten Felsen fallend sich verlor?Gerührt, gebeugt und reuig in der ThatErweisen sich die Männer, sonst so wild;Es haben die Getrennten sich genaht.«Versöhnung!» spricht der Friedensbote mild,«Lobt Christum, der euch hier zusammenführt,Verzeiht, vergeßt und thut nach seinem Bild.»Schon haben auf dem Kreuze sich berührtZwei Hände, schaudernd schnell sich auch getrennt,Als habe jede heißes Gift verspürt.Denn Recco, jener grimme Greis, erkenntSich gegenüber eben den Verhaßten,Den er den Mörder seines Sohnes nennt.Das Angesicht erglüht dem Schmerzerfaßten,Die alten Wunden brechen auf, es waltenDer Zorn, der Rachedurst nach kurzem Rasten;Noch stehet tiefgebückt – ob vor dem Alten,Ob vor dem Kruzifix? – der Jüngling bleich,Erwartend, ob Vergebung zu erhalten;Noch kämpft mit seinem Herzen schmerzenreich,Gesicht und Farbe wechselnd oft, der Greise;Noch spricht die Gnade, schreit die Rache gleich.Und feierliche Stille herrscht im Kreise,Indes an ihm die scheuen Blicke hangen;Er endlich schwer aufatmend redet leise:«Mein Sohn! – an meinem Sohn ward Mord begangen. –Er sollte meines Namens Erbe sein! –Er hat im Elsenbusch den Schuß empfangen. –Still! Gnecco, still! – dort warst du nicht allein –Ein andrer... Still! – Ich will's vergessen. Schweige!Von seinem Bluth sind deine Hände rein. –Mein alter Stamm treibt fürder keine Zweige,Nur eine Tochter schmückt noch seine Kron;Es geht mit meinen Tagen auf die Neige.Du, Gnecco, liebst die Maid, ich weiß es schon, –Mag werden, was ich früher nicht geglaubt, –So nimm sie, und ersetze mir den Sohn.» –Ihm lag der Sohn in Armen sprachberaubt,Er aber mußte schaudernd sich gewöhnen,Noch lieb zu hegen das verfemte Haupt.«Bin müde», rief er aus, «dem Haß zu frönen!Ich that den ersten Schuß – vor Zeiten – dort, –Vergeltung ward verübt an meinen Söhnen.Vier Söhne raffte dieser Zwist mir fort,Ich selber blieb verschont auf diesen Tag;Der alte Stamm, der Aeste bar, verdorrt. –Hochwürd'ger Herr, laßt zeichnen den Vertrag,Wer weiß, wie sonst der Menschen Sinn sich wenden,Und was die nächste Stunde bringen mag! –Noch laßt das Kruzifix in meinen Händen, –Ich war ja Christ, bevor ich Vater war, –Ich will das Gutbegonnene vollenden.»Die Schrift verlas darauf der Missionar,Darin des Gottesfriedens Klauseln standen,Und ließ sie unterzeichnen am Altar;Und denen, die zu schreiben nicht verstanden,Führt' er die Hand zu eines Kreuzes Mal,Wodurch sie sämtlich eidlich sich verbanden.Er zählte dann die Zeichen allzumal,Und wieder überzählt' er sie, und fand,Es fehle noch ein Zeichen an der Zahl.Und abseits mit den Seinen hadernd stand,Der nicht gezeichnet hatte, jener Knabe,Und streckte gegen Recco seine Hand:«Mein Vater schreit um den aus seinem Grabe!Ich feilsche nicht um meines Vaters Bluth,Denn Bluth will Bluth, wie ich gelernet habe.Fürwahr! der Priester hat zu reden gut,Mein Vater, nicht sein Vater, ward erschlagen; –Laßt ab von mir, schaut selber, was ihr thut.Noch seh ich her die bluth'ge Leiche tragen,Sie legen auf den Tisch und dann entkleiden,Und höre wild umher die Weiber klagen.Die Mutter nur verschloß in sich ihr Leiden,Sie weinte nicht, sie schien in starrer RuhAm grenzenlosen Jammer sich zu weiden.Sie führte mich, das Kind, der Leiche zu:Blick her! blick her! die meuchlerische Wunde, –Du bist ein Kind, doch wirst ein Mann auch du;Und hast, den Ernst zu fassen, du gesundeGedanken, zeig es, raffe dich zusammen, –Versprich mir, zu gedenken dieser Stunde.»Des Priesters Eifer lodert auf in Flammen:«Tomasio! sei ein Christ!» Doch er im Flug:«Hört erst mich aus, dann mögt Ihr mich verdammen.Ich frug: Was soll ich thun? wie so ich frug,Gab sie das Hemd des Vaters mir zu eigen,Das an der Brust, hier, bluth'ge Spuren trug,Und sprach: Mich wissen lassen, keinem FeigenSei's worden, diesen Tapfern zu beerben;Das mußt du mir an Reccos Hemde zeigen.Du mußt es roth, so wie das deine, färben,Denn Bluth will Bluth, das ist der alte Brauch; –Und auf das Wort der Mutter will ich sterben.So schwör ich...» – «Knabe! schwöre nicht; der Hauch,Womit du Gottes Namen sprichst, ist Sünde!» –Er murrte: «Was ich schwöre, halt ich auch.»Es schien, als ob der alte Recco stündeOb Stolz und Reue schwankend, zweifelnd wogEr schuldbewußt im Herzen beider Gründe;Und endlich trat er vor das Kind und bogDas steife Knie vor ihm, demüthig fast,Die Hand ergreifend, die sich ihm entzog:«Tomasio, diesem jungen Manne hastDu mich verzeihen sehen, der, vielleicht...Sie sagen's, legen ihm die That zur Last –Auch du wirst Vater und erfährst, es gleichtDer Vaterliebe nimmer Kindespflicht;Von Marmor war mein Herz, es ist erweicht.Und wenn das Fleisch von meinem Fleische nichtZu rächen ich, der Vater, mich bezwungen,So leuchtet wohl auch dir der Gnade Licht.»Den Grimm zu hegen war es nicht gelungenDem Knaben, der gerührt nicht wollte scheinen,Und seine Thränen immer noch verschlungen.Sich sträubend wandt er schnell sich zu den Seinen,Er sah zu ihm die Hände sich erhebenWie bittend, und die Augen aller weinen.Noch wollt er tückisch seine Hand nicht gebenUnd fühlte, wie er sie dem Greis entrang,Sie in der Hand des Friedensboten beben.Der zog – war's Ueberredung, war es Zwang? –Ihn vor, im Namen Christi, zum Altar;Ein Ruf, der endlich ihm zu Herzen drang.Die Feder reicht' er ihm zum Zeichen darAm Fuß des Kruzifixes, wo entfaltetDas Dokument des Gottesfriedens war,Und führte seine Hand, bis er gestaltetDas Kreuz, das letzte noch von allen Zeichen:«Es ist vollbracht, der Gottesfriede waltet!Laßt, meine Brüder, uns die Hände reichen.»
Ein Kölner Meisterzu Ende des XIV. Jahrhunderts.(Nach Ghiberti)
Du hast, Ghiberti, scharf und streng und richtigBeurtheilt meine Kunst und mich gelobt,Das Lob aus deinem Munde klang gewichtig.Ich habe dir, den ich als Freund erprobt,Von meines Meisters Kunst zu Köln am RheineDen höchsten, seltensten Genuß gelobt.Blick her! du glühest, wie vom jungen Weine,Worauf dein Auge fällt, ein Meisterstück!Du jauchzest, und du siehest, daß ich weine.Entschwundne Tage ruft mir dieß zurück,Und auch den Tag, wo ich ihn trug zu Grabe,Der lehrend mich und liebend war mein Glück.Auf diesem Bruchstück hier, der heitre Knabe,Der von der Stirne sich die Locken streicht,Der bin ich, wie ich erst gedient ihm habe.Er hat mir treu die Führerhand gereicht,Ich wurde stark in seinem milden Strahle,Nun hat der Winter mir das Haar gebleicht.Die griech'schen Meister sind dir Ideale,Sei selbst du zwischen ihm und ihnen Richter,Auf welche Seite neiget sich die Schale?Sieh, wie er hochgelehrt und doch mit schlichterNatürlichkeit das Nackte hier gestaltet,Und hier die hohe Schönheit der Gesichter.Die Kunst bewundre, die er hier entfaltet,Die Zierlichkeit der Arbeit, die Vollendung, –Und dieser Riß – da hat wohl Gott gewaltet.Das Werk bestimmte seines Schicksals Wendung,Es sollt ihn zu des Ruhmes Gipfel tragen,Und ward das Werkzeug einer höhern Sendung.Ich muß vom frommen Meister mehr dir sagen;Wie lieblich er in seiner Kunst erscheint,War selbst er liebenswerth in seinen Tagen.Anjou, der mit der Kunst es gut gemeint,Hat ihn geehret vor den Meistern allen,Die huldreich er an seinem Hof vereint.Für Anjou hat der Meister den MetallenDas Siegel seines Geistes eingedrückt,Und Kirchen ihm verziert, Altar und Hallen;Auch seinen Schenktisch hat er ihm geschmückt,Geschmiedet ihm Pokale, Krüge, Schilde,Die jedes Kunsterfahrnen Blick entzückt.Da wollte denn der Fürst in seiner Milde,Daß noch aus lauterm Golde, sonder Gleichen,Sein Meisterwerk er, eine Tafel, bilde;Versehen sollt er die mit seinem Zeichen,Auf daß die Nachwelt seinen Ruhm erfahreUnd staunend ihm den Lorbeer möge reichen.Hier liegt der Riß dir vor, den ich bewahre,Am Werke selbst hat meines Meisters HandGehammert und gefeilt drei volle Jahre.Und wie er fertig war, wie er's gesandtDem guten Fürsten, welcher es bestellt,Da hatte sich das Glück von dem gewandt.Die Feindschaft weißt du, die sich eingestellt,Verderblich zwischen ihm und Lanzelote,Und aufgereget eine halbe Welt.Da kam zum Meister ein betrübter Bote:Einschmelzen hatt' er jene Tafel lassen,Weil ihm kein Gold, kein schnödes, zu Gebote.Da sahn den guten Meister wir erblassen,Erschrocken schweigen eine lange ZeitUnd krampfhaft nach dem wunden Herzen fassen.Dann, niederkniend in Unterwürfigkeit,Sprach er und hob die Arme himmelwärts:«Auch das war eitel! eitel Eitelkeit!Am ird'schen Abglanz hing mein thöricht Herz,An dem vergänglichen des ew'gen Lichtes,Nun faßt um Eitles mich ein eitler Schmerz!O Herr! was falsch und eitel war, vernicht esIn meinem Busen; dienen dir und büßen,Das will ich bis zum Tage des Gerichtes.»So stand er auf und sah uns an mit süßenWehmüth'gen Blicken, schritt sodann hinaus,Rückschauend nur, noch einmal uns zu grüßen.Und in die Berge, in der Wildniß GrausTrug weltverlassend ihn sein Fuß, zu bauenEinsiedlerisch Kapell und niedres Haus.Da mocht er Unvergänglichem vertrauenUnd suchen, klaren Auges, reines Licht,Vermeidend in das Nebelthal zu schauen.Wie fromm er war, ein Frömmler war er nicht;Oft suchten wir ihn auf, er sah uns gerne,Und gab uns lächelnd Rath und Unterricht.Er liebte noch die Künste, wie die Sterne,Und seine lieben Schüler und Genossen;Er hielt sein Herz nur von dem Schlechten ferne.Einst fanden wir wie schlummernd hingegossenAm Kreuz ihn, wo zu beten er gepflegt;Sein altermüdes Auge war geschlossen.Wir weinten, als wir ihn zur Ruh gelegt.
Francesco Francias Tod.
Francesco Francia war zu seiner ZeitItaliens Stolz, gerühmt von allen ZungenAls Aurifex und Maler weit und breit.Zu ihm, dem Alten, ist der Ruf gedrungenVom jungen Römer, welcher sonder GleichenSich früh gar hohen Künstlerruhm errungen.Zwar konnt er noch zu sehen nicht erreichenEin Werk von ihm, doch haben sie geehretEinander und gewechselt Freundschaftszeichen.Ihm wird die Freude jetzt, die er begehret;Sieh! jener schreibt: «Mein Bitten werde mirVon meinem väterlichen Freund gewähret.Ich käme selbst, doch andres hält mich hier;Mein Bild für die San Giovanni Kapelle,Die heilige Cäcilie, send ich dir.Vertritt, mein lieber Meister, meine Stelle,Sieh helfend nach, ob Schaden es bekommen,Ein Riß, ein Fleck das zarte Werk entstelle;Und hast den Pinsel du zur Hand genommen,Verbeßre du zugleich auch liebevoll,Wo selber meine Kunst zu kurz gekommen.Dann stell es auf, das Bild, da wo es soll,Mit Liebe sorgend für das beste Licht,Und nimm entgegen meines Dankes Zoll!Dein Raffael.» – Der Meister schnell erbrichtDie Kiste, zieht das Bild hervor und rücktEs sich ins Licht und sieht, und glaubt es nicht.Er steht davor erschrocken und entzückt,Erfüllet ist, was seine Träume waren,Er fühlt sich selbst vernichtet und beglückt.«Heil mir! und Preis dir, Herr! der offenbarenDu solches noch gewollt in meinen Tagen;Nun laß in Frieden deinen Diener fahren.»Die Jünger hörten ihn die Worte sagen,Den letzten Laut aus seinem frommen Munde;Nicht Antwort gab er mehr auf ihre Fragen:Es war des alten Francias Sterbestunde.
Das Kruzifix.Eine Künstler-Legende.
1
Mit Ingrimm mochte nur sein Werk betrachtenDer Meister, der davor nachsinnend stand;Er ward versucht sich selber zu verachten.Er hat mit Kunst, mit Fleiße, mit VerstandDas Bild des Heilands hingestellt, alleinEin Bild, ein todtes Bild von Menschenhand.Das Leben drang in diesen Block nicht ein;Nicht kann, was Fleisch nicht ward, den Schmerz empfinden,Der tück'sche Marmor bleibt ein starrer Stein.Mag Ebenmaß und schöne Form sich finden,Nicht will des kunstgeübten Meißels SpurVor der erwachenden Natur verschwinden:Natur! o wende dich nicht ab, Natur!Ich will zum Ideal dich schon erheben;Allein du schweigst, ein Pfuscher bin ich nur!Und eingetreten in die Werkstatt eben,Dem Meister steht ein Jünger seiner KunstZur Seite, frommem Anschaun hingegeben.Der buhlet um derselben Muse Gunst,Berauschet sich am Anblick hier des Schönen,Und fühlt, sein eignes Streben sei nur Dunst.Zu ihm der Meister: «Willst du mich verhöhnen?Du staunest diesen kalten Marmor an,Als wolltest du dem Tode dich gewöhnen.»Der Fremde drauf: «Du wundersamer Mann,Mag deinen Christus auch des Todes RuhSo schweigsam, so absonderlich umfahn;Dem Großen, Schönen schau ich staunend zu,In mich es lernbegierig einzusaugen;Was da ist, frag ich bloß, was mangelt, du.»Und auf dem Fremden ruhn des Meisters Augen –Der Jugend Kraft, der hohen Schönheit Zier, –Ihm möcht ein solcher zum Modelle taugen. –«Du Jüngling, findest mich verzweifelnd schier; –Wie Schmerz und Leben aus dem Stein zu schlagen?Das Anschaun der Natur verläßt mich hier.Vergeblich wär's, nach Mietlingen zu fragen,Und bät ich dich, den edlen Kunstgenossen,Du würdest deine Hülfe mir versagen.»«Ich würde», sprach der Jüngling, «unverdrossen,Der Kunst zum Frommen und zu Gottes Ruhme,Dir leisten, was zu heischen du beschlossen.»Er sagt's, und strenger Schönheit seltne BlumeEnthüllt sofort dem Meister sich zur SchauIn der verschloßnen Werkstatt Heiligtume.Er prüft mit Kennerblick und prüft genau,Und kann sich dem Gedanken nicht entwinden:Durchzuckte Schmerz den edeln Gliederbau! –«Und soll ich, was du sprachst, bewähret finden,So mußt du mir von diesem Holze hangen.»Der Jüngling läßt ans Kreuz sich willig binden.Und wie er in die Schlingen ihn gefangen,Die Nägel holt, den Schlägel er herbei,Das Opfer muß den Martertod empfangen.Der erste Nagel faßt, es schallt ein Schrei,Er trifft kein Ohr, kein Herz, das Auge wachtAllein und forscht, was Schmerzensausdruck sei.Und hastig wird das Gräßliche vollbracht,Und schnell das bluth'ge Vorbild aufgestellt,Er schreitet nun zur Arbeit mit Bedacht.Von grauser Freude wird sein Blick erhellt,Wie der Natur er jetzt es abgewonnen,Wie sich im Schmerz ein schöner Leib verhält.Die Hand schafft unablässig und besonnen,Das Herz ist allem Menschlichen verdorrt,Zu fühlen hat der harte Stein begonnen;Ob aber bete der am Kreuze dort,Ob er in hoffnungsloser Qual verzage,Er meißelt unablässig fort und fort.So kommt die Nacht heran vom dritten Tage;Verschmachtet wird der Dulder bald erblassen,Und bald verhallen seine letzte Klage. –«Mein Gott, mein Gott, so hast du mich verlassen!»Es sinkt das Haupt, das sich erhob, zurück;Es ist vollbracht, was keine Worte fassen,Und auch vollendet ist ein Meisterstück.
2
«Mein Gott, mein Gott, so hast du mich verlassen!»Im Dome ward zu Nacht der Ruf vernommen;Wer ihn erhob? sie wußten's nicht zu fassen.Am Hochaltar, worauf ein Licht geglommen,Bewegte sich gespenstisch die Gestalt,Aus deren Mund der Schmerzensschrei gekommen.Sie warf sich dann zur Erde, mit GewaltDie Stirne schlagend an des Estrichs Steine,Die Wölbung hat vom Schalle widerhallt.Dann war's, als ob sie unaufhaltsam weine,Und in den Thränen Linderung gefunden;Sie stöhnte bei der Kerze letztem Scheine.Und als der Nacht unheimlich bange StundenVerflossen und der Morgen sich erhellt,War's still, und die Erscheinung war verschwunden.Nun eilt zum Kirchgang die erwachte Welt,Es drängen sich die Chorherrn zum Altar;Drauf ragt ein Kruzifix, erst aufgestellt. –Ein Gnadenbild, wie nie noch eines war;So hat der Gott den Todeskampf gerungen,So bracht er sich für uns zum Opfer dar.Es sehend, schreit der Sünder reudurchdrungenZu dem, der Sündern auch das Heil gebracht,Und: «Christ' eleison!» schallt von allen Zungen.Nicht scheint das Werk von Menschenhand gemacht;Wer möchte so das Göttliche gestalten?Wie seltsam stieg es auf im Schoß der Nacht? –Des Meisters ist es, der uns hingehaltenMit Ausflucht lange zögernd, zweifelsohneDas Aeußerste der Kunst noch zu entfalten. –Was bringen wir dem Trefflichen zum Lohne?Es ist das Gold, das schlechte, nicht genug;Gebührt dem Edlen nicht die Lorbeerkrone?Und bald geordnet ward ein Ehrenzug,An welchem Lai und Priester Antheil nahmen;Voran gieng, der den grünen Lorbeer trug.Und wie sie vor des Meisters Wohnung kamen,War weitgeöffnet, aber still das Haus,Auch still beim Widerhall von seinem Namen.Wohl schallten Pauk und Cymbeln mit GebrausZu der Drommeten gellend hellem Ton,Doch niemand kam zum Festempfang heraus.Verödet war das Haus am Morgen schon,Aus dem ein Nachbar sich entfernen nurSah pilgernd einen schlichten Menschensohn.Die Herren traten spähend auf den Flur,Sie brachen sich durch wüste Zimmer Bahn,Sie trafen nicht auf eines Menschen Spur;Sie riefen, ohne Antwort zu empfahn,Und hörten leer die Räume widerhallen;Sie drangen in die Werkstatt: was sie sahn –Darüber läßt das Lied den Schleier fallen.
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Den heim sie bringen, haben sie beschuldigt,Daß den Propheten er gelästert habeUnd ihrem falschen Mahom nicht gehuldigt.Der fremde Pilger ist's am Wanderstabe,Der büßend unter diesen Palmen wallteUnd uns erzählte von dem heil'gen Grabe.Wird gegen ihre Henker dieser AlteBewähren eines Christen festen Muth?Ihn stärke Gott, daß er am Glauben halte!Es gleißet arg verlockend zeitlich Gut;Ihm ist's beschieden, läßt er sich verleiten,Und bleibt er unerschüttert, fließt sein Bluth.Blickt dort nicht hin! Ein Gräßliches bereitenDie bluthgewohnten Schergen. Wehe, Wehe!Vielleicht, daß bald wir ihn dahin begleiten.Er kommt, – sie führen ihn daher; ich seheWie ein Geretteter, ihn freudig heiter,Als ob er neuem Glück entgegen gehe.Hat er erkauft...? o nein! sie schreiten weiterDer bluth'gen Stätte zu; so war's gemeint!Die Palme winkt dem starken Gottesstreiter. –«Weint nicht! ich habe selber nicht geweint,Als ich ans Kreuz den schönen Jüngling schlug;Mir war in meiner Brust das Herz versteint. –Und angstgepeitscht begann den irren ZugDer Frevler unter seiner Sünde Last,Der Kains Zeichen an der Stirne trug. –Der du für mich den Tod erduldet hast,Verfügst du huldreich, daß die Marter ende?Noch hofft ich, noch begehrt ich keine Rast.Unwürdig, daß dein Blick auf mich sich wende, –Der Tod, das Leben nicht, ist leicht zu tragen; –Nimm, Gott der Gnade, mich in deine Hände.»Als ihn die Schergen, ihn ans Kreuz zu schlagen,Ergriffen, schien es ihm erst wohl zu sein;Die ihn umstanden nur erhoben Klagen.Und als der Schmerz durchzuckte sein Gebein,Und er am Marterholz erhoben war,Genoß er Frieden vor der innern Pein.Ora pro nobis! betete die ScharDer Gläub'gen, die am Fuß des Kreuzes wachte;Sein Dulden war ein Beten immerdar.Der Tag, die Nacht vergiengen, und es machteDer zweite Tag kein Ende seiner Qual;Die dritte Sonne schon den Lauf vollbrachte;Und wie sie scheidend warf den letzten Strahl,Versucht' er noch ins Auge sie zu fassen,Und rief, und atmete zum letzten Mal:«Mein Gott, mein Gott, du hast mich nicht verlassen!»
Salas y Gomez.
(S. meine Schriften Theil 2. Seite 291)
1
Salas y Gomez raget aus den FlutenDes stillen Meers, ein Felsen kahl und bloß,Verbrannt von scheitelrechter Sonne Gluthen,Ein Steingestell ohn alles Gras und Moos,Das sich das Volk der Vögel auserkorZur Ruhstatt im bewegten Meeresschoß.So stieg vor unsern Blicken sie empor,Als auf dem «Rurik»: «Land im Westen! Land!»Der Ruf vom Mastkorb drang zu unserm Ohr.Als uns die Klippe nah vor Augen stand,Gewahrten wir der Meeresvögel ScharenUnd ihre Brüteplätze längs dem Strand.Da frischer Nahrung wir bedürftig waren,So ward beschlossen den Versuch zu wagen,In zweien Booten an das Land zu fahren.Es ward dabei zu sein mir angetragen.Das Schreckniß, das der Ort mir offenbart,Ich werd es jetzt mit schlichten Worten sagen.Wir legten bei, bestiegen wohlbewahrtDie ausgesetzten Boote, stießen ab,Und längs der Brandung rudernd gieng die Fahrt.Wo unterm Wind das Ufer Schutz uns gab,Ward angelegt bei einer Felsengruppe,Wir setzten auf das Trockne unsern Stab.Und eine rechts, und links die andre Truppe,Vertheilten sich den Strand entlang die Mannen,Ich aber stieg hinan die Felsenkuppe.Vor meinen Füßen wichen kaum von dannenDie Vögel, welche die Gefahr nicht kannten,Und mit gestreckten Hälsen sich besannen.Der Gipfel war erreicht, die Sohlen branntenMir auf dem heißen Schieferstein, indessenDie Blicke den Gesichtskreis rings umspannten.Und wie die Wüstenei sie erst ermessen,Und wieder erdwärts sich gesenket haben,Läßt eines alles andre mich vergessen.Es hat die Hand des Menschen eingegrabenDas Siegel seines Geistes in den Stein,Worauf ich steh, – Schriftzeichen sind's, Buchstaben.Der Kreuze fünfmal zehn in gleichen Reihn,Es will mich dünken, daß sie lang bestehen,Doch muß die flücht'ge Schrift hier jünger sein.Und nicht zu lesen! – deutlich noch zu sehenDer Tritte Spur, die sie verlöschet fast;Es scheint ein Pfad darüber hin zu gehen.Und dort am Abhang war ein Ort der Rast,Dort nahm er Nahrung ein, dort Eierschalen!Wer war, wer ist der grausen Wildniß Gast?Und spähend, lauschend schritt ich auf dem kahlenGesims einher zum andern Felsenhaupte,Das zugewendet liegt den Morgenstrahlen.Und wie ich, der ich ganz mich einsam glaubte,Erklomm die letzte von den Schieferstiegen,Die mir die Ansicht von dem Abhang raubte;Da sah ich einen Greisen vor mir liegen,Wohl hundert Jahre, mocht ich schätzen, alt,Des Züge, schien es, wie im Tode schwiegen.Nackt, langgestreckt die riesige Gestalt,Von Bart und Haupthaar abwärts zu den LendenDen hagern Leib mit Silberglanz umwallt.Das Haupt getragen von des Felsen Wänden,Im starren Antlitz Ruh, die breite BrustBedeckt mit übers Kreuz gelegten Händen.Und wie entsetzt, mit schauerlicher LustIch unverwandt das große Bild betrachte,Entflossen mir die Thränen unbewußt.Als endlich, wie aus Starrkrampf, ich erwachte,Entbot ich zu der Stelle die Gefährten,Die bald mein lauter Ruf zusammen brachte.Sie lärmend herwärts ihre Schritte kehrten,Und stellten, bald verstummend, sich zum Kreis,Die fromm die Feier solchen Anblicks ehrten.Und seht, noch reget sich, noch atmet leis,Noch schlägt die müden Augen auf und hebtDas Haupt empor der wundersame Greis.Er schaut uns zweifelnd, staunend an, bestrebtSich noch zu sprechen mit erstorbnem Munde, –Umsonst! er sinkt zurück, er hat gelebt.Es sprach der Arzt, bemühnd in dieser StundeSich um den Leichnam noch: «Es ist vorbei.»Wir aber standen betend in der Runde.Es lagen da der Schiefertafeln dreiMit eingeritzter Schrift; mir ward zu TheileDer Nachlaß von dem Sohn der Wüstenei.Und wie ich bei den Schriften mich verweile,Die rein in span'scher Zunge sind geschrieben,Gebot ein Schuß vom Schiffe her uns Eile.Ein zweiter Schuß und bald ein dritter triebenVon dannen uns mit Hast zu unsern Booten;Wie dort er lag, ist liegen er geblieben.Es dient der Stein, worauf er litt, dem TodtenZur Ruhestätte wie zum Monumente,Und Friede sei dir, Schmerzenssohn, entboten!Die Hülle gibst du hin dem Elemente,Allnächtlich strahlend über dir entzündenDes Kreuzes Sterne sich am Firmamente,Und, was du littest, wird dein Lied verkünden.
2Die erste Schiefertafel
Mir war von Freud und Stolz die Brust geschwellt,Ich sah bereits im Geiste hoch vor mirGehäuft die Schätze der gesammten Welt.Der Edelsteine Licht, der Perlen Zier,Und der Gewänder Indiens reichste Pracht,Die legt ich alle nur zu Füßen ihr.Das Gold, den Mammon, diese Erdenmacht,An welcher sich das Alter liebt zu sonnen,Ich hatt's dem grauen Vater dargebracht.Und selber hatt ich Ruhe mir gewonnen,Gekühlt der thatendurst'gen Jugend Gluth,Und war geduldig worden und besonnen.Sie schalt nicht fürder mein zu rasches Bluth;Ich wärmte mich an ihres Herzens Schlägen,Von ihren weichen Armen sanft umruht.Es sprach der Vater über uns den Segen,Ich fand den Himmel in des Hauses Schranken,Und fühlte keinen Wunsch sich fürder regen.So wehten thöricht vorwärts die Gedanken;Ich aber lag auf dem Verdeck zu Nacht,Und sah die Sterne durch das Thauwerk schwanken.Ich ward vom Wind mit Kühlung angefacht,Der so die Segel spannte, daß wir kaumDen flücht'gen Weg je schnellern Laufs gemacht.Da schreckte mich ein Stoß aus meinem TraumErdröhnend durch das schwache Bretterhaus;Ein Wehruf hallte aus dem untern Raum.Ein zweiter Stoß, ein dritter; krachend ausDen Fugen riß das Plankenwerk, die WelleSchlug schäumend ein und endete den Graus.Verlorner Schwimmer in der Brandung Schwelle,Noch rang ich jugendkräftig mit den Wogen,Und sah noch über mir die Sternenhelle.Da fühlt ich in den Abgrund mich gezogen,Und wieder aufwärts fühlt ich mich gehoben,Und schaute einmal noch des Himmels Bogen.Dann brach die Kraft in der Gewässer Toben,Ich übergab dem Tod mich in der Tiefe,Und sagte Lebewohl dem Tag dort oben.Da schien mir, daß in tiefem Schlaf ich schliefe,Und sei mir aufzuwachen nicht verliehen,Obgleich die Stimme mir's im Innern riefe.Ich rang mich solchem Schlafe zu entziehen,Und ich besann mich, schaut umher, und fand,Es habe hier das Meer mich ausgespieen.Und wie vom Todesschlaf ich auferstand,Bemüht ich mich die Höhe zu ersteigen,Um zu erkunden dieß mein Rettungsland.Da wollten Meer und Himmel nur sich zeigen,Die diesen einsam nackten Stein umwanden,Dem nackt und einsam selbst ich fiel zu eigen.Wo dort mit voller Wuth die Wellen branden,Auf fernem Riffe war das Wrack zu sehen,Wo selbst es lange Jahre noch gestanden.Mir unerreichbar! – und des Windes Wehen,Der Strom, entführen seewärts weiter fortDes Schiffbruchs Trümmer, welcher dort geschehen.Ich aber dachte: nicht an solchem OrtWirst lange die Gefährten du beneiden,Die früher ihr Geschick ereilte dort.Nicht also, – mich, es will nur mich vermeiden!Der Vögel Eier reichen hin alleinMein Leben zu verlängern und mein Leiden.Selbander leb ich so mit meiner Pein,Und kratze mit den scharfen MuschelscherbenAuf diesen mehr als ich geduld'gen Stein:«Ich bin noch ohne Hoffnung bald zu sterben.»
3Die andere Schiefertafel
Ich saß vor Sonnenaufgang an dem Strande,Das Sternenkreuz verkündete den TagSich neigend zu des Horizontes Rande.Und noch gehüllt in tiefes Dunkel lagVor mir der Osten, leuchtend nur entrollteZu meinen Füßen sich der Wellenschlag.Mir war, als ob die Nacht nicht enden wollte;Mein starrer Blick lag auf des Meeres Saum,Wo bald die Sonne sich erheben sollte.Die Vögel auf den Nestern, wie im Traum,Erhoben ihre Stimmen, blaß und blasserErlosch der Schimmer in der Brandung Schaum,Es sonderte die Luft sich von dem Wasser,In tiefem Blau verschwand der Sterne Chor;Ich kniet in Andacht und mein Aug ward nasser.Nun trat die Pracht der Sonne selbst hervor,Die Freude noch in wunde Herzen senkt;Ich richtete zu ihr den Blick empor.Ein Schiff! ein Schiff! mit vollen Segeln lenktEs herwärts seinen Lauf, mit vollem Winde;Noch lebt ein Gott, der meines Elends denkt!O Gott der Liebe, ja du strafst gelinde,Kaum hab ich dir gebeichtet meine Reu,Erbarmen übst du schon an deinem Kinde.Du öffnest mir das Grab und führst auf's neuZu Menschen mich, sie an mein Herz zu drücken,Zu leben und zu lieben warm und treu.Und oben von der Klippe höchstem Rücken,Betrachtend scharf das Fahrzeug, ward ich bleich,Noch mußte mir bemerkt zu werden glücken.Es wuchs das hergetragne Schiff, zugleichDie Angst in meinem Busen namenlos;Es galt des Fernrohrs möglichen Bereich.Nicht Rauch! nicht Flaggentuch! so bar und bloß,Die Arme nur vermögend auszubreiten!Du kennst, barmherz'ger Gott, du fühlst mein Los!Und ruhig sah ich her das Fahrzeug gleitenMit windgeschwellten Segeln auf den Wogen,Und schwinden zwischen ihm und mir die Weiten.Und jetzt –! es hat mein Ohr mich nicht betrogen,Des Meisters Pfeife war's, vom Wind getragen,Die wohl ich gier'gen Durstes eingesogen.Wie wirst du erst, den seit so langen TagenEntbehrt ich habe, wonnereicher LautDer Menschenred, ans alte Herz mir schlagen!Sie haben mich, die Klippe doch erschaut,Sie rücken an die Segel, im BegriffDen Lauf zu ändern. – Gott, dem ich vertraut!Nach Süden – –? wohl! sie müssen ja das RiffUmfahren, fern sich halten von der Brandung.O gleite sicher, hoffnungschweres Schiff!Jetzt wär es an der Zeit! o meine Ahndung!Blickt her! blickt her! legt bei! setzt aus das Boot!Dort unterm Winde, dort versucht die Landung!Und ruhig vorwärts strebend ward das BootNicht ausgesetzt, nicht ließ es ab zu gleiten,Es wußt gefühllos nichts von meiner Noth.Und ruhig sah ich hin das Fahrzeug gleitenMit windgeschwellten Segeln auf den Wogen,Und wachsen zwischen ihm und mir die Weiten.Und als es meinem Blicke sich entzogen,Der's noch im leeren Blau vergebens sucht,Und ich verhöhnt mich wußte und belogen;Da hab ich meinem Gott und mir geflucht,Und an den Felsen meine Stirne schlagend,Gewüthet sinnverwirret und verrucht.Drei Tag und Nächte lag ich so verzagend,Wie einer, den der Wahnsinn hat gebunden,Im grimmen Zorn am eignen Herzen nagend;Und hab am dritten Thränen erst gefunden,Und endlich es vermocht, mich aufzuraffen,Vom allgewalt'gen Hunger überwunden,Um meinem Leibe Nahrung zu verschaffen.
4Die letzte Schiefertafel
Geduld! Die Sonne steigt im Osten auf,Sie sinkt im Westen zu des Meeres Plan,Sie hat vollendet eines Tages Lauf.Geduld! Nach Süden wirft auf ihrer BahnSie jetzt, bald wieder senkrecht meinen Schatten,Ein Jahr ist um, es fängt ein andres an.Geduld! Die Jahre ziehen ohn Ermatten,Nur grub für sie kein Kreuz mehr deine Hand,Seit ihrer funfzig sich gereihet hatten.Geduld! Du harrest stumm am Meeresrand,Und blickest starr in öde blaue Ferne,Und lauschst dem Wellenschlag am Felsenstrand.Geduld! Laß kreisen Sonne, Mond und Sterne,Und Regenschauer mit der SonnengluthAbwechseln über dir; Geduld erlerne!Ein Leichtes ist's, der Elemente WuthIm hellen Tagesscheine zu ertragen,Bei regem Augenlicht und wachem Muth.Allein der Schlaf, darin uns Träume plagen,Und mehr die schlaflos lange bange Nacht,Darin sie aus dem Hirn hinaus sich wagen!Sie halten grausig neben uns die WachtUnd reden Worte, welche Wahnsinn locken; –Hinweg! hinweg! wer gab euch solche Macht?Was schüttelst du im Winde deine Locken?Ich kenne dich, du rascher wilder Knabe,Ich seh dich an und meine Pulse stocken.Du bist ich selbst, wie ich gestrebet habeIn meiner Hoffnung Wahn vor grauen Jahren,Ich bin du selbst, das Bild auf deinem Grabe.Was sprichst du noch vom Schönen, Guten, Wahren,Von Lieb und Haß, von Thatendurst? du Thor!Sieh her, ich bin, was deine Träume waren.Und führest wiederum mir diese vor?Laß ab, o Weib, ich habe längst verzichtet,Du hauchst aus Aschen noch die Gluth empor!Nicht so den süßen Blick auf mich gerichtet!Das Licht der Augen und der Stimme Laut,Es hat der Tod ja alles schon vernichtet.Aus deinem hohlen morschen Schädel schautKein solcher Himmel mehr voll Seligkeit;Versunken ist die Welt, der ich vertraut.Ich habe nur die allgewalt'ge ZeitAuf diesem öden Felsen überragtIn grausenhafter Abgeschiedenheit.Was, Bilder ihr des Lebens, widersagtIhr dem, der schon den Todten angehöret?Zerfließet in das Nichts zurück, es tagt!Steig auf, o Sonne, deren Schein beschwöretZur Ruh den Aufruhr dieser Nachtgenossen,Und ende du den Kampf, der mich zerstöret.Sie bricht hervor, und jene sind zerflossen. –Ich bin mit mir allein und halte wiederDie Kinder meines Hirns in mir verschlossen.O tragt noch heut, ihr altersstarren Glieder,Mich dort hinunter, wo die Nester liegen;Ich lege bald zur letzten Rast euch nieder.Verwehrt ihr, meinem Willen euch zu schmiegen,Wo machtlos innre Qualen sich erprobt,Wird endlich, endlich doch der Hunger siegen.Es hat der Sturm im Herzen ausgetobt,Und hier, wo ich gelitten und gerungen,Hier hab ich auszuatmen auch gelobt.Laß, Herr, durch den ich selber mich bezwungen,Nicht Schiff und Menschen diesen Stein erreichen,Bevor mein letzter Klagelaut verklungen.Laß klanglos mich und friedsam hier erbleichen;Was frommte mir annoch in später Stunde,Zu wandeln, eine Leiche über Leichen?Sie schlummern in der Erde kühlem Grunde,Die meinen Eintritt in die Welt begrüßt,Und längst verschollen ist von mir die Kunde.Ich habe, Herr, gelitten und gebüßt, –Doch fremd zu wallen in der Heimath – nein!Durch Wermuth wird das Bittre nicht versüßt.Laß weltverlassen sterben mich allein,Und nur auf deine Gnade noch vertrauen;Von deinem Himmel wird auf mein GebeinDas Sternbild deines Kreuzes niederschauen.
Das Malerzeichen.
Maria sang:
Es wird aus trägen StundenAm Ende doch auch ein Tag,Ein trüber Tag, den die SonneNicht scheinend erfreuen mag.
Du bist nicht gekommen, Wilhelm,Und warst mir einst doch gut;Dein Aug hat wohlgefällig,Dein klares auf mir geruht.
Hast wohl ein Gemälde gefertigt,Wo deine Mus' ich war;Es stellt das verlassene MädchenEin anderes Bild nun dar.
Und wenn ich allein auch weinen,Ja weinen und sterben muß,Ich habe durch dich empfundenDes Glückes Ueberfluß.
Und wenn du auch mich betrübest,Du bist mein einziges Licht;Und trüg ich dich nicht im Herzen,So möcht ich das Leben nicht.
Ich will dich lieben, dich segnen,Dich segnen vieltausend MalSo viel als Sterne am Himmel,So viel als Blumen im Thal,
So viel als Blätter im WaldeVerstreut der herbstliche Wind,So viel als von meinen AugenDir Thränen geflossen sind.
Der Hofrath sprach: «Laß, junger Mann, dich warnen,Im Labyrinthe weisen dich zurechteDen väterlichen Freund, den vielerfahrnen.Du ringst nach Freiheit, aber gleich dem KnechteFrönst willenlos du blinder Raserei,Denn dich beherrschen der Begierden Mächte.Zerbrich dein Joch, ergib dich uns und seiDer Unsre nur; im heil'gen Ordensbunde,Im Stande des Gehorsams wirst du frei.Entsagst du muthig in der Weihe StundeDen Götzen, die als höchster Zweck dir galten,Und reißest bluthig sie aus Herzens Grunde;Wirst über sie als Mittel du noch schalten,Dann dienen Kunst und ird'sche Liebe dir,Und frönen deinem gottgeweihten Walten.Die Mittel heiliget der Zweck, und hierTritt sündentilgend ein der Kirche Macht:Der Geist ist willig, schwach des Fleisches Gier.»Der Maler drauf: «Hast Eines zu bedacht?Du willst das Heil der Seele mir verkünden,Und hast um meine Ruhe mich gebracht.Dir sind die Kunst, die keusche Liebe Sünden;Einfältig wähnt ich fromm zu sein und gut, –Ich kann dich nicht erfassen, nicht ergründen.»Er spricht's mit trübem, mit gebrochnem Muth;Es hat sich von der Staffelei erhobenSein blaues Auge, das auf jenem ruht.Und der darauf: «Dein Sinn ist noch umwobenVon trübem Nebelflor, dein Auge blind,Doch, bist du folgsam, wirst du noch mich loben.Der Glanz, der Reichthum dieses Hauses sindDir Zeugen, es bedenke schon hieniedenDie Kirche, die da selig macht, ihr Kind.Laß in die goldnen Ketten erst dich schmieden,Es führt der Orden dich zu Glück und Ehren,Und erst in ihm erlangest du den Frieden.Großmutter wird des Bessern dich belehren;Erwarte sie, dein Herz verschließe nichtDer sanften Lockung ihrer klugen Lehren.Mich ruft der Glockenschlag zu andrer Pflicht,Betstunde muß ich mit den Meinen halten,Benutze du indeß das Tageslicht.Du hast das Bild der Unschuld zu gestalten,Dir sitzt dazu mein holdes Schwesterlein,Du magst hier deine Kunst mit Lust entfalten.»Er sprach's und gieng; der Jüngling blieb alleinMit jener Schwester und den eignen Qualen;Es mochte wohl gar nächtlich in ihm sein.Es war das Mädchen, das er sollte malen,Verführerisch und reizend, wie die Lust,Und blendend-schöner, als der Sonne Strahlen;Doch war er keiner Lockung sich bewußt;Er trug, und dieses sah er nur, verschlossenEin andres Bild in seiner tiefsten Brust.Des seltnen Kindes wonn'ge Blicke flossenVon seinem wunden Herzen ab, es drangKein Pfeil auf die verwahrte Brust geschossen.Und wieder bald sirenenartig sangDas Feenkind gar wundersame Lieder;Er malte, lauschte nicht dem Zauberklang.Er sah sie an mit Künstlerblick, und wiederDas eigne Werk, doch ihren Reizen blind;Schon senkte dämmernd sich der Abend nieder.Die Alte kam; es flog ihr EnkelkindZu ihr liebkosend mit anmuth'gem Scherze;Sie schloß sie in die Arme traut und lind:«Du bist mein Schoßkind, bist mein liebes Herze!» –Und Wilhelm, der vor seiner Tafel stand,Hub an zu reden mit verhaltnem Schmerze:«Du wirst das Werk, o Herrin, meiner HandNicht loben; wurde doch von mir begehrtDer Unschuld Engelbild im Lichtgewand;Es hat sich in die Wollust mir verkehrt.»Und sie darauf: «Hier find ich nichts zu rügen;Die Unschuld wird am ersten so verehrt.Man muß die Welt zu ihrem Heil betrügen,Nur werde den Betrug sie nimmer inne;Ihr taugt die Unschuld mit der Wollust Zügen.Die körnet uns gar manchen zum Gewinne,Gar manchen, der die nackte Wahrheit scheute,Denn mächtig in dem Menschen sind die Sinne.Du wartest, daß ich deinen Weg dir deute? –Sie ist mein Kind, du kannst das andre sein, –Sei unser nur, ergib dich uns noch heute. –Wo nur mein Enkel weilt?» – Der trat hereinBestürmend sie mit räthselhaften Fragen:«Großmutter, warst du dort, und wird's gedeihn?Wird deine Saat auch dort in Flammen schlagen?»Sie sah mit Stolz ihn an und hob das Haupt:«Triumph! du hast den Sieg davon getragen!»Er stand, ungläubig fast, wie sinnberaubt:«Du hast vermocht...? – Der Meineid, den er schwur...?»Sie lachte: «Du! der noch an Schwüre glaubt?!Des Schlosses kleine Thür, sobald die UhrDie zwölfte Stunde schlägt, wird aufgethan,Ein Weib erscheint, du folgest ihrer Spur;Man wartet deiner auf dem Hochaltan,Und graut im Osten erst der junge Tag,So bricht der Morgen deiner Herrschaft an.»Der Maler hatte sich entfernt, es lag,Entschluß zu fassen, schwer ihm, wie Verbrechen,Als einem, der sich selbst nicht trauen mag.Er war, um nur von seiner Kunst zu sprechen,Nur Rast vom innern Kampfe zu erlangenUnd der Gedanken Drang zu unterbrechen,Zum gleichgesinnten Kunstfreund hingegangen.
Maria sang:
Ich habe mit Bangen und GrauenDie tiefe Mitternacht,Dein treues Bild im Herzen,Und trauernd herangewacht.
Es ist gar müde gewordenDas Auge, das Thränen vergießt,Und banger drohen die Stunden,Wann erst es der Schlummer verschließt.
Es lauern die bösen TräumeVerwirrend des Menschen Sinn,Es beugen die NachtgespensterVersuchend sich über ihn hin.
Schlaf wohl! schlaf wohl! mein Geliebter,Ich grüße dich inniglich;Ich will zu dem Vater beten,Will beten für dich und mich:
Erlaß uns unsere Schulden,Wie selbst wir andern gethan;Entferne von uns den Versucher,Verschließ uns des Bösen Bahn;
Dein heiliger Wille gescheheAuf Erden, der unsere nicht;Geheiliget werde dein Name,Und komme dein Reich und das Licht.
Er hatte laut gesprochen, Wein genossen,Und lauter stets zu sprechen sich beflissen,Bestaunt von seinem Freund und Kunstgenossen;So hoffend, wie das Herz ihm auch zerrissen,Er werde dessen Stimme überschrein,Und sich und jenen zu betrügen wissen.Und in der öden Wohnung nun allein,Im stillen Schoß der düstern Mitternacht,Bei seiner Lampe spärlich blassem Schein,Da war der innre Zwist neu angefacht;Er gieng mit heft'gen Schritten durch das Zimmer,Durchwühlend grimmig seines Busens Schacht:Maria, reine! dich verlassen? nimmer!Bist ja mein Herz, bist meines Lebens Kern,Bist meiner treuen Hoffnung ferner Schimmer!Mein Himmel ist die Kunst, und du mein Stern; –Und dieser auch, und auch der Kunst entsagen?Nein, nein! es bleibe die Versuchung fern.Ich werd euch im getreuen Busen tragen,Der ich euch sonder Wanken treu geblieben,So lang ich atme und die Pulse schlagen. –Und diese Menschen, welche doch mich lieben;Der Hofrath, welcher fast mir Vater war,Und schon mich zur Verzweiflung schier getrieben!Und weise war sein Wort und schien auch wahr,Und klug der Anschlag, den er fromm ersonnen, –Wohl ist die Frömmigkeit der beiden klar. –Von welchen Netzen fühl ich mich umsponnen?Wer hat zum Vormund diese mir bestellt?Daß solche Macht sie über mich gewonnen!Zum Teufel! – Teufel? – Innehaltend fälltEin Pinsel ihm ins Aug, ihn faßt die Hand,Er hält ihn, wie man den zum Malen hält,Und malt, und malt den Teufel an die Wand;Er malt mit Fleiß die fratzenhaften Züge,Und starrt ihn an, den Satan, unverwandt.Er schilt ihn aus: «Versucher! Geist der Lüge!Wie schon in mir, so auch da draußen hause,Und steh mir Rede, was ich auch dich früge.»Da rauscht's, da löst sich von der Wand das grause,Das scheußliche, gespenstische Gesicht;Es reckt sich, raget in die innre Klause,Verdreht die Augen, starrt ihn an und sprichtMit gräßlich aufgesperrtem, weitem Rachen:«Dir Rede stehn? nun ja! warum denn nicht?»Dann bricht es aus in schauderhaftes Lachen;Und bleich und zitternd stand davor der Maler;Und weiter spricht es: «Nun? was willst du machen?Du wolltest Rath, und zitterst? Pfui! du Prahler!Der uns von euch gesondert hält, der StrichIst, merkst du nun zu spät, doch nur ein schmaler.Mein Rath ist der: die Kirche, welche sichUm dich bewirbt, der Rath, das alte Weib,Du hast es los, sie sind dir widerlich;Dir bleibt die Kunst ein beßrer Zeitvertreib,Und als Maria minder auch behagtDas dumme Ding dir mit dem weichen Leib.Wohlan denn! nicht gejammert noch geklagt;Du sollst schon, den du brauchest, an mir haben,Und wirst von keinem Frommen mehr geplagt.Du malst, ich wuchre noch mit deinen Gaben, –Ein armes Nichts, ein bißchen Höllendunst,Ein Firnis, Aug und Herz daran zu laben; –Vor deinen Tafeln fällt die Welt in Brunst,Mit Lorbeer krönt sie dich nach altem Brauch,Und schreit: o Wunder! über deine Kunst.Das Wunder, Schatz, bewirket nur ein Hauch,Ein bloßer Hauch aus deines Knechtes Munde;Ich bin ja, wie du weißt, ein Künstler auch.Sei erst, du armer Schelm, mit mir im Bunde,So schwillt dein Glück; du wirst es nicht bereuen,Denn viel vermag ich auf dem Erdenrunde.So muß auch bald Maria dich erfreuen,Und wirst in ihrem Arm du kalt und wüst,Will ich zur Sünde dir die Kraft erneuen;Und hast an ihr du deine Lust gebüßt,Beschaff ich andres für den nächsten Morgen,Denn erst durch Wechsel wird das Ding versüßt.Du schwelgest immer zu und läßt mich sorgen;Dein Freund, der Rath, der heuchlerische Schuft,Kommt noch zu dir, um Geld von dir zu borgen.O das Gezücht! ich wittre Höllenduft! –Sind dir die Frommen so wie mir verhaßt,So schimpfe mit, es macht der Lunge Luft.»Der Maler: «Schweig! Verleumder, halte Rast!Du wirst mich auf die Weise nicht gewinnen,Wohl Gottes sind, die du gelästert hast.Was mir zu thun geziemet, werd ich sinnen;Doch Scheusal, Satan, wie dich Namen nennen,Du wirst mir aus dem Garne nicht entrinnen.Dir auf der Stirne soll mein Zeichen brennen,Bei Gott! mein rothes Kreuz, und aller OrtenWill ich daran, wie du dich stellst, dich kennen.»Flugs greift er nach dem rothen Pinsel dorten:Zwei Striche, – so! – das Kreuz – des Malers ZeichenEr hat es schnell vollführt nach seinen Worten.Da sieht er wiederum zurückeweichenWie schreckhaft das ersterbende Gesicht,Sich mit der flachen Mauer auszugleichen.Was Rausch, was Wahnsinn war, er weiß es nicht;Vom Fieberfroste schlottern seine Glieder,Er sinkt zu Boden, es erlischt das Licht,Und endlich träufelt Schlummer auf ihn nieder.
Maria sang:
Willkommen, du Gottes Sonne,Willkommen im Himmelsraum!Hast freudig mich aufgewecketAus einem freudigen Traum.
Erschaust du meinen Geliebten,O schmeichl ihm mit freundlichem Strahl,Und sag ihm, ich ließ' ihn grüßen,Ja grüßen viel tausend Mal.
Der erste Strahl der Morgensonne trafDes Malers Augen, welcher hingestrecktNoch auf dem Estrich lag in tiefem Schlaf.Und wie der helle Schein ihn aufgeweckt,Besann er sich und suchte nach der SpurDer Bilder, die zu Nacht ihn so erschreckt.Ob er's erlebt hat, ob geträumet nur? –Nicht alles war ein Traum, – noch zeigt die WandDie sonderbare teuflische Figur.Sie ist sein Werk, unsicher nur die Hand,Den Bildern auch phantastisch zu vergleichen,Die eines Trunknen Uebermuth erfand.Noch aber will ein Zweifel ihn beschleichen:Es fehlt, und müßte da sein, – sonderbar! –Da, auf der Stirne fehlt das Malerzeichen;Und ist ihm die Erinnerung doch klar,Er zeichnete damit den bösen Geist,Daran ihn zu erkennen immerdar.Der Mangel dieses Zeichens, er beweist,Daß auch mit Wahngebilden er gerungen;Er fragt sich selbst, was ihm der Spuk verheißt.Er prüft des Nachtgespenstes Lästerungen,Prüft seiner frommen Freunde sanften Zug,Und fühlet dem zu folgen sich gedrungen.Die Wuth des Unholds, die in Flammen schlug,Als ihrer ward erwähnt, sein grimmig Hassen,Sein Hohn, sein Schmähn, sie reden laut genug. –«Dir opfr ich, Gott, was keine Worte fassen;Nimm so mich hin, wie ich verarmt nun bin; –Ich will mich ihrer Führung überlassen.»Er spricht's und weint; er meint in seinem Sinn:Es werde schnell das Schmerzliche vollendet.Er weint, und rafft sich auf, und gehet hin.Und wie er dorthin seine Schritte wendet,Betäubt sein Ohr ein dumpfes Sturmgeläute,Vom Glanz der Waffen wird sein Aug geblendet;Verkehrt die Stadt zum Schlachtgefild sich heute?Er ist so fremd im eignen Vaterlande,Er weiß nicht, was das Gräßliche bedeute.Es lodern Fackeln dort bereit zum Brande,Und das Geschütz wird drüben aufgefahren;Hier rüsten Haufen sich zum Widerstande;Die Straßen füllen sich mit Kriegesscharen;Man müht sich dort, das Pflaster aufzuraffen;Dort fliehen Frauen mit zerrauften Haaren;Hier reichen Mütter ihren Söhnen Waffen,Ermahnen, die zu Streitern sie bestellten,Zu sterben oder Ruhm sich zu verschaffen.Er fragt und forscht, und hört im Volke schelten:«Der Tag wird heiß; der Teufel ist mit seinerGroßmutter los; der Hofrath wird's entgelten.» –Und drüben zeigt mit Dolch und Brand sich einer: –«Was will denn der? mir deucht, ich sollt ihn kennen; –Er ist es selbst, fürwahr er ist's, sonst keiner. –Herr Hofrath!» Dieser, hörend so sich nennen,Kehrt her das Haupt – ihm auf der Stirne siehtDas Kreuz, das rothe Kreuz, er grausig brennen.Zusammenschreckend vor dem Maler fliehtEr schnell, verbirgt sich in die dichtsten Gruppen,Und hält das Kreuz verhüllt, das ihn verrieth. –Der Teufel ist's, dort schirmen ihn die Truppen;Entsetzen hat den jungen Mann erfaßt,Es fallen von den Augen ihm die Schuppen:«Du bist es, Geist der Lüge, der du fastUm Kunst und Liebe höllisch mich betrogen,Mich von Maria schier entfremdet hast.So ward ich um mein Himmelreich belogen.Zu ihr, zu ihr! die schwere Schuld zu büßen,Zu ihr, die auf zum Lichte mich gezogen!»Er kommt und wirft sich zu Marias Füßen,Sie hebt ihn sanft in ihrem Arm empor,An seinem Herzen schlägt das Herz der Süßen;Der Waffen Schall verhallt an ihrem Ohr.
Sie sangen
Sie:
Du Freund an meinem Herzen,Du langersehnter, du!Ich habe dich wiedergefunden;O fließet, ihr Thränen, nur zu!
Er:
Maria, du süße, du reine!Nun scheidet uns nur der Tod.Schutzengel sei mir und Leitstern,Mein Morgen-, mein Abendroth.
Sie:
Nun sollst du die Kunst erst liebenUnd fromm und freudig sein;Nun bist du mein auf ewig,Nun bin ich auf ewig dein.
Er:
Nun werd ich die Kunst erst lieben,Und fromm und freudig sein;Nun bin ich dein auf ewig,Nun bist du auf ewig mein.
Beide:
Wir wollen uns lieben, uns herzen,Und sein wie Kind und Kind;Nun freun sich die Engel im Himmel,Da wir vereinigt sind. |