Adelbert von Chamisso
1781 - 1838
Gedichte.Ausgabe letzter Hand
1837
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Der Dichter.
Und wie der Mensch nur sagen kann: Hie bin ich! Daß Freunde seiner schonend sich erfreun; So kann ich auch nur sagen: Nimm es hin. Goethe
1.Aus der Beeringsstrasseim Sommer 1816.
Die Lieder, die mir unter Schmerz und LustAus jugendlichem Busen sich befreit,Nachklangen wohl, ich bin es mir bewußt,In Derer Herzen, denen sie geweiht;Sei still, mein Herz, und trage den Verlust,Sie klangen, sie verhallten in der Zeit;Mein Lieben und mein Leben sind verhalltMit meinen Liedern, um mich ist es kalt.
Das Leben hat, der Tod hat mich beraubt,Es fallen Freunde, sterben von mir ab,Es senkt sich tief und tiefer schon mein Haupt,Ich setze träumend weiter meinen Stab,Und wanke, müder, als wohl mancher glaubt,Entgegen meinem Ziele, meinem Grab.Es giebt des Kornes wenig, viel der Spreu:Ich pflückte Blumen, sammelte nur Heu.
Das that ich sonst, das tu ich annoch heute,Ich pflücke Blumen und ich sammle Heu;Botanisieren nennen das die Leute,Und anders es zu nennen trag ich Scheu;So schweift das Menschenkind nach trockner BeuteDas Leben und die Welt hindurch, die ReuEreilet ihn, und, wie er rückwärts schaut,Der Abend sinkt, das Haar ist schon ergraut.
So, Bruder, schaudert's mich auf irrer Bahn,Wann düstre Nebel ruhn auf trübem Meer;Beeiste Felsen ruf ich liebend an,Die kalten Massen widerhallen leer;Ich bin in Sprach und Leben ja der Mann,Der jede Sylbe wäget falsch und schwer;Ich kehre heim, so wie ich ausgegangen,Ein Kind, vom greisen Alter schon umfangen.
Wann erst der Palme luft'ge Krone wiederIn tiefer Bläue schlankgetragen ruht,Aus heitrer Höh die mächt'ge Sonne niederZur wonn'gen Erde schaut in reiner Gluth,Dann schmiegen sich durchwärmt die starren GliederUnd minder schwer zum Herzen fließt das Bluth,Dann möchten auch die düstern Träume weichenUnd ich die Hand dir sonder Klage reichen.
2.Bei der Rückkehr.Swinemünde im Oktober 1818.
Heimkehret fernher, aus den fremden Landen,In seiner Seele tief bewegt der Wandrer;Er legt von sich den Stab und knieet nieder,Und feuchtet deinen Schoß mit stillen Thränen,O deutsche Heimath! – Woll ihm nicht versagenFür viele Liebe nur die eine Bitte:Wann müd am Abend seine Augen sinken,Auf deinem Grunde laß den Stein ihn finden,Darunter er zum Schlaf sein Haupt verberge.
3.Berlin.Im Jahr 1831.
Du, meine liebe deutsche Heimath, hast,Warum ich bat, und mehr noch mir gegeben;Du ließest freundlich dem gebeugten GastDie eigne traute Hütte sich erheben,Und der bescheidne kleine Raum umfaßtEin neuerwachtes heitres reiches Leben;Ich habe nicht zu bitten, noch zu klagen,Dir nur aus frommem Herzen Dank zu sagen. –
Du siehst mich zweifelnd halb und halb erschrockenMit feuchten Augen an, mein gutes Kind,Laß nicht den Schein in Irrthum dich verlocken,Es ist ja nur des Abends kühler Wind,Des Mondes bleicher Schein auf meinen Locken,Die fast wie Silber anzusehen sind;Ein halbes Hundert mir entrauschter JahreHat nicht mein Herz berührt, nur meine Haare.
Mit duft'gen üpp'gen Blumenkränzen mußt,Mit Rosen, du beschatten ihren Glanz;Ich bin noch jung, noch stark, noch voller Lust,Und windet um die Stirne sich der Kranz,Und wieget sich mein Haupt an deiner Brust,Und wird der Traum zur Wirklichkeit so ganz,Erblühet zum Gesang mein heimlich Meinen,Und alle meine Lieder sind die deinen.
Ja! Lieder, neue Lieder will ich singen;Du, meine Muse, lauschest unverwandt,Und wenn die Weisen dir zum Herzen dringen,Drückst leise du belohnend mir die Hand;Laß ungestraft um uns die Kinder springen,Vielleicht daß sie der Geist der Lieder bannt,Kein Zwang: es würden mich die armen dauern,Sie dürfen nicht um unsre Freude trauern.
Und, liebes Kind, laß Thür und Fenster offen;Erworben hab ich mir der Freunde viele,Und habe derer manche schon getroffen,Die Freude hatten an dem heitern Spiele;Willkommen sei, wer lauschen will: mein HoffenWär eben, daß es vielen wohlgefiele;Wem aber unsre Lieder nicht gefallen,Der stört uns nicht, der wird vorüber wallen. |