Adelbert von Chamisso
1781 - 1838
Frauen-Liebe und Leben
1830
Liederzyklus, vertont von Robert Schumann und Carl LoeweText: Adelbert von Chamisso, Gesammelte Werke in 2 Bdn.Hrsg.: W. Feudel, Leipzig 1981
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Frauen-Liebe und Leben.
1
Seit ich ihn gesehen,Glaub ich blind zu sein;Wo ich hin nur blicke,Seh ich ihn allein;Wie im wachen TraumeSchwebt sein Bild mir vor,Taucht aus tiefstem DunkelHeller nur empor.
Sonst ist licht- und farblosAlles um mich her,Nach der Schwestern SpieleNicht begehr ich mehr,Möchte lieber weinenStill im Kämmerlein;Seit ich ihn gesehen,Glaub ich blind zu sein.
2
Er, der herrlichste von allen,Wie so milde, wie so gut!Holde Lippen, klares Auge,Heller Sinn und fester Muth.
So wie dort in blauer Tiefe,Hell und herrlich, jener Stern,Also er an meinem Himmel,Hell und herrlich, hoch und fern.
Wandle, wandle deine Bahnen;Nur betrachten deinen Schein,Nur in Demuth ihn betrachten,Selig nur und traurig sein!
Höre nicht mein stilles Beten,Deinem Glücke nur geweiht;Darfst mich, niedre Magd, nicht kennen,Hoher Stern der Herrlichkeit!
Nur die Würdigste von allenSoll beglücken deine Wahl,Und ich will die Hohe segnen,Segnen viele tausend Mal.
Will mich freuen dann und weinen,Selig, selig bin ich dann,Sollte mir das Herz auch brechen,Brich, o Herz, was liegt daran!
3
Ich kann's nicht fassen, nicht glauben,Es hat ein Traum mich berückt;Wie hätt er doch unter allenMich Arme erhöht und beglückt?
Mir war's, er habe gesprochen:Ich bin auf ewig dein –Mir war's – ich träume noch immer,Es kann ja nimmer so sein.
O laß im Traume mich sterbenGewieget an seiner Brust,Den seligsten Tod mich schlürfenIn Thränen unendlicher Lust.
4
Du Ring an meinem Finger,Mein goldnes Ringelein,Ich drücke dich fromm an die Lippen,Dich fromm an das Herze mein.
Ich hatt ihn ausgeträumet,Der Kindheit friedlichen Traum,Ich fand allein mich verlorenIm öden unendlichen Raum.
Du Ring an meinem Finger,Da hast du mich erst belehrt,Hast meinem Blick erschlossenDes Lebens unendlichen Werth.
Ich werd ihm dienen, ihm leben,Ihm angehören ganz,Hin selber mich geben und findenVerklärt mich in seinem Glanz.
Du Ring an meinem Finger,Mein goldnes Ringelein,Ich drücke dich fromm an die Lippen,Dich fromm an das Herze mein.
5
Helft mir, ihr Schwestern,Freundlich mich schmücken,Dient der Glücklichen heute mir.Windet geschäftigMir um die StirneNoch der blühenden Myrte Zier.
Als ich befriedigt,Freudiges Herzens,Dem Geliebten im Arme lag,Immer noch rief er,Sehnsucht im Herzen,Ungeduldig den heut'gen Tag
Helft mir, ihr Schwestern,Helft mir verscheuchenEine thörichte Bangigkeit;Daß ich mit klaremAug ihn empfange,Ihn, die Quelle der Freudigkeit.
Bist, mein Geliebter,Du mir erschienen,Gibst du, Sonne, mir deinen Schein?Laß mich in Andacht,Laß mich in DemuthMich verneigen dem Herren mein.
Streuet ihm, Schwestern,Streuet ihm Blumen,Bringt ihm knospende Rosen dar.Aber euch, Schwestern,Grüß ich mit Wehmuth,Freudig scheidend aus eurer Schar.
6
Süßer Freund, du blicktestMich verwundert an,Kannst es nicht begreifen,Wie ich weinen kann;Laß der feuchten PerlenUngewohnte ZierFreudenhell erzitternIn den Wimpern mir.
Wie so bang mein Busen,Wie so wonnevoll!Wüßt ich nur mit Worten,Wie ich's sagen soll;Komm und birg dein AntlitzHier an meiner Brust,Will ins Ohr dir flüsternAlle meine Lust.
Hab ob manchen ZeichenMutter schon gefragt,Hat die gute MutterAlles mir gesagt,Hat mich unterwiesen,Wie, nach allem Schein,Bald für eine WiegeMuß gesorget sein.
Weißt du nun die Thränen,Die ich weinen kann,Sollst du nicht sie sehen,Du geliebter Mann;Bleib an meinem Herzen,Fühle dessen Schlag,Daß ich fest und festerNur dich drücken mag.
Hier an meinem BetteHat die Wiege Raum,Wo sie still verbergeMeinen holden Traum;Kommen wird der Morgen,Wo der Traum erwacht,Und daraus dein BildnißMir entgegen lacht.
7
An meinem Herzen, an meiner Brust,Du meine Wonne, du meine Lust!
Das Glück ist die Liebe, die Lieb ist das Glück,Ich hab es gesagt und nehm's nicht zurück.
Hab überglücklich mich geschätzt,Bin überglücklich aber jetzt.
Nur die da säugt, nur die da liebtDas Kind, dem sie die Nahrung giebt;
Nur eine Mutter weiß allein,Was lieben heißt und glücklich sein.
O wie bedaur ich doch den Mann,Der Mutterglück nicht fühlen kann!
Du schauest mich an und lächelst dazu,Du lieber, lieber Engel, du!
An meinem Herzen, an meiner Brust,Du meine Wonne, du meine Lust!
8
Nun hast du mir den ersten Schmerz gethan,Der aber traf.Du schläfst, du harter, unbarmherz'ger Mann,Den Todesschlaf.
Es blicket die Verlaßne vor sich hin,Die Welt ist leer.Geliebet hab ich und gelebt, ich binNicht lebend mehr.
Ich zieh mich in mein Innres still zurück,Der Schleier fällt,Da hab ich dich und mein vergangnes Glück,Du meine Welt!
9
Traum der eignen Tage,Die nun ferne sind,Tochter meiner Tochter,Du mein süßes Kind,Nimm, bevor die MüdeDeckt das Leichentuch,Nimm ins frische LebenMeinen Segensspruch.
Siehst mich grau von Haaren,Abgezehrt und bleich,Bin, wie du, gewesenJung und wonnereich,Liebte, wie du liebest,Ward, wie du, auch Braut,Und auch du wirst altern,So wie ich ergraut.
Laß die Zeit im FlugeWandeln fort und fort,Nur beständig wahreDeines Busens Hort;Hab ich's einst gesprochen,Nehm ich's nicht zurück:Glück ist nur die Liebe,Liebe nur ist Glück.
Als ich, den ich liebte,In das Grab gelegt,Hab ich meine LiebeTreu in mir gehegt;War mein Herz gebrochen,Blieb mir fest der Muth,Und des Alters AscheWahrt die heil'ge Gluth.
Nimm, bevor die MüdeDeckt das Leichentuch,Nimm ins frische LebenMeinen Segensspruch:Muß das Herz dir brechen,Bleibe fest dein Muth,Sei der Schmerz der LiebeDann dein höchstes Gut. |