Adelbert von Chamisso
1781 - 1838
Gedichte in zeitlicher Folge
1827
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Frühling und Herbst.
Fürwahr, der Frühling ist erwacht;Den holden Liebling zu empfahn,Hat sich mit frischer BlumenprachtDie junge Erde angethan.
Die muntern Vögel, lieberwärmt,Begehn im grünen Hain ihr Fest.Ein jeder singt, ein jeder schwärmt,Und bauet emsig sich sein Nest.
Und alles lebt und liebt und singt,Und preist den Frühling wunderbar,Den Frühling, der die Freude bringt;Ich aber bleibe stumm und starr.
Dir, Erde, gönn ich deine Zier,Euch, Sänger, gönn ich eure Lust,So gönnet meine Trauer mir,Den tiefen Schmerz in meiner Brust.
Für mich ist Herbst; der NebelwindDurchwühlet kalt mein falbes Laub;Die Aeste mir zerschlagen sind,Und meine Krone liegt im Staub.
Nachtwächterlied.
Eteignons les lumières Et rallumons le feu. Béranger
Hört, ihr Herrn, und laßt euch sagen,Was die Glocke hat geschlagen:Geht nach Haus und wahrt das Licht,Daß dem Staat kein Schaden geschicht.Lobt die Jesuiten!
Hört, ihr Herrn, wir brauchen heuteGute, nicht gelehrte Leute,Seid ihr einmal doch gelehrt,Sorgt, daß keiner es erfährt.Lobt die Jesuiten!
Hört, ihr Herrn, so soll es werden:Gott im Himmel, wir auf Erden,Und der König absolut,Wenn er unsern Willen thut.Lobt die Jesuiten!
Seid, ihr Herrn, es wird euch frommen,Von den gutgesinnten Frommen;Blase jeder, was er kann,Lichter aus, und Feuer an.Lobt die Jesuiten!
Feuer, ja, zu Gottes Ehren,Um die Ketzer zu bekehren,Und die Philosophen auch,Nach dem alten, guten Brauch.Lobt die Jesuiten!
Hört, ihr Herrn, ihr seid geborgen,Geht nach Haus, und ohne SorgenSchlaft die lange, liebe Nacht,Denn wir halten gute Wacht.Lobt die Jesuiten!
Der Invalid im Irrenhaus.
Leipzig, Leipzig! arger Boden,Schmach für Unbill schafftest du.Freiheit! hieß es, vorwärts, vorwärts!Trankst mein rothes Bluth, wozu?
Freiheit! rief ich, vorwärts, vorwärts!Was ein Thor nicht alles glaubt!Und von schwerem SäbelstreicheWard gespalten mir das Haupt.
Und ich lag, und abwärts wälzteUnheilschwanger sich die Schlacht,Ueber mich und über LeichenSank die kalte, finstre Nacht.
Aufgewacht zu grausen Schmerzen,Brennt die Wunde mehr und mehr;Und ich liege hier gebunden,Grimm'ge Wächter um mich her.
Schrei ich wüthend noch nach Freiheit,Nach dem blutherkauften Glück,Peitscht der Wächter mit der PeitscheMich in schnöde Ruh zurück.
Lebewohl.
Wer sollte fragen: wie's geschah?Es geht auch andern eben so.Ich freute mich, als ich dich sah,Du warst, als du mich sahst, auch froh.
Der erste Gruß, den ich dir bot,Macht' uns auf einmal beide reich;Du wurdest, als ich kam, so roth,Du wurdest, als ich gieng, so bleich.
Nun kam ich auch Tag aus, Tag ein,Es gieng uns beiden durch den Sinn;Bei Regen und bei SonnenscheinSchwand bald der Sommer uns dahin.
Wir haben uns die Hand gedrückt,Um nichts gelacht, um nichts geweint,Gequält einander und beglückt,Und haben's redlich auch gemeint.
Da kam der Herbst, der Winter gar,Die Schwalbe zog, nach altem Brauch,Und: lieben? – lieben immerdar? –Es wurde kalt, es fror uns auch.
Ich werde gehn ins fremde Land,Du sagst mir höflich: Lebe wohl!Ich küsse höflich dir die Hand,Und nun ist alles, wie es soll.
Die Sonne bringt es an den Tag.
Gemächlich in der Werkstatt saßZum Frühtrunk Meister Nikolas,Die junge Hausfrau schenkt' ihm ein,Es war im heitern Sonnenschein. –Die Sonne bringt es an den Tag.
Die Sonne blinkt von der Schale Rand,Malt zitternde Kringeln an die Wand,Und wie den Schein er ins Auge faßt,So spricht er für sich, indem er erblaßt:«Du bringst es doch nicht an den Tag.»
«Wer nicht? was nicht?» die Frau fragt gleich,«Was stierst du so an? was wirst du so bleich?»Und er darauf: «Sei still, nur still;Ich's doch nicht sagen kann, noch will.Die Sonne bringt's nicht an den Tag.»
Die Frau nur dringender forscht und fragt,Mit Schmeicheln ihn und Hadern plagt,Mit süßem und mit bitterm Wort,Sie fragt und plagt ihn fort und fort:«Was bringt die Sonne nicht an den Tag?»
«Nein, nimmermehr!» – «Du sagst es mir noch.»«Ich sag es nicht.» – «Du sagst es mir doch.» –Da ward zuletzt er müd und schwach,Und gab der Ungestümen nach. –Die Sonne bringt es an den Tag.
«Auf der Wanderschaft, 's sind zwanzig Jahr,Da traf es mich einst gar sonderbar,Ich hatt nicht Geld, nicht Ranzen, noch Schuh',War hungrig und durstig und zornig dazu. –Die Sonne bringt's nicht an den Tag.
Da kam mir just ein Jud in die Quer,Ringsher war's still und menschenleer:Du hilfst mir, Hund, aus meiner Noth;Den Beutel her, sonst schlag ich dich todt!Die Sonne bringt's nicht an den Tag.
Und er: Vergieße nicht mein Bluth,Acht Pfennige sind mein ganzes Gut!Ich glaubt ihm nicht, und fiel ihn an;Er war ein alter, schwacher Mann –Die Sonne bringt's nicht an den Tag.
So rücklings lag er bluthend da,Sein brechendes Aug in die Sonne sah;Noch hob er zuckend die Hand empor,Noch schrie er röchelnd mir ins Ohr:Die Sonne bringt es an den Tag.
Ich macht ihn schnell noch vollends stumm,Und kehrt ihm die Taschen um und um:Acht Pfenn'ge, das war das ganze Geld.Ich scharrt ihn ein auf selbigem Feld –Die Sonne bringt's nicht an den Tag.
Dann zog ich weit und weiter hinaus,Kam hier ins Land, bin jetzt zu Haus. –Du weißt nun meine Heimlichkeit,So halte den Mund und sei gescheit;Die Sonne bringt's nicht an den Tag.
Wann aber sie so flimmernd scheint,Ich merk es wohl, was sie da meint,Wie sie sich müht und sich erbost, –Du, schau nicht hin, und sei getrost:Sie bringt es doch nicht an den Tag.»
So hatte die Sonn eine Zunge nun,Der Frauen Zungen ja nimmer ruhn. –Gevatterin, um Jesus Christ!Laßt Euch nicht merken, was Ihr nun wißt. –Nun bringt's die Sonne an den Tag.
Die Raben ziehen krächzend zumalNach dem Hochgericht, zu halten ihr Mahl.Wen flechten sie aufs Rad zur Stund?Was hat er gethan? wie ward es kund?Die Sonne bracht es an den Tag.
Ein französisches Lied.Nach der Melodie:Es ritten drei Reiter zum Thore hinaus.
Und sitz ich am Tische beim Glase Wein,Trink aus!Und stimmen auch wacker die Freunde mit ein,Trink aus!So geht mir zu Herzen das Heil der Welt:'s ist gar zu erbärmlich damit auch bestellt,Trink aus, trink aus, trink aus!Es treiben's die Leute zu kraus!
Ich sollte nur tragen der Herrschaft Last,Trink aus!Es stünde bald anders und besser fast.Trink aus!Die Presse zuerst und die Wahlen frei,Die Presse, sie dient mir als Polizei.Trink aus, trink aus, trink aus!Es treiben's die Leute zu kraus!
Wann erst in dem Hause Vertrauen besteht,Trink aus!Geht alles von selbst, was nimmer sonst geht.Trink aus!Wir schaffen uns bald vor den Mönchen Ruh,Wir schicken die frommsten dem Chaves zu,Trink aus, trink aus, trink aus!Es treiben's die Leute zu kraus!
Es mögen die Städte verwalten sodann –Trink aus!Die eignen Geschäfte, es geht sie nur an,Trink aus!Regieren nur wenig, das wenige gut,Das hab ich der Ruhe halber geruht,Trink aus, trink aus, trink aus!Es trieben's die Leute zu kraus!
Und merkt euch, ihr Freunde, wie trefflich es schafft!Trink aus!Die Liebe der Völker, da lieget die Kraft,Trink aus!Wie klingen die Gläser in heiliger Lust,Wie schallt das Gebet mir aus jeglicher Brust,Trink aus, trink aus, trink aus!Der König hoch, und sein Haus!
Sind aber die Gläser und Flaschen erst leer,Zu Bett!Dann werden der Kopf und die Zunge mir schwer,Zu Bett!Mein Weib wird mich schelten, mein Herrschen ist aus,Ich schleiche mich leise, ganz leise nach Haus,Zu Bett, zu Bett, zu Bett!Daß sie den Pantoffel nicht hätt!
Das Schloss Boncourt.
Ich träum als Kind mich zurücke,Und schüttle mein greises Haupt;Wie sucht ihr mich heim, ihr Bilder,Die lang ich vergessen geglaubt?
Hoch ragt aus schatt'gen GehegenEin schimmerndes Schloß hervor,Ich kenne die Thürme, die Zinnen,Die steinerne Brücke, das Thor.
Es schauen vom WappenschildeDie Löwen so traulich mich an,Ich grüße die alten Bekannten,Und eile den Burghof hinan.
Dort liegt die Sphinx am Brunnen,Dort grünt der Feigenbaum,Dort, hinter diesen Fenstern,Verträumt ich den ersten Traum.
Ich tret in die BurgkapelleUnd suche des Ahnherrn Grab,Dort ist's, dort hängt vom PfeilerDas alte Gewaffen herab.
Noch lesen umflort die AugenDie Züge der Inschrift nicht,Wie hell durch die bunten ScheibenDas Licht darüber auch bricht.
So stehst du, o Schloß meiner Väter,Mir treu und fest in dem Sinn,Und bist von der Erde verschwunden,Der Pflug geht über dich hin.
Sei fruchtbar, o teurer Boden,Ich segne dich mild und gerührt,Und segn' ihn zwiefach, wer immerDen Pflug nun über dich führt.
Ich aber will auf mich raffen,Mein Saitenspiel in der Hand,Die Weiten der Erde durchschweifen,Und singen von Land zu Land.
Eid der Treue.
Mißtrauest, Liebchen, du der flücht'gen Stunde,Des Augenblickes Lust?Bist Brust an Brust du nicht, und Mund an Munde,Der Ewigkeit bewußt?
Ich soll nur dir, und ewig dir gehören;Du willst darauf ein Pfand:Wohlan! ich will's mit kräft'gem Eid beschwören,Ich hebe meine Hand:
Ich schwör's, elftausend heilige Jungfrauen,Bei eurem keuschen Bart;Bei Jakobs Leitersprosse, die zu schauenIn Mailand wird bewahrt;
Ich schwör es noch, zu mehrerem Gewichte –Ein unerhörter Schwur! –Beim Vorwort zu des Kaisers Karl Geschichte,Und bei des Windes Spur;
Beim Schnee, der auf dem Libanon gefallenIm letzt vergangnen Jahr;Bei Nihil, Nemo, und dem andern allen,Was nie sein wird noch war.
Und falls ich dennoch jemals untreu würde,Vergäße jemals dein,So soll mein Eid verbleiben ohne Würde,Und ganz unbündig sein.
Polterabend.
Woher, Alte, deine schönenLaunen? willst du uns erfreuen?Willst du dich mit uns versöhnen?Nein, die Alte will noch freien,Nein, sie will, vor Thoresschlusse,Humpeln noch mit lahmem Fuße,Und um welchen Preis es sei,Ei, ei!Noch ein Tänzlein, oder zwei.
Hurtig, hurtig! liebe Lene,Her die Schminke, die Perücke;Bringe her mir meine Zähne,Meinen Busen, meine Krücke;Also will ich seiner harren. –Hör ich nicht die Thüre knarren? –Ist er's? – Nein – es geht vorbei.Ei, ei!Töpfe werfen sie entzwei.
Testament und EhepaktenHat der Schreiber wohl geschrieben;Beides nahm er zu den Akten,Also darf ich frei ihn lieben.Also will ich seiner harren. –Hör ich nicht die Thüre knarren? –Ist er's? – Nein – es geht vorbei.Ei, ei!Töpfe werfen sie entzwei.
Wird der Priester, wird der Küster,Werden bald die Gäste kommen?Und mein Bräutigam! o wüßt er,Wie ich seiner, liebentglommen,Bangend harre, wie ich schmachte? – –Klopft er? – Ist er's? – Sachte, sachte!Ungebetne sind dabei.Ei, ei!Sind die Leichenträger frei.
Legen mich die schwarzen LeuteEinsam in ein enges Bette,Schleppen sich mit ihrer BeuteLangsam nach der Ruhestätte;Priester, Bräutigam und GästeSingen fröhlich bei dem Feste, –Auch die Rede war vorbei –Ei, ei!Nicht ein Tänzlein, oder zwei!
Verrathene Liebe.(Neugriechisch)
Da nachts wir uns küßten, o Mädchen,Hat keiner uns zugeschaut;Die Sterne, die standen am Himmel,Wir haben den Sternen getraut.
Es ist ein Stern gefallen,Der hat dem Meer uns verklagt,Da hat das Meer es dem Ruder,Das Ruder dem Schiffer gesagt.
Da sang derselbe SchifferEs seiner Liebsten vor,Nun singen's auf Straßen und MärktenDie Mädchen und Knaben im Chor.
Treue Liebe.(Litauisch)
Es schallten muntre LiederHell durch den Fichtenwald,Es kam ein muntrer ReiterZum Försterhause bald.
Frau Muhme, guten Morgen,Wo bleibt die Liebste mein? –Sie lieget, krank zum Sterben,Im obern Kämmerlein.
Er stieg in bittern ThränenDie Treppe wohl hinauf,Er hemmte, vor der ThüreDer Liebsten, ihren Lauf.
Herein, herein, Geliebter,Zu schmerzlichem Besuch!Die heim du holen wolltest,Deckt bald das Leichentuch.
Sie schläft in engem Sarge,Drauf liegt der Myrtenkranz;Du wirst nicht heim sie führen,Nicht bei Gesang und Tanz.
Sie werden fort mich tragen,Und tief mich scharren ein,Du wirst mir Thränen weinen,Und eine andre frein. –
Die du mich nie betrübet,Du meine Zier und Lust,Wie hast du jetzt geschnittenMir scharf in meine Brust!
Drauf sahen zu einanderDie beiden ernst und mild,Verschlungen ihre Hände,Ein schönes, bleiches Bild.
Da schied sie sanft hinüber,Er aber zog zur StundDas Ringlein sich vom FingerUnd steckt's in ihren Mund.
Ob er geweinet habe,Als solches ist geschehn? –Ich selber floß in Thränen,Ich hab es nicht gesehn.
Es gräbt der TodtengräberEin Grab, und noch ein Grab:Er kommt an ihre Seite,Der ihr das Ringlein gab.
Lass ruhn die Todten.
Es ragt ein altes GemäuerHervor aus Waldesnacht,Wohl standen Klöster und BurgenEinst dort in herrlicher Pracht.
Es liegen im kühlen GrundeBehauene Steine gereiht:Dort schlummern die Frommen, die Starken,Die Mächt'gen der alten Zeit.
Was kommst du bei nächtlicher WeileDurchwühlen das alte Gestein?Und förderst herauf aus den Gräbern –Nur Staub und Todtengebein!
Unmächtiger Sohn der Stunde,Das ist der Zeiten Lauf.Laß ruhn, laß ruhn die Todten,Du weckst sie mit Klagen nicht auf.
Ungewitter.
Auf hohen BurgeszinnenDer alte König stand,Und überschaute düsterDas düster umwölkte Land.
Es zog das UngewitterMit Sturmesgewalt herauf,Er stützte seine RechteAuf seines Schwertes Knauf.
Die Linke, der entsunkenDas goldene Zepter schon,Hielt noch auf der finstern StirneDie schwere goldene Kron.
Da zog ihn seine BuhleLeis an des Mantels Saum:«Du hast mich einst geliebet,Du liebst mich wohl noch kaum?»
«Was Lieb und Lust und Minne?Laß ab, du süße Gestalt!Das Ungewitter ziehetHerauf mit Sturmesgewalt.
Ich bin auf BurgeszinnenNicht König mit Schwert und Kron,Ich bin der empörten ZeitenUnmächtiger, bangender Sohn.
Was Lieb und Lust und Minne?Laß ab, du süße Gestalt!Das Ungewitter ziehetHerauf mit Sturmesgewalt.»
Georgis.(Neugriechisch)
Georgis, Held Georgis, hast oft die Hände rothGefärbt in Türkenbluthe, gib Einem noch den Tod.Wer aber bringt dir Kunde aus ferner Heimath her?Du trägst nun Sklavenbande in unsrer Feinde Heer.
Der Türke Ariph schaltet in Kretas ebnem Land,Er hat die stolze Botschaft den Rajas rings gesandt:Es sollen eure Töchter erscheinen allzumal,Zu meiner Lust zu tanzen vor mir in meinem Saal.
Und an Georgis' Vater sein Wort ergangen ist:«Es werde deine Tochter beim Tanze nicht vermißt.»Sie kam, und als am Abend er frei die andern sprach,Da hatt er sie erkoren zu seines Bettes Schmach.
Die Jungfrau, stark und tüchtig, von aller Hülfe bloß,Entwand sich dem Versucher und rang von ihm sich los;Im schnellen Lauf entflohen dem prunkenden Gemach,Erreichte, fromm und züchtig, sie bald das heim'sche Dach.
Zu ihres Vaters Hause am Morgen Ariph gieng,Der Greis auf seiner Schwelle den argen Gast empfieng;Er schickt ihn aus zum Frondienst und dringt ins Innre nun;Die Jungfrau sucht der Wilde, Gewalt ihr anzuthun.
Vor ihr in ihrer Kammer in Waffen er erscheint,Die Thüren sind verschlossen, er nun zu siegen meint;Mit mannlichem Erkühnen greift selber sie ihn an,Er liegt vor ihr entwaffnet, ein furchtsam feiger Mann.
Da schwur er beim Propheten ihr einen teuren Eid,Er würde nun und nimmer versuchen eine Maid;Da gab sie dem Bezwungnen die Freiheit, aufzustehn:Und schenkt' ihm seine Waffen, und hieß hinaus ihn gehn.
Er aber zähneknirschend, der tiefen Schmach bewußt,Nach bluth'ger Rache dürstend, stößt schnell in ihre BrustDenselben Dolch, den eben ihm ihre Hand gereicht;Sie sinkt zu seinen Füßen, verbluthet und erbleicht.
Vom Frondienst kommt der Alte zurück in böser Stund,Er schaut die teure Leiche und ringt die Hände wund:«Mein Sohn, mein Sohn Georgis, hast oft die Hände rothGefärbt in Türkenbluthe, gib Einem noch den Tod.»
Und Ariph hört den Jammer und schaut des Greises Schmerz; –Es ist ein Schuß gefallen, die Kugel traf ins Herz;Der Vater und die Tochter sind bluthig nun vereint,Und keiner ist vorhanden, der über beide weint.
Georgis, Held Georgis, hast oft die Hände rothGefärbt in Türkenbluthe, gib Einem noch den Tod.Wer aber bringt dir Kunde aus ferner Heimath her?Du trägst nun Sklavenbande in unsrer Feinde Heer.
Die Möven bringen Kunde von Kretas heim'schem Strand,Er hört die Möven, schüttelt und sprengt sein Sklavenband,Ein Landsmann schafft ihm Waffen, ein andrer Ueberfahrt,Er brütet Tag' und Nächte auf Rache seltner Art.
Was wühlt er stumm und grausig ein neugeschüttet Grab,Und stört die Leiche dessen, der ihm das Leben gab?Wohl schneidet aus dem Herzen er Ariphs Blei hervor,Und ladet vielbedächtig damit sein Feuerrohr.
Der Türke hat vernommen, sein Feind ist heimgekehrt,Er schickt ihm eine Botschaft, daß seiner er begehrt.«Er möge heim mich suchen, ich traur im öden Haus,Ich komme nicht zu Ariph, und trete nicht hinaus.»
Wie jener es gehöret, erwacht der alte Groll,Er rufet seine Türken und spricht bedeutungsvoll:«Mir folgen zehn in Waffen! der Raja spricht mir Hohn, –Dem Vater und der Tochter gesell ich noch den Sohn.»
Er schreitet zu Georgis wohl in das Haus hinein;Der Held saß überm Tische und trank den kühlen Wein,Er greift nach seiner Waffe: «Hab oft die Hände rothGefärbt in Türkenbluthe, dir schuld ich noch den Tod.»
Er spricht's, und schießt zurücke die Kugel, die er nahmAus seines Vaters Leiche, auf den, von dem sie kam;Er zielte nach dem Herzen und trifft, der Schütze, gut, –Der Ariph wälzt sich röchelnd in seinem schwarzen Bluth.
Georgis, Held Georgis, hast oft die Hände rothGefärbt in Türkenbluthe, gabst Ariph auch den Tod;Dein Nachruhm lebt in Liedern in aller Griechen Mund,Und wird noch unsern Enkeln in späten Zeiten kund.
Lord Byrons letzte Liebe.
Byron ist erschienen, der KamönenUnd des Ares Zögling strahlt, ein Held,Unter Hellas heldenmüth'gen SöhnenAuf dem bluthgedüngten Freiheitsfeld.
Und ihm schlagen aller Griechen Herzen –Eines nicht, nach welchem er doch ringt;Und er schafft sich unablässig Schmerzen,Wo er selbst das Heil den Völkern bringt.
«Wie mein Volk, so will ich dich verehren!»Mild, doch ungerührt die Jungfrau spricht:«Magst die Krone von Byzanz begehren,Meine Liebe nur begehre nicht!»
Eilig ward er einst zu ihr entboten,Die der Stern ist seiner innern Nacht;Stürmend folgt er, ahnungsvoll, dem Boten, –Welch ein Schreckensbild vor ihm erwacht!
Starr lag, regungslos, die Schmerzenreiche,Um ein Schwert die rechte Hand geballt;Langsam richtet sich empor die bleiche,Geisterartig herrliche Gestalt.
Sie beginnt: «Du sollst es jetzt erfahren:Frühe traf ich schon der Liebe Wahl,Gab sein Schwert auch meinem Palikaren,Als das Vaterland es mir befahl.
Scheidend sprach ich ernst in ernster Stunde:Sieg nur oder Tod, das wissen wir;Auf denn! und ein Wort aus treuem Munde:Stirbst du unserm Volke, sterb ich dir.
Du nun siehst mich dem Gestorbnen sterben;Fallend sandt er mir zurück sein Schwert;Nimm es hin, du Dichterheld, zum ErbenSolchen Gutes bist nur du mir werth!»
Mit Entsetzen forscht er – und gelassenSpricht sie: «Gift!» – und atmet, merklich kaum,Und vollbracht ist's; – seine Arme fassenErst als Leiche seines Lebens Traum.
Byrons Züge seit der Stunde warenTrüb und nächtlich, wie sein düstres Los;Und er nahm das Schwert des PalikarenBald mit sich hinab in Grabes Schoß.
Lass reiten.
Es ritt ein Reiter die Straße hinaus,Die Spur verwehte der Wind.Ein Mädchen zerpflückt einenRosenstrauß,Und weint die Augen sich blind.
«Du warst mir so rosig und wohlgemuth,Wie bist du geworden so bleich?Was heimlich im Herzen dir wehe thut,Mein Kind, vertraue mir gleich.» –
«Ich weine ja nicht um heimlichen Schmerz,Weiß nicht, wie in Leiden ich steh.Es thut mir, o Mutter, nicht bloß das Herz,Es thut mir gar manches noch weh.» –
«Herr Doktor, Herr Doktor, die Tochter ist krank,O helft doch dem Kinde mein!» –Wohl mischte der Doktor 'nen bittern Trank,Doch konnt's nicht geholfen mehr sein.
«'nen bittern Trank, den hab ich stillGetrunken; – nun ist's vorbei!Laß reiten, laß reiten, wer mag und will,Man kommt doch dem Winde nicht bei.»
Don Quixote.
Noch ein Abenteuer,Welches Ruhm verspricht;Siehst du auf dem HügelDort die Riesen nicht?Thurmhoch, mißgeschaffen,Drohend in den Wind,Welche anzuschauenFast wie Mühlen sind?Mit Vergunst, Herr Ritter,Kann ich da nur sehnMühlen, die im WindeIhre Flügel drehn.
Seien, feiger Knappe,Deinem stumpfen SinnDiese UngeheuerMühlen immerhin;Hülle sich mit TrugscheinZauberhaft der Graus,Findet doch der RitterSich die Riesen aus.Mit Vergunst, Herr Ritter,Glaubt's mir, auf mein Wort,Das sind echte Mühlen,Auf dem Hügel dort.
Dürft ihr's euch erfrechen,Haltet mir nur Stand,Strauß mit euresgleichenIst mir Kindertand.Einer gegen alle,Falsche Höllenbrut,Und die Erde trinkt baldEures Herzens Bluth.Mit Vergunst, Herr Ritter,Hört mich doch nur an,Mühlen sind's, nur Mühlen,Wie ich schwören kann.
Süße Dulcinea,Blick auf mich herab!So der wackre Ritter,Spornt den Gaul in Trab;Treibet auf den ersten,Der da seiner harrt –Und geschleudert stürzt erAuf die Erde hart.Lebt Ihr, guter Ritter,Oder seid Ihr todt?Aber that's mit MühlenEuch zu raufen Noth?
Sollte wer mich fragen,Wie man vieles fragt,Ob es Riesen waren,Wie der Herr es sagt,Oder bloße Mühlen,Wie es meint der Knecht;Geb ich unbedenklichUnserm Ritter Recht.Mit den Herrn es halten,Bleibt das Klügste noch;Was von solchen DingenWissen Knechte doch!
Herein!Χαίρετε, τέκνα διός, καὶ ἐμὴν τιμήσατ᾽ ἀοιδήν.(Melodie des Chors: Bekränzt mit Laub etc.)
TragikerGestalten hab ich, wie der Geist es mir gebot,Nach meinem Bilde, aus dem Schattenreich hervorGerufen, Leben ihnen eingehaucht, und so,Selbständig und einander widerstrebend, sieSich selber überlassen und dem Waltenden.Sie stürmten unaufhaltsam dem verderblichen,Zermalmend sie ereilenden Geschicke zu.Ich trete, kaum aufatmend, tief erschüttert nochVor euch: gewährt Aufnahme mir in euren Kreis.
ChorHerein, herein! du erster unsrer Fürsten,Das hast du gut gemacht!Du sollst uns nicht beim frohen Mahle dürsten,Den Humpen ihm gebracht!
KomikerGestalten aus dem Schattenreich hervorZu rufen, Leben ihnen einzuhauchen,Versteh ich auch, ich hab es auch gethan;Nur hab ich sie gesehen närrisch sich,Wie eben andre Menschen thun, gebärden;Und doch – es dünkt mich, muß ich frei gestehn,Wir haben nicht verschiedene Gestalten,Verschieden wohl dieselben nur geschaut,Denn alle Menschen sind einander gleich.Ihr hört, ich bin ein Liberaler, wolltMich drum aus eurem Bunde nicht verbannen.
ChorHerein, herein! du köstlicher Geselle,Das hast du gut gemacht!Dir fließe gleich des Weines reichste Quelle;Den Humpen ihm gebracht!
MimikerIch zeigte Wesen euren Blicken, dieDes Dichters innres Auge nur geschaut,Und machte seines Hirnes Träume wahr;Den er gedacht, der war ich. Räumet mirDen nächsten Sitz zu seiner Linken ein.
ChorHerein, herein! du bist der Sohn vom Hause,Das hast du gut gemacht!Er dürste nicht bei unserm frohen Schmause;Den Humpen ihm gebracht!
UebersetzerIhr staunet ob dem königlichen Gast,Der stolz erscheint inmitten eurem Rath,Ein Heim'scher doch, und doch ein Fremder fast.Ich bin's, und bin ein andrer euch genaht,Nicht Zepter und nicht Krone rühm ich mein,Doch führ ich Kron und Zepter in der That,Forscht nicht, und schafft mir Platz in euren Reihn.
ChorHerein, herein! mit fremder Herrscherkrone,Das hast du gut gemacht!Dir fließe Wein, gereift in glühnder Zone;Den Humpen ihm gebracht!
LyrikerGewiegt in ihren weichen Armen,Gelehnt das Haupt an ihrer Brust,Da fühlt ich wohlig mich erwarmen,Da ward Gesang aus süßer Lust.
Es klang wohl gut in dieser Stunde,Doch, was es war, ich weiß es nicht:Mein Lohn – ein Kuß von ihrem MundeUnd ihres Auges strahlend Licht.
Ich singe gerne, trinke gerne,Und liebe wohl, geliebt zu sein:Mit eurem Lorbeer bleibt mir ferne,Von euren Weinen schenkt mir ein.
ChorHerein, herein! du Lieblingskind der Musen,Das hast du recht gemacht!Dir wärme Wein den liedervollen Busen;Den Humpen ihm gebracht!
MalerOb ich ein Dichter sei? seht diese Tafel,Wo Farben Leben werden, und der GeistHervor aus schönen Formen strahlt. Ich binEin Glied von eurer Kette. Laßt mich ein.
ChorHerein, herein! du Dichterfürst der Farben,Das hast du gut gemacht!Du darfst uns nicht beim frohen Mahle darben;Den Humpen ihm gebracht!
MusikerRauschend auf Cherubs-Schwingen getragen,Verträum ich mein LebenIn Harmonien.Aber es senkt sichDer Flug hernieder,Und in der Halle,Der festlich erhellten,Seh ich der StühleViele bereitet,Und der goldene Nektar blinkt.Empfangt mich gastlich,Söhne der Musen,Reicht mir die Schale,Trinkt mir die funkelnde zu.
ChorHerein, herein! Beherrscher du der Töne,Das hast du gut gemacht!Ihm fließe Wein, daß er sich hergewöhne;Den Humpen ihm gebracht!
LeserIch habe meine Pflichten treu erfüllt,Genützt, wie ich gesollt; einheimisch dannIm schönen Dichterlande, hab ich OhrUnd Herz dem Zauber eurer SchöpfungenGeliehn, und nicht den oft verschuldeten,Den schweren Vorwurf über mich geladen,Daß ich, was besser ungeschrieben wärGeblieben, doch geschrieben hätte, – nein,Ich trete kühn in diesen Kreis, es sindDie Hände mir von Tinte rein geblieben.
ChorHerein, herein! du seltenster der Gäste,Das hast du gut gemacht!Er dürste nicht bei unserm frohen Feste;Den Humpen ihm gebracht!
Liederstreit.
Die Sänger saßen in dem SaalGelehnt auf ihre Harfen,Nach dem Genossen ihrer WahlSie rings die Blicke warfen:Die Jünger streben hohen Drangs;Wer ist ein Meister des Gesangs?Wem reichen wir die Palme?
Der JüngerDer Palmen nicht begehrend nahtIch euch, ehrwürd'gen Meistern,Vertheilet sie nach weisem RathDen sangbegabten Geistern.Mir schläft das Lied in tiefster Brust,Und träumt, sich selber unbewußt,Und kann sich nicht gestalten.
Mich laßt, wo ihr begeistert singt,Bei mächt'ger Harfen Rauschen,Nach dem, was mir im Busen ringt,In euren Liedern lauschen.Es schwellen wogend Lust und Schmerz,Ich bin ganz Ohr, ich bin ganz Herz,Und meine Thränen rollen.
Die SängerDas deutsche Lied, der deutsche LautSind frei, so wie Gedanken;Ihr Jünger, die ihr euch vertraut,Wir öffnen euch die Schranken;Verhalle, was nur leerer Schall,Und wecke späten Widerhall,Wem es ein Gott gegeben.
Du aber komm, seltsamer Gast,Du sitzest bei uns nieder,Und übst die Gabe, die du hast,Du Widerhall der Lieder;Die Palme, die des Sieges Pfand,Wir legen sie in deine Hand,Dem Würd'gen sie zu reichen.
Die Löwenbraut.
Mit der Myrte geschmückt und dem Brautgeschmeid,Des Wärters Tochter, die rosige Maid,Tritt ein in den Zwinger des Löwen; er liegtDer Herrin zu Füßen, vor der er sich schmiegt.
Der Gewaltige, wild und unbändig zuvor,Schaut fromm und verständig zur Herrin empor;Die Jungfrau, zart und wonnereich,Liebstreichelt ihn sanft und weinet zugleich:
«Wir waren in Tagen, die nicht mehr sind,Gar treue Gespielen wie Kind und Kind,Und hatten uns lieb, und hatten uns gern;Die Tage der Kindheit, sie liegen uns fern.
Du schütteltest machtvoll, eh wir's geglaubt,Dein mähnen-umwogtes, königlich Haupt;Ich wuchs heran, du siehst es, ich binDas Kind nicht mehr mit kindischem Sinn.
O wär ich das Kind noch und bliebe bei dir,Mein starkes, getreues, mein redliches Thier;Ich aber muß folgen, sie thaten's mir an,Hinaus in die Fremde dem fremden Mann.
Es fiel ihm ein, daß schön ich sei,Ich wurde gefreiet, es ist nun vorbei; –Der Kranz im Haare, mein guter Gesell,Und nicht vor Thränen die Blicke mehr hell.
Verstehst du mich ganz? schaust grimmig dazu;Ich bin ja gefaßt, sei ruhig auch du;Dort seh ich ihn kommen, dem folgen ich muß,So geb ich denn, Freund, dir den letzten Kuß!»
Und wie ihn die Lippe des Mädchens berührt,Da hat man den Zwinger erzittern gespürt;Und wie er am Gitter den Jüngling erschaut,Erfaßt Entsetzen die bangende Braut.
Er stellt an die Thür sich des Zwingers zur Wacht,Er schwinget den Schweif, er brüllet mit Macht;Sie flehend, gebietend und drohend begehrtHinaus; er im Zorn den Ausgang wehrt.
Und draußen erhebt sich verworren Geschrei,Der Jüngling ruft: «Bringt Waffen herbei;Ich schieß ihn nieder, ich treff ihn gut!»Auf brüllt der Gereizte, schäumend vor Wuth.
Die Unselige wagt's, sich der Thüre zu nahn,Da fällt er verwandelt die Herrin an;Die schöne Gestalt, ein gräßlicher Raub,Liegt bluthig, zerrissen, entstellt in dem Staub.
Und wie er vergossen das teure Bluth,Er legt sich zur Leiche mit finsterem Muth,Er liegt so versunken in Trauer und Schmerz,Bis tödtlich die Kugel ihn trifft in das Herz.
Idylle.
Möglichst treue Uebersetzung aus der Tonga-Sprache Mariner's Account of the Tonga-islands. Second edition, with additions. London 1818. V. II. Grammar (Ohne Seitenzahl)
Müßig plaudernd von dem äußern StrandeWeilten wir und weilten, als daher kamUns auffodernd eine Schar von Mädchen:Kommt, wir wandern nach dem äußern Strande, | |
5 | Schaun von dort den Untergang der Sonne,Lauschen dort dem Zwitschern von den VögelnUnd der Klage von der wilden Taube.Blumen wollen wir am Fuß der KlippenBei Matówto pflücken, und das Mahl dort, |
10 | Das von Óne man uns bringt, genießen;In dem Meere schwimmen, in den süßenWasserbächen uns das Salz abspülen,Dann mit duft'gem Sandelöl uns salbenUnd zu Kränzen unsre Blumen flechten. |
15 | Wann vom Scheitelpunkt der VogelhöhleAthemlos wir in die Tiefe starren,Und des Meeres Fernen überschauen;Weht zu uns, den Träumen hingegebnen,Von der Ebne her der mächt'ge Landwind |
20 | Durch die Wipfel schlanker Kasuarinen;Und betrachtend, wie die Brandung unten,An den festen Fuß des Felsen schlagend,Sich unsinnig müht ihn durchzubrechen,Fühlen wir uns das Gemüth erweitert; |
25 | Wohler wird uns also, denn beharrendIn des Lebens niederm Kreis befangen.
Spät wird's, laßt zur Stadt zurück uns kehren. –Horcht! der Sänger Stimme schallt herüber;Mögen wohl zum Fackeltanz sich üben, |
30 | Ihn zu Nacht beim Grabplatz von TanéaAufzuführen. Laßt dahin uns wandern.
O der Tage müssen wir gedenken,Eh der Krieg das arme Land zerrissen!Wehe! furchtbar ist der Krieg; o sehet |
35 | Das Gesträuch auf unsern Marken wuchernd,Und die frühen Gräber vieler Helden!Unsre Fürsten irren ohne Wohnsitz,Schleichen nicht mehr einsam bei dem Mondlicht,Das geliebte Mädchen aufzusuchen. |
40 | Eitles Sinnen! Lasset ab zu grübeln,Wüthet doch der Krieg auf unsern Inseln;Die von Fiji haben uns, von Tónga,Krieg gelehrt; nun heischt's, wie sie zu handeln.Lasset uns des flücht'gen Tags genießen, |
45 | Gilt's vielleicht doch morgen schon zu sterben!Wollen uns mit Blumenkränzen schmückenUnd mit bunten Zeugen uns umgürten;Wollen duft'ge Blumen um die Stirne,Aber weiße um den Hals uns winden, |
50 | Unsre Bräune lieblich zu erhöhen.Hört die Männer, hört, wie sie uns preisen!
Aber schon der Fackeltanz vollendet,Und bereits umhergereicht das Festmahl.Morgen kehren wir zur Stadt zurücke.
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55 | Nicht begehren unsrer wohl die Männer?Bitten dringend nicht um unsre Kränze?So mit Schmeichelreden uns erhebend:Nicht wohl sind ausnehmend schön zu nennenUnsre Mädchen von dem äußern Strande?! |
60 | Nicht wohl reizend ihre Sonnenbräune?!Duftverbreitend, wie die blumenreichenSchluchten Máta-lóco's und Vi-búa's!Uns verlangt es nach dem äußern Strande,Laßt am nächsten Morgen uns dahin gehn.
Vers 1. 4. 59. 63. Der äußere Strand. Licoo, der Rücken der Insel, die windwärts gelegene, den Schiffen unzugängliche Küste im Gegensatz zu der Küste unter dem Winde, wo die Landungsplätze und die Wohnungen der Menschen sind. Auf den niedern, sogenannten Korallen-Inseln und Inselgruppen: der Strand am äußern Meere, Illüch der Karoliner, Iligieth der Radacker, im Gegensatz zu dem Strande am Binnenwasser, Ïar der Radacker. Vergleiche meine Schriften Tl. 2. S. 109 u. 206 u. ff. Vers 3. 59. Mädchen. Fafine. Frauen im weitern Sinne, und hier solche, die dem Manne noch nicht unterthan sind. Vers 13. Sandelöl. Fango nanomoo. Das wohlriechende Oel von Tónga wird aus dem Sandelholz gewonnen. Vers 27. 54. Die Stadt. Mooa. Unbedenklich die Hauptstadt, die Stadt, urbs, τὸ ἄστυ, obgleich ohne Mauern und aus Strohhäusern bestehend. Vers 37. Fürsten. Egi, ho-egi. Edle, Fürsten, und zwar durch göttliches Recht und ohne Anfechtung. Wo der Adel, wie bei uns, erworben und verwirkt werden kann, ist er kein Adel mehr. Vers 42. Wie im Verkehr mit den kriegerischen Bewohnern der Fiji-Inseln die Insulaner von Tónga sich deren Sitten angeeignet, siehe bei Mariner. Vers 44. Carpe diem. Hor. Und die also dichten und singen, werden meist von unsern Schriftgelehrten, ja von unsern Reisenden «Wilde» genannt! Ein Sprachgebrauch, dem ich mich nicht fügen kann. |