BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Jacob Burckhardt

1818 - 1897

 

Der Cicerone

 

Malerei

 

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[1003]

Moderne Malerei.

 

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Übersicht nach Schulen – Die Florentiner – Die Naturalisten etc. – Die Formenbildung der einzelnen Schulen und Meister – Das Colorit – Die Niederländer in Italien – Die Spanier – Die Auffassung; Zurücktreten des architektonischen Elementes – Der Affect in der biblischen Geschichte; in den Legenden; die Marterbilder – Das Ceremoniöse – Der Affect in den Einzelfiguren – Ekstasenmalerei – Das Vorwiegen der Glorien und Visionen – Die Fresken der Kuppeln und Gewölbe – Profanmalerei – Genre – Schlachten – Landschaft.

 

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Seit den 1580er Jahren beginnt der Manierismus einem neuen, bestimmten Styl zu weichen, der schon als geschichtliche Erscheinung ein hohes Interesse hat. Der Geist der Gegenreformation, welcher damals den weiträumigen, prachtvollen Kirchentypus des Barockstyles hervorbrachte, verlangt zugleich von der Malerei eine möglichst aufregende, eindringliche Behandlung der heiligen Gegenstände; einen höchsten Ausdruck himmlischer Herrlichkeit und frommen Sehnens danach, verbunden mit populärer Begreiflichkeit und lockendem Formenreiz. Bei Anlass der Sculptur, welche 50 Jahre später den Bahnen der Malerei folgte, wurden vorläufig (S. 692) die wesentlichen Mittel [1004] dieser modernen Kunst hervorgehoben: der Naturalismus in den Formen sowohl als in der ganzen Auffassung des Geschehenden (Wirklichkeit) und die Anwendung des Affectes um jeden Preis. Auf diesen ihren geistigen Inhalt hin werden wir im Folgenden die Malerei von den Caracci bis auf Mengs und Batoni zu prüfen haben und zwar als ein – wenn auch vielgestaltiges – Ganzes. Wo die Kunst so in die Breite geht wie hier, wäre eine Einzelcharakteristik der Maler die Sache eines umfangreichen Buches; wir müssen uns damit begnügen, die wichtigern unter den Tausenden in einer vorläufigen Übersicht zu nennen. Nicht eine Anleitung zur speciellen Kennerschaft, sondern die Feststellung anregender Gesichtspunkte für diese Periode überhaupt muss unser Zweck sein. In den auf die Übersicht folgenden fragmentarischen Bemerkungen wird wenigstens jedes Hauptwerk bei irgend einem Anlass vorkommen, allerdings oft in beschränkendem Sinn, in nachtheiliger Parallele mit den Werken der goldenen Zeit. Dass diess nicht geschieht um Missachtung zu erwecken, oder gar um von der Betrachtung der betreffenden Werke abzulenken, wird man beim Durchlesen des Ganzen inne werden. Irgend eine systematische oder gar eine sachliche Vollständigkeit ist hier nicht zu verlangen.

 

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Die Anfänger der neuen Richtung sind theils Eklektiker, theils Naturalisten im besondern Sinne. – Die Beseitigung der unwahren Formen und der conventionellen Ausdrucksweisen schien dieser doppelten Anstrengung zu bedürfen: eines Zurückgehens auf die Principien der grossen Meister der goldenen Zeit und einer völligen Hingebung an die äussere Erscheinung. Der Eklekticismus enthält einen innern Widerspruch, wenn man ihn so auffasst, als sollten die besondern Eigenthümlichkeiten eines Michelangelo, Rafael, Tizian, Coreggio in Einem Werke vereinigt werden; schon das Verfolgen und Nachahmen der Eigenthümlichkeiten einzelner grosser Meister hatte ja eben die Manieren hervorgerufen, denen man entfliehen wollte. Allein im Sinne eines allseitigen Studiums aufgefasst war er höchst nothwendig.

In der neuen Schule von Bologna ist denn auch die Aneignung der Principien der grossen Vorgänger fast von Anfang an eine harmonische und verständige. Es giebt Bilder derselben, welche in der [1005] Art des Paolo Veronese, des Tizian gemalt sind, und von Coreggio ist sie mit sammt vielen abgeleiteten Schulen dauernd abhängig, allein diess Verhältniss erstreckt sich nur ausnahmsweise bis in die vollständige Reminiscenz und sinkt nie bis zur seelenlosen Ausbeutung.

Die Stifter waren Lodovico Caracci (1555–1619) und seine Neffen Annibale (1560–1609) und Agostino (1558–1601), der letztere mehr durch seine Kupferstiche als durch Gemälde einflussreich. Annibale ist es vorzüglich, durch welchen der neue Styl seine Herrschaft über Italien gewann.

Unter ihren Schülern ist der gewissenhafteste Domenichino (eigentlich Domenico Zampieri, 1581–1641), der am Höchsten begabte Guido Reni (1575–1642); ausserdem Francesco Albani (1578–1660); der freche Giov. Lanfranco (1581–1647); Giac. Cavedone (1577–1660); Alessandro Tiarini (1577–1658); der Landschaftmaler Giov. Franc. Grimaldi u. A.

Schüler des Albani: Gio. Battista Mola; Pierfrancesco Mola; Carlo Cignani; Andrea Sacchi, welcher nach der Mitte des XVII. Jahrh. die letzte römische Schule gründete und u. a. den Carlo Maratta (1625–1713) zum Schüler hatte.

Schüler des Guido Reni: Simone Cantarini gen. Simone da Pesaro; Giov. Andrea Sirani und dessen Tochter Elisabetta Sirani; Gessi; CanutiCagnacci u. A.

Nur kurze Zeit war Guercino (Giov. Francesco Barbieri, geb. 1590 zu Cento, wo noch bedeutende Malereien von ihm sind, st. 1666) in der Schule der Caracci gewesen; er verschmolz später ihre Principien mit denjenigen der Naturalisten. – Unter seinen Schülern sind Mehrere des Namens Gennari, darunter Benedetto der bedeutendste. (Gal. von Modena.)

Bei einem andern Schüler der Caracci, Lionello Spada (1576 bis 1621), hat die naturalistische Art im engern Sinn die Oberhand (Gal. von Parma und Modena); – ähnlich bei Bartol. Schedone oder Schidone von Modena (st. jung 1615), der sich Anfangs besonders nach Coreggio gebildet hatte. (Gal. von Parma.)

Ein mittelbarer Schüler der Caracci, vermuthlich durch Domenichino, ist Sassoferrato (eigentlich Giov. Battista Salvi, 1605–1685), ein Eklektiker in ganz anderm Sinne als alle Übrigen. [1006]

Mit Cignani und Pasinelli geht die bolognesische Schule in das allgemeine Niveau hinüber, welches gegen 1700 die ganze Malerei umfasst.

 

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Von den andern Schulen Italiens ist keine ganz unberührt geblieben von der bolognesischen Einwirkung, so sehr man sich z. B. in Florenz dagegen wehrte.

Zu den eklektischen Schulen wird zunächst gerechnet: die mailändische. Aus der Familie der Procaccini gehört hieher Ercole der Jüngere; aus ihrer Schule: Giov. Batt. Crespi, gen. Cerano; dessen Sohn Daniele Crespi; Pamfilo oder Pompilo, gen. Nuvolone aus Cremona u. A.

In Ferrara malte Carlo Bonone (1569–1632), ausschliesslich angeregt von den Caracci. Wir werden ihn kennen lernen als eine der schönstgestimmten Seelen jener Zeit.

Sodann die florentinische Schule, welche zum Theil von ihrer eigenen bessern Zeit her einen höhern Zug gerettet hatte (Santi di Tito, S. 999), auch mit Bewusstsein auf Vorgänger wie A. del Sarto zurückging und dann einen bedeutenden neuen Anstoss durch Baroccio erhielt. – Ihre Richtung ist eine wesentlich andere als die der übrigen gleichzeitigen Schulen; in der Composition ist sie principloser und oft überfüllt, in den Farben saftig glänzend und bunt, obwohl die Bessern bisweilen eine sehr bedeutende Harmonie erreichen; ihre Hauptabsicht geht auf sinnliche Schönheit; dagegen bleibt ihr der Affect fast völlig fremd. Da wir desshalb ihre Werke nur ausnahmsweise wieder werden zu nennen haben, so mögen hier bei jedem Maler die wichtigsten Kirchenbilder gleich mit angeführt werden; von den übrigen, in den florentinischen Galerien, wird man das Werthvollste leicht finden.

Alessandro Allori (1535–1607), der Neffe Bronzino's, noch halb Manierist. (In S. Spirito, ganz hinten: die Ehebrecherin; in der Sacristei: ein Heiliger Kranke heilend; – Chor der Annunziata, erste Nische links: Mariä Geburt, 1602; – S. Niccolò, rechts vom Portal: Opfer Abrahams). – Ebenso Bernardino Poccetti (1542–1612), welcher S. 290 als Decorator genannt worden ist. Er war nebst Santi [1007] di Tito ein Hauptunternehmer jener Lunettenfresken in den florentinischen Klosterhöfen, meist legendarischen Inhaltes. (Chiostro von S. Marco; – erster Hof rechts bei den Camaldulensern agli angeli; – erster Hof links bei der Annunziata, theilweise von ihm; – Chiostro grande, der hinterste links, bei S. Maria novella, theilweise von ihm; – grössere Wandfresken im Hof der Confraternita di S. Pietro martire). Aufgaben, an welchen auch die unten zu nennenden oft Theil nahmen und sich bildeten. Verglichen mit den Malereien der bologn. Chiostri (z. B. S. Francesco oder ai Servi in Bol.), welche so ungleich besser componirt, so viel unbefangener und meisterhafter gezeichnet sind, behaupten sie doch einen gewissen Vorzug durch das Gemüthliche und Affectlose, sowie durch den grössern Reichthum der Individualisirung. – (Wobei immer die drei schönen Lunettenbilder Domenichins in der äussern Halle von S. Onofrio zu Rom als das Trefflichste auszunehmen sein werden.) – Ausserdem von P. ausgemalt ein ganzer Saal im Hôtel des îles britanniques. – In S. Felicita, erster Altar links, die Assunta. – Jac. Ligozzi: Hauptantheil an den Lunetten im Chiostro von Ognissanti; – S. Croce, Cap. Salviati, links am linken Querschiff: Marter des heil. Laurentius; – S. M. novella, sechster Altar rechts, Erweckung eines Kindes. – Jac. (Chimenti) da Empoli (1554–1640), in der Erzählung nirgends bedeutend, wie die Malereien im vordern Saal des Pal. Buonarroti beweisen, ist im Individualisiren der edelste und würdigste dieser Schule. Hauptbild im rechten Querschiff von S. Domenico zu Pistoja: S. Carlo Borromeo als Wunderthäter, umgeben von Mitgliedern des Hauses Rospigliosi; – Mehreres im Chor des Domes von Pisa; – S. Lucia de' magnoli in Florenz, zweiter Altar links: Mad. mit Heiligen; – Annunziata, Chor, dritte Nische rechts. U. s. w. – Lodovico Cardi, gen. Cigoli (1559 bis 1613), der beste Colorist und Zeichner der Schule, dessen Werke denn auch grösstentheils in die florentinischen Galerien übergegangen sind. – Von den Altären in S. Croce gehört ihm der sechste rechts, Christi Einzug in Jerusalem, und die Trinität am Eingang ins linke Querschiff. – Von seinem Schüler Ant. Biliverti u. a. die grosse Vermählung der heil. Catharina sammt Seitenbildern, im Chor der Annunziata, 2. Nische r. – Andere Schüler wie Domenico Cresti, gen. Pasignano, Gregorio Pagani etc. sind in den Galerien [1008] besser repräsentirt. – Francesco Currado (1570–1661); sein Hauptwerk hinten im Chor von S. Frediano, Madonna mit vielen Engeln und knieenden Heiligen; ausserdem in S. Giovannino: Franz Xavers Predigt in Indien. – Von Cristofano Allori (1577–1621) wird man in den Kirchen vergebens etwas suchen, das seiner berühmten Judith (Pal. Pitti) am Werthe gleichkäme. – Matteo Rosselli (1578–1650) hat in der Annunziata die Fresken der ersten Cap. rechts und einen Theil der Lunetten im Chiostro gemalt; – in SS. Michele e Gaetano: dritte Cap. rechts, und das linke Seitenbild in der zweiten Cap. links; seine gefälligsten Arbeiten im Pal. Pitti etc. – Von den Schülern Matteo's bringt Francesco Furini mit der raffinirt weichen Modellirung des Nackten ein neues Interesse in die Schule; – Giovanni (Manozzi) da San Giovanni (1590–1636) aber wird, offenbar unter bolognesischer Einwirkung, zumal seines Altersgenossen Guercino, der entschlossenste, liebenswürdigste Improvisator der ganzen Schule, der im Besitz einer reichen Palette und einer blühenden Phantasie den Mangel höherer Elemente vollständig vergessen machen kann. Von seinen in diesen Grenzen ganz bedeutenden Fresken wird noch mehrmals die Rede sein. (Allegorien im grossen untern Saal des Pal. Pitti; Versuchung Christi im Refectorium der Badia bei Fiesole; halbzerstörte Allegorie an der Fronte eines Hauses gegenüber von Porta Romana; Geschichte der heil. Andreas in S. Croce, 2. Cap. r. vom Chor; in Ognissanti die Malereien der Kuppel und Antheil an den Lunetten des Chiostro; im Gange des linken Hofes bei S. Maria la nuova die kleine Frescofigur einer Caritas; – in Rom die Halbkuppel von SS. Quattro.) – Endlich Carlo Dolci (1616–1686) ebenfalls aus dieser Schule, welcher den von den Übrigen versäumten Affect in mehrern hundert Darstellungen voll Ekstase wieder einbringt, wovon unten. (Er und alle Vorhergehenden sind sehr stark vertreten in der Gal. Corsini zu Florenz.)

Die Schule von Siena hat in dieser Zeit den Rutilio Manetti (1572–1639), dessen herrliche Ruhe auf der Flucht, über dem Hochaltar von S. Pietro in castelvecchio zu Siena, alles Übrige aufwiegen möchte. Am ehesten dem Guercino zu vergleichen.

Ein mittelbarer Schüler des Cigoli war Pietro (Berettini) da Cortona 1596–1669, mit welchem die Verflachung des Eklekticismus, [1009] die Entweihung der Malerei überhaupt zur hurtigen und gefälligen Decoration eintritt.

 

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Der moderne Naturalismus im engern Sinne beginnt auf die grellste Weise mit Michelangelo Amerighi da Caravaggio (1569–1609), der einen grossen Einfluss auf Rom und Neapel ausübte. Seine Freude besteht darin, dem Beschauer zu beweisen, dass es bei all den heiligen Ereignissen der Urzeit eigentlich ganz so ordinär zugegangen sei wie auf den Gassen der südlichen Städte gegen Ende des XVI. Jahrh.; er ehrt gar nichts als die Leidenschaft, für deren wahrhaft vulcanische Auffassung er ein grosses Talent besass. Und diese Leidenschaft, in lauter gemeinen energischen Charakteren ausgedrückt, bisweilen höchst ergreifend, bildet dann den Grundton seiner eigenen Schule sowohl (Moyse Valentin, Simon Vouet, wozu noch als Nachfolger Carlo Saraceni von Venedig zu rechnen ist), als auch der

Schule von Neapel. Hier ist der Valencianer Giuseppe Ribera gen. lo Spagnoletto (geb. 1593, verschwunden 1656) der geistige Nachfolger Caravaggio's im vollsten Sinne des Wortes, wenn auch in seinem Colorit noch frühere Studien nach Coreggio und den Venezianern nachklingen. Neben ihm war ausser dem gen. Corenzio auch Giov. Batt. Caracciolo thätig, welcher sich mehr dem Styl der Caracci anschloss; der grosse Schüler des letztern, Massimo Stanzioni (1585–1656), nahm zugleich auch von Caravaggio so viel an als mit seiner eigenen Richtung verträglich war. (Sein bedeutendster Schüler: Domen. Finoglia.)

Mittelbare neap. Nachfolger Caravaggio's: Mattia Preti, gen. il cavalier Calabrese (1613–1699), Andrea Vaccaro u. A. m.

Schüler Spagnoletto's: der Schlachtenmaler Aniello Falcone und der in allen Gattungen thätige Salvatore Rosa (1615–1673), dessen Schüler der Landschaftmaler Bartol. Torregiani, der Historienmaler Micco Spadaro, u. A. – Ein Nachfolger Sp.'s ist auch der bedeutendste sicilian. Maler Pietro Novelli, gen. Morrealese. (Dame und Page, Pal. Colonna zu Rom.) – Schüler des Sp., mehr aber des Pietro da Cortona war der in seiner Art grosse Schnellmaler Luca Giordano (1632–1705). Von ihm an tritt die Verflachung [1010]der neap. Malerei ein, welche dann mit Giac. del Po, Solimena (st. 1747), Conca (st. 1764), Franc. di Mura, Bonito u. A. in blosse Decorationsmalerei ausmündet.

In Rom, wo sich alle Richtungen kreuzten, kamen 1600–1650 einige Nebengattungen besonders zu Kräften. Ausser der Landschaftmalerei (von welcher unten) ist besonders die Genre- und Schlachtenmalerei bedeutend repräsentirt durch einen Schüler des Arpino und später des in diesem Fach besonders zu Rom geschätzten Niederländers Piter van Laar, gen. Bamboccio, nämlich Michelangelo Cerquozzi (1602–1660), dessen beste Arbeiten sich im Auslande befinden. Sein Schüler war der Jesuit Jaques Courtois, genannt Bourguignon (1621–1671). Als Blumenmaler trat Mario de'Fiori (st. 1673), als Architekturmaler Gio. Paolo Panini (st. 1764) auf.

Seit der zweiten Hälfte des XVII. Jahrhunderts ist Rom zugleich der Hauptsitz der von Pietro da Cortona abgeleiteten, bloss noch decorirenden Schnellmalerei, gegen welche Sacchi und Maratta (Seite 1005) eine nur schwache Reaction bilden. Hier wirkten u. a. Gianfranc. Romanelli (st. 1662), Ciro Ferri (st. 1689), Filippo Lauri (st. 1694), auch der Florentiner Bened. Luti (st. 1724), der Pater Pozzo (S. 387) u. a. m.

 

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In Genua schwankt der Styl je nach den Einwirkungen. Gio. Batt. Paggi (1554–1627) erinnert an die damaligen Florentiner (S. Pietro in Banchi, 1. Alt. l. Anbetung der Hirten; Dom, 2. Cap. l. Verkündigung); – Domenico Fiasella, gen. Sarzana (st. 1669) gleicht mehr dem Guercino; – Bernardo Strozzi, gen. il capuccino Genovese (1581–1644) ist hochberüchtigt unter den Nachfolgern des Caravaggio; – Benedetto Castiglione (1616–1670) ein frecher Cortonist; – Valerio Castello ebenfalls, doch in der Farbe wärmer; – Deferrari scheint nach Van Dyck studirt zu haben. – Nur der jung verstorbene Pellegro Piola (1607–1630) hat einen eigenthümlichen schönen Naturalismus entwickelt. (Bilder im Pal. Brignole; Puttenfries im Pal. Adorno.) [1011]

 

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Die Niederländer, Deutschen, Spanier und Franzosen 1), von welchen Italien viele und zum Theil bedeutende Werke besitzt, werden im Folgenden wonöthig an der betreffenden Stelle mit genannt werden.

 

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Innerhalb der Malerei zweier Jahrhunderte (1580 bis um 1780) giebt es natürlich sehr grosse Unterschiede der Richtung, um der so unendlich verschiedenen Begabung der Einzelnen nicht zu gedenken. Ehe von dem Gemeinsamen die Rede sein darf, welches die ganze grosse Periode charakterisirt, muss zunächst auf die Unterschiede in Zeichnung, Formenauffassung und Colorit hingedeutet werden.

Die bolognesische Schule begann als Reaction der Gründlichkeit gegenüber vom Manierismus, als Selbsterwerb gegenüber vom einseitigen Entlehnen. Ihre Zeichnungsstudien waren sehr bedeutend; bei Annibale Caracci findet man ausserdem ein vielseitiges Interesse für alles Charakteristische, wie er denn eine Anzahl von Genrefiguren in Lebensgrösse gemalt hat. (Pal. Colonna in Rom: der Linsenesser; Uffizien: der Mann mit dem Affen; eine grosse Reihe von Genrefiguren in Kupferstichen etc.) Gleichwohl begnügt sich die Schule bald mit einer gewissen Allgemeinheit der Körperbildung und der Gewandungen, und zwar ist der Durchschnitt, der sich dabei ergiebt, weder ein ganz schöner noch ein hoher; er ist abstrahirt von Coreggio nur ohne das unerreichbare Lebensgefühl, auch von dem üppig schweren Paolo Veronese, nur ohne dessen Alles versöhnende Farbe. Den umständlichsten Beleg gewähren die Fresken der Galerie im Pal. Farnese zu Rom, von Annibale und seinen Schülern. Bei wie vielen dieser Junonen, Aphroditen, Dianen u. s. w. würde man wünschen, dass sie lebendig würden? Selbst die höchst vortrefflichen sitzenden Aktfiguren sind doch von keiner hohen Bildung. So fruchtbar die Schule an frischen [1012] Bewegungsmotiven ist, so fehlt ihr doch im Einzelnen das Schönlebendige. – Albani's mythologische Fresken in einem Saal des Pal. Verospi (jetzt Torlonia, neben Pal. Chigi) in Rom, der bedeutendste Nachklang der farnesischen Galerie, haben im Detail viel Anmuthiges, aber dasselbe Allgemeine.

Wie verschieden ist Guido Reni nicht nur je nach der Lebenszeit, sondern bisweilen in einem und demselben Werke. Von allen modernen Malern nähert er sich bisweilen am Meisten der hohen und freien Schönheit und seine Aurora (Casino des Pal. Rospigliosi) ist wohl Alles in Allem gerechnet das vollkommenste Gemälde dieser beiden letzten Jahrhunderte; allein die Horen sind in der Bildung von höchst ungleichem Werthe und mit sammt dem Apoll jener einzigen wunderbaren Gestalt der Morgengöttin nicht zu vergleichen. Der berühmte S. Michael in der Concezione zu Rom (1. Cap. r.) bleibt in Charakter und Stellung unendlich tief unter Rafaels Bild (Louvre). In den weiblichen Köpfen hat sich Guido sehr oft nach Antiken, namentlich nach den Niobiden gerichtet, in den weiblichen Körpern aber nicht selten einer buhlerischen Üppigkeit gehuldigt. (Man sehe die Hände seiner Cleopatra im Pal. Pitti, oder die weiblichen Charaktere in dem Bilde des Elieser, ebenda.) – Auch Domenichino, mit seinem grossen Schönheitssinn, hat sich jener bolognesischen Formenallgemeinheit nicht entziehen können. Er ist am ehesten frei davon in den beiden herrlichen Wandfresken der Cäciliencapelle (die 2. r.) in S. Luigi de' Francesi zu Rom, auch in mehrern der Frescohistorien zu Grottaferrata (Cap. des heil. Nilus). – In seinen Engeln bleibt er sehr sichtbar von Coreggio abhängig, wie man z. B. aus dem grossen Bilde der Brera zu Mailand (Madonna mit Heiligen) sieht. – Bei Guercino muss man einige köstliche Gestalten der edelsten Bildung (die ihm zu Gebote stand) ausscheiden von den Schöpfungen des energischen Naturalisten; so das Bild der Hagar (Brera zu Mailand), die Vermählung der heil. Catharina (Gal. zu Modena), auch die Cleopatra (Pal. Brignole zu Genua). – Sassoferrato, stets gewissenhaft, erscheint auch in diesen Beziehungen von Rafael inspirirt, doch nicht abhängig.

Bei Caravaggio und den Neapolitanern steht Zeichnung und Modellirung durchgängig um eine beträchtliche Stufe tiefer, da sie [1013] sich auf ganz andere Wirkungsmittel glauben verlassen zu dürfen. So gemein überdiess ihre Formen sind, so wenig kann man doch im einzelnen Fall darauf bauen, dass sie wirklich aus dem Leben gegriffen seien; in ihrer Gemeinheit sind sie nur zu oft auch allgemein. Der gewissenhaften Bilder sind in dieser Schule überhaupt wenige. Von Luca Giordano abwärts fällt die Zeichnung der neap. Schule dem liederlichsten Extemporiren anheim. Luca selbst hält sich noch durch angeborene Anmuth in einer gewissen Höhe.

Bei Pietro da Cortona ist es nicht schwer, eine durchgehende Gleichgültigkeit gegen die wahre Formendarstellung zu erkennen, so wie der Ausdruck seiner Köpfe zum Erschrecken leer wird. Man ahnt auf einmal, dass der sittliche Halt, welchen die Caracci (zu ihrer ewigen Ehre) der Kunst zurückgegeben, von Neuem tief erschüttert ist. Wenn ein Künstler von dieser Begabung das Beste so offenkundig Preis gab, so war nur ein noch weiteres Sinken zu erwarten. Der letzte grosse Zeichner, Carlo Maratta, war durch seine Nachahmung des Guido Reni zu befangen, durch seinen Mangel an individueller Wärme zu machtlos, um auch nur sich selber auf die Länge dem Verderben zu entziehen. (Einzelne Apostelfiguren in den obern Zimmern des Pal. Barberini zu Rom; Assunta mit den vier Kirchenlehrern, in S. M. del popolo, 2. Cap. r.) Unmittelbar auf ihn folgen noch ein paar Maler, die in der Formengebung nahezu so gewissenhaft sind als er; man lernt sie z. B. in Pal. Corsini zu Rom kennen, die Muratori, Ghezzi, Zoboli, Luti, auch den angenehmsten der Cortonisten: Donato Creti; – ganze Kirchen, wie S. Gregorio, SS. Apostoli sind wieder mit leidlich gewissenhaften Altarbildern eines Luti, Costanzi, Gauli u. A. gefüllt (von Gauli das Deckenfresco im Gesù, von Costanzi das in S. Gregorio); – ja die höchste Blüthe der römischen Mosaiktechnik, welche gewissermassen nur neben einer gründlichen Ölmalerei denkbar scheint, fällt gerade in die ersten Jahrzehnde des vorigen Jahrh. (Altarblätter in S. Peter, mosaicirt unter der Leitung des Cristofaris.) Allein diese späte, mehr locale als allgemeine Besserung ist das rein äusserliche Resultat academischen Fleisses, ein neuer geistiger Gehalt, eine tiefere Anschauung der darzustellenden Gegenstände war damit nicht mehr verbunden. Den Gipfelpunkt dieser Art von Besserung bezeichnet dann Pompeo [1014] Batoni (1708–1787; Hauptbild: Sturz Simons des Magiers, in S. M. degli angeli, Hauptschiff, links), bei welchem auch das individuelle Gefühl wieder etwas erwarmt; sein deutscher Zeitgenosse Anton Raphael Mengs (1728–1779) aber ist doch vielleicht der einzige, bei welchem wieder die Anfänge einer tiefern idealen Anschauung wahrzunehmen sind, von welcher aus auch die Einzelformen wieder ein höheres und edleres Leben gewinnen. Sein Deckenfresco in S. Eusebio zu Rom ist nach so vielen Ekstasen eines verwilderten Affectes wieder die erste ganz feierliche und würdige; seine Gewölbemalereien in der Stanza de' papiri der vaticanischen Bibliothek geben wieder eine Vorahnung des wahrhaft monumentalen Styles; in dem Parnass an der Decke des Hauptsaales der Villa Albani wagte er mehr als er durfte, und doch wird man auch hier wenigstens die historische Thatsache nicht bestreiten, dass er zuerst nicht bloss die naturalistische Auffassung im Grossen, sondern auch die conventionelle Formenbildung im Einzelnen durch Besseres und Edleres verdrängt hat. Allerdings vermochte er diess nur durch einen neuen Eklekticismus, und man bemerkt wohl die Anstrengung, mit welcher er die rafaelische Einfachheit mit Coreggio's Süssigkeit zu vereinigen suchte. Dass er aber bereits festen Boden unter den Füssen hatte, beweisen z. B. seine wenigen Porträts (Uffizien: sein eigenes; Brera: das des Sängers Annibali; irgendwo, wenn ich nicht irre, in der Pinacoteca von Bologna, dasjenige Benedicts XIV). Sie sind grossartiger, wahrer, anspruchloser als alle ital. Porträts des Jahrhunderts.

Nic. Poussin hatte keinen sichtbaren Einfluss auf die ital. Historienmalerei geübt.

 

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Im Colorit waren die Venezianer und Coreggio die Vorbilder der ganzen Periode; später wirken auch Rubens und van Dyck, die geistigen Haupterben Tizians und Paolo's, hie und da ein; Salvator Rosa ist sogar von Rembrandt berührt worden.

Die Caracci haben kein Ölgemälde hinterlassen, welches den rechten festlichen Glanz und die klare Tiefe eines guten Venezianers hätte. Die Schatten sind in der Regel dumpf, die Carnation oft schmutzig bräunlich. Ich halte die Fresken im Pal. Farnese bei weitem [1015] für die grösste Farbenleistung des Annibale. Mit einer ganz meisterhaften Freiheit hat er unter dem Einfluss von Michelangelo's Gewölbemalereien der Sistina (S. 872) seine Darstellung einzutheilen gewusst in Historien und decorirende Bestandtheile; letztere theils steinfarbene Atlanten, theils jene trefflichen sitzenden Aktfiguren, theils Putten, Masken, Fruchtschnüre, bronzefarbene Medaillons etc. Nur bei einer solchen Abstufung nach Gegenständen war die grosse harmonische Farbenwirkung zu erzielen, welche das Ganze trotz einzelner roherer Partien hervorbringt. Alle bessern Maler des XVII. Jahrh. haben hier für ähnliche Aufgaben gelernt; die geringern copirten wenigstens. In Bologna hatten die Caracci z. B. in den Fresken des Pal. Magnani (Fries des grossen Saales) einfachere, aber in ihrer Art nicht minder treffliche decorirende Figuren angebracht (sitzende steinfarbene Atlanten, geneckt von naturfarbenen Putten, begleitet von je 2 bronzefarbenen Nebenfiguren halber Grösse); Arbeiten welche in Styl und Colorit viel trefflicher sind als die Historien, denen sie zur Einfassung dienen. Noch die spätesten Nachfolger brachten bisweilen in dieser Gattung Ausgezeichnetes hervor, wie z. B. Cignani's berühmte acht Putten, je zwei mit einem Medaillon, über den Thüren im Hauptschiff von S. Micchele in bosco. Selbst den blossen Decoratoren (Colonna, in S. Bartolommeo a porta Ravegnana, und in S. Domenico, Cap. del rosario, links; – Franceschini, in Corpus Domini; – Canuti, in S. Micchele in bosco, Zimmer des Legaten etc.) geben solche Vorbilder bisweilen eine Haltung die andern Schulen weniger eigen ist. – Leider sind die vielleicht bestcolorirten Fresken des Lodovico und seiner Schule, in der achtseitigen Halle welche einen kleinen Hof dieses Klosters umgiebt, auf klägliche Weise zu Grunde gegangen; man kann die Überreste ohne Schmerz nicht ansehen. (Die Compositionen, zum Theil ebenfalls sehr bedeutend, sind durch Stiche bekannt.)

Domenichino ist in der Farbe sehr ungleich; von seinen Fresken möchten in dieser Beziehung wohl diejenigen in S. Andrea della Valle zu Rom, auch sonst Hauptwerke, den Vorzug haben (die Pendentifs mit den Evangelisten; das Chorgewölbe mit den Geschichten des Andreas und allegor. Figuren; – ihr Verdienst wird am besten klar durch den Vergleich mit den untern Malereien der Chorwände, vom Calabrese). [1016]

Der grösste Colorist der Schule war, wenn er wollte, Guido Reni. Seine Einzelfigur des S. Andrea Corsini (Pinac. von Bologna) möchte in der Delicatesse der Töne unübertroffen sein; vielleicht erreicht noch hie und da ein Bild seiner silbertönigen maniera seconda eine ähnliche Vollendung, etwa z. B. eine seiner Aktfiguren des S. Sebastian (wovon die schönste ebenda, andere a. m. O.); seine beste Aktfigur im Goldton ist (ebenda) der siegreiche Simson, ein Bild venezianischer Freudigkeit. (Zu vergleichen mit dem von heil. Frauen gepflegten S. Sebastian seines Schülers Simone da Pesaro, im Pal. Colonna zu Rom.) Von seinen Fresken wird die Aurora um der Haltung willen auf das Höchste bewundert; die grösste Farbenwirkung übt aber wohl die Glorie des S. Dominicus (in der Halbkuppel der Capelle des Heiligen zu S. Domenico in Bologna).

Guercino ist in seinen Farben bisweilen venezianisch klar bis in alle Tiefen, oft aber endet er auch mit einem dumpfen Braun. Das grosse Bild der heil. Petronilla (Gal. des Capitols), vorzüglich aber der Tod der Dido (Pal. Spada in Rom) zeigen seine Palette von der kräftigsten Seite; die oben (S. 1012) genannten Gemälde sind auch in der Farbe edler gemässigt. Von den Fresken sind diejenigen im Casino der Villa Ludovisi (Aurora im Erdgeschoss, Fama im Obergeschoss) vorzüglich energisch in der Farbe, ebenso die Propheten und Sibyllen in der Kuppel des Domes von Piacenza, nebst den Allegorien in den Pendentifs.

 

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Unter den Naturalisten ist der frühste, Caravaggio, von welchem auch Guercin mittelbar lernte, immer einer der besten Coloristen. Freilich schliesst das scharfe Kellerlicht, in welches er und viele Nachfolger ihre Scenen zu versetzen lieben, jenen unendlichen Reichthum von schönen Localtönen aus, welche nur bei der Mitwirkung der Tageshelle denkbar sind; ausserdem ist es bezeichnend, dass trotz aller Vorliebe für das geschlossene Licht die Naturalisten so wenig auf die Poesie des Helldunkels eingingen. Caravaggio's Geschichten des S. Matthäus in S. Luigi de' Francesi zu Rom (letzte Cap. l.) sind freilich so aufgestellt, dass sich kaum über die Farbenwirkung urtheilen lässt, mögen auch überdiess stark nachgedunkelt sein; doch [1017] ist so viel (auch aus seinen andern Werken) sicher, dass er mit Absicht auf den Eindruck des Grellen und Unheimlichen ausging und dass die Reflexlosigkeit hiezu ein wesentliches Mittel ist. Bei Rembrandt dagegen herrscht, trotz allem Abenteuerlichen in Figuren und Trachten, ein tröstlicher, heimlicher Klang vor, weil das Sonnenlicht theils unmittelbar, theils mit dem Goldduft der Reflexe die ganze Räumlichkeit erhellt und wohnbar macht. (Beiläufig: ausser einigen Porträts, wovon unten, scheint nicht bloss die Landschaft in den Uffizien, sondern auch eine Ruhe auf der Flucht, im Pal. Manfrin zu Venedig ein echtes Werk Rembrandts zu sein.)

Von Caravaggio's Schülern sind die Nichtneapolitaner Carlo Saraceni und Moyse Valentin die farbigsten, auch sonst ziemlich gewissenhaft. (Von Saraceni: Geschichten des heil. Benno in der Anima zu Rom, 1. Cap. r. und 1. Cap. l.; Tod der Maria in S. M. della Scala, links; – von Valentin: Joseph als Traumdeuter, Pal. Borghese; Enthauptung des Täufers, Pal. Sciarra; Judith, im Pal. Manfrin zu Venedig.)

Spagnoletto wird oft hart, glasig und grell, trotz seiner venezian. Erinnerungen. So schon in seinem abscheulichen Bacchus vom Jahr 1626 (Museum von Neapel); sein heil. Sebastian (ebenda) ist merkwürdig als spätestes mit Liebe gemaltes Bild, vom Jahr 1651. Am meisten venezianisch erscheint mir seine geringe Figur des heil. Hieronymus (Uffizien, Tribuna). – Stanzioni ist um ein Bedeutendes milder und weicher; von den Übrigen hat Salvator Rosa, wenn er will, das wärmste Licht und das klarste Helldunkel (Verschwörung des Catilina, Pal. Pitti), sonst aber oft etwas Fahles und Dumpfes. Bei Calabrese und mehrern Andern muss man sich mit einer höchst äusserlichen Farbenbravour begnügen.

Pietro da Cortona ist ein so bedeutender Colorist als man es ohne allen Ernst der sachlichen Auffassung sein kann. Seine Farbe ist – man gestatte uns das fade Wort – in hohem Grade freundlich; in den grossen, mehr decorativ als ernstlich gemeinten Gewölbemalereien hat er zuerst sich genau nach demjenigen Eindruck gerichtet, welchen das vom Gedanken verlassene, müssig irrende Auge am meisten wünscht. Vorherrschend ein heller Ton, eine sonnige Luft, bequeme Bewegung der Figuren im lichten Raum, ein oberflächlich [1018] angenehmes Helldunkel zumal in der Carnation. Deckengemälde der Chiesa nuova in Rom (in der Sacristei die Engel mit Marterwerkzeugen); Gewölbe des colossalen Hauptsaales im Pal. Barberini; ein Saal im Pal. Pamfili auf Piazza navona(?); Anzahl von Plafonds im Pal. Pitti (S. 396); Wandfresken in einem der Säle daselbst, wo seine halbe Gründlichkeit widriger erscheint als seine sonstige ganze Flüchtigkeit. Unter den Staffeleibildern giebt etwa die Geburt der Maria (Pal. Corsini) den günstigsten Begriff von seinem Colorit.

Von ihm und von Paolo Veronese geht dann das Colorit des Luca Giordano aus, welcher sich darin vermöge seines unzerstörbaren Temperamentes doch bisweilen zu einer wahren Freudigkeit erhebt. Im Tesoro zu S. Martino in Neapel hat er die Geschichten der Judith und der ehernen Schlange binnen 48 Stunden an das Gewölbe gemalt; sein S. Franz Xaver der die Wilden tauft (Museum) ist in 3 Tagen vollendet, – Beides so, dass an dieser Palette noch immer Einiges zu beneiden bleibt. Auch seine übrigen Bilder (wovon im Museum eine Auswahl), ohne einen wirklich sichern Contour, ohne irgend welche Wahl in Formen oder Motiven, üben doch wesentlich durch die Farbe, durch die napolitanische Süssigkeit mancher Köpfe, durch eine gewisse liederliche Anspruchlosigkeit (neben den Prätensionen eines Salvator und Consorten), durch den ganzen angenehmen Schein des Lebens einen grossen Reiz aus. – Seine Nachfolger, im besten Falle brillante Decoratoren mit blühendem Colorit: Solimena: Fresken der Sacristeien von S. Paolo und von S. Domenico maggiore; grosse Geschichte des Heliodor innen über dem Portal des Gesù nuovo; – Luigi Garzi: Fresken an Decke und Frontwand von S. Caterina a formello; – Conca: grosses Mittelbild der Decke von S. Chiara, David vor der Bundeslade tanzend; – Franc. de Mura: grosses Deckengemälde in S. Severino; – Bonito: kleineres Deckenbild in S. Chiara, u. s. w. – Beim Verkommen der Localschulen in ganz Italien reisten vorzüglich diese Neapolitaner als Virtuosen der Schnellmalerei herum und drangen auch in Toscana ein, nachdem schon vorher Salvator Rosa daselbst einen grossen Theil seines Lebens zugebracht hatte. So hat z. B. Conca im Hospital della Scala zu Siena die Chornische mit der Geschichte des Teiches von Bethesda ganz [1019] stattlich ausgemalt; der Calabrese bedeckte Chor und Kuppel des Carmine zu Modena mit seinen Improvisationen etc.

Von den Römern hat Sacchi ein kräftigeres und gründlicheres Colorit als Cortona (die Messe des heil. Gregor, und S. Romuald mit seinen Mönchen, vatican. Galerie; Tod der S. Anna, in S. Carlo a' catinari, Altar links). Maratta mit aller Sorgfalt ist hierin auffallend matt; einzelne Köpfe, wie etwa „la pittura“ im Pal. Corsini, gerathen ihm am ehesten ganz lebendig und schön; seine Madonna mit dem schlafenden Kind, im Pal. Doria, ist auch in der Farbe der reproducirte Guido. –

Von den Florentinern ist der schon (S. 1008) genannte Furini unermüdlich bemüht, das Fleisch seiner weiblichen Akte immer mürber und weicher darzustellen (Pal. Pitti: Schöpfung der Eva; Pal. Capponi: David und Abigail; Pal. Corsini: Aktfiguren und Mythologisches).

Die spätern Venezianer (S. 909) sind im besten Falle die Ausbeuter Paolo's; Tiepolo befleissigt sich dabei eines hellen Silbertons.

 

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Man wird vielleicht nach längerer Beobachtung mit uns der Ansicht sein, dass die grössten Meisterwerke des Colorites, welche Italien aus dieser ganzen Periode besitzt, ein paar Bilder von Rubens und Murillo sind. Den Rubens kann man in Italien von seiner frühesten Zeit, d. h. von seinem dortigen Aufenthalt an verfolgen. Die 3 grossen Bilder im Chor der Chiesa nuova zu Rom (Madonnabild von Engeln umgeben, und zwei colossale Gemälde mit je 3 Heiligen) zeigen wie seine eigenthümliche Charakteristik und sein Colorit sich loszuringen beginnen von den verschiedenen Manieren die ihn umgaben; auch in der Beschneidung auf dem Hochaltar von S. Ambrogio zu Genua kämpft er noch mit Auffassung und Farbe der Caracci; – schon fast ganz er selbst tritt uns entgegen in dem S. Sebastian, welchem die Engel die Pfeile aus den Wunden ziehen (Pal. Corsini in Rom), und in der idyllisch naiven Auffindung des Romulus und Remus (Gal. des Capitols); beide Bilder mit gelblichen Fleischtönen; – die 12 Halbfiguren von Aposteln (Casino Rospigliosi) glaube ich für echte Werke schon aus seiner beinah vollendeten Zeit halten zu dürfen. – Dann [1020] das Reifste und Herrlichste: die Allegorie des Krieges (Pal. Pitti), wo Farben, Formen und Moment untrennbar als eins empfunden sind; ebenda die eine heil. Familie (mit der geflochtenen Wiege); – dann mehrere eigenhändige Bacchanalien von 3–4 Figuren aus dieser seiner goldenen Zeit: in den Uffizien; im Pal. Brignole zu Genua; im Pal. Pallavicini ebenda; – ebenfalls wohl eigenhändig: Hercules bei den Hesperiden, im Pal. Adorno ebenda; – endlich das grosse Meisterwerk auf dem Hauptaltar links in S. Ambrogio ebenda: S. Ignatius, der durch seine Fürbitte eine Besessene heilt, in Auffassung, Form und Farbe von einem feinblütigen, nobeln Naturalismus, der die Neapolitaner unendlich überragt; in dem Heiligen ist z. B. noch der spanische Edelmann dargestellt; sein Ausdruck wird mächtig gehoben durch das kluge, gleichgültige Wesen der ihn umgebenden Priester und Chorknaben. – Die beiden grossen Bilder im Niobesaal der Uffizien, die Schlacht von Ivry und Heinrichs IV Einzug in Paris, möchten als ganz eigenhändige Improvisationen der besten Zeit einen bestimmten Vorzug haben vor den meisten Bildern der Galerie de Marie de Médicis im Louvre; sie zeigen uns den Prometheus des Colorites gleichsam mitten in der Gluth des Schaffens.

Atelierbilder und spätere Werke: Pal. Pitti: Nymphen im Walde von Satyrn überrascht; die zweite heil. Familie vielleicht Copie eines Franzosen. – Uffizien: die kleinere Allegorie des Krieges. – Brera in Mailand: das Abendmahl(?). – Pal. Manfrin in Venedig: treffliche aber doch verdächtige Skizze des Bildes von S. Bavon in Gent.

Unter den Porträts sind Juwelen ersten Ranges: eine Dame in mittlern Jahren, von nichtsnutzigem Ausdruck, mit dem Gebetbuch (Uffizien); ein vornehmer schwarzgekleideter Herr mit Krause und goldener Kette (ebenda); – die sog. vier Juristen, obwohl nicht ganz glücklich geordnet (Pal. Pitti). – Früh und echt: der Franciscaner (Pal. Doria in Rom). – Mittelgut: Philipp IV (Pal. Filippo Durazzo in Genua). – Über viele andere Bildnisse wage ich nicht zu urtheilen.

Van Dyck hat ausser der für echt geltenden und dann jedenfalls frühen Grablegung im Pal. Borghese zu Rom fast nichts von idealem Inhalt in Italien hinterlassen als ein paar Köpfe; so die aufwärtsblickende Madonna (im Pal. Pitti), deren ungemeine Schönheit vielleicht eine Anregung von Guido her verräth; eine andere (Pal. Spinola, [1021] Str. nuova in Genua) scheint ebenfalls echt, nur sehr misshandelt; – der Coriolan (Pal. Pallavicini ebenda) ist ein Familienbild des betreffenden Hauses und überdiess wohl nicht ganz sicher; – eher könnte die sehr übermalte Geschichte der Dejanira (Pal. Adorno, ebenda, Rubens benannt) ein frühes Bild des Van Dyck sein; – der Cristo della moneta (Pal. Brignole) wahrscheinlich echt, eine blosse neue Redaction des tizianischen.

Von den Porträts schienen mir u. a. folgende zu Genua echt. Pal. Brignole: Reiterbild des Antonio Brignole; seine Gemahlin; Friedrich Heinrich von Oranien; Jüngling in spanischer Tracht an einer Säule; Geronima Brignole mit ihrer Tochter. (Dagegen der Vater mit Knaben zwar trefflich, aber nicht ganz sicher; der sog. Tintoretto, ein schwarz gekleideter Herr im Lehnstuhl, auf Tapetengrund, könnte eher unter Van Dyck's Einfluss gemalt sein.) – Im Pal. Filippo Durazzo: ein Knäblein in weissem Kleide; und das vortreffliche Bild der drei rasch vorwärtskommenden Kinder. – Im Pal. Spinola: Str. nuova: Kopf mit Krause. (Das grosse Reiterbild für V. zu gedankenlos.) – Im Pal. Adorno: Brustbild eines geharnischten jungen Mannes. – Mehrere andere Sammlungen hat der Verfasser nicht gesehen.

Im Pal. Pitti: Cardinal Bentivoglio, ganze Figur, sitzend, höchst vornehm elegant, ein Wunderwerk der Malerei; – die Brustbilder Carls I und Henriettens von Frankreich, blosse Wiederholungen, doch schön und eigenhändig. – Uffizien: eine vornehme Dame, aus der spätern, blassern Palette; das Reiterbild Carls V, durch schöne und gar nicht aufdringliche Symbolik in eine historisch-ideale Höhe gehoben. – Im Pal. Colonna zu Rom: das Reiterbild des Don Carlo Colonna, wo sich die Symbolik schon unpassender geltend macht; und Lucrezia Tornacelli-Colonna in ganzer Figur.

Zahlreiche Porträts von andern vortrefflichen Niederländern (Franz Hals? Mirevelt?) pflegen in den Galerien auf diese beiden Namen vertheilt zu werden (Pal. Doria in Rom, u. a. a. O.)

Von Rembrandt ist sehr echt und wunderwürdig in Farbe und Licht: sein eigenes gemeines Gesicht (Pal. Pitti, zwischen dem Ehepaar Doni von Rafael); auch der alte Rabbiner (ebenda); – in den Uffizien (Malerbildnisse) hat das Bildniss im Hauskleid den Vorzug vor der dicken Halbfigur mit Barett und Kette; – welche eine blosse [1022] Wiederholung eines der beiden trefflichen Greisenporträts im Museum von Neapel ist. – Im Pal. Doria zu Rom möchte der Kopf eines Sechszigers, mit Mütze, wohl echt sein. (Von einem seiner Nachfolger, Gerbrand van den Eckhout, ist Isaac's Opferung, ebenda.)

Dem Mirevelt wird im Museum von Neapel das Kniestück eines jungen Rathsherrn, und ein Brustbild, beide vorzüglich, zugeschrieben. – Dem j. Pourbus im Pal. Pitti das (eher holländische) Porträt eines jungen Mannes, und in den Uffizien der vortreffliche Kopf des Bildhauers Francavilla (S. 686). – Ein Van der Helst von erstem Werthe ist das Kniestück eines alten Rathsherrn, im Pal. Pitti. – Ebenda, von Peter Lely: Cromwell, unendlich tief und wahr aufgefasst, nach der geistigen, wie nach der rohen Seite, mit einem Züge der Bekümmerniss; die andern Porträts des Lely, im Niobesaal der Uffizien, reichen nicht an dieses Werk.

Es genügt z. B. ein Blick auf die Malersammlung in den Uffizien, um sich die volle Superiorität der Niederländer klar zu machen. Die Italiener des XVII. Jahrh. suchen in ihren Porträts vorzugsweise einen bestimmten Geist, eine bestimmte Thatkraft auszudrücken und fallen dabei in das Grelle und Prätentiöse; die Niederländer (hier freilich nur geringere Exemplare) geben das volle Dasein, auch die Stunde und ihre Stimmung; durch Farbe und Licht erheben sie auch das Porträt zu einem der Phänomene des Weltganzen. (Die Franzosen von Lebrun an interessiren in dieser Sammlung durch ihren lockern und doch so gutartigen und anständigen physiognomischen Ausdruck.)

Ein Flamänder, Sustermans von Antwerpen (1597–1681), hat sein Leben in Florenz zugebracht und hier jene Menge ganz vortrefflicher Porträts geschaffen, welche oft genug an Van Dyck streifen. (Viele, u. a. der Dänenprinz, im Pal. Pitti; – andere, u. a. Galilei, in den Uffizien; – dann in den Pal. Corsini und Guadagni etc.) Von ihm und auch wohl von Rembrandt mögen dann die in Florenz gemalten Bildnisse Salvator's inspirirt sein; so im Pal. Pitti: sein eigenes, und die Kniefigur eines Geharnischten, welche ohne Rembrandt nicht entstanden wäre. – Auch andere Italiener bekennen sich im Porträt fast offen zu ausländischen Vorbildern; Cristofano Allori [1023] (in dem Bildniss eines Canonicus, Pal. Capponi in Florenz) zu dem des Velasquez; der Venezianer Tib. Tinelli zu dem des Van Dyck. (Uffizien: Porträt eines geistvollen Bonvivants mit einem Lorbeerzweig; Pal. Pitti: ein ältlicher Nobile; Acad. von Venedig: das Bild des Malers?) – Am ehesten wird man bei den ersten Bolognesen eine eigene Auffassung finden; Bildnisse Domenichino's (Uffizien; Pal. Spada zu Rom) und Guercino's (Gal. von Modena), haben eine freie, historische Würde. – Die sog. Cenci, vorgeblich von Guido, im Pal. Barberini, ist immer ein hübsches, durch das Geheimnissvolle reizendes Köpfchen. – Ein Jünglingsbildniss von Carlo Dolci (Pal. Pitti) gehört zu seinen besten Arbeiten; – ebenso bei Sacchi das Priesterporträt in der Gal. Borghese. – Das edle, wahrhaft historische Porträt Poussin's (Casino Rospigliosi) möchte indess all diesen leztgenannten vorzuziehen sein.

Die grossen Spanier, deren Colorit und Auffassung ebenso von Tizian berührt wurden, wie diess bei den Flamändern der Fall war (aber weniger von Paolo als diese) sind in Italien nur durch einzelne zerstreute Werke repräsentirt. Murillo's Madonna im Pal. Corsini zu Rom ist nicht nur höchst einfach liebenswürdig in den Charakteren der Mutter und des Kindes, sondern (bei theilweis sehr grosser Flüchtigkeit) ein Wunder der Farbe. Die beiden Madonnen im Pal. Pitti erreichen diese Wonne des Tones nicht; die eine absichtlichere (das Kind mit dem Rosenkranz spielend) ist auch in der Malerei weniger lebendig. Von Velasquez nur Porträts: in den Uffizien sein eigenes, fast etwas gesucht nobel, und das gewaltige Reiterbild Philipps IV sammt Knappen und Allegorien, in offener Landschaft, mit unglaublicher Beherrschung des Tones und der Farbe gemalt; – im Pal. Pitti: ein Herr von leidenschaftlichen Zügen, die lange aristocratische Hand am Degengefäss; – im Pal. Doria zu Rom: Innocenz X sitzend; vielleicht das beste Papstporträt des Jahrhunderts. (Den Murillo's und Velasquez in der Gal. von Parma ist kaum zu trauen. – Eine Pietà von Sanchez Coello in S. Giorgio zu Genua, erster Altar links vom Chor.) [1024]

 

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In allen Aufgaben idealer Art ist diese moderne Malerei von den höchsten Zielen ausgeschlossen, weil sie zu unmittelbar darstellen und überzeugen will, während sie doch, als Kind einer späten Culturepoche, nicht mehr in der blossen Unmittelbarkeit (Naivetät) erhaben sein kann. Ihr Naturalismus möchte alles Seiende und Geschehende als solches handgreiflich machen; er betrachtet diess als Vorbedingung jeglicher Wirkung, ohne auf den innern Sinn des Beschauers zu rechnen, welcher Anregungen ganz anderer Art zu beachten gewohnt ist.

Schon die Wirklichkeit der Bewegung im Raum, wie man sie bei Coreggio vorfand und adoptirte, machte die Kunst gleichgültig gegen alle höhere Anordnung, gegen das Einfach-Grosse im Bau und Gegensatz der Gruppen und Einzelgestalten. Am meisten Architektonisches hat vermöge seines Schönheitssinnes Guido Reni gerettet. Seine grandiose Madonna della Pietà (Pinac. von Bologna) verdankt dem symmetrischen Bau der untern wie der obern Gruppe ihre gewaltigste Wirkung; ähnlich verhält es sich (ebenda) mit dem Bilde des Gekreuzigten und seiner Angehörigen; die edle und grossartige Behandlung, der schöne Ausdruck allein würden nicht genügen, um diesen Werken ihre ganz ausnahmsweise Stellung zu sichern. (Ein anderer Crucifixus Guido's, ohne die Angehörigen, aber ebenfalls von erster Bedeutung, in der Gal. von Modena.) Die Assunta in München, die Dreieinigkeit auf dem Hochaltar von S. Trinità de' pellegrini in Rom geben hiezu weitere Belege; selbst das flüchtige Werk der maniera seconda: die Caritas (Pinac. von Bologna). – Lodovico Caracci's Transfiguration (ebenda) und Himmelfahrt Christi (Hochaltar von S. Cristina zu Bologna) werden nur durch dieses architektonische Element recht geniessbar; Annibale's Madonna in einer Nische, an deren Postament Johannes der Ev. und Catharina lehnen, verdankt ebendemselben (nebst der energischen Malerei) eine grosse Wirkung trotz der allgemeinen und wenig edlen Formen; denselben Lebensgehalt zeigt das ähnliche grosse Bild des Guercino im Pal. Brignole zu Genua. (Derselbe Guercino geht in einem schön gemalten Bilde – S. Vincenzo zu Modena, zweite Cap. rechts – an dem Richtigen vorbei.) Ja auch die in Bewegung gerathene Symmetrie, das Processionelle, kurz Alles, was das in dieser Schule so oft zur Confusion führende Pathos dämpft, kann hier von höchst erwünschter Wirkung sein; hieher [1025] gehören die beiden Riesenbilder des Lod. Caracci in der Gal. von Parma (ehemals Seitenbilder einer Assunta), hauptsächlich die Grabtragung der Maria, wo der Ritus, beherrscht von dem meisterlich verkürzten Leichnam, das subjective Pathos vollkommen zurückdrängt. Auch Domenichino, dessen Composition so überaus ungleich ist, hat in seinem „Tod der heil. Cäcilia“ (S. Luigi in Rom, zweite Cap. rechts) ein herrliches Beispiel strenger und doch schön aufgehobener Symmetrie geliefert. Von den beiden Bildern der letzten Communion des heil. Hieronymus (Agostino Caracci: Pinac. von Bologna; – Domenichino: Gal. des Vaticans) hat dasjenige des Domenichino schon darin einen Hauptvorzug, dass die beiden Gruppen (die des Priesters und die des Heiligen) dem Totalwerth nach wie auf der Goldwage gegen einander abgewogen sind, sodass Bewegung und Ruhe, Ornat und freie Gewandung, Geben und Empfangen etc. sich gegenseitig aufheben; ausserdem ist die Gestalt des Heiligen in die Pietät und Andacht der Seinigen wie gebettet und doch für den Anblick ganz freigehalten. Der grösste Verehrer D.'s, Nic. Poussin, geht dann wieder zu weit, sodass seine Gruppen oft absichtlich construirt erscheinen. (Ruhe auf der Flucht, Acad. von Venedig.) – Bisweilen überraschen die Mailänder, so verwildert sonst ihre Composition ist, durch eine gross gefühlte symmetrische Anordnung. Man sehe in der Brera das grosse Bild des Cerano-Crespi (Madonna del rosario); im Pal. Brignole zu Genua den von Engeln gen Himmel getragenen S. Carlo, von einem der Procaccini, ein ergreifendes Bild, so naturalistisch die Anstrengung der Engel gegeben sein mag. – Sassoferrato befolgte in seiner schönen Madonna del rosario (S. Sabina zu Rom, Cap. rechts vom Chor) mit vollem Bewusstsein die alte strenge Anordnung.

Weit die Meisten aber erkennen die höhern Liniengesetze nur in beschränktem Masse an, die Naturalisten fast gar nicht. Selbst den besten Bolognesen ist eine prächtige Actfigur (womöglich kunstreich verkürzt) im Vordergrunde bisweilen so viel werth als der ganze übrige Inhalt des Bildes; einige suchen dergleichen geflissentlich auf (Schidone's S. Sebastian, dessen Wunden von Zigeunern beschaut werden, im Museum von Neapel); die Naturalisten begehren vollends nichts als den leidenschaftlichen Moment. Caravaggio's Grablegung (Gal. des Vaticans), immer eines der wichtigsten und gründlichsten [1026] Bilder der ganzen Richtung, ist der Einheit und Gewalt des Ausdruckes zu Liebe als Gruppe ganz einseitig gebaut. Wie roh aber C. componiren (und empfinden) konnte, wenn ihm am Ausdruck nichts lag, zeigt die Bekehrung des Paulus (S. M. del popolo in Rom, erste Cap. links vom Chor), wo das Pferd beinahe das Bild ausfüllt. Spagnoletto's Hauptbild, die Kreuzabnahme im Tesoro von S. Martino zu Neapel ist in den Linien unangenehm, was man allerdings über der Farbe und dem ergreifenden, obwohl auf keine Weise verklärten Schmerz übersehen kann.

Dieses Gebiet des Ausdruckes und Affectes, welchem die moderne Malerei so vieles opfert, müssen wir nun nach Inhalt und Grenzen zu durchforschen suchen. Wir beginnen mit den erzählenden Bildern heiligen (biblischen oder legendarischen) Inhaltes, ohne uns doch streng an irgend eine Eintheilung halten zu dürfen. – Auch die Altarbilder gewinnen schon seit Tizian (S. 974) gerne einen erzählenden Inhalt; jetzt ist vollends Alles willkommen, was auf irgend eine Weise ergreifen kann.

 

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Man sieht in S. Bartolommeo a Porta ravegnana zu Bologna (vierter Altar rechts) eines der prächtigsten Bilder des Albani: die Verkündigung; Gabriel, eine schöne Gestalt, fliegt der Jungfrau leidenschaftlich zu. (Man vergleiche das colossale Fresco des Lod. Caracci über dem Chor von S. Pietro in Bologna.) – Die Geburt Christi, das Presepio, früher immer naiv dargestellt, war durch Coreggio's heilige Nacht zu einem Gegenstand des aufs Höchste gesteigerten Ausdruckes und des Lichteffectes geworden. (Welchen letztern man z. B. in zweien der bessern Bilder des Honthorst, Uffizien, nach Kräften reproducirt findet.) Wie völlig missverstand nun z. B. Tiarini in einem sonst trefflichen Bilde (S. Salvatore zu Bologna, Querschiff links) den stillen, idyllischen Sinn der Scene! Er malt sie höchst colossal und lässt den Joseph ganz declamatorisch auf die Maria hindeuten, damit der Beschauer aufmerksam werde. – Gleichgültiger werden insgemein behandelt die Anbetungen der Hirten und der Könige, u. a. von Cavedone (S. Paolo in Bologna, dritte Cap. rechts) der bei aller Tüchtigkeit sehr das Ordinäre herauszukehren [1027] pflegt. Eine Anbetung der Hirten von Sassoferrato (Mus. von Neapel) giebt gerade das Gemüthliche, das vorzugsweise sein Element ist; im Jahrhundert des Pathos eine vereinzelte Erscheinung. – Von den Geschichten der heil. Anverwandten werden jetzt vorzugsweise nur die pathetischen, besonders die Sterbebetten behandelt: der Tod der heil. Anna (von Sacchi, in S. Carlo ai catinari zu Rom, Altar links), der Tod des heil. Josephs (von Lotti, in der Annunziata zu Florenz, Cap. Feroni, die zweite links; – von Franceschini, in Corpus Domini zu Bologna, erste Cap. links). Caravaggio dagegen, der oft mit Absicht das Heilige alltäglich darstellte, malt (in einem Bilde des Pal. Spada zu Rom) zwei hässliche Nätherinnen, womit die Erziehung der Jungfrau durch S. Anna gemeint ist. – Bei den Kindbetten (Lod. Caracci: Geburt des Johannes, Pinac. von Bologna, spätes resolutes Hauptbild) mochte man, wenn auch unbewusst, den Nachtheil empfinden, in welchem man sich z. B. gegen die Zeit eines Ghirlandajo befand; damals war die Grundauffassung ideal, das Einzelne individuell, jetzt die Grundauffassung prosaisch, die Einzelform allgemein. – (Besonders einflussreich müssen die nur unscheinbaren Bilder des Agostino und Lodovico in S. Bartolommeo di Reno zu Bologna, 1. Cap. l., Anbetung der Hirten, Beschneidung und Darstellung, gewesen sein.) – Unter den Jugendgeschichten Christi, die nunmehr in sentimentaler Absicht bedeutend ausgesponnen wurden, behauptet die Ruhe auf der Flucht immer den ersten Rang, und hier giebt Coreggio's Madonna della scodella (S. 954) wesentlich den Ton an. Eine schöne kleine Skizze des Annibale im Pal. Pitti zeigt diess z. B. deutlich; auch das betreffende unter Bonone's trefflichen Frescobildern im Chor von S. Maria in Vado zu Ferrara. U. a. m. Noch einmal trifft Caravaggio den wahren idyllischen Inhalt, wenn auch in seiner barocken Art. (Bild im Pal. Doria zu Rom: Mutter und Kind schlummern, ein Engel spielt Violin und Joseph hält das Notenblatt. Er hat auch eine „Entwöhnung des Bambino“ in seiner derbsten Art dargestellt; Pal. Corsini.) Bei den Meisten aber wird die Scene zu einer grossen Engelcour im Walde; so schon in dem oben (S. 1008) erwähnten Prachtbilde des Rutilio Manetti; vollends aber ist es ergötzlich zu sehen, was ein später Neapolitaner daraus gemacht hat. (Bild des Giac. del Po, im rechten Querschiff von S. Teresa zu Neapel, [1028] oberhalb des Museums.) Die Scene ereignet sich auf einer Nilinsel; Joseph wacht auf, es ist eben himmliche Audienz; die Madonna spricht mit einem Engel, der einen Nachen anbietet und überlässt inzwischen das Kind der Bewunderung und Anbetung zahlreicher Engel verschiedenen Ranges; die ältern darunter meistern die jüngern u. s. w. – In andern Scenen des Jugendlebens Christi ist Sassoferrato allein fast immer naiv sammt seiner Sentimentalität; eine heil. Familie im Pal. Doria zu Rom; Josephs Tischlerwerkstatt, wo der Christusknabe die Späne kehrt, im Museum von Neapel. Bei den Bolognesen wird bisweilen auf eine nicht ganz gesunde Weise die Handlung des Christus auf das Christuskind übertragen, wie z. B. in einem Bilde des Cignani (S. Lucia zu Bologna, dritter Altar links), wo der Bambino vor den Knieen der Mutter stehend den Johannes und die heil. Teresa mit Kränzen belohnt. Bei Albani (Mad. di Galliera zu Bologna, zweiter Altar links) ist eine Vorahnung der Passion so ausgedrückt, dass das Christuskind affectvoll emporblickt nach den mit den Marterinstrumenten (wie mit Spielzeug) herumschwebenden Putten; unterhalb der Stufen Maria und Joseph, ganz oben Gott-Vater, bekümmert und gefasst. – Von den zahllosen Josephsbildern ein gutes von Guercino (S. Giov. in monte zu Bologna, dritte Cap. rechts); das Kind hält dem Pflegevater eine Rose zum Riechen hin.

Eine Scene wie Christus unter den Schriftgelehrten (S. 903, Anm.) muss bei der naturalistischen Auffassung noch viel bedenklicher werden als sie schon an sich ist. Salvator Rosa (Museum von Neapel) malt um den hülflosen Knaben herum das brutalste Volk. – Einzelne Bilder der Taufe und der Versuchung werden unten genannt werden. Die Wunder Christi werden fast ganz verdrängt durch die Wunder der Heiligen; an der Hochzeit von Kana wird gerade das Wunder am wenigsten hervorgehoben (angenehmes grosses Genrebild dieses Inhaltes, von Bonone, Ateneo zu Ferrara.) – Die Vertreibung der Käufer und Verkäufer aus dem Tempel hat z. B. Guercino in einem gleichgültigen Bilde geschildert (Pal. Brignole zu Genua); lehrreicher ist es, in der grossen Frescodarstellung dieser Scene, welche Luca Giordano a' Gerolomini (S. Filippo) zu Neapel über dem Portal gemalt hat, zu sehen mit welchem Wohlgefallen der Neapolitaner eine solche Execution darstellt. – Von den Auferweckungen des Lazarus [1029] ist die des Caravaggio (Pal. Brignole zu Genua) immer eine der bedeutendsten Leistungen des gemeinern Naturalismus. – Das Abendmahl fällt gleich unwürdig aus, ob es als Genrebild oder als Affectscene behandelt werde. Ersteres ist z. B. der Fall in dem grossen Bilde des Aless. Allori (Acad. zu Florenz), welches eine ganz schön gemalte, lebendige „Scene nach Tische“ heissen kann. Bei Domenico Piola (S. Stefano in Genua, Anbau links) fehlt es nicht an Pathos aller Art, allein das „unus vestrum“ geht unter in einem gesuchten Lichteffect und in den Zuthaten (Bettler, Aufwärter, Kinder, auch ein niederschwebender Reigen von Putten). – Im Chor von S. Martino zu Neapel sind ausser der grossen Geburt Christi von Guido vier colossale Bilder dieser Gattung zu finden, deren zum Theil berühmte Urheber doch hier nicht auf ihrer rechten Höhe erscheinen: Ribera, die Communion der Apostel; – Caracciolo, die Fusswaschung; – Stanzioni, figurenreiches Abendmahl; – Erben des Paolo Veronese, Einsetzung der Eucharistie. (So Galanti, dem ich beim Erlöschen meiner Erinnerungen folgen muss.) – Von den Passionsscenen (abgesehen von einzelnen Figuren, wie das Eccehomo, der Crucifixus) ist es hauptsächlich der Moment des Affectes im vorzugsweisen Sinne, welcher nun tausendmal dargestellt wird: die Pietà, der vom Kreuz abgenommene Leichnam, umgeben von Maria, Johannes, Magdalena und Andern. Die Vorbilder Tizian's und Coreggio's berechtigten und reizten hier zur höchsten Steigerung des Ausdruckes. Wie bei der Scene unter dem Kreuze, so wird nun auch hier, dem Wirklichkeitsprincip gemäss, die Madonna fast immer ohnmächtig, d. h. der sittliche Inhalt muss mit einem pathologischen theilen. Wo dieser Zug ausgeschlossen ist, wie z. B. in den Bildern, welche nur die Madonna mit dem Leichnam auf den Knieen darstellen (Lod. Caracci: im Pal. Corsini zu Rom; Annibale: im Pal. Doria und im Museum von Neapel), da ist auch der Eindruck viel reiner. – Die bedeutendste jener vollständigern Darstellungen ist wohl die schon wegen ihrer Anordnung (S. 1025) erwähnte Mad. della Pietà des Guido (Pinacoteca von Bologna); leider hatte er den Muth nicht, diese Scene, wie Rafael seine Transfiguration in einen bestimmten obern, auf einen zweiten Augenpunkt berechneten Raum zu versetzen (etwa auf einen Hügel), sondern brachte sie als auf einer über den knieenden [1030] Heiligen hängenden Tapete gemalt, als Bild im Bilde an, bloss um raum-wirklich zu bleiben. – Herrlich ist dann (noch in ihrem Ruin) die Pietà des Stanzioni über dem Portal von S. Martino zu Neapel; den seelenvollsten Bildern des Van Dyck gleich zu achten; auch in der edlen Haltung und Verkürzung des Leichnams alle Neapolitaner, zumal den Spagnoletto (S. 1026) übertreffend. – Luca Giordano (Bild im Museum), der sich hier bemüht, innig zu sein, umgiebt wenigstens die Leiche nicht mit caravaggesken Zigeunern, sondern mit gutmüthigen alten Marinari. – Von den Grabtragungen wurde die des Caravaggio schon erwähnt; ein Bild des Annibale in der Galerie zu Parma ist aus der Zeit, da er dem Coreggio völlig zu eigen gehörte. – Von den Scenen nach der Auferstehung hat z. B. Guercino den Thomas gemalt, welcher nicht bloss Christi Wunde berührt, sondern ein paar Finger hineinschiebt (Gal. des Vaticans). Man frägt sich, wer die Beschauer sein mochten, die an einer so rohen Verdeutlichung und an so unedeln Charakteren Gefallen fanden. Allein man kann noch viel gemeiner sein. Der Capuccino genovese hat dasselbe Factum (Pal. Brignole) so aufgefasst, als würde über eine Wette entschieden. – Die Himmelfahrt Christi wird fast ganz durch diejenige der Maria ersetzt, wovon unten.

 

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Aus dem Leben der Heiligen wird zunächst das Affectreiche und Bewegte nach Kräften hervorgehoben 2). Ein Hauptbild dieser Art ist die Belebung eines Knaben durch S. Dominicus, von Tiarini (Cap. des Heiligen, in S. Domenico zu Bologna, rechts); dasselbe ist angefüllt mit allen Graden der Verehrung und Anbetung. Gegenüber links das Hauptwerk des Lionello Spada: S. Dominicus, der die ketzerischen Bücher verbrennt, ein äusserlich leidenschaftliches Thun, dessen Entwicklung in Gruppen und Farben das Beste ist, was einem so entschlossenen Naturalisten gelingen mag. Allein geschichtliche Scenen dieser Art nehmen nur einen geringen Raum ein neben den beiden Hauptgegenständen dieser Zeit; welche oft genug auf Einem Bilde vereinigt sind: den Martyrien und den himmlischen Glorien[1031]

Für die Martyrien, welche zur Manieristenzeit (S. 997) sich von Neuem entschieden in der Kunst festgesetzt hatten, besass man ein grelles Präcedens von Coreggio (S. 955). Alle Maler wetteifern nun, nachdrücklich zu sein im Grässlichen. Der einzige Guido hat in seinem bethlehemitischen Kindermord (Pinac. von Bologna) Mass zu halten gewusst, das eigentliche Abschlachten nicht dargestellt, in den Henkern Härte, aber keine bestialische Wildheit personificirt, die Grimasse des Schreiens gedämpft, ja durch eine schöne wahrhaft architektonische Anordnung und durch edel gebildete Formen das Grässliche zum Tragischen erhoben; er hat diese Wirkung hervorgebracht ohne Zuthat einer himmlischen Glorie, ohne den verdächtigen Contrast des ekstatischen Schmachtens zu den Gräueln; sein Werk ist denn auch wohl die vollkommenste pathetische Composition des Jahrhunderts. (Die Kreuzigung Petri, in der vatican. Galerie, scheint unfreiwillig gemalt.) – Aber schon der sonst mild und schön gesinnte Domenichino, welch ein Schlächter je nach Umständen! Anzufangen von seinem frühen Fresco der Marter des heil. Andreas (in der mittlern der 3 Capellen neben S. Gregorio in Rom); war es Wahl oder glücklicherer Zufall, dass sein Mitschüler Guido (gegenüber) den Gang zum Richtplatz darstellen und jenen herrlichen Moment treffen durfte, da der Heilige von fern das Kreuz erblickt und mitten im Zuge niederkniet? – Domenichino dagegen malt die eigentliche Marterbank und bedarf, um diese und ähnliche Scenen geniessbar zu machen, jener Zuschauer, zumal Frauen und Kinder, welche ihre Herkunft aus Rafaels Heliodor, Messe von Bolsena, Schenkung Roms, Tod des Ananias, Opfer zu Lystra etc. (S. 929) nur wenig verläugnen; von Domenichino aus verbreiten sich diese Motive dann über die meisten Werke der Nachfolger. In seiner Marter S. Sebastians (Chor von S. M. degli angeli zu Rom, rechts) lässt er sogar Reiter gegen diese Zuschauer einsprengen und zersplittert damit das ganze Interesse. Vom Widrigsten, überdiess unangenehm gemalt, sind seine Marterbilder in der Pinacoteca zu Bologna; in der Marter der heil. Agnes stimmt die Erdolchung auf dem Holzstoss sammt Zuthaten unsäglich roh zu all dem Geigen, Blasen und Harfnen der Engelgruppe oben; – die Marter des S. Pietro martire ist nur eine neue Redaction der tizianischen; – die Stiftung des Rosenkranzes gestehe ich gar nicht verstanden zu [1032] haben; unter den weiblichen Charakteren und Engeln macht sich hier das nette, soubrettenhafte Köpfchen mit dem rothen Näschen, welches dem D. eigen ist, ganz besonders geltend. – Solche Beispiele mussten schon in Bologna selbst Nachfolge finden. Von Canuti, einem sehr tüchtigen Schüler Guido's, ist in S. Cristina (4. Alt. r.) die Misshandlung der Heiligen durch ihren Vater – man sehe wie – gemalt. Auch Maratta, sonst Guido's treuer Verehrer, holt sich in solchen Fällen doch lieber seine Inspiration aus Domenichino's S. Sebastian (Marter des heil. Blasius in S. M. di Carignano zu Genua, 1. Alt. r.). – Guercin ist in Martyrien erträglicher als man erwarten sollte. (Gal. von Modena: Marter des heil. Petrus, Hauptbild; – Dom von Ferrara, Querschiff rechts: Marter des heil. Laurentius, sehr der Restauration würdig.) – Von dem Florentiner Cigoli sieht man in den Uffizien eine mit grosser Virtuosität gemalte Marter des heil. Stephanus, der bereits mit Steinen geworfen und mit Fusstritten misshandelt wird, in Gegenwart pharisäisch ruhiger Zuschauer. – Carlo Dolci's heil. Apollonia (Pal. Corsini in Rom) begnügt sich damit, uns die Zange mit einem der ausgerissenen Zähne auf das Niedlichste zu präsentiren.

Wahrhaft abscheulich sind in solchen Fällen die eigentlichen Naturalisten. Caravaggio selber zeigt uns in einem einzigen Kopfe schon die ganze falsche Rechnung des Naturalismus; es ist seine Medusa in den Uffizien gemeint. Stets begierig nach einem Ausdruck des Augenblickes und schon desshalb gleichgültig gegen den tiefern immanenten Ausdruck (den er in der Grablegung gar wohl erreicht), malt er einen weiblichen Kopf im Moment der Enthauptung; könnte derselbe aber z. B. beim Ausreissen eines Zahnes nicht eben so aussehen? – Nothwendiger Weise erregt das Grässliche, wie diese Schule es auffasst, mehr Ekel als tiefes Bangen.

Er selber sucht in einem seiner bestgemalten Bilder, dem Begräbniss des heil. Stephanus (bei Camuccini in Rom) durch naturwahre Darstellung des unterlaufenen Blutes Grauen zu erregen; seine Marter des heil. Matthäus (S. Luigi in Rom, letzte Cap. 1.) wirkt durch die Zuthaten fast lächerlich. Sein Schüler Valentin hat zu viel Geist, um ihm auf diesen Bahnen zu folgen; in seiner Enthauptung des Täufers (Pal. Sciarra zu Rom) tritt ein physiognomisches [1033] Interesse an die Stelle des Grässlichen. (Dieselbe Scene, das beste Bild des Honthorst in S. M. della scala zu Rom, rechts, lässt doch ziemlich gleichgültig.) Andere dagegen malen so crud als möglich. Sujets wie der Mord Abels (von Spada, im Museum von Neapel), das Opfer Isaaks (von Honthorst, im Pal. Sciarra zu Rom) werden jetzt ganz henkermässig behandelt, vorzüglich aber die Heldenthat der Judith, wofür eine gewisse Artemisia Gentileschi eine Art Privilegium besass. (Uffizien; Pal. Pitti; Pal. Sciarra); auch der Cavalier Calabrese leistete das Mögliche (Mus. von Neapel). Andere, legendarische Marterscenen übergehen wir. Durch einen sonderbaren Zufall war gerade die erste grosse römische Bestellung, welche Nic. Poussin erhielt, die Marter des heil. Erasmus, welchem die Därme aus dem Leib gewunden werden. (Für S. Peter gemalt, jetzt in der Gal. d. Vaticans.) Er brachte ein Werk zu Stande, welches in Betreff des Kunstgehaltes zu den trefflichsten des Jahrhunderts gehört. (Kleine eigenhändige Wiederholung im Pal. Sciarra.)

 

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Während nun um der vermeintlich ergreifenden Wirklichkeit willen nach dieser Seite hin alle Schranken übersprungen werden, zeigen sich dieselben Maler (die ja zum Theil Cavaliere hiessen!) bemüht, in heilige Vorgänge den guten Ton und die bemessenen Formen der damaligen Gesellschaft hineinzubringen. (Vgl. Parmegianino S. 969.) Namentlich werden jetzt die Engel dazu erzogen, eine noble Dienerschaft vorzustellen, den Hof der heiligen Personen zu bilden. Im Refectorium der Badia bei Fiesole wird man nicht ohne Heiterkeit betrachten, wie Christus nach der Versuchung von den Engeln bedient wird; doch sieht dergleichen bei Giov. da S. Giovanni, der das Fresco malte, immer naiv aus. Schon viel wohlerzogener sind die Engel in der grossen Taufe Christi von Albani (Pinac. v. Bologna); man erinnert sich bei ihrer Dienstfertigkeit unwillkürlich, wie auf mittelalterlichen Bildern die kleiderhaltenden Engel noch Zeit und Stimmung zur Anbetung übrig haben. Putten als Lakaien ausserhalb der Scene wartend sieht man auf einer „Vermählung der heil. Catharina“ von Tiarini (ebenda); ausser der genannten Heiligen wohnen auch S. Margaretha und S. Barbara der Ceremonie bei; der gute Joseph [1034] schwatzt inzwischen draussen im Vordergrunde mit den drei kleinen Dienstboten, welche das Rad der Catharina, den Drachen der Margaretha und das Thürmchen der Barbara zu hüten haben. – Ein gewisses Ceremoniell war schon in den venezianischen Empfehlungsbildern (S. 992) üblich. Jetzt kommen aber Dinge vor, wie z. B. ein Condolenzbesuch sämmtlicher Apostel bei der trauernden Madonna; Petrus als Wortführer kniet und wischt sich mit dem Schnupftuch die Thränen ab (gemalt v. Lod. Caracci als Deckenbild der Sacristei von S. Pietro zu Bologna). Oder S. Dominicus stellt den heil. Franz dem heil. Carmeliter Thomas vor, wobei ganz die höfliche Neugier herrscht die in solchen Fällen am Platze ist (Lod. Caracci, in der Pinac.). Wie ganz anders giebt das XV. Jahrh. ein solches Zusammentreffen von Heiligen! (S. 591.) In Aless. Allori's Krönung Mariä (agli Angeli, Camaldulenser, in Florenz, Hochaltar) küsst Maria dem Sohne ganz ergeben die rechte Hand. – Auch S. Antonius von Padua bekömmt das Kind gar nicht immer auf die Arme, sondern es wird ihm nur zum Handkuss hingereicht (Bild des Lod. Caracci, Pinac. v. Bologna).

 

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Wir wenden uns nun zu denjenigen Bildern, in welchen der Seelenausdruck vor dem erzählenden Element den Vorrang hat, um dann zur Behandlungsweise des Überirdischen überzugehen.

Der Ausdruck sehnsüchtiger Inbrunst, ekstatischer Andacht, des Verlorenseins in Wonne und Hingebung war von den grossen Meistern der goldenen Zeit auf wenige, seltene Gelegenheiten verspart worden. Zwar macht bereits Perugino recht eigentlich Geschäfte damit, allein Rafael malte nur Einen Christus wie der in der Transfiguration, nur Eine heil. Cäcilia; Tizian nur Eine Assunta wie die in der Academie von Venedig. Jetzt dagegen wird dieser Ausdruck ein Hauptbestandtheil desjenigen Affectes, ohne welchen die Malerei überhaupt nicht mehr glaubt bestehen zu können.

Zu einer endlosen Masse vermehren sich nunmehr jene einzelnen Halbfiguren, welche von den frühern Schulen in verschiedener Absicht, z. B. in Venedig als schöne Daseinsbilder waren gemalt worden. Jetzt liegt ihr Hauptwerth darin, dass man jenen gesteigerten [1035] Ausdruck ohne weitere Motivirung darin anbringen kann. Die Sehnsuchtshalbfigur bildet fortan eine stehende Gattung. (Ein früheres vereinzeltes Beispiel bei gewissen Nachfolgern Lionardo's S. 870, d.) Zunächst wird jetzt statt eines schlichten Christuskopfes durchgängig der Dornengekrönte, das Eccehomo gemalt. (Pal. Corsini in Rom, von Guido, Guercino und C. Dolci; – Pinac. in Bologna, die vortreffliche Kreidezeichnung Guido's.) Das Motiv, wie man es gab, stammt wesentlich von Coreggio, allein die Reproduction ist bisweilen frei, erhaben und tiefsinnig zu nennen. Unter den Madonnen werden die Bilder der Mater dolorosa zahlreicher. Die vielen Halbfiguren von Sibyllen, deren trefflichste von Guercino, Domenichino in und ausserhalb Italien zerstreut sind, haben meist den Ausdruck des Emporsehnens (S. 931). Für Propheten und Heilige aller Art gab es eigene Werkstätten; in sehr verschiedener Weise und doch der Absicht nach eng verwandt arbeiteten besonders Spagnoletto und Carlo Dolci dergleichen. Den erstern möge man in den Galerien von Parma und Neapel verfolgen, den letztern im Pal. Pitti, in den Uffizien, und besonders im Pal. Corsini zu Florenz, wo man auch seinen Nachahmer Orazio Marinari kennen lernt. Über Dolci's Süsslichkeit, seiner conventionellen Andacht mit Kopfhängen und Augenverdrehen, seinen schwarzen Schatten und geleckten Lichtpartien, der übereleganten Haltung der Hände etc. darf man doch einen bedeutenden angeborenen Schönheitssinn nicht vergessen, auch den Fleiss der Ausführung nicht. – Von den Neapolitanern hat Andrea Vaccaro (Mus. von Neapel) in solchen Bildern am meisten Ernst und Würde, wie er sich denn selbst in seinem Kindermord (ebenda) zu mässigen weiss. (Sein bestes Bild sonst der Gekreuzigte mit Angehörigen, in Trinità de' Pellegrini.)

Ob heilige oder profane Personen dargestellt werden, ändert im Ganzen nicht viel. Die Lucretien, Cleopatren, auch die Judith wo sie ekstatisch aufwärts schaut (Guercino, im Pal. Spada zu Rom), der siegreiche David in ähnlichem Moment (Gennari, Pal. Pitti), ja selbst der sich erstechende Cato (Guercino, Pal. Brignole in Genua), u. dgl. m. zeigen nur andere Nuancen desselben Ausdruckes.

Auch ganze oder fast ganze Figuren in Einzeldarstellung werden sehr häufig, eben diesem Ausdruck zu Liebe. An ihrer Spitze [1036] steht S. Sebastian; die besten Bilder glaube ich (S. 1016) schon genannt zu haben (wozu noch der Guercino, Pal. Pitti, zu rechnen sein mag). Dann betende Heilige in Überfluss; der reuige Petrus (man vgl. Guercino, im Mus. v. Neapel – hier mit dem Schnupftuch! – Guido und C. Dolci, beide im Pal. Pitti; Pierfranc. Mola im Pal. Corsini zu Rom) auf allen Stufen des Jammers; – büssende Magdalenen aller Art, von der heftigsten Betheurung bis zur ruhigen Beschaulichkeit (Cristofano Allori, im Pal. Pitti; Domenico Feti, in der Acad. v. Venedig; Guercino, in der vatican. Galerie, motivirt die Rührung der M. dadurch, dass zwei Engel ihr die Nägel vom Kreuz vorweisen müssen); – S. Franz im Gebet (besonders niedrigen Charakters bei Cigoli, Pal. Pitti und Uffizien). – Bei Darstellung der Mönchsandacht hat der Carthäuserorden einen ganz merkwürdigen Vorzug einfacherer Innigkeit (S. 700). Was in Le Sueur's Geschichten des heil. Bruno (Louvre) am Meisten ergreift, findet sich auch in italienischen Carthäuserbildern wieder. Die Ereignisse sind nicht günstiger noch ungünstiger für die malerische Behandlung als diejenigen anderer Orden; es ist dieselbe Art von Visionen, Casteiungen, Thätigkeiten (besonders Schreiben), Gebeten, Wunderwirkungen durch Geberde, bis auf den Tod auf dem harten Lager oder unter Mörderhänden. Allein die tiefe und stille Seelenandacht, mag sie den Blick nach oben wenden oder demüthig sinnend auf die Brust senken, vergisst hier die Welt und den Beschauer mehr als irgendwo. Man wird in allen Certosen Italiens dieses Gefühl haben; am schönsten vielleicht bei Stanzioni (zu S. Martino in Neapel, Cap. di S. Brunone, die 2. 1., mit Geschichten und Apotheose des Heiligen; womit seine „Fürbitte des S. Emidio“ in Trinità de' Pellegrini, sowie das Bild seines Schülers Finoglia im Museum zu vergleichen ist: S. Bruno der die Ordensregel empfängt). Auch Guercino's Madonna mit den beiden betenden Carthäusern (Pinac. von Bologna) ist eines seiner liebenswürdigsten Werke. Die vollkommene Weltentsagung giebt dem Orden in der That einen ganz eigenen Typus. Übrigens mögen auch die weissen Gewänder dieser Ordensleute eine ruhige, feierliche Haltung fast gebieterisch verlangt haben. Mehrere zusammen, in heftiger Bewegung, gäben gar kein Bild mehr. Desshalb verhält sich auch S. Romuald mit seinen Camaldulensern [1037] auf dem schönen Bilde des Sacchi (Gal. des Vaticans) ganz eben so ruhig.

 

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Neben dieser immer schönen und gemässigten Andacht entsteht aber eine eigentliche Ekstasenmalerei; eine Glorie oben, unten der oder die Heilige, der Ohnmacht nahe, ringsum Engel als Helfer und Zuschauer. Die Legende des heil. Franz enthält einen in der Kunst berechtigten, desshalb auch von jeher dargestellten Moment, welcher die höchste ekstatische Aufregung voraussetzt: den Empfang der Wundmale. Schmerz und Entzücken und Hingebung so in Eins fliessen zu lassen, dazu war die Malerei des XVII. Jahrh. vorzüglich fähig. (Bild Guercino's, alle Stimmate zu Ferrara, Hauptaltar.) Allein dass man auch bei andern Heiligen nicht mehr mit der guten und wahren Andacht zufrieden war, bei der Darstellung der Verzücktheit aber keinen höheren Moment mehr kannte als das Ohnmächtigwerden (vgl. S. 1029), – das musste zur widrigen Lüge führen. Ein sehr gut gemaltes Bild dieser Art mag statt aller genannt werden: die Ohnmacht des S. Stanislas, im Gesù zu Ferrara, 2. Alt. r., von dem späten Bologneser Giuseppe Crespi. – Nur Eins fehlt, um die Entweihung zu vollenden: ein lüsterner Ausdruck in den Engeln; Lanfranco, der gemalte Bernini (S. 709), sorgt auch dafür. (Ekstase der S. Margherita da Cortona, Pal. Pitti.) Das Jahrhundert war in diesen Sachen ganz verblendet. Ein schönes Bild des Cavedone (in der Pinac. v. Bologna), Madonna auf Wolken, das Kind den unten knieenden Heiligen zeigend, enthält zweierlei Ausdruck; in dem heiligen Schmid (S. Eligius?) die conventionelle Inbrunst, in S. Petronius aber, mit seinen drei Chorknaben, eine ruhige rituelle Andacht; wie ungleich ergreifender die letztere auf uns wirkt – ahnte es der Meister oder nicht?

Auch die Madonna wird jetzt dann mit der grössten Vorliebe dargestellt, wenn sie nicht mehr bloss Object der Anbetung ist, sondern selber die überirdische Sehnsucht, den heiligen Schmerz empfindet. Jener schöne Kopf des Van Dyck (S. 1020) beweist es allein schon; die Assunten und Schmerzensmütter repräsentiren fast durchgängig ein höheres Wesen als die blosse Mutter des Bambino, welche eben doch dem Naturalismus anheimfällt ohne dabei immer naiv zu sein, wie in [1038] jenen herrlichen Bildern Murillo's. Es giebt gute, in Coreggio's Art gemeinte Mütter und heilige Familien von den Caracci, zumal Annibale. Guido ist sehr ungleich; eine vorzügliche Madonna mit dem schlafenden Kinde soll im Quirinal sein; eine gute frühe heil. Familie im Pal. Spinola, Str. nuova zu Genua; aber eine seiner wichtigsten Madonnen, die er als besonderes Bild (Brera zu Mailand, eine Nachahmung von Elis. Sirani im Pal. Corsini zu Rom) und dann als Bestandtheil des grossen Bildes vom Pestgelübde (Pinac. zu Bologna) behandelt hat, sieht unleidlich prätentiös aus, als liesse sie das Kind für Geld sehen. Überhaupt wird die Mutter in dieser Epoche nur zu oft eine missmuthige Custodin des Kindes (Ovalbild des Maratta im Pal. Corsini zu Rom); sie hat oft etwas zu schelten, sodass Musikputten u. dgl. Dienerschaft nur ganz schüchtern mit einer abgemessenen Ergebenheit ihre Befehle empfangen und der kleine Johannes sich kaum recht herbeiwagt. Das vornehme, zurückhaltende Wesen, das hier den heiligen Personen zugetraut wird (vgl. S. 1033) findet seine Parallele in damaligen Ansichten über den geistlichen Stand (Ranke, Päpste, III, 120). – Nicht umsonst fühlt man sich immer wieder von Sassoferrato gefesselt, dessen milde, schöne, gewissenhaft gemalte Madonnen ohne Ausnahme ein Mutterherz haben, worüber man den Mangel an Grossartigkeit und an höherm Leben vergisst. (Beispiele a. m. O., bes. Pal. Borghese in Rom; Brera zu Mailand; Pal. Manfrin in Venedig; in S. Sabina zu Rom, Cap. rechts vom Chor, das einzige grössere Altarbild: Madonna del rosario, von trefflichster Ausführung; – in den Uffizien und im Pal. Doria zu Rom betende Madonnen ohne Kind, demüthig abwärts schauend, ohne die Verhimmelung, durch welche sich z. B. Carlo Dolci von Sassoferrato gründlich unterscheidet.) – Unter den Madonnen der Naturalisten wird eines der oben (S. 1010) erwähnten Bilder des Pellegro Piola zum Besten und Liebenswürdigsten gehören; Caravaggio dagegen überträgt auch diese einfache Aufgabe in seine beliebte Zigeunerwelt (grosse heil. Familie im Pal. Borghese). Ähnlich Schidone (Pal. Pallavicini zu Genua). Maratta's Madonnen sind wiederum der Nachhall des Guido. [1039]

 

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Die Santa conversazione (Madonna mit Heiligen) muss sich nun, wie schon bei den spätern Venezianern, irgend einem Affect und Moment bequemen, indem Madonna und das Kind zu einem der Heiligen in eine besondere Beziehung treten, wobei sich dann auch die Übrigen irgendwie betheiligen. Unzählige Male geschah diess z. B. unter Coreggio's Ägide mit dem bedenklichen Sujet der Vermählung der heil. Catharina. Aber noch häufiger wird Mutter und Kind aus der Erdenräumlichkeit hinaus in die Wolken versetzt und mit Engeln umgeben; es beginnt das Zeitalter der Glorien und Visionen, ohne welche zuletzt kaum mehr ein Altarbild zu Stande kömmt. Das Vorbild ist dabei nicht eine Madonna von Foligno, sondern direct oder indirect die Domkuppel von Parma mit der illusionären Untensicht, der Wolkenwirklichkeit, den Engelschaaren. Dieser Art sind mehrere Hauptbilder der Pinacoteca von Bologna, wie z. B. Guido's schon erwähntes Bild des Pestgelübdes, in dessen unterer Hälfte sieben Heilige knieen, zum Theil von dem bedeutendsten Ausdruck der ihm zu Gebote steht; – Guercino's Einkleidung des S. Wilhelm von Aquitanien theilt mit seiner „Begräbniss der heil. Petronilla“ (Gal. d. Capitols) den Übelstand, dass die himmlische Gruppe ausser Verbindung mit der irdischen bleibt und doch zu nahe auf dieselbe drückt, aber auch die breite, meisterlich energische Behandlung ist in beiden Bildern dieselbe. (Auch wieder ein Beleg für die Vertauschung der Santa conversazione gegen ein momentanes Geschehen; eigentlich mussten nur der heil. Bischof Felix, S. Wilhelm, S. Philipp und S. Jacob mit der Madonna auf Einem Bilde vereinigt werden.) – Luca Giordano ist bei einem solchen Anlass von seinem unzerstörbaren Temperament richtig geführt worden; seine Madonna del rosario (Mus. v. Neapel) schwebt unter einem von Engeln getragenen Baldachin auf Wolken einher, während vorn S. Dominicus, S. Chiara u. a. Andächtige verehrend ihrer harren; diese Übertragung der Glorie in eine himmlische Procession war echt volksthümlich neapolitanisch und das Einzelne ist auch danach gegeben. (Ein anderes grosses Bild von Luca in der Brera zu Mailand.) – Ins Masslose geht z. B. die Doppelvision des Ercole Gennari (Pinac. v. Bol.); Madonna erscheint auf Wolken dem ebenfalls auf Wolken über stürmischem Meer schwebenden S. Niccolò von Bari. Auch der Contrast der Glorien mit Martyrien [1040] (s. oben), so poetisch er sich anlässt, hat etwas künstlerisch Unechtes.

Aber das Überirdische kommt selbst in die einsame Klosterzelle, in das Dasein eines einzelnen heiligen Menschen hereingeschwebt. Hier, in geschlossenen Räumen, ist die örtliche Wirklichmachung in der Regel sehr störend. Es würde wie Spott klingen, wenn wir selbst die besten derartigen Bilder von dieser Seite prüfen und namentlich das Benehmen der hier ganz ungenirten Engel näher schildern wollten. (Pinac. v. Bologna: S. Anton v. Padua, dem Bambino den Fuss küssend, von Elisabetta Sirani; – S. Giacomo magg. zu Bologna, 4. Alt. r.: Christus erscheint dem Johannes a S. Facundo, von Cavedone.) Wenn ein herberer Naturalist wie z. B. Spagnoletto das Visionäre ganz weglässt, so kömmt wenigstens ein harmloses Genrebild zu Stande; sein S. Stanislas Kostka (Pal. Borghese) ist ein einfacher junger Seminarist, dem man ein Kind auf den Arm gelegt hat, und der nun ganz gutmüthig aufmerkt wie es ihn am Kragen fasst.

Die auf Wolken schwebende Madonna ist in dieser Zeit kaum mehr zu unterscheiden von der Assunta, der gen Himmel fahrenden Maria. (Wie deutlich hatte noch Tizian die Assunta als solche bezeichnet!) Auch jetzt werden übrigens gewisse Bilder ausdrücklich als Himmelfahrten gemalt. So das colossale Bild Guido's in S. Ambrogio zu Genua (Hauptaltar rechts), eines derjenigen Meisterwerke, welche kalt lassen. Von den Assunten des Agostino und Annibale Caracci in der Pinac. zu Bologna ist die erstere, bedeutendere wieder ein rechtes Beispiel der räumlichen Verwirklichung des Übersinnlichen; das „Aufwärts“ ist durch schiefes Liegen auf einer schönen Engelgruppe veranschaulicht; glücklicher Weise giebt auch noch der Kopf den schönen Eindruck der sich in Wonne auflösenden Sehnsucht. – Die unten am Grabe versammelten Apostel erheben sich selten zu irgend einer reinern Begeisterung.

Einzelne Altarbilder sind auch ganz mit der Glorie angefüllt. In S. Paolo zu Bologna (2. Cap. r.) sieht man eines der trefflich gemalten Bilder des Lod. Caracci, „il paradiso“; merkwürdig als vollständiges Specimen jener Engelconcerte, durch welchen die Schule sich von ihrem Ahn Coreggio wider Willen unterscheidet. Seine [1041] Engel haben selten Zeit zum Musiciren. – Ein eigenthümliches Glorienbild des Bonone steht in S. Benedetto zu Ferrara auf d. 3. Alt. links; der Auferstandene wird von neun auf Wolken um ihn gruppirten benedictinischen Heiligen verehrt, geküsst, angebetet, bestaunt; die santa conversazione wird zur gemeinschaftlichen ekstatischen Verklärung (Parallele: Fiesole's Fresco in S. Marco, S. 790.)

 

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Vor allem aber sind die Glorien der Hauptgegenstand für die Kuppel- und Gewölbemalereien (S. 386, ff.). Coreggio's gefährliches und unerreichbares Vorbild wird Anfangs ernst genommen. Es ist unmöglich, einer Arbeit die Achtung zu versagen wie z. B. den Fresken des Lodovico Caracci an dem Bogen vor der Chornische des Domes von Piacenza; diese jubelnden Engel welche Bücher halten und Blumen streuen, haben ein grandioses Leben und einen fast ganz echten monumentalen Styl. Domenichino's 4 Evangelisten an den Pendentifs der Kuppel von S. Andrea della Valle zu Rom sind zum Theil grossartiger als irgend eine Pendentifgestalt in Parma; und wenn er mit den allegorischen, noch sehr schön gezeichneten Figuren der Pendentifs von S. Carlo a' catinari gleichgültig lässt, wenn er in den auffallend geringern Pendentifs des Tesoro im Dom von Neapel Allegorisches, Historisches und Überweltliches auf anstössige Weise mischt, so geben wir dort der Allegorie als solcher, hier der gedrückten Stimmung des arg misshandelten Meisters die Schuld. – Guido bringt in seinem (sehr übermalten) Engelconcert bei S. Gregorio in Rom (von den 3 Capellen daneben diejenige rechts) wenigstens einen ganz naiven und heitern Eindruck hervor durch die schönen jugendlichen Gestalten ohne Pathos. In der Glorie des heil. Dominicus (Halbkuppel der Cap. des Heiligen in S. Domenico zu Bologna) richten zwar die musicirenden Engel einen conventionellen Blick nach oben, Christus und Maria sind im Ausdruck des Empfangens ganz unbedeutend, allein höchst grandios schwebt der Heilige, dessen schwarzer Mantel von Putten ausgespannt wird. – Zu diesen frühen, mit höherer Anstrengung gemalten Glorien gehört auch Bonone's schöne Halbkuppel in S. Maria in vado zu Ferrara, anbetende Patriarchen und Propheten. – Unter den Neapolitanern ist Stanzioni [1042] der gewissenhafteste; an der Flachkuppel der Cap. des heil. Bruno zu S. Martino in Neapel (die 2. 1.) ist trotz der allzu gründlich gehandhabten Untensicht das anbetende Aufwärtsschweben des Heiligen, die Wolke von Putten, das Concert der erwachsenen Engel ungemein schön und stylvoll gegeben; – an der Flachkuppel der 2. Cap. r. dagegen hat St. der Auffassung seiner Schule seinen vollen Zoll entrichtet in einem Gegenstande, der über den Horizont derselben ging: Christus in der Vorhölle. – Ausserdem ist hier ein Maler zu beachten, bei welchem man sonst nicht gewohnt ist, Besseres in dieser Gattung zu suchen: der Calabrese. Im Querschiff von S. Pietro a Majella hat er in flachen Deckenbildern die Geschichten Papst Cölestins V und der heil. Catharina von Alexandrien gemalt, diessmal nicht bloss mit äusserlicher Energie, sondern mit Geist und Besonnenheit; beinahe würdevoll wird sein Naturalismus in dem Bilde, wo die Leiche der Catharina von fackeltragenden, blumenstreuenden, singenden Engeln auf Wolken nach dem Sinaï gebracht wird.

Allein nur zu bald gestaltet sich die Gewölbemalerei zum Tummelplatz aller Gewissenlosigkeit. In Erwägung, dass selten Jemand die physischen Kräfte habe, ein Deckenbild genau und lange zu prüfen und dass man doch nur für den Gesammteffect einigen Dank ernte, reducirte man sich auf denjenigen Styl, von welchem bei Anlass des Pietro da Cortona (S. 1017) die Rede gewesen ist. Den Übergang macht der gewissenlose Lanfranco, zunächst indem er den Domenichino bestahl (Pendentifs der Kuppel im Gesù nuovo zu Neapel, auch die in SS. Apostoli daselbst, wo auch all die gleichgültigen, unwahren Malereien der Decke und der bessere „Teich von Bethesda“ über dem Portal von L. sind), dann durch zuerst schüchterneres, bald frecheres Improvisiren (Gewölbe und Wandlunetten in S. Martino daselbst; Kuppel in S. Andrea della Valle zu Rom). Wie er sonst das Übersinnliche anzupacken gewohnt war, zeigt z. B. sein S. Hieronymus mit dem Engel (Mus. v. Neapel). Die Nachfolger bekamen nun nicht bloss Kuppeln, sondern Kirchengewölbe aller Art mit Glorien, Paradiesen, Assunten, Visionen zu füllen; ausser den schwebenden, in allen Graden der Untensicht gegebenen Gruppen und Gestalten setzt sich am Rande ringsum ein Volk von andern Gruppen an, welches auf Balustraden, Absätzen u. s. w. steht; für diese schuf Pozzo [1043] (S. 387) jene neue Räumlichkeit in Gestalt prächtiger perspectivischer Hallen. Wo bleibt nun das wahrhaft Überirdische? Mit einer unglaublichen Oberflächlichkeit sieht man dem Coreggio das Äusserlichste seiner Schwebeexistenz, seiner Leidenschaft, seiner Ekstasen, namentlich seine Wolken und Verkürzungen ab und combinirt daraus jene tausende von brillanten Schein- und Schaumscenen, deren illusionäre Wirkung dann noch durch die oben (S. 388) geschilderten kümmerlichen Hülfsmittel gesteigert und gesichert werden soll. Wer möchte in diesem Himmel wohnen? wer glaubt an diese Seligkeit? wem giebt sie eine höhere Stimmung? welche dieser Gestalten ist auch nur so ausgeführt, dass wir ein Interesse an ihrem Himmelsdasein haben könnten? Wie lungern die meisten auf ihren Wolken herum, wie lässig lehnen sie davon herab.

Ausser den bei obigem Anlass angeführten Arbeiten des Pozzo u. A. sind noch am ehesten folgende zu nennen. Gauli: das grosse Fresco im Hauptschiff des Gesù in Rom, mit besonders flink gehandhabten Farben und Verkürzungen; der Maler will mit allen Mitteln glauben machen, dass seine Heerschaaren aus dem Empyreum durch den Rahmen herabschwebten gegen den Hochaltar hin. (Ölskizze im Pal. Spada.) – In Genua die brillantesten: Gio. Batt. Carlone (Fresken von S. Siro etc.), und Carlo Baratta (S. M. della Pace, Querschiff r., Assumption der heil. Anna). – In Venedig: der hellfarbige Gio. Batt. Tiepolo, der die Untensicht vielleicht am weitesten treibt, sodass Fusssohlen und Nasenlöcher die charakteristischen Theile seiner Gestalten sind. (Assunta, an der Decke von S. M. della pietà, an der Riva; Glorie des heil. Dominicus in SS. Giov. e Paolo, letzte Cap. r.) Wie zuerst Mengs mit seinem einsamen Protest dieser wuchernden Ausartung gegenüberstand, ist oben (S. 1014) erwähnt worden. Die vollständige Reaction von Seiten eines neuclassischen Styles, den wir nicht mehr zu schildern unternehmen, tritt ein mit Andrea Appiani. (Fresken in S. Maria presso S. Celso in Mailand.)

 

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Die profane Malerei ist in Zeiten eines allverbreiteten Naturalismus von der heiligen kaum zu scheiden. Vollends die Geschichten des alten Testamentes, z. B. in den vielen Bildern von halben [1044]] und ganzen Figuren, welche aus Guercino's Werkstatt hervorgingen, werden von den profanen Historien im Styl nicht abweichen. Es giebt z. B. gerade von Guercino ausser den gleichgültigen Historien (z. B. Ahasver und Esther, bei Camuccini) auch einige vortreffliche wie die oben (S. 1012) genannten, oder wie sein „Salomo mit der Königin von Saba“ (S. Croce in Piacenza, Querschiff r.). – Geschichten wie die der Susanna, oder der Frau des Potiphar mit Joseph (grosse Bilder des Biliverti im Pal. Barberini zu Rom und in den Uffizien), oder des Loth und seiner Töchter, Situationen wie die der Judith nehmen von der Bibel nicht mehr als den Vorwand her. (Die Susanna des Capuccino im Pal. Spinola, Str. nuova, zu Genua.) Die schönste Judith ist ohne allen Zweifel die des Cristofano Allori (Pal. Pitti, kleines Ex. im Pal. Corsini zu Florenz, sehr ruinirtes Ex. im Pal. Connestabile zu Perugia); freilich eine Buhlerin, bei welcher es zweifelhaft bleibt, ob sie irgend einer Leidenschaft des Herzens fähig ist, mit schwimmenden Augenlidern, schwellenden Lippen und einem bestimmten Fett, wozu der prächtige Aufputz vorzüglich gut stimmt. Edler ist wohl bisweilen Guido's Judith (z. B. im Pal. Adorno zu Genua); auch die des Guercin (S. 1036); bei beiden hie und da mit dem Ausdruck sehnsüchtigen Dankes. – Auch die Tochter des Herodes ist als Gegenstand am besten hier zu nennen. (Kalt und pomphaft, von Guido, Pal. Corsini in Rom.) Bei Domenichino sind alttestamentliche Historien im Ganzen das allerschwächste. Vier Ovale al fresco, in S. Silvestro a monte cavallo zu Rom, 1. Querschiff; (im r. Querschiff sieht man das fleissige Hauptbild eines seiner wenigen Schüler, Ant. Barbalunga, Gottvater in einer Glorie, unten zwei Heilige); – im Casino Rospigliosi: das Paradies, und der Triumph Davids (?); – Pal. Barberini: der Sündenfall, aus lauter Reminiscenzen bestehend. – David mit Goliaths Haupt, das Gegenstück zur Judith, unzählige Male, am gemeinsten von Domenico Feti, der ihn auf dem Haupte sitzen lässt (Pal. Manfrin in Venedig).

Die Parabeln des neuen Testamentes, welche durch edle Behandlung gar wohl einen biblischen Typus erhalten können, ermangeln in dieser Zeit durchgängig einer solchen Weihe, ohne doch durch genrehaften Reiz (wie z. B. bei Teniers) oder durch Miniaturpracht (wie z. B. Elzheimer's „verlorner Sohn“ im Pal. Sciarra) zu entschädigen. [1045] Dem Calabrese, als er die Rückkehr des verlornen Sohnes malte (Museum von Neapel), erschienen offenbar die Präcedentien seiner Hauptperson als etwas sehr Verzeihliches. „Es hat eben sein müssen.“ – Domenico Feti (mehrere kleine Parabelbilder im Pal. Pitti und den Uffizien) ist hier einer der Bessern.

Die eigentlich profane Malerei, mythologischer, allegorischer und historischer Art, wozu besonders noch eine Menge Scenen aus Tasso kommen, kann hier nur kurz berührt werden. Die Caracci gaben mit ihrem Hauptwerk im Pal. Farnese im Ganzen den Ton an. Wie sie hier die idealen Formen bildeten, ohne reine Grösse und ohne rechtes hinreissendes Leben (S. 1011), aber tüchtig und consequent, so componirten sie auch die Liebesscenen der Götter. Was sie in Bologna von römischer Geschichte u. dgl. in die Friese von Sälen gemalt haben (Pal. Magnani, Pal. Fava), ist daneben kaum des Aufsuchens werth. (Bedeutend sollen Lod. Caracci's Fresken im Pal. del Giardino zu Parma sein.) Von den Kaminbildern der Schule werden leider die besten ausgesägt, wie ich denn eine schöne improvisirte Figur dieser Art von Guido in einem Magazin käuflich gefunden habe. – Bei Camuccini in Rom drei Bilder aus Tasso, von pastoral-heroischer Auffassung, in leuchtend schönen Landschaften, als Werke des Agostino, Lodovico und Francesco Caracci geltend. – Das Beste und Schönste verdankt man Domenichino. Das Bild der schiessenden und badenden Nymphen (Pal. Borghese in Rom) zeigt zwar weder ganz reine Formen noch venezianische Lebensfülle, allein herrliche Motive und jenen echten idyllischen Charakter, welcher hier wie bei den Venezianern (S. 976) die glücklichste Eigenschaft mythologischer Bilder ist. Die abgenommenen Fresken aus der Villa Aldobrandini bei Frascati (jetzt ebenda) behaupten diesen selben Charakter durch ihre Anordnung in grossartiger Landschaft. Die Deckenfresken im Hauptsaal des Pal. Costaguti in Rom enthalten zwar eine unglückliche Allegorie (der Gott der Zeit hilft der Wahrheit, sich zum Sonnengott zu erheben), aber die Formen sind schöner und gewissenhafter als bei den andern Malern, die in diesem Palast gemalt haben (Guercino, Albani, Lanfranco etc.) Zwei kleine, sehr hübsche mythologische Bildchen im Pal. Pitti. – Der nächste, welcher in der Behandlung des Mythologischen von D. lernte, war Albani, dessen [1046] vier Rundbilder der Elemente (Pal. Borghese) die coketteste Lieblichkeit erreichen, deren ein Bologneser fähig war: ein paar hübsche kleine Bilder in den Uffizien; hübsche Putten am Gewölbe der Chornische in S. M. della Pace zu Rom. Den tiefsten Eindruck muss aber Domenichino auch hier auf Nic. Poussin gemacht haben. Sein Triumph des Ovid (Pal. Corsini in Rom), sein Einzug der Flora (Gal. des Capitols), sein Zeitgott, der den Horen zum Tanze aufspielt (Academie von Venedig) mit ihren erloschenen Farben und etwas allgemeinen Formen reizen den Blick nicht; wer aber die Kunst geschichtlich betrachtet, wird dieses Streben, in der Zeit der falschen Prätensionen rein und wahr zu bleiben, nur mit Rührung verfolgen können. Und einmal ist er auch ganz naiv und schön, in der Hirtenscene oder Novellenscene des Pal. Colonna; einem Bilde, welches sich gar wohl dem berühmten „Et in Arcadia ego“ (Louvre) gleichstellen darf. – Guercino hat ausser jenen Fresken der Villa Ludovisi (S. 1016) eine Anzahl meist gleichgültiger Historienbilder gemalt (Mucius Scævola, im Pal. Pallavicini zu Genua), unter welchen nur die genannte Dido auf dem Scheiterhaufen (im Pal. Spada zu Rom) durch Schönheit des Ausdruckes und durch ungemeine Kraft der Farbe sich auszeichnet. – Von einem sonst wenig bekannten Giacinto Geminiani ist in den Uffizien (I. Gang) eine „Auffindung der Leiche Leanders“, welche die besten Inspirationen eines Guercino und Poussin in hohem Grade zu vereinigen scheint. – Guido lässt mit solchen Scenen in der Regel sehr kalt. Seine Nausicaa (Mus. von Neapel) hält mit grosser Seelenruhe Hof zwischen ihren Mägden. Seine Entführung der Helena (Pal. Spada) geschieht wie ein anderer Ausgang am hellen Tage. Das treffliche Bild einer Nymphe und eines Helden, in den Uffizien. – Von der Elis. Sirani, welche Guido's maniera seconda zu reproduciren nicht müde wird, findet man eine Caritas mit drei Kindern im Pal. Sciarra.

 

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Die Naturalisten malten lieber das Heilige profan als das Profane ideal; sie entschädigten sich durch das Genre. Salvator, der ihnen entrann, um sich in allen möglichen Gattungen zu versuchen, gab in seinem schon erwähnten Catilina (Pal. Pitti) eine ausgesuchte Gesellschaft [1047] bösartig gemeinen, vornehm costumirten Gesindels. Carlo Saraceni malt z. B. (Pal. Doria in Rom) die Juno, welche dem enthaupteten Argus die Augen mit eigenem Finger ausgräbt, um sie auf ihren Pfau überzutragen; der Charakter der Göttin ist dieser Action gemäss.

Mit Pietro da Cortona, bei den Neapolitanern mit Luca Giordano, beginnt auch für die mythologische und allegorische Frescomalerei das Zeitalter der reinen Decoration. Pietro's ungeheures Deckenfresco, welches den Ruhm des Hauses Barberini verherrlicht, und seine Deckenmalereien im Pal. Pitti wurden schon angeführt; um zu errathen, was er eigentlich meint, bedarf es einer beträchtlichen Kenntniss der barberinischen und mediceischen Hausgeschichte. Der Plafond Luca's in der Galeria des Pal. Riccardi in Florenz zeigt, wie Cardinal Leopold, Prinz Cosimo (III) u. A. als Lichtgottheiten auf den Wolken daher geritten kommen; ringsum ist der ganze Olymp vertheilt. Wie gerne geht man von da zu Giov. da S. Giovanni, dessen Allegorien (im grossen untern Saal des Pal. Pitti) noch absurder ersonnen, aber doch noch mit Liebe, Schönheitssinn und Farbenglanz ausgeführt sind. – Die Cortonisten und Nachfolger Luca's noch einmal zu nennen, wie sie sich durch die Paläste von ganz Italien verbreiteten, verbietet uns der Raum. Wer sich von ihrer Stylcomplicität einen Begriff machen will, braucht z. B. nur dem beliebten Thema vom Raub der Sabinerinnen nachzugehen und aufzumerken, was an diesem Moment durchgängig und ausschliesslich hervorgehoben wurde. Luca selber hat in kleinern Bildern, wie z. B. die Galatea in den Uffizien, bisweilen eine Naivetät in Rubens Art. – Im XVIII. Jahrh. sind dann die oben (S. 1013) genannten römischen Maler auch in der profanen Gattung bemüht, regelrechte und fleissige Bilder ohne alle Nothwendigkeit zu Stande zu bringen; in den Plafonds fürstlicher Säle dagegen lässt man sich schon eher auf Cortona's Manier gehen, sowohl im allegorischen Inhalt als im Malwerk. (Pal. Colonna: in der Galeria die zu Ehren des Marcantonio Colonna allegorisch verklärte Schlacht von Lepanto; ein anderer Plafond, von Luti, zu Ehren Papst Martins V.) [1048]

 

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Auch mit der Genremalerei welche hesonders bei den eigentlichen Naturalisten gedieh, dürfen wir uns nicht aufhalten. Caravaggio, der Schöpfer der neuen Gattung, wählt sich zum Gefäss derselben das lebensgrosse venezianische Halbfigurenbild und giebt demselben einen unheimlich witzigen oder schrecklichen dramatischen Inhalt auf schlichtem dunkelm Grunde. Seine Spieler (Pal. Sciarra in Rom), seine lüsterne Wahrsagerin (Gal. des Capitols), seine beiden Trinker (Gal. von Modena) sind weltbekannt; im Grunde gehören sein „Zinsgroschen“ und „Christus unter den Schriftgelehrten“ auch hieher. Diese Gattung, bald mehr zur Geschichte, bald mehr zum Familienporträt sich hinneigend, fand rasch durch ganz Italien Anklang, trotz ihrer Armuth und Einseitigkeit. Die Schüler Guercins malten Manches der Art. Der ganze Honthorst geht vorzugsweise darin auf, nur mehr nach der burlesken Seite hin. (Pal. Doria in Rom, Uffizien in Florenz, wo u. a. sein Bestes, ein Souper von zweideutiger Gesellschaft; Anderes in allen grössern Sammlungen.) Andere Nachahmer: Manfreddi, Manetti, Giov. da S. Giovanni (Alle im Pal. Pitti), Lionello Spada (grosse Zigeunerscene in der Gal. von Modena); – einiges recht Gute in der Academie von Venedig, ein Lautenspieler mit Weib und Knabe, eine Gruppe von drei Spielern (etwa von Carlo Saraceni? welchem die treffliche Figur eines Lautenspielers im Pal. Spinola zu Genua angehört.) Andere gehen ins harmlose Existenzbild zurück; der Capuccino und Luca Giordano malen Köchinnen mit Geflügel (Pal. Brignole in Genua; Pal. Doria in Rom); der Calabrese aber, vielleicht wie die Letztgenannten von Niederländern inspirirt, schuf ein grosses stattliches Concert in ganzen Figuren (Pal. Doria. – Eine gute, wirklich niederländische „Musik bei Tische“ im Pal. Borghese). – Salvators halbe und ganze Figuren sind insgemein blosse renommistische Möblirbilder. (Pal. Pitti: un poeta; un guerriero.)

Neben diesem caravaggesken Genre gab es seit Anfang des XVII Jahrh. in Rom ein anderes im eigentlich niederländischen Sinn. Der Holländer Peter van Laar, genannt Bamboccio, Michelangelo Cerquozzi, Jan Miel u. m. a. nordische und italienische Maler haben in dieser Gattung die wahren Gesetze und Bedingungen erkannt und danach manches Vortreffliche geschaffen. (Der Verfasser kennt [1049] sie nur fragmentarisch. Hauptsammlung hiefür: Pal. Corsini in Florenz; von Cerquozzi vielleicht das Beste im Ausland; ein gutes kleines Bild des Jan Miel: der Dornauszieher, in den Uffizien). Was von Jacques Callot gemalt ist, hat bei Weitem nicht den Reiz seiner Radirungen; Manches ist auch nicht sicher benannt. (Les malheurs de la guerre, Reihe von Bildchen im Pal. Corsini zu Rom; figurenreiche Stadtansichten und noch eine Reihe kleinerer Bildchen, die letztern wohl geringern Theils von ihm, in der Acad. v. Venedig.) – Dieses Alles wird nun weit überboten durch jene Anzahl von Kleinodien der eigentlichen holländischen und Antwerpner Schule in den Uffizien, deren Besprechung wir uns versagen müssen. Keine Sammlung Italiens und nicht eben viele des Nordens können sich an Cabinetsbildern dieser Art mit der genannten messen. In Venedig hat die Academie fast nur zweifelhaft Benanntes; im Pal. Manfrin: Jan Steen's Alchymist, noch im Ruin ein Juwel; Gerard Dow's Arzt wohl nur eine Copie. – Die damalige officielle Ästhetik der Italiener verabscheute im Ganzen das Genre, soweit es nicht, wie ihre übrige Malerei, im Affect aufgehen wollte. Daher der Vorzug jener Halbfigurenbilder ohne räumliche Umgebung und ohne Zuthaten.

In den kleinern Nebengattungen repräsentirt Castiglione das Thierstück, ohne recht zu wissen, was er wollte, in zum Theil lebensgrossen Möblirbildern (Pal. Colonna in Rom; Uffizien); Mario de' Fiori aber eine nur decorativ gemeinte Blumenmalerei (Spiegelcabinet im Pal. Borghese). Man vergleiche damit die unendliche Naturliebe einer Rahel Ruysch und die zwar schon mehr conventionelle, aber noch höchst elegante Palette eines Huysum (Pal. Pitti).

 

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Eine eigenthümliche Gattung der damaligen italienischen Kunst war ihre Schlachtenmalerei; d. h. die Darstellung des Gewühles als solchen, wesentlich nach Farben und Lichtmassen angeordnet. Ausser Cerquozzi hat Salvator Rosa hierin den Ton angegeben, in welchen sich jedoch ein kenntliches Echo aus der Amazonenschlacht des Rubens zu mischen scheint. Von ihm und seinen neap. Nachahmern Aniello Falcone und Micco Spadaro Schlachten und Aufruhrsbilder im Museum von Neapel; von ihm eine grössere und eine [1050] kleinere Schlacht im Pal. Pitti, Einiges auch im Pal. Corsini zu Florenz. Von dem farbenreichern Bourguignon, in welchem Cerquozzi und Rosa zusammentreffen, gelten als echt u. a. zwei Schlachten im Pal. Borghese, eine grosse im Pal. Pitti, zwei grosse (wahrscheinlich Abbildungen bestimmter Ereignisse) und zwei kleinere in den Uffizien, zwei im Pal. Capponi zu Florenz, und mehrere im Pal. Corsini ebenda, wo man auch die ganze Schule kennen lernt, die sich an diese Künstler anschloss. Gegenüber dem ganz geistesleer gewordenen, einst von der Constantinsschlacht abgeleiteten Schlachtbilde der Manieristen (z. B. bei Tempesta) muss diese neue Behandlungsweise ein grosser Fortschritt heissen. Allein neben prächtig hervortretenden Episoden (die sich dann zu wiederholen pflegen) läuft auch ganz gedankenloses Flickwerk mit. In einigen Jahrzehnden hatte man sich, wie es scheint, an der Gattung so völlig satt gesehen, dass sie einschlief. Oder das unkriegerische Italien überliess sie den Franzosen (Van der Meulen) und den Deutschen, bei welchen Rugendas sie neu und eigenthümlich belebte.

 

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Eine der schönsten Äusserungen des europäischen Kunstgeistes dieser Periode ist die Landschaftmalerei. Ihre wichtigsten Ent­wicklungen gehen auf italienischem Boden, in Rom, aber grösstentheils durch Nichtitaliener von Statten.

Angeregt durch flandrische Bilder hatte sie im XV. Jahrh. die ersten naturgemässen Hintergründe geliefert, nicht um für sich etwas zu bedeuten, sondern um nach Kräften die Stimmung des Beschauers beim Anblick heiliger Scenen (S. 800–844) und liebevoll gemalter Bildnisse (S. 861) zu erhöhen. Dann hatte Rafael sie zu einer höhern, gesetzmässigen Mitwirkung herbeigezogen, als er in möglichst Wenigem das Leben der Patriarchen zu schildern hatte (S. 926). (Von Polidoro und Maturino zwei Frescolandschaften in S. Silvestro a Montecavallo zu Rom, in einer Cap. links.) Zu gleicher Zeit erkannte Tizian ihre hohe Unentbehrlichkeit für die Existenzmalerei und legte bei entscheidenden Anlässen (S. 970, 974) den poetischen Ausdruck wesentlich mit in die landschaftliche Umgebung. Er zuerst hat diesen Theil der Welt in malerischer Beziehung vollkommen entdeckt [1051] und die enge Verbindung von landschaftlichen und Seelenstimmungen künstlerisch benützt. Tintoretto und die Bassano gingen ihm nach so weit sie konnten (S. 985). Dosso Dossi kam, vielleicht selbständig, fast so weit als Tizian (S. 943, u. f.).

Seit dem Ende des XVI. Jahrhunderts ist in Italien schon ein allgemeines Bedürfniss nach landschaftlicher Anregung vorhanden, dem aber die noch regierenden Manieristen, wie es scheint aus Hochmuth, zu genügen verschmähten. Da liess man sich ganze Schiffsladungen von Gemälden aus der grossen Antwerpener Fabrik der Breughel kommen. Jede italienische Galerie enthält ein paar, oft viele von diesen grünen, bunten, überladenen, miniaturartig ausgeführten Bildern, welche mit allen möglichen heiligen und profanen Geschichten staffirt sind. Vier von den allerfleissigsten, ohne Zweifel von Jan, dem sog. Sammetbreughel (1568–1625), in der Ambrosiana zu Mailand; – ein ganz kleines im Pal. Doria zu Rom vereinigt z. B. folgende Staffage: Wallfischfang, Austerfang, Eberjagd und eine der Visionen des Johannes auf Pathmos. Dieselbe Galerie, eine der wichtigsten für die ganze Landschaftmalerei, enthält auch Landschaften der Bassano, u. a. eines sonst nicht genannten Apollonio da Bassano, eine grosse von Gio. Batt. Dossi, staffirt mit einer fürstlichen Begrüssungscene und – beiläufig gesagt – auch einen Orpheus in der Unterwelt und eine Versuchung des heil. Antonius, von dem seltenern Höllenbreughel. Die Antwerpener Bilder sind freilich meist durch ihre Buntheit und durch das Mikroskopische ihrer Ausführung stimmungsloser als die der Bassaniden, welche prächtige scharfe Lichter und duftige Schatten über ihre Felsgebirge mit steilen Städten dahinschweben lassen.

Ausser den Gemälden kamen auch Maler aus den Niederlanden, so Matthäus Bril, der z. B. im Vatican (Sala ducale, Biblioteca) Veduten und freie Compositionen, beide gleich stimmungslos, al fresco malte. (Ein Bild im Pal. Colonna.) Dann sein jüngerer Bruder Paul Bril (1554–1626), der wichtige Mittelsmann für die Verbindung der niederländischen und der italienischen Landschaft. Seine frühen Bilder sind noch bunt (Pal. Sciarra), erst allmälig wird der Poet zum Künstler und lernt sein Naturgefühl grossartig aussprechen. Ob er dem Annibale Caracci oder dieser ihm mehr verdanke, mag dahingestellt bleiben; jedenfalls ist er der erste Niederländer, in welchem ein höheres [1052] Liniengefühl erwacht. (Bilder aus allen seinen Perioden in den Uffizien; zwei aus der mittlern Zeit im Pal. Pitti. Frescolandschaften im Anbau rechts bei S. Cecilia in Rom.) Parallel mit ihm entwickelt Adam Elzheimer von Frankfurt (1574–1620) eine nicht geringere künstlerische Macht in seinen köstlichen Miniaturen. (Uffizien: Hagar im Walde, Scene aus der Geschichte der Psyche, Hirte mit der Syrinx.) Seine Eichen, seine herrlichen Fernen, seine Felsabhänge sind naturpoetisch in ganz schönen Linien. Was von Vinckeboms, von Jodocus Momper u. a. Malern dieser Generation in Italien ist, kann Verfasser dieses nicht gehörig sondern; so oft ihn aber das Glück nach Florenz führt, gehören die beiden Landschaften des Rubens (Pal. Pitti) zu seinen grössten Genüssen. Die „Heuernte bei Mecheln“, in den bescheidensten landschaftlichen Formen, giebt eine ganz wonnevolle Mitempfindung des Luft- und Lichtmomentes, während die „Nausicaa“ mit ihrer reichen Fels- und Seelandschaft und ihrer phantastischen Beleuchtung uns in den Mitgenuss eines fabelhaften Daseins erhebt. (Nicht als Pendants gemalt, wie die ungleiche Grösse zu allem Überfluss zeigt.) Was von Ruysdael, Backhuyzen und andern Holländern in Italien ist, kommt neben den Schätzen nordischer Sammlungen kaum in Betracht; das „Schlösschen im Weiher“ von Andr. Stalbent (Uffizien) und die mürrische Landschaft Rembrandts (ebenda) möchten es reichlich aufwiegen.

Von Tizian stammt wahrscheinlich die Anregung her, welche inzwischen die Bolognesen zu ihrer landschaftlichen Auffassung begeistert hatte. Es ist das Gesetz der Linien, welches sie der niederländischen Regellosigkeit gegenüberstellen, die Öconomie und edle Bildung der Gegenstände, die Consequenz der Farbe. Sie lassen der Landschaft einstweilen nur selten das alleinige Recht; Annibale hat offenbar eine gemischte Gattung erstrebt, in welcher Landschaft und Historie einen gemeinsamen Eindruck hervorbringen sollten. (Mehrere Halbrundbilder mit Geschichten der Jungfrau, Pal. Doria; eine kleine Magdalena, ebenda; eine andere im Pal. Pallavicini zu Genua; – von den übrigen Caracci die oben, S. 1045, f genannten Bilder bei Camuccini; von Agostino eine Felslandschaft mit Badenden in Guachefarben, Pal. Pitti.) Von Grimaldi, dem Hauptlandschafter der Schule, wird man in Italien wenig zu Gesichte bekommen, leider auch von Domenichino. [1053] (Schöne Landschaft mit Badenden im Pal. Torigiani zu Florenz; zwei stark geschwärzte in den Uffizien; Fresken im Casino der Villa Ludovisi.) Von Franc. Mola kommt mehrfach ein S. Bruno in schöner Gebirgsgegend vor (u. a. Pal. Doria).

Salvator Rosa, ein halber Autodidact in der Landschaft, ist hier wahrer und mächtiger inspirirt als in allen übrigen Gattungen; den Werken der Bologneser und der bald zu nennenden Franzosen verdankt er wohl nur seine höhere Ausbildung. Abendliche, oft zornig beleuchtete Felsgegenden und schroffe Meeresbuchten (Pal. Colonna in Rom), unheimlich staffirt, sind Anfangs sein Hauptgegenstand; dann erhebt er sich zu einer ruhig grandiosen, durch bedeutende Formen und Ströme von Licht überwältigenden Art. (La selva de' filosofi, d. h. die Geschichte des Diogenes, im Pal. Pitti; – die Predigt Johannis, und die Taufe Christi, im Pal. Guadagni zu Florenz, Hauptbilder; Anderes in den Pal. Corsini und Capponi so wie in den Uffizien ebenda.) Dazwischen oder später malte er auch frechere Bravourbilder (la pace, im Pal. Pitti) und kalte, sorgfältige, grosse, überfüllte Marinen (ebenda). Aus welcher Zeit die phantastische Landschaft mit der gespenstischen Leiche des heil. Paulus Eremita sein mag, wage ich nicht zu entscheiden (Brera in Mailand). – Bilder seines Schülers Bart. Torregiani im Pal. Doria zu Rom.

Der bewussteste von Allen aber, der definitive Schöpfer der landschaftlichen Gesetze ist Nic. Poussin. Seine wichtigern Landschaften sind fast alle in Paris, doch findet man im Pal. Sciarra jene einfach herrliche Flusslandschaft, in welcher S. Matthäus mit dem Engel zwischen Ruinen sitzt. Sein Schüler und Verwandter war Caspar Dughet, genannt Gaspero Poussin oder Pussino (1613–1675). Bei ihm redet die Natur die gewaltige Sprache, welche noch jetzt aus den Gebirgen, Eichwäldern und Ruinen der Umgegend Roms hervortönt; oft erhöht sich dieser Ton durch Sturmwind und Gewitter, welche dann das ganze Bild durchbeben; in den Formen herrscht durchaus das Hochbedeutende, namentlich sind die Mittelgründe mit einem Ernst behandelt, wie bei keinem Andern. In beiden Seitenschiffen von S. Martino a' monti zu Rom eine Anzahl von meist sehr entstellten Frescolandschaften mit den Geschichten des h. Elias; im Pal. Colonna 13 Landschaften in Wasserfarbe, – beide Reihen [1054] bestehen die grosse Probe, ob eine Landschaft bloss durch Linien und Hauptformen, ohne den Reiz leuchtender Farben und Details existiren könne. – Im Pal. Corsini zu Rom: unter mehrern kaum minder trefflichen: der Sturm, und: der Wasserfall, letzteres Bild durch unglückliches Nachdunkeln, zumal des Grünen, sehr benachtheiligt, wie noch viele andere Bilder Gaspero's. – In der Academia di S. Luca: mehrere treffliche Bilder. – Im Pal. Pitti: vier köstliche kleine Bilder, welche vorherrschend klar geblieben sind; – in den Uffizien: eine kleine Waldlandschaft.

Derjenige Typus, welchen Annibale vorgebildet, die beiden Poussin ausgebildet hatten, blieb nun lange Zeit in der Malerei der herrschende, sodass die Holländer mit ihrer mehr realistischen Landschaft im Ganzen eine (allerdings glorreiche!) Minorität bildeten. Er stellt eine unbenützte Natur dar, in welcher die Spuren der Menschenhand nur als Bauwerke, hauptsächlich als Ruinen der Vorwelt, auch als einfache Hütten zum Vorschein kommen. Das Menschengeschlecht, das wir darin voraussetzen oder auch wohl dargestellt finden, gehört entweder der alten Fabelwelt oder der heiligen Geschichte oder dem Hirtenleben an; der Eindruck im Ganzen ist daher ein heroisch-pastoraler.

Seine höchste Verklärung erhielt dieser Typus durch den Zeitgenossen der Poussin, Claude Gelée, genannt Lorrain (1600 bis 1682). Er war längere Zeit der Gehülfe des Agostino Tassi, eines Mitstrebenden des Paul Bril (Werke Tassi's im Pal. Corsini zu Rom, in den Uffizien und im Pal. Pitti); seine Höhe erreichte er nach einer höchst prüfungsvollen Jugendzeit in Rom. Seine Landschaften sind im Bau weniger gewaltig als diejenigen des Gaspero, allein es liegt auf denselben ein unausprechlicher Zauber. Claude, als reingestimmte Seele, vernimmt in der Natur diejenige Stimme, welche vorzugsweise den Menschen zu trösten bestimmt ist und spricht ihre Worte nach. Wer sich in seine Werke vertieft – schon ihre gleichmässige schöne Vollendung macht diess zu einer dankbaren Arbeit – für den ist kein weiteres Wort von Nöthen. – Im Pal. Doria zu Rom: il molino (frühes Bild); der Tempel Apolls (Hauptwerk); Ruhe auf der Flucht. (Im Pal. Rospigliosi, unsichtbar: u. a. der Tempel der Venus.) – Im Pal. Sciarra: Reiter an einem Hafen; die Flucht nach Ägypten, beides [1055] kleine Juwelen. – Im Pal. Barberini: eine kleine Landschaft. – Bei Camuccini: ein Seehafen. – Im Museum von Neapel: ein Sonnenuntergang am Meere; die Grotte der Egeria (fast zu kühl für Claude?). – In den Uffizien: Abendlandschaft mit Brücke, Strom und Gebirg; abendliche Marine mit Palästen.

Von seinen Nachfolgern ist nichts in Italien, das ihm irgend nahe käme. Die Bilder von Swanevelt (im Pal. Doria zu Rom und im Pal. Pitti), von Joh. Both (ebenda), von Tempesta-Molyn (Pal. Manfrin in Venedig), bis zu den Improvisationen des Orizzonte (wovon ein oberer Saal in der Villa Borghese ganz voll ist) und zu den oft sehr fleissigen Architekturbildern eines Pannini (Pal. Corsini in Rom) geben immer nur einzelne Strahlen des Lichtes, das sich in Gaspero und Claude so mächtig gesammelt hatte.

Wer diesen beiden Meistern ausserhalb Italiens wiederbegegnet, dem werden sie vielleicht viel stärker als die glänzendsten modernen Veduten das Heimweh rege machen, welches nur zeitweise schlummert, nie stirbt, nach dem unvergesslichen Rom. Der dieses schreibt, hat die Erfahrung gemacht. Er wünscht denen, die ihn lesen, billigen und zum Begleiter über die Alpen mitnehmen, das ruhige Glück der Seele, welches er in Rom genossen hat, und dessen Erinnerung ihm selbst aus den schwachen Nachbildungen jener hohen Meisterwerke so übermächtig entgegenkömmt.

 

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1) Rubens (1577–1640); Van Dyck (1598–1641); Rembrandt (1606 bis 1665); Honthorst (1592–1662); Elzheimer (1574–1620); von der Fam. Breughel bes. Jan, der sog. Sammetbreughel (1568–1625); Paul Bril (1554–1626); eine grosse Anzahl niederländischer Genremaler fast nur in den Uffizien repräsentirt. – Velasquez (1599–1660); Murillo (1618 bis 1682). – Nic. Poussin (1594–1665); Moyse Valentin (1600 bis 1632). Andere bei Gelegenheit zu nennen. 

2) Eine Quelle solcher Inspirationen für die ganze Schule waren hauptsächlich jene jetzt erloschenen Fresken bei S. Micchele in Bosco. S. 1015.