BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Jacob Burckhardt

1818 - 1897

 

Der Cicerone

 

Malerei

 

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Manieristen.

 

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Äussere Bedingungen des Manierismus – Florentiner, Römer und Neapolitaner – Die Bessern – Genua; L. Cambiaso – Mailand – Ferrara und Bologna.

 

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Im Grossen und Ganzen war die Malerei, mit Ausnahme der venezianischen Schule, schon in kenntlicher Ausartung begriffen etwa vom Jahr 1530 an; ja es liesse sich behaupten, dass nach Rafaels Tode kein Kunstwerk mehr zu Stande gekommen, in welchem Form und Gegenstand ganz rein in einander aufgegangen wären; selbst die spätern Werke der grössten Meister imponiren eher durch alle andern Vorzüge als gerade durch diesen, wie schon oben mehrfach angedeutet wurde.

Die Schüler der grossen Meister traten nun in das verhängnissvolle Erbe derselben ein. Sie bekamen die Kunst unter früher nie [995] erhörten Bedingungen in die Hände; alle zünftige und locale Gebundenheit hatte aufgehört; jeder Grosse und jede Kirchenverwaltung verlangten für ihre Gebäude einen monumentalen Schmuck von oft ungeheurem Umfang und in grossem Styl. Aufgaben, zu welchen eben Rafael und Michelangelo mit Aufwand aller ihrer Kräfte hingereicht hatten, gelangten jetzt bisweilen an den Ersten Besten, wurden auch wohl das Ziel, nach welchem Ehrgeiz und Intrigue um die Wette rannten.

Den wahren Höhegrad des jetzt zur Mode gewordenen Kunstsinnes sahen die klügern Künstler ihren Gönnern sehr bald ab. Sie bemerkten, dass die Herren vor Allem rasch und billig bedient sein wollten und richteten sich auf Schnelligkeit und die derselben angemessenen Preise ein. Sie sahen auch recht wohl, dass man an Michelangelo weniger das Grosse, als die phantastische Willkür und ganz bestimmte Äusserlichkeiten bewunderte und machten ihm nun dieselben nach wo es passte und wo nicht. Ihre Malerei wird eine Darstellung von Effekten ohne Ursachen, von Bewegungen und Muskelanstrengungen ohne Nothwendigkeit. Endlich richteten sie sich auf Das ein, was die meisten Leute von jeher in der Malerei vorzüglich geschätzt haben: auf Vieles, auf Glänzendes und auf Natürliches. Dem Vielen genügten sie durch Vollpfropfen der Gemälde mit Figuren, auch mit ganz müssigen und störenden; dem Glänzenden durch ein Colorit, das man ja nicht nach dem jetzigen Zustande der meisten betreffenden Bilder beurtheilen darf, indem ehemals eine freundliche Farbe mit hell oder changeant aufgetragenen Lichtern neben der andern sass. Das Natürliche endlich wurde theils durch grundprosaische Auffassung und Wirklichmachung des Vorganges, theils durch ganz naturalistische Behandlung einzelner Theile erreicht, welche dann neben dem übrigen Bombast beträchtlich absticht. – Der grösste Jammer aber ist, dass manche der betreffenden Künstler, sobald sie nur wollten oder durften, den echten Naturalismus und selbst ein harmonisches Colorit besassen, wie namentlich ihre Bildnisse beweisen.

Eine Zeitlang verlangte die Mode lauter Gegenstücke zum jüngsten Gericht, und es entstanden jene Gewimmel nackter (oder enggekleideter) Figuren, die in allen möglichen und unmöglichen Stellungen auf einem Raum, der sie nicht zum dritten Theil beherbergen [996] könnte, durcheinander stürzen. Gemässigt, räumlich denkbar und zum Theil edel ist von diesen Bildern am ehesten Daniel da Volterra's Kindermord (Uffizien in Florenz) zu nennen, und bei Bronzino's „Christus in der Vorhölle“ 1) wird man wenigstens den Müssiggang und die Überfülle so vieler gewissenhaft studirter nackter Form beklagen; anderes der Art ist aber vollkommen unleidlich, zumal durch Vermischung mit Reminiscenzen aus dem jüngsten Gerichte selbst. – So insgemein die Stürze der Verdammten, die Hinrichtungen der 40 Märtyrer 2), die Marter des heil. Laurentius (grosses Fresco Bronzino's im linken Seitenschiff von S. Lorenzo in Florenz), die Darstellungen der ehernen Schlange, u. A. m. Auch der Bildhauer Bandinelli concurrirte und liess Paradiesbilder nach seinen Entwürfen malen (Pal. Pitti).

In der Folge bekam die grosse und freche Improvisation historischer, sowohl biblischer als profaner Gegenstände einen wahren Schwung. Man malte Alles was verlangt wurde und versetzte das Historische mit Allegorie und Mythologie ohne alles Mass. Vasari (1512–1574), bei grosser Begabung beständig bemüht, dem Geschmack seiner Leute zuvorzukommen, in der Ausführung so sauber und ordentlich als man bei gewissenloser Schnellproduction sein kann, tritt wenigstens die einfachsten Gesetze der Kunst noch nicht geflissentlich mit Füssen (Fresken in der Sala regia des Vaticans; Gastmahl des Ahasverus in der Academie zu Arezzo; Abendmahl in S. Croce zu Florenz, Cap. del Sagramento; andere Bilder in ders. Kirche, die unter seiner Aufsicht ihre meisten jetzigen Altargemälde erhielt; Mehreres in S. Maria novella; sehr gedankenlos die zahllosen Malereien im grossen Saale des Pal. vecchio). – Auch sein Genosse Francesco Salviati (1510–1563) hat bei aller öden Manier (Fresken der Sala d'Udienza im Pal. vecchio) noch einen gewissen Schönheitssinn, der [997] ihn vom Schlimmsten zurückhält. – Ganz im Argen liegen erst die Brüder Zuccaro, Taddeo (1529–1566) und Federigo (st. 1609), indem sie den grössten systematischen Hochmuth mit einer bei ihrer Bildung wahrhaft gewissenlosen Formliederlichkeit verbinden. Erträglich und bisweilen überraschend durch Züge grossen Talentes in ihren Darstellungen der Zeitgeschichte (vordere Säle im Pal. Farnese zu Rom; Sala regia des Vaticans; Schloss Caprarola mit der farnesischen Hausgeschichte) werden sie in ihren unergründlichen (weil literarisch erarbeiteten) Allegorien (Casa Bartholdy in Rom, und Domkuppel zu Florenz) komisch bedauernswerth. – Ein anderer grosser Entrepreneur, hauptsächlich für Rom und Neapel, war in der spätern Zeit des XVI. Jahrh. der Cavaliere d'Arpino (eigentl. Giuseppe Cesari, geb. um 1560, st. 1640); nicht barock, aber mit einer seelenlosen allgemeinen Schönheit oder Eleganz behaftet, die nur selten (Cap. Olgiati in S. Prassede zu Rom; Zwickelbilder der Cap. Pauls V in S. Maria maggiore) einer edlern Wärme Platz macht. – Die Mitstrebenden dieser vielbewunderten Meister haben vorzüglich in Rom eine unglaubliche Menge von Fresken hinterlassen. – Von dem ältern Tempesta und Roncalli dalle Pomarance rühren z. B. die vielen grässlichen Marterbilder in S. Stefano rotondo her, merkwürdig als Beleg dessen, was die Kunst sich wieder von Tendenzgegenständen musste aufbürden lassen, seitdem sie sich selbst erniedrigt hatte. – Von Circignani-Pomarancio, Paris Nogari, Baglioni, Baldassare Croce (die 2 grossen Seitenbilder in S. Susanna) enthält fast jede Kirche die alt genug ist, irgend etwas, das man nur sieht um es baldigst wieder zu vergessen. Denn was nicht empfunden ist, kann auch nicht nachempfunden werden und prägt sich dem Gedächtniss nur äusserlich und mit Mühe ein. Bisweilen entschädigt der mehr decorative Theil, z. B. Füll- und Tragefiguren, den Sinn einigermassen.

In Neapel ist einer der besten Manieristen dieser Zeit Simone Papa d. jüng. (Fresken im Chor von S. Maria la nuova). Auch der stets rüstige, oft wüste Improvisator Belisario Corenzio (überall); der ältere Santafede (Deckenbild in S. Maria la nuova, andere Deckenbilder von ihm und der ganzen Schule besonders im Dom); der jüngere Santafede (Auferstehung in der Capelle des Monte di Pietà, gegenüber der Assunta des Ippolito Borghese, beides Hauptbilder); [998] Imparato (Dom und S. M. la nuova) u. a. geben zusammen das Bild einer zwar entarteten, aber von der michelangelesken Nachahmung nur wenig angesteckten Schule; es fehlt zwar im Componiren an Mässigung und im Ganzen an höherm Geist, allein auch die falsche Bravour fehlt, und die Verwilderung ist keine so unwürdige wie in Rom und anderwärts. Arpino, der eigentlich mit in diese Reihe gehört, machte sich es nur zu leicht. – Der einzige Michelangelist, Marco da Siena, kam von aussen. Seine Bilder im Museum sind meist äusserst widrig; die angenehmern Seiten, namentlich ein brillan- tes Colorit, entwickelt er in dem „ungläubigen Thomas“ (Dom, 2. Cap. links) und in der Taufe Christi (S. Domenico maggiore, 4. Cap. r.). (Cola della Matrice malte noch um 1550 in der Art des XV. Jahrh.; ein Bild in der Galerie des Capitols.)

 

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Ehe wir den Apennin überschreiten, ist es auch in Betreff der bis jetzt Genannten und einiger ihrer Zeitgenossen eine Forderung der Billigkeit, der guten und selbst sehr vorzüglichen Leistungen zu gedenken. Dieselben beginnen da wo der falsche Pompstyl aufhört.

Von der florentinischen Schule, hauptsächlich von den grossen Porträtmalern 3) Bronzino und Pontormo ging fortwährend ein belebender Strahl nach dieser Richtung aus. Die Bildnisse Vasari's (sein Haus 4) in Arezzo; Uffizien und Academie in Florenz) und der beiden Zuccaro (Pal. Pitti und ein Zimmer in Casa Bartholdy zu Rom, wo die sämmtlichen Mitglieder der Familie in Lunetten al fresco gemalt sind) sind in der Auffassung fast ganz naiv und in der Ausführung wahr. Dem Federigo gelingt auch auf dem idealen Gebiet [999] etwa ein phantastisch schöner Wurf (der todte Christus, von Fackelhaltenden Engeln beweint, im Pal. Borghese zu Rom), natürlich nur in sehr bedingter Weise. Santi di Tito ist sogar als Historienmaler in dieser Zeit fast ohne Affektation, ja ein einfacher Mensch geblieben. (Mehrere Altarblätter bes. in S. Croce zu Florenz; der Engelreigen über dem Hauptportal im Dom etc.; der 1. Altar in S. Marco rechts; Antheil an den Lunetten des grossen Klosterhofes bei S. Maria novella etc.). Wir werden an diesen Namen wieder anknüpfen müssen bei der Herstellung der florentin. Malerschule, welche nach den bösen Jahrzehnden 1550–1580 beginnt. Unter den Römern ist Pasquale Cati von Jesi (grosses Fresco in S. Lorenzo in Panisperna zu Rom) gewissermassen ein naiver Michelangelist, Siciolante da Sermoneta (Christi Geburt, in S. Maria della Pace zu Rom; Taufe Chlodwigs, in S. Luigi, 4. Cap. rechts) ebenfalls innerlich wahr und gemässigt. Dann arbeitete in Rom der aus obiger napolitanischer Reihe stammende Scipione Gaetano, dem es in seiner Beschränktheit immer ein solcher Ernst ist, dass eine Anzahl ganz vortrefflich naiver, wenn auch etwas harter Porträts zu Stande kamen (vatican. Biblioth.; Pal. Colonna etc.). In idealen Gegenständen (heil. Familie, Pal. Borghese; Vermählung der heil. Catharina, Pal. Doria; Mariä Himmelfahrt, linkes Querschiff von S. Silvestro di Monte cavallo) ist er nach Vorzügen und Mängeln seiner heimischen Schule verwandt und erfreut durch ein saftiges Colorit.

Sogar eine ganze Schule, diejenige von Siena, ist vorherrschend wahr und lebendig geblieben; ein nobler Naturalismus, der seinen Anhalt an Andrea del Sarto und Sodoma sucht, beseelt die bessern Werke eines Francesco Vanni (1565–1609; in S. Domenico zu Siena alles was in der Catharinencapelle nicht dem Sodoma angehört; in S. M. di Carignano zu Genua, Alt. r. neben d. Chor, die letzte Communion der heil. Magdalena, etc.), eines Arcangelo und Ventura Salimbeni (Fresken im Chor des Domes von Siena mit den Geschichten der heil. Catharina und eines heil. Bischofs; im Unterraum von S. Caterina das 2. Bild, r.), eines Domenico Manetti, u. A. m.

Viele der genannten Maler verschiedener Schulen waren mehr oder weniger influenzirt von einem merkwürdigen, meist abseits in seiner Heimath Urbino lebenden Meister, Federigo Baroccio [1000] (1528–1612). Seine geschichtliche Bedeutung liegt darin, dass er die Auffassungsweise Coreggio's, als dessen eigene parmesanische Schule sie aufgegeben hatte, bis zum Auftreten der Bologneser fast allein mit Eifer vertrat; freilich genügte seine Begabung dazu keinesweges ganz, und neben echtem Naturalismus und einer wahren Begeisterung für sinnliche Schönheit muss man sich mancherlei affectirte Mienen und Geberden, glasartige Farben, und ein hektisches Roth an den beleuchteten Stellen der Carnation gefallen lassen. Das schönste Bild, so ich von ihm kenne, ist der Crucifixus mit Engeln, S. Sebastian, Johannes und Maria, im Dom von Genua (Cap. rechts vom Chor); – das fleissigste und grösste die „Madonna als Fürsprecherin der Kinder und Armen,“ in den Uffizien, mit vortrefflichen genrearti- gen Partien; – das „Noli me tangere“ in der Gal. Corsini zu Rom und (kleiner) in den Uffizien hat ebenfalls noch eine wahre Naivetät. – Wogegen die meisten Bilder in der vatican. Galerie und die übrigen in den Uffizien zu den affectirtern gehören; in dem Porträt des Herzogs Guidobaldo II von Urbino konnte gerade B. die kleinliche Hübschheit und den kriegerischen Aufputz gut wiedergeben. (Uff. und bei Ca- muccini in Rom.) – Grosse bewegte Kreuzabnahme im Dom von Perugia (rechts). – Die neuflorentinische Schule, von welcher unten die Rede sein wird, schloss sich wesentlich an Baroccio an.

In Genua war der Manierismus schon bei den Schülern des Perin del Vaga in vollem Gange. Giov. Batt. Castello, Calvi, die jüngern Semini, auch der etwas bessere Lazzaro Tavarone geriethen ob dem beständigen Fassadenmalen (S. 293) in eine wahre Verstockung; sie bilden einen ganz besonders ungeniessbaren Ableger der römischen Schule. – Ihnen gegenüber stand der einsame Luca Cambiaso (1527–1580 od. 85) der aus eigenen Kräften, ohne Moretto und Paolo Veronese zu kennen, ein ähnliches Resultat erreichte: einen gemüthlich veredelten Naturalismus, der auch für den Ausdruck des höhern Seelenlebens ein würdiges Gefäss sein konnte. Sein stets gedämpftes Colorit ist harmonisch und klar; erst in der spätern Zeit, da auch seine Naivetät erlahmte, wird es dumpfer. Seine Madonna ist eine echte, liebenswürdige Genueserin ohne ideale Form, das Kind immer naiv und schön bewegt, die Heiligen voll innigsten Ausdruckes; Altarbilder dieser Art sind in der Regel ein Stück Familienscene, heiter [1001] ohne Muthwillen. (Dom von Genua: Altar des rechten Querschiffes: Madonna mit Heiligen; Cap. links vom Chor: sechs Bilder; 3. Alt. r.: S. Gothardus mit Aposteln und Donatoren. – Pal. Adorno: Madonna im Freien sitzend mit 2 Heiligen. – Uffizien: Madonna als junge Mutter sich auf das Kind niederneigend.) – Seine ganze Kraft aber hat C. zusammengenommen in der grossen Grablegung (S. M. di Carignano, Altar links unter der hintern linken Nebenkuppel). Ruhig, ohne alles wilde Pathos, ohne Überfüllung, entwickelt sich der Moment in edeln, energischen Gestalten von tiefinnerlichem Ausdruck; eine frische Oase in der Epoche der Bravour und der Süsslichkeit. – In bewegten Scenen kann der Meister schon wegen des mangelnden Raumgefühls nicht genügen; zudem sind dieselben meist aus seiner spätern Zeit. (Drei Bilder im Chor von S. Giorgio; – Transfiguration und Auferstehung in S. Bartolommeo degli Armeni.) – Seine mythologischen u. a. decorativen Malereien in den Hallen genuesischer Paläste und in S. Matteo (die Putten an den Gewölben) stehen wenigstens um ein Beträchtliches höher als die Arbeiten der Schulgenossen; zwei mytholog. Bilder im Pal. Borghese zu Rom. Von der schön gebauten Gruppe der Caritas (Berliner Museum) eine Copie von der Hand des Capuccino im Pal. Brignole zu Genua. – Wer die edle Persönlichkeit des Mannes will kennen lernen, suche im Pal. Spinola (Str. nuova) das Doppelporträt auf, in welchem er, sich selbst malend, vor der Staffelei abgebildet ist.

Im übrigen Oberitalien sind die in diese Zeit fallenden Mitglieder der Malerfamilie Campi von Cremona dem Verfasser nur aus den Bildern der Brera in Mailand bekannt, wonach sie über das Vermögen eines Vasari und Salviati kaum hinauskamen; – Calisto Piazza von Lodi (S. 978) erscheint in den Bildern derselben Sammlung doch nur als ein edlerer Manierist; – unter den Manieristen von Mailand selbst ist Enea Salmeggia, gen. Talpino, immer sorgfältig, bisweilen schön und zart, meist aber zaghaft und kraftlos (Bilder ebenda); – die drei ältern Procaccini dagegen, Ercole geb. 1520, Camillo geb. 1546, Giulio Cesare geb. 1548, höchst resolut, im Einzelnen brillant, im Ganzen wild überladen; sie bilden den Übergang zu der mailändischen Schule des XVII. Jahrh., welche mit Ercole Procaccini dem [1002] Jüngern, Nuvolone und den beiden Crespi eine eigenthümliche Vollendung erreicht.

In Ferrara geht die ältere Schule in den Manierismus über mit Bastianino (1532–85), einem schwachen Nachahmer des Michel- angelo; Certosa, Querschiff rechts: die Kreuzerhöhung; – Ateneo: Madonna mit Heiligen, Verkündigung. – Von Dosso's Schülern gehört hieher: Bastarolo (st. 1589); Bilder im Gesù, erster Altar rechts: Verkündigung, erster Altar links: Crucifixus. – Ausserdem der platte Nic. Roselli; Altarbilder der Certosa. – Der begabteste, bisweilen angenehm phantastische Manierist von Ferrara war aber Scarsellino, von welchem in S. Benedetto eine ganze Anzahl von Bildern und in S. Paolo die Fresken fast sämmtlicher Gewölbe herrühren; in der Halbkuppel des Chores eine grosse, interessante Himmelfahrt des Elias in einer Landschaft. In den Uffizien: ein vornehmes Kindbett, etwa der Elisabeth, in der Art des Fr. Franck und M. de Vos. Manches in der Gal. von Modena.

In Bologna ist zunächst die sehr bedeutende Kunstübung merkwürdig, welche von Bagnacavallo und Innocenzo da Imola an quantitativ beträchtlich zunimmt. Erquickliches wird man freilich aus dieser Zeit wenig finden; doch ist den meisten der betreffenden Maler eine saubere Genauigkeit eigen, welche für jede Schule ein werthvolles Erbe heissen darf, weil sie eine gewisse Achtung der Kunst vor sich selber beweist. Es mag genügen, einige der bessern Bilder zu nennen. Von Lorenzo Sabbatini (st. 1577): in der vierten Kirche bei S. Stefano (S. Pietro e Paolo genannt), links neben dem Chor: Madonna mit Heiligen. – Von Bart. Passerotti (st. 1592): in S. Giacomo maggiore, fünfter Altar rechts: thronende Madonna mit fünf Heiligen und Donator. – Von Prospero Fontana (1512–1597): in S. Salvatore das Bild der dritten Cap. rechts; in der Pinacoteca eine gute Grablegung; in S. Giac. magg., sechster Altar rechts, die Wohlthätigkeit des heil. Alexius. – Von seiner Tochter Lavinia ein Bild in der Sacristei von S. Lucia. – Von Dionigi Calvaert aus Antwerpen (st. 1619): ai Servi, vierter Altar rechts, grosses Paradies. – Von Bart. Cesi (1556–1629): Bilder hinten im Chor von S. Domenico, und in S. Giacomo magg., erster Altar links im Chorumgang. – Von den Genannten, sowie von Sammachini, Naldini u. A. [1003] Bilder in der Pinacoteca. (Über Laureti vgl. S. 964.) – Sie alle überragt der schon als Baumeister (S. 347) genannte Pellegrino Tibaldi (1527–1591), welchen die Caracci als den wahren Repräsentanten des Überganges von den grossen Meistern auf ihre Epoche anerkannten. Er ist einer von den Wenigen, welche dem emsigen Naturstudium treu blieben und die Formen nicht aus zweiter Hand produciren wollten; seine Fresken im untern Saal der Universität enthalten u. a. jene vier nackten, auf bekränzten Balustraden sitzenden Füllfiguren, deren Trefflichkeit neben den mythologischen Hauptbildern wunderbar absticht; – das grosse Fresco in S. Giacomo maggiore aber (Cap. am rechten Querschiff) ist auch in der Verwirklichung eines bedeutenden symbolischen Gedankens („Viele sind berufen, Wenige auserwählet“) beinahe grossartig zu nennen; von den Fresken in der Remigiuscapelle zu S. Luigi de' Francesi in Rom (vierte Capelle rechts) gehört ihm das schon manierirtere Deckenbild; die Wandbilder mit Chlodwigs Heerzug und Eidschwur sind von Sermoneta und Giac. del Conte.

Für Ravenna ist Luca Longhi zu nennen, der bisweilen noch in der Art der bolognesischen Nachahmer Rafaels (S. 940) an die beste Zeit erinnert, öfter aber sich in's Süsse und Schwache neigt. (Refectorium der Camaldulenser in Ravenna: grosse Hochzeit von Cana.)

 

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1) An dem Bilde desselben Inhaltes im Pal. Colonna zu Rom, welches ebenfalls dem B. zugeschrieben wird, müsste jedenfalls die Jahrzahl 1523 falsch sein, wenn sie sich darauf befindet. Es beruht erst auf dem Weltgericht. – Eher von Marc. Venusti? 

2) Ein Sujet, für welches jener verlorene Carton des Perin del Vaga einen begeisterten Wetteifer geweckt haben muss. – In der Sacramentscapelle zu S. Filippo Neri in Florenz ein Bild der Art von Stradanus. 

3) Bei diesem Anlass mag der bedeutenden Sammlung von Miniaturporträts in Öl gedacht werden, welche zu Florenz theils in den Uffizien (Säle rechts von der Tribuna) theils im Pal. Pitti (Durchgang zu den hintern Zimmern der Galerie) immer mehrere zusammen eingerahmt sich vorfinden. Sie geben eine reiche Übersicht dieser ganzen Kunstgattung für die Zeit von 1550 bis 1650. Es lassen sich Deutsche und Venezianer des XVI. Jahrh., Niederländer und Florentiner des XVII. Jahrh. wohl ausscheiden von der dabei am meisten vertretenen Richtung des Bronzino und Scipione Gaetano. – Eine kleine Sammlung auch im Pal. Guadagni. 

4) Jetzt Casa Montauti.