Jacob Burckhardt
1818 - 1897
Der Cicerone
Malerei
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Romanische Malerei.
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Altlangobardische Kunstübung – Fresken und Mosaiken von Rom – Parma – Toscana. Guido da Siena – Giunta Pisano. Florentiner – Cimabue – Duccio. Römer – Neapel
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Wie in der Architektur und Sculptur, so beginnt auch in der Malerei mit dem zweiten Jahrtausend eine neue Lebensregung, die sich nach einiger Zeit zu einem Styl gestaltet, welchen wir auch hier den romanischen nennen können. (Vgl. S. 99, 559.) Auch hier findet eine Umbildung des längst missverständlich wiederholten Spätantiken im Geist der neuen Zeit statt.Neben dem in Italien herrschend gewordenen Byzantinismus hatte immer eine verwilderte alteinheimische Kunstübung fortexistirt, hauptsächlich wohl für die Ausschmückung geringerer Kirchen, welche weder Mosaiken noch griechische Künstler bezahlen konnten. Von dieser Kunstübung, welche man im Gegensatz gegen die byzantinische etwa als eine altlangobardische benennen mag, geht nun die Neuerung aus. Das frühste namhafte Denkmal sind die Wandmalereien meist legendarischen Inhaltes in dem vermeintlichen Bacchustempel (S. Urbano, vgl. S. 29) bei Rom, angeblich vom Jahr 1011. Das Hauptkennzeichen des neuen Styles, die lebhafte Bewegung und die gleichsam mit Anstrengung sprechende Geberde, ist hier schon deutlich vorhanden. Trotz aller Ärmlichkeit der Ausführung erwacht doch die Theilnahme des Beschauers; die Kunst improvisirt wieder einmal nach den langen Jahrhunderten des Wiederholens und Combinirens. Natürlich mischt sich angelerntes Byzantinisches auch in diese harmlos erzählende Wandmalerei, und ein paar spätere Arbeiten (die Fresken der Vorhalle von S. Lorenzo fuori, – und diejenigen der Capelle S. Silvestro am Vorhof von SS. Quattro coronati, beide vom Anfang des XIII. Jahrh.) unterliegen sogar wieder einer mehr byzantisirenden Manier. Allein der neue Antrieb war inzwischen schon genug erstarkt, um auch in die monumentale Mosaikmalerei einzudringen. In [741] S. Maria in Trastevere enthält die Halbkuppel der Tribuna und die umgebende Wand das erste Hauptwerk des romanischen Styles in Italien (1139–1153); bei aller Roheit der Formen begrüsst man doch gerne die neuen Motive, ja das beginnende individuelle Leben; Christus und Maria zusammen thronend, sein Arm auf ihrer Schulter – diess ist auch im Gedanken unbyzantinisch. (Aus ders. Zeit: oben an der Fassade die Jungfrau mit acht Märtyrinnen und zwei andern heil. Frauen; – aus dem Anfang des XIV. Jahrh. und zwar von Pietro Cavallini: die Einzelbilder aus der Geschichte Christi im untern Theil der Tribuna.) – Auch das Chormosaik von S. Clemente (vor 1150) ist im Figürlichen schon ganz romanisch; das Rankenwerk in der Halbkuppel ahmt jenes prächtige lateranensische Ornament (S. 89) nur in andern Farben und mit Zuthat vieler kleiner Figuren nach.Allein aus geschichtlichen Ursachen oder weil der rechte Künstler noch nicht gekommen war, blieb diese neue römische Richtung einstweilen ohne bedeutende Folge. Den einzigen Kunstaufschwung welcher einigermassen für die Zeit Innocenz III und seiner nächsten Nachfolger in Anspruch genommen werden kann, haben wir oben (S. 97, 98) in den bessern Cosmatenbauten erkannt. Die Malerei schreitet durchaus nicht vorwärts. Rückfälle in den Byzantinismus zeigen sich z. B. in der Detailausführung des grossen Nischenmosaiks in S. Paul (seit 1216), welches als eine neue Redaction des im V. Jahrh. dort angebrachten erscheint 1); – ebenso in jenen soeben S. 740 genannten Wandmalereien. – Die Mosaiken zweier kleinen Nischen in S. Costanza (1254–1261) sind so roh und geringfügig, dass auf ihren Styl nicht viel ankömmt. – An dem Mosaik der Fassade des Domes von Spoleto, welches 1207 von einem Maler Solsernus verfertigt wurde, verbindet sich wenigstens der byzantinische Styl mit einer gewissen Freiheit und Würde, zumal in den Geberden der Maria und des Johannes; Christus hat die jugendliche Bildung wieder erlangt, welche bei den Byzantinern einer Greisenfigur hatte weichen müssen. [742]Je nach den Gegenden hatte der Kampf der beiden Style einen ganz verschiedenen Verlauf. In Venedig tritt der romanische, wie wir sahen, glänzend auf in den Mosaiken der Vorhalle der Marcuskirche, doch nur um ebenfalls byzantinischen Rückfällen Platz zu machen. In Parma enthält das Baptisterium in seinen sämmtlichen Fresken (mit Ausnahme der untern, welche unbedeutend giottesk sind) eine der wichtigsten Urkunden des romanischen Styles; von verschiedenen Händen der ersten Hälfte des XIII. Jahrh. ausgeführt, zeigen sie besonders in den erzählenden Theilen, am Rand der Kuppel, das Eilige und Bewegte, die leidenschaftliche Geberde, welche jenem noch keines physiognomischen Ausdruckes fähigen Styl damals eigen ist. – Einzelne meist ruhige Heiligenfiguren in Fresco, verschieden gemischt aus beiden Stylen, findet man an der Fassade des Domes von Reggio (XII. oder XIII. Jahrh.), – an den Wänden von S. Zeno in Verona (XII. Jahrh., hinter halb abgefallenen Malereien des XIV. Jahrh. hervorschauend), – in der Vorhalle von S. Ambrogio zu Mailand (aus verschiedenen Zeiten), u. a. a. O.
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Bevor von Toscana die Rede ist, fassen wir noch einmal diese Kunstzustände ins Auge wie sie vermuthlich sich entwickelten. Ein jugendlicher Styl, der Vieles zu erzählen hätte, des Ausdruckes aber nur in beschränktester Weise mächtig ist, taucht neben dem rituell geheiligten Styl auf. Er ist noch nicht auf das Schöne und Holdselige gerichtet, aber er empfindet auch keine Verpflichtung auf das Morose und Ascetische; fast absichtslos gestaltet er seine Figuren jugendlich. Ebensowenig ist für ihn ein Grund vorhanden, in der bekannten Aufeinanderfolge byzantinischer Stellungen und Gewandmotive, in den bestimmten Typen heiliger Geschichten u. s. w. eine absonderliche Heiligkeit anzuerkennen; er giebt Alles nach seinen eigenen Antrieben und schafft dabei von sich aus naturgemässere Stellungen, rundfliessende Gewandung, neue hastige Züge des Lebens. Man lässt ihn an dieser und jener Kirchenwand mit seinen paar Leimfarben gewähren. Aber die Mosaicisten, welche ihre Technik und den byzantinischen Styl für unzertrennlich halten mochten, müssen es eines Tages erleben, dass der neue Styl sich einer der römischen Patriarchalkirchen [743] bemächtigt und ebenfalls in Mosaik zu arbeiten anfängt. Von da an scheint ein wahrer Kampf begonnen zu haben; die byzantinisch Gesinnten behaupten theils mit aller Macht ihren Schlendrian, theils nehmen sie den neuen Styl in die Lehre, vermischen ihn mit dem ihrigen, suchen ihm seine wahre kecke Physiognomie zu nehmen. In den genannten Werken von Parma und Venedig taucht er ungebändigt wieder empor, allein daneben behauptet sich auch der Byzantinismus, sowohl in seiner schroffen Gestalt als auch mit einzelnen Concessionen; sein völliger Sturz tritt erst durch die Schule Giotto's ein. Was ihn so lange aufrecht hielt war wesentlich seine Verbindung mit der vornehmsten, heiligsten Gattung der Malerei, mit dem Mosaik. Erst als dieses selber zwar nicht seine Fortdauer aber doch seine Herrschaft unwiederbringlich einbüsste, als ganz Italien sich an Fresken zu begeistern im Stande war, – da erstarb auch der byzantinische Styl.
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In Toscana besass er gerade zu Anfang des XIII. Jahrh., als die höhere Blüthe des Landes (Pisa ausgenommen) erst begann, das unläugbare Übergewicht. Das Verdienst der toscanischen Maler der nächstfolgenden Zeit, mit welchen man einst nach Vasari's Vorgang die Kunstgeschichten zu beginnen pflegte, bestand auch nicht sowohl in einem sofortigen Umsturz dieses Styles, als in einer neuen Belebung desselben; innerhalb der byzantinischen Gesammtauffassung wird das Einzelne freier, lebendiger und schöner, bis endlich die Hülle völlig gesprengt ist.Diess gilt zunächst von Guido da Siena. Auch in seiner Vaterstadt herrschte noch der Byzantinismus, wie die ältesten Werke der dortigen Academie beweisen. (Mit Ausnahme etwa des oben S. 556 erwähnten Altarvorsatzes vom Jahr 1215, welcher eine rohe romanische Arbeit ist.) Allein Guido's grosse Madonna vom Jahr 1221 in S. Domenico (2. Cap. links vom Chor) zeigt innerhalb der rituellen byzant. Anlage nicht nur einen Anfang von Lieblichkeit, sondern auch, namentlich in der Stellung des Kindes, ein Gefühl für Linien und eine lebendige Zeichnung. Die Madonna des Diotisalvi in der Concezione (oder ai Servi, rechts), volle 60 Jahre jünger, ist nicht nur [744] von derjenigen Guido's abhängig, sondern ein Rückschritt ins Rohe und Starre.Von einem Zeitgenossen Guido's, von Giunta Pisano, ist beinahe unnütz zu sprechen, da die ihm zugeschriebenen Fresken in der Oberkirche von Assisi leider so viel als erloschen sind. Es war darunter jene phantastische Scene des Simon Magus, der von den Dämonen in der Luft herumgezerrt wird; einzelne byzantinische Miniaturen enthalten Ähnliches, hier aber war, alten Abbildungen zufolge, den Dämonen zum erstenmal Leidenschaft und rechte momentane Gewalt gegeben. (1848 sah ich von diesem Fresco nur noch einen matten Schimmer.) Die 5 Halbfiguren von Heiligen in der Academie zu Pisa tragen Giunta's Namen kaum mit Recht; der Crucifixus in S. Ranieri ebenda ist kaum sichtbar. Eine kenntliche Parallele zu dem Streben des grossen Bildhauers Niccolò Pisano (S. 563) bieten die erhaltenen pisanischen Malereien nicht dar.In Florenz war die Ausschmückung des Baptisteriums die Hauptaufgabe für die erste Hälfte des XIII. Jahrh. und noch für Jahrzehnte weiter. Die Chornische, seit 1225 von einem Mönch Jacobus mosaicirt, enthält eine vorzüglich bedeutende Neuerung; kniende Figuren auf korinthischen Capitälen sind als Träger des Mittelbildes angewandt, einer der frühsten rein künstlerischen Gedanken, denn wenn diese Träger auch einen symbolischen Sinn haben mögen, so functioniren sie doch hauptsächlich der bessern Raumvertheilung zu Liebe, von der die byzantinische Kunst, im ausschliesslichen Dienst der Tendenz, gar keine Notiz genommen hatte; sie sind die Urväter der Trag- und Füllfiguren der Sistina. Im Kuppelraum selbst ist der grosse Christus von dem Florentiner Andrea Tafi (1213–1294) innerhalb der byzant. Umrisse eine sehr bedeutende, neu und würdig belebte Gestalt. Die concentrischen Streifen mit biblischen Geschichten und Engelchören, welche den Rest der Kuppel einnehmen, verrathen vier bis fünf verschiedene Hände; einiges ist rein byzantinisch und darf wohl am ehesten dem Griechen Apollonius zugeschrieben werden, welcher aus Venedig herübergekommen war; anderes ist rein romanisch und erinnert an das Baptisterium von Parma; wieder anderes ist von gemischtem Styl. Ausserdem lernt hier die Mosaikmalerei der Architektur dienen an Friesen, Balustraden u. a. Bautheilen. [745]In die Zeit der Crisis, welche sich an diesem Denkmal verewigt, fiel nun die Jugend des Florentiners Cimabue (1240? bis nach 1300). Von einem durchgehenden Gegensatz gegen die Byzantiner ist gerade bei ihm am wenigsten die Rede; noch in seinem letzten grossen Werk, dem Christus zwischen Maria und Johannes d. T. in der Halbkuppel des Domchores von Pisa, fügte er sich fast ganz der gewohnten Auffassung. Allein innerhalb dieser Schranken fängt Schönheit und Leben sich zu regen an. Seine zwei grossen Madonnenbilder machten Epoche in der christlichen Kunst. Das eine, jetzt in der Academie zu Florenz, erreicht zwar in der freien und geschickten Schiebung der Hauptfiguren nicht einmal den Guido von Siena, aber es zeigt hauptsächlich in den Köpfen der Engel, dass der Meister von den Ursachen und Elementen menschlicher Anmuth schon ein klares Bewusstsein hatte. Das andere, in S. Maria novella (Cap. Ruccellai, am rechten Querschiff) ist ungleich vorzüglicher und unbefangener; hier erwacht bereits ein eigentlicher Natursinn, der sich mit conventioneller Bezeichnung eines abgeschlossenen Kreises von Dingen nie mehr zufrieden geben wird. – Aber sein ganzes Können offenbarte C. erst in den Fresken der Oberkirche S. Francesco zu Assisi. Leider sind dieselben sehr zerstört, so dass jedes einzelne Bild eine besondere Anstrengung der Phantasie verlangt. Der erste und letzte genauere Berichterstatter (Carl Witte, im Kunstblatt 1821, Nr. 40–46) muss sie noch in besserm Zustande gesehen haben. Er unterscheidet: 1) Anonyme Malereien byzantinischen Styles (welchem sie indess nach seiner Schilderung schwerlich entsprechen) über der Galerie in beiden Armen des Querschiffes. 2) Die oben erwähnten Arbeiten des Giunta Pisano, Geschichten der Jungfrau und der Apostel im Chor und Querschiff, nebst einer Kreuzigung im südlichen Arme des letztern. (Alles kenntlich an dem durchgängig schwarz gewordenen Bleiweiss.) 3) Eine ebenfalls sonst dem Giunta beigelegte, aber eher dem Cimabue gehörende Kreuzigung im nördlichen Arme. 4) Von den Kreuzgewölben des Langhauses enthält das dritte vom Portal an gerechnet noch die oben (S. 130) erwähnte Malerei Cimabue's, deren decorative Anordnung (Rundbilder Christi, der Maria und zweier Heiligen, auf Engel vom Victorientypus gestützt, mit Festons eingefasst, die aus Gefässen hervorwachsen, welche von nackten Genien getragen werden) bereits [746] weit über jenen ersten Versuch des Jacobus (S. 744) hinausgeht. Das erste Kreuzgewölbe vom Portal an, mit den vier Kirchenvätern, die ihren Schreibern dictiren, schien mir (1848) so erneut, dass ich keinen alten Maler hätte dafür verantwortlich machen mögen; doch kam dem Obengenannten auch 1821 die Farbe hier vorzüglich frisch erhalten“ vor; der Tradition nach ebenfalls von Cimabue. Im mittlern Kreuzgewölbe über dem Altar sind von demselben die vier Evangelisten gemalt, jeder sitzend schreibend, gegen eine thurmreiche Stadt geneigt, noch ziemlich ungeschickt byzantinisirend. (So lauten meine allerdings nicht an Ort und Stelle gemachten Notizen von 1848; der Obengenannte will diese Figuren schon 1821 nicht mehr vorgefunden haben.) 5) Die obern Wandbilder des ganzen Langhauses mit sechszehn Geschichten des alten und sechszehn des neuen Testamentes, ehemals die Hauptleistung Cimabue's. Aus dem jetzt fast vollendeten Ruin derselben schaut noch hie und da ein energisches, selbst grossartiges Motiv hervor, das uns ahnen lässt, wie der Meister hier sich von den byzantinischen Compositionstypen fast völlig frei gemacht, wie er die Momente neu und lebendig entwickelt, die Gruppirung zur bedeutungsvollen Mitwirkung herbei gezogen habe; das Detail als solches ist noch nicht individuell belebt, die Köpfe noch ohne den Ausdruck des Augenblickes. 6) Die untern Wandbilder des Langhauses mit den Geschichten des heil. Franz, Werke verschiedener Giottesken des XIV. Jahrh., mit einem byzantinischen Nachklang; wahrscheinlich unter dem Einfluss von Giotto's Compositionen desselben Inhaltes (an den Sacristeischränken von S. Croce in Florenz, jetzt in der dortigen Academie) entstanden; von Rumohr dem Parri Spinello zugeschrieben.Die Umgebung Cimabue's war in der Anerkennung des Neuen, welches er repräsentirte, getheilter Ansicht. Der unbekannte Verfertiger des Tribunenmosaiks von S. Miniato bei Florenz (1297?) zeigt sich als verstockten Byzantiner; das Erwachen des Natursinns beschränkt sich auf die Thierfiguren, welche den grünen Wiesenboden seines Bildes bevölkern. – Dagegen verräth Gaddo Gaddis Lunette mit Mariä Krönung innen über dem Hauptportal des Domes trotz der vollen byzantinischen Prachttechnik den tiefen Eindruck, welchen Cimabue's Madonnen hervorgebracht hatten. – Schon mehr gegen [747] Giotto's Art neigen die Mosaiken der Querschifftribunen im Dom von Pisa. (Verkündigung und Madonna mit Engeln.)
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Um dieselbe Zeit offenbart auch die Schule von Siena ihre künftige Richtung.Gleichzeitig mit Diotisalvi trat hier Duccio auf, von welchem das grosse Altarwerk (1310–1311) herrührt, dass jetzt getrennt im Dom (an beiden Enden des Querschiffes) aufgestellt ist; links die Madonna mit Engeln und Heiligen, rechts die Geschichten Christi auf vielen kleinern Feldern 1). Wenn die Hervorbringung des Einzelschönen das höchste Ziel der Malerei wäre, so hätte Duccio das XIII. und das XIV. Jahrhundert, selbst Orcagna nicht ausgenommen, überholt. Es muss ihn sehr beglückt haben, als er vor seinen erstaunten Zeitgenossen die Schönheit des menschlichen Angesichtes und die abgewogene Anmuth holder Bewegungen und Stellungen aus eigenen Mitteln (nicht nach antiken Vorbildern wie Niccolò Pisano) wiederzugeben vermochte. Seine Technik aber ist noch die der Byzantiner und in den geschichtlichen Compositionen hat er, genau betrachtet, mehr die üblichen Motive derselben mit seinem Styl vom Tode auferweckt als neue geschaffen. – Wie viel oder wenig er ausser diesem Altarwerk schuf, immerhin hat er für ein Jahrhundert der Schule seiner Vaterstadt den Ton angegeben.
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In Rom zeigt sich um diese Zeit ein ganz bedeutender und eigenthümlicher Aufschwung, der uns ahnen lässt, dass die Kunstgeschichte eine wesentlich andere Wendung würde genommen haben ohne die Katastrophe, welche den päpstlichen Stuhl für 70 Jahre an die Rhone versetzte. Zwischen 1287 und 1292 fertigte der Mönch Jacobus Toriti die grossen Mosaiken der Altartribunen im Lateran und in S. Maria maggiore. Das erstere ist noch einförmig und zerstreut in der Anordnung, aber im Ausdruck der begeisterten Anbetung schon [748] ganz bedeutend. Das Letztere ist eine der grössten vorgiottesken Leistungen, vorzüglich was die Gruppe im blauen, goldgestirnten Mittelrund betrifft; während Christus die Maria krönt, hebt sie, anbetend und zugleich bescheiden abwehrend, die Hände auf. Zu der schönen, schwungvollen Formenbildung kommt dann noch, hauptsächlich in den an Cimabue erinnernden Engeln, ein wahrhaft holder Ausdruck, und in der Anordnung des Ganzen jene seit Cimabue wieder völlig erweckte hohe decorative Fülle und Freiheit. – Auch an den oben (S. 166) genannten beiden Grabmälern von dem Cosmaten Johannes sind die bescheidenen Mosaiken ebenfalls würdig und anmuthig in gleichem Grade. – Die erzählenden Mosaiken der alten Fassade von S. Maria maggiore (bequem sichtbar in der obern Loggia der neuern), gegen 1300 von Philippus Rusuti verfertigt, sind zwar nicht sehr geistreich erfunden, aber wiederum merkwürdig durch die freie, hier an Pompejanisches erinnernde Vertheilung in eine bauliche Decoration.Während in diesen römischen Arbeiten der Byzantinismus schon nahezu überwunden erscheint, herrscht er aber in Neapel noch weiter. Das schöne Mosaik einer Madonna mit zwei Heiligen in S. Restituta (eine der Cap. links) zeigt diesen Styl (um 1300) in einer ähnlichen edeln Weise belebt wie etwa bei Cimabue. – Von einem Zeitgenossen des letztern, Tommaso degli Stefani (1230–1310), war eine Capelle des Domes (Cap. Minutoli, am rechten Querschiff) ausgemalt; alte und neue Übermalungen haben jedoch dem Werke seinen Charakter völlig genommen.
―――――――― 1) Eine Anzahl kleiner Täfelchen in der Academie gelten als Theile der Predella des Bildes. |